---Zu dem Beitrag von Dr.
in Heft 20/1992 Michael Krausz
MEDIZIN
Der Artikel stellt in einer guten Zusammenfassung die sozialpsych- iatrische Versorgung in der Schweiz dar, die trotz der von Herrn Krausz beschriebenen Vergleichbarkeiten unserem Land in diesem Bereich weit voraus ist.
Im Abschnitt „Vergleich mit der Bundesrepublik" wäre jedoch eine detailliertere Diskussion darüber notwendig, aus welchen Gründen es bei uns nicht in gleicher Weise gelun- gen ist, derartige Versorgungsstruk- turen aufzubauen. Da diese Gründe ja nicht in mangelndem Wissen über die Effektivität sozialpsychiatrischer Programme liegen können, dürften meines Erachtens in erster Linie strukturelle Unterschiede der Psych- iatrie beider Länder dafür ausschlag- gebend sein. Zwei davon möchte ich kurz erwähnen.
In der Schweiz ist für die psych- iatrische und soziale Versorgung eine politische Ebene, die Kantone, zu- ständig; in Deutschland dagegen die Träger der überörtlichen Sozialhilfe- versorgung (Bezirke, Landeswohl- fahrtsverbände, Landschaftsverbän- de), die der örtlichen Sozialhilfe (Kreise, Gemeinden), die Länder für die Universitäten, die Wohlfahrtsver- bände und die Ärztevertretungen, die aufmerksam darüber wachen, daß das Monopol der Kassenärzte für die ambulante Versorgung nicht aufgeweicht wird. Es wird somit deutlich, daß deswegen hier bei uns viel ausgedehntere Absprachen mit Vertretern unterschiedlicher bis ge- gensätzlicher Interessen erforderlich sind, um sozialpsychiatrische Versor- gungsstrukturen aufzubauen. Nicht zufällig konnte diese Entwicklung in Deutschland am ehesten in den Stadtstaaten, mit viel weniger politi- schen Ebenen, beginnen.
Ein zweiter wesentlicher Unter- schied dürfte darin liegen, daß die schweizerischen psychiatrischen Uni- versitätskliniken in die Pflichtversor- gung eingebunden sind. Dies ist in Deutschland nur in Ausnahmefällen
DISKUSSION
üblich. Bis heute weigern sich deut- sche Ordinarien, ihre Kliniken in die Regelversorgung zu integrieren. Uni- versitätskliniken, die jedoch für Ver- sorgungskrankenhäuser typischen Patienten (chronisch Schizophrene, Verwahrloste, Süchtige, geistig Be- hinderte, geriatrische Patienten) be- treuen müssen, stellen naturgemäß ihre Forschung eher auf diese Klien- tel und ihre Versorgung ab, wie dies in der Schweiz und einigen anderen Ländern, aber auch in entsprechen- den Häusern bei uns zu beobachten ist. Durch untermauernde For- schungsergebnisse sind dann die poli- tischen Gremien leichter zu bewe- gen, die notwendigen Rahmenbedin- gungen zu schaffen und die notwen- digen Gelder bereitzustellen.
Ich denke, ohne eine Verände- rung dieser Strukturen wird es noch lange dauern, bis wir Anschluß an die Schweizer Entwicklung finden.
Dr. Thomas Hegemann Bezirkskrankenhaus Haar Postfach 11 11
W-8013 Haar
Schlußwort
Den Überlegungen von Herrn Dr. Hegemann zu den möglichen Ur-
sachen der unterschiedlichen Ent- wicklungen in der Sozialpsychiatrie der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz, ist aus meiner Sicht größtenteils zu folgen. Es ist aller- dings bei weitem nicht damit getan, daß Universitätskliniken an der sek- torisierten psychiatrischen Versor- gung teilnehmen. Vielmehr ist auch eine explizite wissenschaftliche Wür- digung, zum Beispiel im Rahmen ei- gener sozialpsychiatrischer For- schungsschwerpunkte, notwendig, um entsprechende Therapiepro- gramme zu entwickeln und zu evalu- ieren. Das Soteria-Haus in Bern ist dafür ein besonders gutes Beispiel, indem es vorbildlich gelungen ist, verschiedene Aufgaben der Universi- tätspsychiatrie mit der innovativen Erarbeitung von neuen Behandlungs- programmen zu verbinden. Aber auch die Arbeiten von Herrn Prof.
Brenner in Bern, zum Beispiel Ein- satz verhaltenstherapeutischer Pro- gramme in dem klinischen Alltag, stellen ein gutes Beispiel dar.
Letztlich sei auch auf die Ergeb- nisse des Modellprogrammes Psych- iatrie in der Bundesrepublik hinge- wiesen, in dessen Rahmen wichtige Erfahrungen für eine Verbesserung der Versorgungsstruktur und eine Weiterentwicklung der Sozialpsych- iatrie in unserem Land vorgelegt wurden, die bisher trotz dieser empi- rischen Hinweise nicht die ausrei- chende Beachtung gefunden haben.
Dr. med. Michael Krausz Universitäts-Krankenhaus Eppendorf
Psychiatrische Klinik Martinistraße 52 W-2000 Hamburg 20
Berichtigung
Bei dem Kurzbericht „Maß- nahmen bei nicht entblockba- rem Dauerkatheter", Dt. Ärz- tebi. 90 (1993) A, 1119-1121 (Heft 15), ist die Reihenfolge der Autoren in der Überschrift vertauscht worden. Richtig muß es heißen: Stephan Roth, Lothar Hertle. MWR
Die Entwicklung der
Schweizer Sozialpsychiatrie
Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 18, 7. Mai 1993 (67) A1-1357