Methadon-Standards
Praktische Hinweise
G. Bühringer, M. Gast- par, W. Heinz, K.-A. Kovar, D. Ladewig, D. Naber, K.-L.
Täschner, A. Uchtenhagen, K. Wanke: Methadon-Stan- dards. Vorschläge zur Qua- litätssicherung bei Metha- don-Substitution im Rah- men der Behandlung von Drogenabhängigen, Ferdi- nand Enke Verlag, Stuttgart, 1995, 107 Seiten, kartoniert, 36 DM
Über das angemessene Vorgehen bei Opiat-Abhän- gigen und speziell über das Therapiekonzept der Substi- tution besteht auch unter Ärztinnen/Ärzten noch we- nig Konsens. Um so ver- dienstvoller ist der Versuch einer interdisziplinären Ar- beitsgruppe (sieben der elf Mitglieder sind Ärzte), Leit- linien zur Qualitätssicherung für diesen Versorgungsbe- reich zu erarbeiten. Die Leit- linien geben dem Arzt aus fachlicher Sicht, basierend sowohl auf wissenschaftli- chen Erkenntnissen als auch auf klinischer Erfahrung, zahlreiche praktische Hin- weise. In einem knappen Text, gegliedert in 71 Stan- dards, werden Aussagen zu Behandlungsgrundsätzen, zu den organisatorischen und personellen Voraussetzun- gen, zur diagnostischen Ab- klärung, zur Indikation, zur Durchführung und zu so- zialen und psychothera- peutischen Maßnahmen ge- macht.
Die Autoren der „Metha- don-Standards“ verstehen die Substitution als umfassen- des Behandlungskonzept mit multiprofessionellem Ansatz.
Pharmako-, Sozio- und Psy- chotherapie werden als not- wendige Komponenten auf- gefaßt. Es wird die Forderung vertreten, daß die Verabrei- chung von Ersatzstoffen im- mer Teil eines Bündels von medizinischen, psychothera- peutischen und sozialen Maß-
nahmen für den Patienten sein sollte. Letztes Therapie- ziel bleibt auch bei der Sub- stitution die Drogenfreiheit, fordern die Autoren.
Die vorliegenden Stan- dards sind in jedem Fall eine Herausforderung sowohl für die praktische Medizin als auch für die Politik. Für die praktische Medizin sind die Standards eine Herausforde- rung, insofern man bestrebt ist, die Kluft zwischen Stan- dards und Substitutionspraxis zu verringern und das Thera- pieziel der Drogenfreiheit nicht aus den Augen zu ver- lieren. Für die Politik sind die Standards eine Herausforde- rung, weil sie für die struktu- rellen Defizite verantwortlich ist, die eine sinnvolle Ver- knüpfung von Substitutionen mit psychosozialer Therapie bislang häufig verhindert ha- ben.
In mancher Hinsicht reicht der gute Wille substi- tuierender Ärzte allein nicht aus, um Verbesserungen zu bewirken. Für eine Integrati- on der verschiedenen Be- handlungsaspekte, ohne die die Effektivität dieses Ansat- zes langfristig nicht zu si- chern ist, müssen die Bun- desländer und die Kranken- kassen die Voraussetzung schaffen.
Die „Standards“ werden die fachliche Diskussion vor- anbringen. Das ist zu be- grüßen. Zudem bieten sie je- dem substituierenden Arzt zumindest ein Stück weit Ori- entierung.
Ingbert Weber, Köln
Alternative Medizin
Sachlich
Robert Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin.
Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapi- en von heute, Verlag C. H.
Beck, München, 1996, 341 Seiten, 15 Abbildungen, ge- bunden, 48 DM
„Alternative Medizin“ ist nach der Definition des
Stuttgarter Medizinhistori- kers Robert Jütte, was von den herrschenden medizini- schen Richtungen mehr oder weniger abgelehnt wird.
Robert Jütte versteht es, die- se medizinischen Richtun- gen sachlich und informativ darzustellen.
Das Buch gibt einen Überblick über unterschied- liche Verfahren wie zum Beispiel Quacksalberei, Ho- möopathie, Naturheilkunde, Kurpfuscherei, Neue Deut- sche Heilkunde und Ganz- heitsmedizin. Religiöse und magische Medizin sowie
Naturheilverfahren werden ebenso sorgfältig in ihrer historischen Entwicklung und heutigen Bedeutung dargestellt wie biodynami- sche und fernöstliche Heil- weisen. Man lernt aus die- sem Buch schließlich auch, was Begriffe (Seite 17) und ihre geschichtliche Entwick- lung für die praktische Me- dizin bedeuten. Das Buch, gut formuliert und interes- sant zu lesen, ist überdies auch zum Nachschlagen ge- eignet.
Rainer Tölle, Münster
A-2283 Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 37, 13. September 1996 (15)
S P E K T R U M BÜCHER
Architektur
Märchenland
Angelika Muthesius (Hrsg.): Für ein natur- und menschengerechtes Bauen:
Hundertwasser-Ar- chitektur. Bene- dikt Taschen Verlag,
Köln 1996, 320 Seiten, Groß- format, 462 Abbildungen, 49,95 DM
Friedrich Stowasser alias Friedensreich Hundertwas- ser, der Maler, tritt zuneh- mend auch als Architekt her- vor; ein gut Teil der Arbeiten betrifft Fassadengestaltung.
Hundertwasser verschönt auf seine Weise „an der Geo- metrie erkrankte“ Gebäude, so daß sie von außen wie Gegenstände aus dem Mär- chenland wirken. Märchen- haft sind vollends die von
Hundertwasser seit einigen Jahren von Grund auf ent- worfenen Gebäude: Wohn- häuser, Ferienanlagen, Dör- fer. Hundertwasser will eine menschliche, ökologische Ar- chitektur. Was er gestaltet, wirkt irgendwie organisch:
schwellende Säulen, gerundete Wände, wie mit der Hand gezogene Linien, gewölbte Dek- ken, Zwiebel- türme. Hun- dertwasser scheut offen- sichtlich die gerade Linie.
Für jeman- den, der sein Architektur- verständnis vom Bauhaus bezogen hat, ein wahres Kontrastpro- gramm.
Der ein- drucksvolle Bildband gibt die Hundert- wasser-Bauten in prächtigen Farbfotos wieder. Hinzu tre- ten Texte, in denen Hundert- wasser seine Auffassungen (nicht nur zur Architektur, sondern auch zum modernen Leben allgemein) verkündet.
Abgerundet wird der Band durch eine Biographie, Lite- raturhinweise sowie ein Ver- zeichnis aller Architektur- Projekte. Das Buch ist außer- gewöhnlich preiswert.
Norbert Jachertz, Köln