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Archiv "In den Müll" (09.03.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

DIE GLOSSE

In den Müll

Eine „Aktion für ein humanes Ge- sundheitswesen" hat die Gewerk- schaft Öffentliche Dienste, Trans- port und Verkehr in Gang ge- bracht. Hört sich verdienstvoll an

— aber wenn man sich das ange- botene Informationsmaterial an- schaut, hat die Aktion mit Humani- tät gar nichts, aber viel mit Politik zu tun: Die Gewerkschaft polemi- siert gegen die Überleitung staat- licher oder kommunaler Gesund- heitseinrichtungen an gemeinnüt- zige oder „gar" private Träger.

Was beim Gesundheitswesen in- humaner werden soll, wenn statt der Stadt eine Kirchengemeinde oder eine Privatfirma ein Kranken-

Jörgs Krücke

Ein alltägliches Beispiel dafür, wie Gelder der gesetzlich Krankenver- sicherten von den Krankenkassen

— mit oder ohne Zutun der Versi- cherten und der Ärzte — vergeudet werden:

Jörg, ein zehn Jahre altes Schul- kind, auf dem Lande vor den To- ren Kölns wohnhaft, tollt auf der Straße herum. Er stolpert über Stock und Stein; dabei trägt er ei- ne leichte Distorsion am rechten Fußgelenk davon. Die besorgte Mutter eilt zum Kinderarzt. Dieser, der Jörg von klein auf kennt, schärft dem Jungen ein, das Bein zwei, drei Tage stillezuhalten. Da- mit er auch fleißig weiter in die Schule gehen kann, erhält die Mutter ein Rezept, auf dem eine Gehilfe (Krücken) verschrieben wird.

Das Sanitätsfachgeschäft in der benachbarten Großstadt verpaßt dem Jungen nach Vorlage des ordnungsgemäß ausgefüllten Re- zeptes zwei funkelnagelneue Krücken, zu Lasten der zuständi- gen Knappschaft, versteht sich.

Wert: 80 bis 100 DM. Und dies al-

haus betreibt, ist nirgends ersicht- lich.

Dazu eine ganz und gar nicht dazu passende Geschichte: Bis Ende 1983 wurde in einer Stadt im Rheinland der Müll von einer Pri- vatfirma abgefahren. Das war für die Bürger nicht teuer, und es klappte vorzüglich. Seit Anfang 1984 ist die Müllabfuhr verstaat- licht, der Landkreis besorgt das nun. Die Gebühren wurden dabei etwa verdoppelt, die Sperrmüllab- fuhren wurden halbiert, und klap- pen tut es vorn und hinten nicht.

Der ÖTV war diese Verschlechte- rung und Verteuerung der Lei- stungen sicher recht, Hauptsache es wird verstaatlicht. bt

les ohne einen Pfennig Zuzahlung des gesetzlich Krankenversicher- ten (der Schuljunge war ja laut RVO von der Rezeptblattgebühr zu befreien; die Krücken stehen ihm doch laut Gesetz, laut Regle- ment der Kassen zu!).

Wohlgemerkt, der anspruchsbe- rechtigte Versicherte hat neue Krücken gar nicht verlangt. Eine vorübergehende Ausleihe hätte es wohl auch getan, wurde ein- sichtig kundgetan. Aber bei wem?

Beim Kinderarzt? Beim Hausarzt?

Beim Orthopäden? Oder etwa bei der zuständigen Außenstelle und Verwaltung der Krankenkasse des Versicherten? Oder beim Lie- feranten dieser RVO-Gehhilfe, dem Sanitätsfachgeschäft? Ab- machungen und Handhaben die- ser Art gibt es bereits. An eine ko- stensparende Ausleihe wurde aber nicht gedacht.

Die Krücke gehört jetzt ganz und gar dem kleinen Jörg, seiner Mut- ter oder dem bei der Knappschaft versicherten Mitglied, dem Vater.

Die Krankenkasse will sie jeden- falls nicht haben, auch nicht das Sanitätsgeschäft. Es muß ja weiter

„am Markt bleiben" und zu Lasten

der Krankenkasse Krücken ver- kaufen. Schließlich muß doch unsere Wirtschaft angekurbelt werden.

Die Krücke Jörgs steht nun, nach- dem sie zwei Tage lang guten Dienst tat, weiter funkelnagelneu zu Hause, in einer Kellerecke des Versicherten, nutzlos herum. Zum Eishockey ist sie nur zeitweise

nützlich. Die nächste Sperrmüll- abfuhr wird dieses gute GKV/RVO- Hilfsmittel in die Obhut nehmen.

Ein Ausfluß der Wegwerf- und Überflußgesellschaft also?

Dieses Beispiel, „aus dem Leben gegriffen", ist gewiß kein Einzel- fall. So wird manchmal leichtfertig mit den Versichertengeldern um- gegangen. Muß dies so sein?

Überall wird landauf, landab laut- hals über die „Kostenexplosion im Gesundheitswesen" geklagt;

Politiker, Krankenkassenfunktio- näre, Berufene oder Unberufene schlagen dauernd Alarm wegen der zu hohen Kosten, der aus dem Ruder laufenden Versicherten- Beiträge.

Oder muß man tatsächlich funkel- nagelneue Krücken in die Haus- apotheke aufnehmen? Wo soll das enden? Zählen hier auch schon elektrische Rollstühle

dazu? HC

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 10 vom 9. März 1984 (19) 675

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