GENTESTS
Der Deutsche Ethikrat weist in einer Stellung- nahme auf neue Möglichkeiten der präkonzep- tionellen Diagnostik hin (DÄ 9/2014: „Präkon- zeptionelle Anlageträgertests: Diagnostik mit Fragezeichen“ von Julia Inthorn, Silke Schick- tanz, Peter Wehling und Susanne Schultz).
Voller Angst
Als Zeitzeuge der Naziverbrechen bin ich voller Angst, wenn ich im DÄ lese, dass wieder unser Erbgut unter Verdacht gestellt werden soll, Träger von „krank- heits- und behindertenrelevanten Genva- riationen“ zu sein, durch die „die Solidar- gemeinschaft nicht unnötig zu belasten“
sei. Offensichtlich wollen Interessengrup- pen die volkswirtschaftlich vorteilhafte Menschenzucht. Es ist dringend geboten, die Gruppierungen innerhalb der Ärzte- schaft genauer zu verstehen, die Folgen- des durchsetzen wollen: „Senkung der Be- handlungskosten durch Vermeidung der Zeugung betroffener Individuen.“ Explizit
wird propagiert, dass Ärzte die Existenz behinderter Menschen im volkswirtschaft- lichen Interesse reduzieren.
Dieser Konflikt betrifft sowohl uns Ärzte als auch das Grundgesetz, das die Würde des Menschen als unantastbar definiert.
Damit ist unvereinbar, dass Menschen zu präkonzeptionellen Reihenuntersuchungen motiviert werden sollen, um einem Erb- gutachten entsprechend gegebenenfalls ganz auf die Partnerschaft oder auf leibli- che Kinder zu verzichten oder das Unge- borene abtreiben zu lassen . . .
Dr. med. Rolf Ullner, 84405 Dorfen
Das Diktat der Gene
. . . Die Geschichte der Pränataldiagnostik lehrt uns, dass aus einer streng individuell indizierten Untersuchungsmethode binnen weniger Jahre ein flächendeckendes Scree- ning ohne zwingend notwendige individu- elle Indikation geworden ist. Dieselbe Ent- wicklung wird die Diagnostik präkonzep- tioneller Anlageträger nehmen; in deren
Folge wird eine „liberale Eugenik“ (Jürgen Habermas, 2005) entstehen, deren Ausmaß alles, was es an „falsch verstandener und missbrauchter Erblehre“ in der Vergangen- heit gab, weit in den Schatten stellen wird.
Nicht der Mensch in seiner psycho-physi- schen Einheit wird Betrachtungs- und Handlungsebene ärztlichen Tuns bleiben, sondern das Gen und seine Allele werden unabhängig ihrer phänotypischen Wirkung
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B R I E F E
A 750 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 17|
25. April 2014 das Tätigkeitsfeld des Arztes der Zukunftbestimmen. Alfred Ploetz und Wilhelm Schallmeyer lassen grüßen! „Ist aus dem Ausbruch der Barbarei in Deutschland ge- lernt worden, oder wird sie sich weltweit in noch schrecklicherem Ausmaß wieder- holen?“, fragte vor drei Jahrzehnten der Kölner Genetiker Benno Müller-Hill. Wir werden große Mühe haben, die „Büchse der Pandora“ wieder zu schließen.
Univ.-Prof. Dr. Lothar Pelz, 18146 Rostock
HIRNTOD
Die Urangst, lebendig begraben zu werden, ist für einige Menschen ein Grund, keinen Organ- spendeausweis auszufüllen (DÄ 9/2014: „Hirn- tod: Die sicherste Diagnose“ von Eva Richter- Kuhlmann).
Kriterien verschärfen
Leider kann man nicht vom Hirntod als der sichersten Diagnose sprechen.
So unterscheiden sich die Hirntodkriterien in verschiedenen Industrieländern. Die Kri- terien zur Hirntoddiagnostik wurden auch in Deutschland geändert, so wurde vor 1998 zum Nachweis der Irreversibilität auch bei
Erwachsenen in jedem Fall eine Wieder- holung des Untersuchungsprotokolls ge- fordert. Seit 1998 reicht hier ein Nulllini- en-EEG, das als rein funktionelle Untersu- chung nichts über die Irreversibilität aus- sagt. Es ist ja durchaus denkbar, dass Ner- venzellen noch über einen für den Zellerhalt notwendigen Stoffwechsel verfügen, aber der Stoffwechsel für die Funktion zu diesem Zeitpunkt nicht ausreicht. Solche Nerven- zellen können sich erholen und später wie- der funktionsfähig werden. Auch ist im ge- genwärtigen Hirntodprotokoll nur der Aus- schluss einer Medikamentenwirkung gefor- dert, ohne dies näher zu definieren, wie dies zum Beispiel durch Spiegelbestimmung möglich wäre. Selbst die einfache Prüfung, ob eine Muskelrelaxierung vorliegt, ist nicht fix vorgeschrieben. Die Untersuchungser- gebnisse von EP, EEG und verschiedenen Hirndurchblutungsuntersuchungen stimmen nicht zu 100 Prozent überein . . .
Der Hirntod muss in der Tat die sicherste Diagnose sein, und diesem Schlusssatz ist unbedingt zuzustimmen, dafür müssten aber die Kriterien für die Feststellung des Hirn- todes verschärft werden, auch wenn da- durch die ein oder andere Organentnahme und Transplantation nicht stattfinden kann.
Reiner Klick, 44869 Bochum
P SY CHI SCHE KR A NKHEITEN
Eine Sachverständigenkommission soll die Kin- der psychisch kranker Eltern in den Blickpunkt rücken (DÄ 8/2014: „Psychische Erkrankungen:
Kooperative Versorgung der ganzen Familie ge- fordert“).
Die Geschwister einbeziehen
Mehrere ärztliche Fachgesellschaften schlagen die Einrichtung einer Sachver- ständigenkommission beim Familienaus- schuss und beim Gesundheitsausschuss des Bundestages zum Thema „Kinder von Eltern mit psychischen Erkrankungen“
vor, da diese ein hohes eigenes Erkran- kungsrisiko haben. Im selben Artikel wird außerdem beschrieben, dass umgekehrt bei circa der Hälfte der kinder- und jugend- psychiatrischen Patienten auch bei den El- tern psychische Störungen vorliegen. Geht man davon aus, dass in vielen der betroffe- nen Familien mehrere Kinder leben, so er- gibt sich sicherlich auch ein stark erhöhtes Erkrankungsrisiko für die Geschwister psychisch kranker Kinder und Jugendli- cher, vor allem wenn zusätzliche psy-
chische Probleme der Eltern vorliegen.
Nach meiner Kenntnis gibt es bisher nur sehr wenige Modelle zur prophylaktischen oder therapeutischen Arbeit mit dieser speziellen Angehörigengruppe. Bei ande- ren schweren, chronischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter (zum Beispiel bei onkologischen oder kardiologischen Patienten) ist die familien- und geschwis- terunterstützende Arbeit dagegen inzwi- schen selbstverständlicher und wichtiger Teil der Therapie.
Es wäre sehr zu wünschen und eine große Hilfe, wenn die koordinierte Arbeit vor al- lem mit den Geschwistern in den betroffe- nen Familien zur Vermeidung von „Folge- störungen“ in die Aufgaben der genannten Sachverständigenkommission einbezogen und auch von den zuständigen Fachgesell- schaften strukturiert weiterentwickelt und unterstützt würde.
Dr. med. Ulrike Elben, 78166 Donaueschingen
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Inhaltlich wird ein weites Spektrum geriatrischer Thematiken abgehan- delt – von Fallbeispielen über grundlegende Versorgungsstruktur- betrachtungen, detaillierte Ausar- beitungen diagnostischer und thera- peutischer Maßnahmen bei häufi- gen Krankheitsbildern bis hin zu Aspekten der Polypharmazie beim alten Menschen. Die Mitarbeit zahlreicher Autoren führt in den einzelnen Kapiteln zu einem sehr unterschiedlichen Darstellungsstil, was dem Werk eher einen Skript - charakter verleiht. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die zahlen - mäßig eher spärlichen und teilweise leider etwas unscharf erscheinen- den Abbildungen.
Manche Darstellungen (zum Beispiel zur COPD) sind zwar sehr ausführlich, gehen aber nur wenig
auf die speziellen Aspekte dieser Erkrankung beim alten Patienten an, darüber hinaus fallen manche inhaltliche Detailunschärfen auf.
Andere für die geriatrische Thera- pie wichtige Aspekte werden hinge- gen nur eher knapp (Polypharma- zie) oder nahezu überhaupt nicht (Pharmakodynamik) abgehandelt.
Die nächste Auflage dieses Wer- kes, das ein wichtiges und aktuelles Thema ambitioniert behandelt, wür- de gewinnen, wenn mehr allgemein- medizinisch bekannte Aspekte aus- gegliedert und dafür mehr spezifisch geriatrische Themenkomplexe, ins- besondere im Bereich der Therapie, integriert würden. Axel von Bierbrauer GERIATRISCHE NOTFALLMEDIZIN
Weites Spektrum
Georg Pinter, Rudolf Likar, Walter Schippinger, Herbert Janig, Olivia Kada, Karl Cernic (Hrsg.):
Geriatrische Notfallversorgung. Springer, Wien 2013, 509 Seiten, gebunden, 77,81 Euro