Kauf erleichtern, kritisiert Lintner. Ge- sundheitsminister Geisler liefert ihm die Begründung: „Gesetzliche Verbote können Gefährdete oder Neugierige vom Drogenkonsum abhalten.“
Zu den Kritikern des Modellpro- jekts gehört vor allem die Bundesre- gierung. Bundesinnenminister Man- fred Kanther (CDU) vermutet dahin- ter den ersten Schritt auf dem Weg zur Legalisierung weicher Drogen. Auch Bundesgesundheitsminister Seehofer gilt als Kritiker des Projekts. Doch nicht nur die Mitglieder der Regie- rungsparteien, selbst die Parteifreun- de von Ministerin Moser schießen quer, wie zum Beispiel der nieder- sächsische Innenminister Glogowski.
Bei aller Aufregung übersehen die Kritiker aber eines: Das Projekt soll keineswegs neue Verhältnisse schaffen, sondern die bestehenden untersuchen. „Der Modellversuch wird als Legalisierung und Kapitulati- on vor dem Drogenproblem disquali- fiziert, bevor dessen wissenschaftliche Begründung nachgeliefert werden kann“, bemängelte in der „Woche“
Oberstaatsanwalt Harald Körner, Verfasser des juristischen Kommen- tars zum Betäubungsmittelgesetz.
„Doch ohne Forschung wird die deut- sche Drogenpolitik scheitern.“
Berliner Institut
muß noch genehmigen Ministerin Heide Moser jeden- falls läßt sich von ihren Kritikern nicht beirren. Sie bezeichnet das Modell- projekt als gesundheitspolitisch ver- antwortbar und kriminalpolitisch sinnvoll. Die wissenschaftliche Be- gleitung stelle sicher, daß denkbare Risiken minimiert würden. Zudem seien die gesundheitlichen Schäden durch Cannabismißbrauch geringer als die Folgen intensiven Alkohol- oder Nikotingenusses.
Moser hofft, Mitte 1997 mit dem Haschisch-Verkauf beginnen zu kön- nen. Doch eine hohe Hürde muß sie dazu noch überwinden: Die Genehmi- gung des Versuchs durch das Bun- desinstitut für Arzneimittel und Me- dizinprodukte. Und dessen Dienst- herr ist kein geringerer als Bundesge- sundheitsminister und Projektgegner Horst Seehofer. Alexandra Endres
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P O L I T I K AKTUELL
(18) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 50, 13. Dezember 1996
Neue Erkenntnisse im Bereich der globalen Klimaveränderung (sie- he DÄ, Heft 11/1996) beruhen auf Modellvorstellungen. Diese sollen zum Nachdenken anregen, sie können aber nicht die Bandbreite der „Unsi- cherheitsdiskussion“ erschließen. Wie bei allen Modellen, die prognostische Aussagen ermöglichen, setzen die
Wissenschaftler unterschiedliche Prä- missen an. Dies führt systembedingt zu Aussagen, die Soziologen und Poli- tiker verschieden interpretieren:
¿ Globale Treibhausgasemissio- nen sollten stark reduziert werden, da nachteilige Auswirkungen auf unsere Lebensverhältnisse nicht ausgeschlos- sen werden können. Die Verände- rungsrisiken sind zu groß.
À Da die Phä- nomene nicht si- cher nachweisbar sind, existieren sie unter Umständen nicht. Sehr kost- spielige Maßnah- men können somit unterbleiben.
Im ersten Fall werden die wirt- schaftlichen Ko- sten und die po- litischen Schwie- rigkeiten, Emissio- nen kurzfristig zu reduzieren, außer acht gelassen. Im zweiten Fall reicht der fehlende wis- senschaftliche Be- weis, keine Maß- nahmen zu er- greifen. In bei- den Fällen wird im Entscheidungspro- zeß ignoriert, daß Prognosen eine obere und untere Bandbreite haben.
Aber gerade hier liegen viele „Fuß- angeln“. Entschei- dend ist, daß
sich Unsicherhei- ten der Einzel- modelle summie- ren. Um Politikern Handlungsanwei- sungen zu geben,
Umweltthema im Dezember
Klimamodelle: Prognosen mit großer Bandbreite
Hohe Luftbelastungen mit Indexwerten bis vier traten im „Schwarzen Dreieck“
auf. Die deutsch-polnisch-tschechische-EU-Arbeitsgruppe erwartet in diesem Raum von der Sanierung der Braunkohlekraftwerke eine deutliche Verminde- rung der Luftbelastung, insbesondere der Schwebstaub- und Schwefeldioxidein- träge. Als Entscheidungsgrundlage für weitere Maßnahmen soll die im Septem- ber unterzeichnete Vereinbarung über den Immissionsdatenaustausch dienen.
Luftqualitätskarte Deutschland von November 1996
(Datenbasis: Monatsmaximalwerte)
müssen die Einzelmodelle zu einem
„Gesamtentscheidungsmodell“ zusam- mengefaßt werden. Unwägbarkeiten im Prognoseansatz entstehen dabei zum einen innerhalb eines Modellan- satzes durch die gesetzten Prämissen, die ebenfalls auf Wahrscheinlichkeits- daten basieren; zum anderen entstehen sie durch die Schwankungsbreiten der einzelnen berechneten Modelle unter- einander.
20 Modellansätze Bei zur Zeit etwa 20 verschiede- nen Modellansätzen ist die Gesamt- schwankungsbreite der Ergebnisse recht groß. Um ein solches Ergebnis überhaupt nutzen zu können, haben sich die verschiedenen Klimamodel- lierungsgruppen im „Intergovern- mental Panel on Climatic Change“
(IPCC) organisiert, um wissenschaft- liche Informationen über Klimaände- rungen und die möglichen Folgen zu bewerten und Reaktionsstrategien zu entwickeln. Diese Gruppe formuliert Aussagen wie: „Die Empfindlichkeit der globalen Mitteltemperatur auf eine Kohlendioxidverdoppelung liegt wahrscheinlich nicht außerhalb ei- nes Bereiches von 1,5 bis 4,5 Grad Celsius. Ein Wert von 2,5 Grad Cel- sius wird als der beste Schätzwert er- achtet.“ Dies wirft mehrere Fragen auf:
1. Warum ist gerade der genann- te Schätzwert der beste?
2. Wie kommt es zu dieser Band- breite?
3. Welcher Vorhersage sollte man die größte Aufmerksamkeit schenken?
Im Hinblick auf die Operationali- sierung durch ökonomische und poli- tische Gremien ist es wichtig, wie die- ser Schätzwert zustande kommt. Er suggeriert eine hohe Wahrscheinlich- keit, obwohl er bei den Auswertungen nicht als der beste Wahrschein- lichkeitswert berechnet worden ist.
Denn die Wissenschaftler betonen ausdrücklich, „daß es keinen zwingen- den Hinweis darauf gibt, in welchem Teil dieses Bereiches der korrekte Wert höchstwahrscheinlich auftreten wird“. Politiker meinen aber, auf ei- nen bestimmten Wert angewiesen zu sein, obwohl er nur eine Scheinwahr- heit suggeriert.
In den letzten Jahren sind leider wenig Forschungsgelder für Analysen von Unsicherheitsbandbreiten ver- wandt worden. Eine Einordnung der Ergebnisse in einen größeren ökosy- stemaren Zusammenhang ist aber nur möglich, wenn die Auswirkungen von Unsicherheiten bei den Eingangspa- rametern der Modelle berücksichtigt werden. Aufgrund neuer Erkenntnis- se über klimatische Zusammenhänge sowie verbesserter Rechenverfahren wird es in Zukunft möglich sein, die Unsicherheitsgrenzen einzuen- gen. Trotzdem können immer nur Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Aussagen gegeben werden.
Bei der politischen Entschei- dungsfindung sollte man weder auf- grund unsicherer Vorgaben sofort handeln noch auf einen naturwissen- schaftlichen Nachweis warten. Sicher ist in der gesamten „Unsicherheitsdis- kussion“ lediglich, daß sich zur Zeit Veränderungen in unserem Klimasy- stem abspielen. Relativ sicher (80 Pro- zent Vertrauensintervall) ist auch, daß die oberen und unteren Grenzen die- ser prognostizierten Temperaturver- änderung zwischen 1,5 und 4,5 Grad Celsius liegen. Aus der Verteilungs- kurve läßt sich zudem ermitteln, daß es jeweils nur eine 15prozentige Wahrscheinlichkeit für eine Verände- rung unterhalb von 1,5 Grad oder oberhalb von 4,5 Grad gibt. Unklar ist allerdings, wie sich die Prognosen in Großräumen, wie beispielsweise Mit- teleuropa (gemäßigte Zone), gestal- ten, da hier die Unsicherheitsband- breite für eine Temperaturprognose kaum angegeben werden kann. Somit ist die Frage nach der Validität kon- kreter Daten, die vereinzelt in den Medien auftreten, unsinnig. Festzu- halten ist, daß ein Umdenken in punc- to Energieverbrauch notwendig ist und Klimamodellierungen wichtig sind. Die Ergebnisse müssen jedoch seriös und verständlich an die Bevöl- kerung weitergegeben werden.
Prof. Dr. med. Heyo Eckel Prof. Dr. med. Ulrich Hüttemann Dr. rer. nat. Claus Rink
Rückfragen zur Karte: Georisk GmbH, Schloß Türnich, 50169 Kerpen, Tel 0 22 37/6 12 22
Rückfragen zum Text: Dr. Claus Rink, Fax 0 22 38/45 01 40, e-mail 100526.2351@compuserve.
com, e-mail: Rink. UDS.enviroreport-@t-online.de
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P O L I T I K AKTUELL
(20) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 50, 13. Dezember 1996
Arzneimittelkommission
Neue Therapie- empfehlungen
Nachdem die ersten, Anfang des Jahres als Beilage zum Deutschen Ärzteblatt (Heft 5/1996) erschiene- nen Therapieempfehlungen der Arz- neimittelkommission zu Fettstoff- wechselstörungen auf großes Interes- se gestoßen sind, stellt die Arzneimit- telkommission nunmehr eine weitere Empfehlung vor, auf deren Beachtung in Nr. 14 der Arzneimittelrichtlinien hingewiesen wird: Empfehlungen zur Therapie von Tumorschmerzen.
Die Publikation wurde auf der Ba- sis einer von der Arbeitsgruppe
„Schmerztherapie“ des ärztlichen Sachverständigenbeirates für die Ge- sundheitsversorgung und Krankenver-
sicherung des Bun- desministe- riums für Gesundheit erstellten Leitlinie unter Ein- beziehung von fach- und all- gemeinme- dizinischen Mitgliedern der Arznei- mittelkommission erarbeitet. Da das BMG die Publikation dieser Empfeh- lungen freundlicherweise finanziell un- terstützt, können diese als Beilage der Ausgabe A des Deutschen Ärzte- blattes wiederum allen niedergelasse- nen Kollegen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. In Heft 51–52 (Aus- gabe A) werden die Therapieempfeh- lungen zur Therapie von chronischen Kopfschmerzen erscheinen; Anfang des Jahres 1997 folgen Therapieemp- fehlungen zur Demenz und zu degene- rativen Gelenkerkrankungen.
Darüber hinaus können Interes- senten gegen eine Schutzgebühr von 5 DM zuzüglich Versandkosten je Heft die drei Therapieempfehlungen telefonisch bestellen (Tel 02 21/ 40 04- 5 16, Fax 40 04-5 39). AkdÄ