A1670 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 34–35⏐⏐24. August 2009
M E D I E N
B
ryce aus Kalifornien wird zum ersten Mal Vater. Doch die Freude darüber währt nur kurz:Bis zu dem Tag, an dem er und sei- ne Frau feststellen mussten, dass die Schwangerschaftsvorsorge nicht von ihrer Krankenversicherung ab- gedeckt ist. Ein anderer Fall: Die 57-jährige Pamela aus Arizona, mitversichert bei ihrem Ehemann.
Sie sorgt sich um die Therapie ihres Diabetes mellitus, wenn ihr Mann in den Ruhestand geht. Oder James aus Boston. Seine Familie muss nicht nur den Krebstod von drei Familien- mitgliedern verkraften, sondern quält sich darüber hinaus mit der Frage, wie sie die offen gebliebenen Be- handlungskosten tragen soll.
Persönliche Berichte wie diese sind derzeit auf der Internetseite des amerikanischen Präsidenten Barack Obama auf der Plattform „Health Care Action Center“ zu lesen. Be- reitwillig berichten US-Bürger von ihren Erfahrungen mit dem ma- roden Gesundheitssystem in den USA. Laufend kommen Beiträge hinzu.
Daran wird deutlich: Der US- Präsident, seit gut sechs Monaten im Amt, macht in seiner Regierungsar- beit dort weiter, wo er im Wahl- kampf aufgehört hat: Er nutzt das Internet, um in direkten Kontakt mit den Bürgern zu treten und Unter- stützer für seine Politik zu mobili- sieren. Im Kampf um den Einzug ins Weiße Haus hatte das Obama-Lager
die digitalen Kommunikationswege bereits meisterlich eingesetzt. Nun soll die Dynamik des Internets hel- fen, den Weg für die Reform des US-amerikanischen Gesundheits- wesens zu ebnen.
Der direkte Draht schafft nicht nur Nähe zum Bürger, er dient auch als kostbare Informationsquelle und Ori- entierungshilfe für die Arbeit der Re- gierung – auch wenn nur schwer nachzuvollziehen ist, in welchem Maße die von den Bürgern geliefer- ten Informationen letztendlich in den Reformentwurf einfließen. In jedem
Fall klopft der Präsident auf diesem Weg den Zustimmungsgrad für sein Reformvorhaben ab und erhöht durch eine zunehmende Zahl von Unterstüt- zern den politischen Druck.
Auf Obamas Homepage gibt es die Möglichkeit, eigene Beiträge zu schreiben und Erfahrungsberichte anderer zu lesen. Die Internetnutzer werden über die landesweiten Akti- vitäten der Kampagne informiert.
Zudem wird die Webgemeinde auf- gerufen, direkt Kontakt zu ihren Ab- geordneten aufzunehmen, für TV- Werbespots der Gesundheitskampa- gne zu spenden und Fremde wie Freunde durch Telefonanrufe oder Nachbarschaftsbesuche von der Sa- che zu überzeugen.
Zu Obamas professionellem In- ternetauftreten gehören neben seiner Homepage Aktivitäten in Internetportalen wie dem sozialen Netzwerk Facebook oder dem Mini- nachrichtendienst Twitter. Außer- dem werden via Videoübertragung – etwa auf Obamas eigenem You- Tube-Kanal – Reden und State- ments des Präsidenten ins Land geschickt. Eines der vielen landes- weiten „Town Hall Meetings“ (Bür- gersprechstunde) zur Gesundheits- reform wurde sogar exklusiv im Netz – nicht aber vom US-Fernse- hen – übertragen: etwa über das Web-TV auf der offiziellen Home- page der US-Regierung. Neben Fra- gen aus dem Publikum wurden dabei Beiträge von Nutzern der In- ternetportale Twitter, Facebook und You Tube zugelassen.
Auch die einflussreiche amerika- nische Blogger-Szene versucht Oba- ma in den Kampf für seine Sache einzubinden: In einer kürzlich ein- berufenen Konferenz hat er wichti- ge liberale Internetautoren um Un- terstützung gebeten.
Der amerikanische Kongress wird nach dem Ende der Sommerpause über die Gesundheitspolitik debat- tieren. Nach Angaben des Obama- Lagers unterstützen derzeit mehr als eine Millionen US-Bürger aktiv die Kampagne des Präsidenten. I Nora Schmitt-Sausen
POLITIK IM INTERNET
Obama kämpft im Netz
um US-Gesundheitsreform
Die medizinische Versorgung im Land zu verbessern, hat derzeit die höchste innenpolitische Priorität der Regierung Obama.
Der Präsident arbeitet dafür auf allen Kanälen – auch im Internet.
Stimmungsmache im Netz:US-Präsi- dent Barack Obama nutzt digitale Kom- munikationswege, um Unterstützer für sein Reformvorha- ben zu gewinnen.