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Archiv "Die Feststellung des Todes durch den irreversiblen Ausfall des gesamten Gehirns („Hirntod“): Komprimierte Darstellung induziert Mißverständnisse" (19.08.1994)

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Academic year: 2022

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MEDIZIN

3 Komprimierte Darstellung induziert Mißverständnisse

Es ist ein Verdienst der Auto- ren, auf den Stellenwert einzelner apparativer Zusatzuntersuchungen im Rahmen der Hirntoddiagnose hinzuweisen, nachdem mit den zwei- ten Fortschreibungen der Entschei- dungshilfen zur Feststellung des Hirntodes (4) aus dem Jahre 1991 zu- sätzlich die nicht invasive kraniale Dopplersonographie und zerebrale Perfusionsszintigraphie als sichere Verfahren (unter Berücksichtigung bestimmter Voraussetzungen) zur Konfirmation des eingetretenen zerebralen Zirkulationsstillstandes (ZZSt) eingeführt wurden. Die sehr komprimierte Darstellung induziert einige Mißverständnisse und zwingt zu folgenden Ergänzungen und Rich- tigstellungen:

® Didaktisch unglücklich und für den mit der Problematik wenig Befaßten verwirrend ist die Darstel- lung der etablierten neurophysiologi- schen Verfahren und Methoden zur Dokumentation des ZZSt (Hirnper- fusionsszintigraphie, Dopplersono- graphie und zerebrale Angiographie) neben relativ „exotischen" Verfahren wie Liquorzirkulationsmessungen und Clearance-Methoden, die auf- grund vorliegender Studien nie ernst- haft für ein pragmatisches Konzept der Hirntodfeststellung diskutiert wurden.

© Es ist völlig unverständlich und sehr bedauerlich, daß die kon- ventionelle zerebrale Angiographie als invasives Verfahren gleichberech- tigt neben den nicht invasiven Unter- suchungen zur Dokumentation des ZZSt wieder aufgeführt wird. Es wurde gerade für diese Technik in den letzten Jahren ein Konsens erar- beitet, der sich auch in den in Deutschland geltenden Richtlinien widerspiegelt, daß diese nur „zur Klärung der Art der Hirnschädi- gung" noch durchgeführt werden sollte, um den Patienten durch ein diagnostisches Vorgehen nicht noch zusätzlich zu schädigen. Diese Me- thode sollte endgültig obsolet sein für ein routinemäßiges, pragmatisches Vorgehen in der apparativ gestützten Hirntoddiagnostik.

DISKUSSION

® Es hätte deutlicher betont werden müssen, wie es in den ent- sprechenden Entscheidungshilfen ei- gentlich unmißverständlich geregelt ist, daß das Procedere im Rahmen der Hirntoddiagnostik unter streng definierten Voraussetzungen, Aus- schlußkriterien und Kenntnis der zu- grundeliegenden Ätiologie durchge- führt werden muß und daß der appa- rativen Diagnostik in diesem Prozeß der fakultative Stellenwert einer Konfirmation des führenden klini- schen Eindrucks zukommt Hier wä- re es besonders wünschenswert ge- wesen zu akzentuieren, daß der Zeit- punkt der apparativ eingesetzten Diagnostik sinnvoll zu wählen ist und frühestens zu dem Zeitpunkt gege- ben ist, wo die sicheren klinischen Kriterien des Hirntodes unter den bekannten Voraussetzungen (4) vor- liegen. Eine unsachgemäße Anwen- dung der angesprochenen Methoden zu einem früheren Zeitpunkt kann zu verwirrenden, den diagnostischen Prozeß erschwerenden Ergebnissen führen, die die dissoziativen Abster- bevorgänge supra- und infratento- heller Strukturen des Großhirn- und Stammhirns reflektieren. So kann beispielsweise die voreilig vom Inten- sivmediziner indizierte nicht invasive zerebrale Perfusionsszintigraphie zu dem Paradoxon führen, daß die Me- thode bereits den Ausfall der zere- bralen Perfusion signalisiert, zu die- sem Zeitpunkt aber noch nicht die regelrecht durchzuführende klini- sche Hirntodesbestimmung durchge- führt wurde. In solch praktisch wich- tigen Situationen wird das an sich klar geregelte Procedere in der Hirn- todesfestellung „auf den Kopf ge- stellt" und ad absurdum geführt. Die Entscheidungshierarchie und die se- quentielle Diagnostik hätten besser herausgearbeitet werden sollen.

® Ergänzt werden muß, daß sich mit den letzten Fortschreibun- gen der Empfehlungen ein neues In- dikationsspektrum für die nicht inva- sive Dopplersonographie und zere- brale Perfusionsszintigraphie „bei möglicher Nachwirkung angewandter zentral dämpfender Medikamente . . . innerhalb der Hirntoddiagnose"

ergibt: Hier ist zwingend der Nach- weis des Ausfalls der zerebralen Per- fusion zu fordern (4).

® Bezüglich der Zuverlässig- keit der technischen Methoden in der Bestätigung der klinischen Zei- chen des Todes resümieren die Auto- ren, daß bislang keine Fälle bekannt wurden, die zu unstimmigen Ergeb- nissen geführt haben, es sei denn, daß in inkorrekter Weise die Voraus- setzungen zur klinischen Hirntoddia- gnose nicht beachtet oder die techni- schen Methoden inkorrekt eingesetzt wurden. Diese Aussage ist in dieser vereinfachten Form nicht richtig und bedarf der Klarstellung; zusätzlich wird von den Autoren eine unserer- seits sehr sorgfältig dokumentierte eigene Beobachtung (2) unter strik- ter Einhaltung der bekannten Vor- aussetzungen falsch bewertet.

Tatsache ist, daß wiederholt im Hirntodsyndrom kasuistisch eine Dissoziation neurovaskulärer und neurophysiologischer Befunde (zum Beispiel zerebrale Restperfusion in Anwesenheit eines Nullinien-Elek- troenzephalogramms (EEG) bei Schädeldysplasien und größeren Tre- panationsdefekten besonders bei Kindern) mitgeteilt wurde. Eine kürzliche Ubersicht thematisiert sol- che Fallgruben, die insgesamt eine Seltenheit darstellen (2). Die Kennt- nis solcher seltenen Befundkonstella- tionen ist unabdingbar für die Bewer- tung solcher scheinbarer Diskrepan- zen und die Sicherheit der Hirntod- diagnose. Umgekehrt existieren zu- sätzlich gut abgesicherte eigene Be- obachtungen (3) und Hinweise aus anderen Studien (1), daß es auch bei primär supratentoriellem Schädi- gungsmuster in Anwesenheit der kli- nischen Hirntodkriterien und beim gleichzeitigen Nachweis des bereits eingetretenen zerebralen Zirkulati- onsstillstandes in einzelnen Fällen noch eine residuelle, fleckförmige EEG-Aktivität geben kann. Ent- scheidend ist hier die Bewertung und Einordnung dieses Phänomens:

Hierfür wird eine für die Hirntoddia- gnose irrelevante leptomeningeale Kollateralisation aus Externaästen diskutiert, die noch eine rudimentäre feldförmige, für den Funktionsstoff- wechsel des Gehirns unbedeutende, transiente EEG-Aktivität ermöglicht, gleichzeitig aber kompatibel ist mit dem Konzept eines irreversiblen Ausfalls der integrativen Großhirn- Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 33, 19. August 1994 (53) A-2187

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MEDIZIN

und Hirnstammfunktionen. An die- sen dissoziativen Phänomenen im Hirntodsyndrom scheiden sich eine streng biologisch orientierte Position, die streng genommen den apparativ dargestellten Zelltod fordert, und ein operationales Konzept, das im Kern- stück lediglich die funktionelle Irre- versibilität fordert (2).

Literatur:

1. Grigg, M. M., M. A. Kelly, G. G. Celesia, M. W. Ghobrial, E. R. Ross: Electroence- phalographic activity after brain death.

Arch. Neurol. 44 (1987) 948-954

2. Pohlmann-Eden, B.: Zur Problematik der Hirntod-Diagnose. Dtsch. Med. Wschr. 116 (1991) 1523-1530

3. Pohlmann-Eden, B., K. Dingethal, M.

Quintel: Dissoziative neurophysiologische Befundkonstellation im Hirntod-Syndrom.

Intensivmed. 30 (1993) 46-51

4. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärzte- kammer: Kriterien des Hirntodes. Dtsch.

Ärztebl. 88 (1991) 4396-4407

Priv.-Doz. Dr. med.

B. Pohlmann-Eden

Epilepsy Service Massachusetts General Hospital Boston Massachusetts

02114 USA

Schlußwort

Eine detaillierte Entgegnung auf alle Aspekte der Zuschriften ist in dem uns gesetzten Rahmen nicht möglich, wir beschränken uns im fol- genden auf einige wesentliche Punk- te: Die zuverlässige Feststellung des Todes durch irreversiblen Ausfall des gesamten Gehirns erfordert eine ex- akte Einhaltung der Reihenfolge der diagnostischen Schritte. Dazu gehö- ren:

1. die zweifelsfreie Klärung der pri- mären Erkrankung,

2. die Beachtung der Ausschlußkri- terien für die Diagnose des Hirnto- des,

3. die exakte Feststellung der klini- schen Zeichen des Hirntodes und zum Schluß erst

4. die Anwendung technischer Me- thoden zur Bestätigung der klini- schen Zeichen des Hirntodes.

Nur unter Einhaltung dieser Reihenfolge kann die Feststellung des Todes durch irreversiblen Ausfall der gesamten Hirnfunktion zuverläs- sig erfolgen. Wenn irgendwelche

DISKUSSION

Zweifel an der Voraussetzung oder den klinischen Zeichen des Todes bestehen, so müssen diese durch ge- eignete Untersuchungen erst besei- tigt werden, bevor weitere Schritte zur Diagnose des Todes unternom- men werden.

Zuschrift 1

Die zitierte Publikation von Buchner et al. bezieht sich auf Pa- tienten, bei denen erstmals die klini- schen Zeichen des Todes festgestellt und bei denen ein isoelektrisches EEG als Bestätigungsmethode zur Verkürzung der sonst erforderlichen Wartezeit von 12 Stunden eingesetzt wurde. Der Nachweis von EEG-Akti- vität belegte, daß auch zu diesem Zeitpunkt der Tod noch nicht einge- treten war. Wenn die Zuordnung ei- nes EEG zu „isoelektrisch" oder

"nicht isoelektrisch" nicht sicher zu treffen ist, darf der Tod nicht festge- stellt werden. Es ist eine weitere Ver- laufsbeobachtung oder erneute EEG-Ableitung erforderlich, bis ein sicher isoelektrisches EEG festge- stellt werden kann.

Die Feststellung der klinischen Zeichen des Todes mit Nachweis von Koma, Hirnstammareflexie und durch Blutgasanalysen gesicherter Apnoe entsprechend der Richtlinien der BÄK reichen aus, den vollständi- gen und endgültigen Ausfall aller Hirnfunktionen zu belegen. Hormo- ne der Adenohypophyse, wie von Yo- kota et al. beschrieben, können ent- sprechend ihrer Halbwertszeit auch nach dem Ausfall der Hypophyse nachgewiesen werden, im übrigen er- folgt die arterielle Versorgung der Adenohypophyse direkt aus dem Ka- rotissiphon.

Zuschrift 2

Mit Recht wird betont, daß eine sehr strenge Unterscheidung getrof- fen werden muß zwischen der Beur- teilung einer infausten Prognose (et- wa durch den Nachweis bilateral er- loschener kortikaler SEP-Antworten bei supratentorieller Läsion) und der Diagnose des Todes durch Nachweis des irreversiblen Ausfalls der gesam- ten Hirnfunktion. Die Todesfeststel-

lung ist keine prognostische Beurtei- lung, sondern die Festlegung eines bereits eingetretenen Zustandes.

Zuschrift 3

Die zerebrale Panangiographie wurde von uns als brauchbares Ver- fahren zur Bestätigung der klinischen Zeichen des Todes aufgeführt. Die Bedenken gegen dieses Verfahren in Hinblick auf die Gefährdung des Pa- tienten wurden ausdrücklich darge- stellt. Die Autoren haben die zere- brale Panangiographie keinesfalls als präferentielles Verfahren dargestellt.

Nur wenn andere technische Verfah- ren zur Bestätigung der klinischen Zeichen des Todes nicht zur Verfü- gung stehen, sollte sie angewendet werden.

Alle technischen Methoden die- nen ausschließlich der Bestätigung der zuvor zweifelsfrei festgestellten klinischen Zeichen des irreversiblen und vollständigen Ausfalls der Hirn- funktion. Sie ersetzen niemals die kli- nische Feststellung der Zeichen des Todes. Die vorzeitige und unsachge- mäße Anwendung technischer Me- thoden führt zu verwirrenden und unzutreffenden Feststellungen.

Anschrift der Verfasser:

Prof. Dr. med. Walter F. Haupt Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität zu Köln

Joseph-Stelzmann-Straße 9 50931 Köln

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat.

Otmar Schober

Direktor der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der

Westf. Wilhelms-Universität Albert-Schweitzer-Straße 33 48129 Münster

Prof. Dr. med. Heinz Angstwurm Neurologische Klinik

der Ludwig-Maximilians-Universität Ziemssenstraße 1

80336 München

Prof. Dr. med. Klaus Kunze Direktor der Neurologischen Universitätsklinik

Hamburg-Eppendorf Martinistraße 52 20251 Hamburg A-2188 (54) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 33, 19. August 1994

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