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Archiv "Huldigung an das Selbst: Anmerkungen zu Michael Buthes „individueller Mythologie“" (19.04.1979)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

In unserer naturwissenschaftlich und technisch orientierten Welt scheinen fast nur noch das Beweis- bare oder zumindest statistisch Er- faßbare zu zählen, so als seien Irra- tionales und Mythisches überwun- dene Positionen unseres Bewußt- seins. Daß es nach wie vor unser Denken und Handeln mitbestim- mende Kräfte sind, haben wir weit- gehend zu verleugnen gelernt. Aber hinter mehr als einem wissenschaft- lichen Streit um Daten und Ergeb- nisse sind persönliche Hegemonie- bestrebungen, Wünsche und auch Ängste nur mühsam verborgen.

Eine offensichtlich ganz und gar subjektive Position wird demgegen- über von Michael Buthe bezogen. Er wurde 1944 in Sonthofen im Allgäu geboren. Einem breiteren Publikum wurde er 1973 bekannt, als er auf der V. Documenta in Kassel mit seinem

Michael Buthe: Ika- rus, 1976, Misch- technik auf Papier, 250 x 300 cm

Foto: privat

FEUILLETON

Environment „Hommage an die Sonne" im Rahmen der „individuel- len Mythologien" vorgestellt wurde.

Assoziative Materialien

Vieles an Buthes Arrangements, Ob- jekten, Bildern und Zeichnungen wirkt wie zufällig. Jenseits kompli- zierter Kompositionsgesetze schei- nen seine Arbeiten oft unvermittelt und direkt. In manchmal provozie- rend anmutender Weise werden ver- schiedenste Materialien, wie zum Beispiel Fundstücke, Silberpapiere, Goldbronze, Wachs verwendet. An diese Bild- und Collageelemente sind eine Vielzahl von Assoziatio- nen zu Fundort, ehemaliger Ver- wendung oder Ereignissen ge- knüpft. Dies ist meist nicht nach- vollziehbar für den Betrachter. Er kann dies lediglich akzeptieren als Preise

mütterlichen Alkoholmißbrauchs auf Nachkommen (Alkoholembryopa- thie)". Die Arbeit Laasers, die auf empirischen Studien an 41 Kölner Gymnasien und Berufsschulen bei etwa 6300 Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren basiert, kommt zu dem Ergebnis, daß früh- zeitiger Nikotingenuß und Überge- wicht bei 15 bis 20 Prozent der Ju- gendlichen zu den häufigsten Risi- kofaktoren zählen. So rauchen rund 50 Prozent aller Berufsschüler schon im Alter von 15 Jahren. Niko- tingenuß ist bei ihnen wesentlich früher verbreitet als bei Gymnasia- sten. Aber auch Gymnasiasten stei- gerten ihre Rauchgewohnheiten mit zunehmendem Alter — meist geför- dert durch schlechte Vorbilder der Erzieher, der Eltern, Kameraden und der sozialen Umwelt. Bei den unter- suchten Jugendlichen wurden häu- fig mehrere Risikofaktoren zugleich festgestellt. Der Keim für den späte- ren Herzinfarkt werde schon in der frühen Jugend gelegt; Herzinfarkt- patienten werden immer jünger (ebenso wie übrigens die Hirnin- farktpatienten).

Aus der wissenschaftlichen Feldfor- schung Prof. Majewskis lassen sich folgende Schlüsse ableiten: Jede zweite alkoholkranke oder alkohol- abhängige Schwangere birgt das Ri- siko, ein schwergeschädigtes Kind zur Welt zu bringen. Zwar seien Ge- burtsschäden infolge alkoholabhän- giger Männer nicht signifikant nach- gewiesen, doch seien soziale Schä- digungen junger Kinder und Ju- gendlicher wahrscheinlich, wenn sie im sozialen Umfeld von Alkoholikern aufwachsen (sog. soziale Erbschä- den). In der Bundesrepublik Deutschland würden, so Prof. Ma- jewski, jährlich 600 schwerstgeschä- digte und 1800 Kinder mit unter- schiedlicher Schädigung geboren.

Bei vielen Fällen wäre aber ein vor- zeitiger Schwangerschaftsabbruch indiziert gewesen. Die beiden preis- gekrönten Untersuchungen betonen die große Bedeutung gesundheits- erzieherischer und -aufklärerischer Aktionen als Präventivmaßnahmen zur Verhinderung des Alkohol- und Nikotinabus. HC

Huldigung an das Selbst

Anmerkungen zu Michael Buthes „individueller Mythologie"

Hartmut Kraft

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 16 vom 19. April 1979 1129

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Michael Buthe: Environment im Kunstmuseum Düsseldorf Foto: Rosenstiel Spektrum der Woche

Aufsätze • Notizen

Buthes „individuelle Mythologie"

ganz persönliches Stenogramm eines anderen Menschen.

Dechiffrierung notwendig?

Aber wäre eine Dechiffrierung unbe- dingt notwendig? Wäre es wirklich von Interesse zu wissen, was Buthe wann und wo gefunden oder getan hat? Es dürfte wohl kaum auf ernst- haftes Interesse stoßen und außer für den Künstler selbst auch ohne Bedeutung sein.

Also ein willkürlich zusammenge- stelltes Sammelsurium von Kuriosa und Banalitäten?

Mut zum Nichtverstandenwerden Buthes Arbeiten erschließen sich dem Betrachter nicht beim ersten

oberflächlichen Kontakt. Es gilt Kommunikationsbarrieren zu über- winden. Buthe hat den Mut zum Ei- gen-Ständigen, Selbst-Bezogenen, auch auf die Gefahr hin, sich außer- halb gewohnter (Kunst-)Sehweisen zu stellen, nicht verstanden zu wer- den. Aber errichtet er damit wirklich Schranken, oder werden diese viel- leicht nicht nur endlich einmal wahr- genommen? Verstehen wir uns un- tereinander immer so gut, wie es den Anschein hat, oder ist dieses Verstehen nicht meist nur Folge der Oberflächlichkeit des Kontaktes?

Verstehen wir uns auch dann noch, wenn wir wirklich „individuell" wer- den, uns getrauen, wir selbst zu sein?

Vielleicht ist dies der Grund, warum der Weg der Selbstfindung nur von so wenigen beschritten wird. Es ist die Angst vor der damit verbunde-

nen Notwendigkeit, einen sicherlich beschwerlichen Weg allein zu ge- hen.

Plädoyer

für die Entfaltung des Einzelnen Es geht in Buthes Arbeiten nicht um eine Realitätsflucht, auch nicht, wie Rolf Wedever zu Recht feststellt, um eine „regressive Absage an ein pro- blemreiches Heute, eine Flucht gar in den Turm verhärmter Esoterik".

Buthes Arbeiten sind statt dessen ein Plädoyer für die Entfaltung des einzelnen, für seine Selbstfindung, für die Erkenntnis seiner Einzigar- tigkeit. Dazu müssen überkommene Regeln und Grenzen verletzt wer- den. Nicht so sehr als Protest, son- dern um die eigenen, ganz individu- ellen Grenzen auszuloten und even- tuell zu erreichen. Viele Arbeiten Buthes erwecken so auch den Ein- druck des noch Unfertigen, sie er- scheinen wie Wegmarkierungen ei- nes Vorübergehenden.

Subjektive Erfahrungen werden von Buthe vor uns ausgebreitet, manch- mal einfühlend nachvollziehbar, sel- ten rational oder kausal denkend verstehbar. Aber wie ein gesproche- nes Wort echt oder falsch klingen kann, so erscheinen Buthes Arbei- ten wahr und unverfälscht. Was so fasziniert, das ist die so rigorose Mit- teilung von ganz Persönlichem, so als hätte der Betrachter teil an ei- nem inneren Monolog.

Buthes Arbeiten sind eine Aufforde- rung an den Betrachter, sich der ei- genen „individuellen Mythologie"

bewußt zu werden, zu eigenen Posi- tionen vorzudringen. Wer sich sei- ner ganz speziellen „individuellen Mythologie", um bei dieser Bezeich- nung zu bleiben, genähert hat, wird in Buthes Arbeiten dann durchaus auch Bekanntes, Über-Individuelles, erkennen können.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Hartmut Kraft Kapfenbergerstraße 4 5020 Frechen/bei Köln

1130 Heft 16 vom 19. April 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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