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Archiv "LEGASTHENIE: Irrtümer und Mißverständnisse" (02.09.1976)

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Spektrum der Woche Aufsätze Notizen

BRIEFE AN DIE REDAKTION

baren Angestellten mit einer ent- sprechenden hohen Zahl von Ver- sicherungsjahren. Zudem wird übersehen, daß sehr viele ehemali- ge Angestellte und Arbeiter neben ihrer Sozialrente eine weitere Al- tersversorgung in Form einer Werkspension erhalten. Die Vortei- le dieser „Doppelversorgung" zei- gen sich besonders deutlich im Vergleich der Ruhestandsbeamten mit den ehemaligen Behördenan- gestellten, deren aus Sozialrente und Zusatzversorgung bestehen- den Alterseinkünfte die vergleich- baren Beamtenpensionen inzwi- schen um bis zu drei Besoldungs- gruppen hinter sich gelaSsen ha- ben, wie das kürzlich veröffentlich- te Gutachten der Frankfurter

„Treuarbeit AG" beweist. Den Irr- tum über ihre wirtschaftliche Lei- stungsfähigkeit bezahlen die Ver- sorgungsempfänger doppelt: Ein- mal in besonders hohen Liquidatio- nen, zum anderen — daraus resul- tierend — in entsprechend wach- senden Versicherungsbeiträgen.

Wie der BRH bei seinen über 100 000 Mitgliedern im gesamten Bundesgebiet festgestellt hat, sind immer mehr Versorgungsempfän- ger des einfachen und mittleren Dienstes geneigt, auf das „Danaer- Geschenk" der Beihilfeberechti- gung zu verzichten und um die Auf- nahme in die gesetzliche Kranken- versicherung nachzu*suchen. Eine solche Entwicklung würde aber mit Sicherheit auch Auswirkungen auf die übrigen Empfänger beamten- rechtlicher Versorgungsbezüge so- wie auf die aktiven Beamten ha- ben. Damit geriete das gesamte gegenwärtige Gesundheitssystem, an dessen Erhaltung Ärzte und Versorgungsempfänger gleicher- maßen interessiert sind, in Gefahr.

An einer solchen Entwicklung kann nur denjenigen gelegen sein, die unser Gesundheitssystem soziali- sieren wollen.

Gerhard Schröder

Vorsitzender des Bundes der Ruhestandsbeamten und Hinterbliebenen im Deutschen Beamtenbund Aliceplatz 2, 6500 Mainz

LEGASTHENIE

Zu dem Bericht über den ersten Le- gasthenie-Kongreß „Gegensätzliche Meinungen über Legasthenie" in Heft 26/1976:

Irrtümer und Mißverständnisse ... Das neue Wort „Legasthenie"

bezeichnet den längst bekannten Tatbestand, daß manche Kinder wie von selber, andere nur mit Mühe, einige gar nicht lesen und rechnen lernen. Daraus entstanden den Pädagogen schwierige Aufga- ben, seit mit Einführung der Schul- pflicht vor rund 200 Jahren auch die Unbegabten einem Lernzwang unterworfen wurden, mehr noch, seit man die Handarbeit immer mehr abwertete, ein Recht auf aka- demische Ausbildung mit anschlie- ßender Anstellung durchsetzte, Schulzeugnisse zum Maßstab für gesellschaftliche Wertung machte.

Dabei gerieten die Lehr- und Lern- methoden ins Zwielicht. Pestalozzi (1746 bis 1827) verfocht die Buch- stabier- und Lautiermethode, aber sein Sohn konnte mit 13 Jahren noch nicht lesen und schreiben, war vielleicht der erste namentlich bekannte Legastheniker ... Im Le- sen und Rechnen schwach zu sein, ist weder ein unüberwindbarer Nachteil, noch eine furchtbare Schande .

Lernschwierigkeiten haben viele Gründe. Sie zu erforschen und dar- zulegen, erschwert die bis zur Un- verständlichkeit mit Fremdwörtern gespickte Fachsprache moderner Psychologen und Reformpädago- gen, die ein neues „Bewußtsein"

herstellen und die Gesellschaft ver- ändern möchten. Aber wer nicht deutlich unterscheidet zwischen tierischem Gehabe und menschli- chem Verhalten, zwischen ererbter, unbeeinflußbar mitgegebener Be- gabung und deren pädagogischer Entfaltung, zwischen natürlichem Recht und tatsächlichem An- spruch, zwischen Vorsorge und Er- folgszwang, sondern den Wirrwarr durch Fremdwörter noch steigert, darf sich nicht beklagen über Irrtü- mer und Mißverständnisse. Schul- krank und neurotisch werden Kin-

der vielleicht in modernen Mam- mutschulen und ehrgeizigen Kin- dergärten, am wahrscheinlichsten jedoch durch Tabakrauchen wäh- rend der Schwangerschaft, durch Nichtstillen, Dosenbabynahrung, Fernsehen, Verkehrs- und Urlaubs- rummel, „irre" Musik, Impfungen, Medikamente, Genußmittel und Vorwegnahmen auf vielen, vor al- lem auf sexuellen Gebieten.

Wenn es dem Arzt gelingt, mit ein- gehender biographischer Analyse, analytischer und Zeichendiagnostik sowie anderen somatopsychischen Tests Ursachen und Entstehungs- weise einer Legasthenie aufzuklä- ren, kann er mit Heilmitteln dort oft sogar rasch helfen, wo nicht vorge- burtliche Hirnschäden, Erbfaktoren und dergleichen jede Einflußnahme ausschließen. Am schwierigsten ist es, die Eltern davon zu überzeu- gen, daß ihr Kind zwar lernen will, aber weil es krank ist, nicht lernen kann und daß die wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunft des Kindes nicht allein von der Note im Abitur abhängt. In unserem Staate sind schon Handwerker zu den höchsten Stellen aufgestiegen, ha- ben hochbetitelte Entdecker am Hungertuch nagen dürfen. Rezepte im Kochbuchstil, Pauschalurteile, die ganzen Berufsständen Eignung, Einsicht und guten Willen abspre- chen, sind zwar beliebt, machen Schlagzeilen, aber sie helfen nie-

mandem. Die Ärzteschaft hat Grund genug, sich davon zu di- stanzieren. Im Schul- und im Ge- sundheitswesen sind Menschen am Werke mit ernsthaftem Bemühen.

Sie können nicht alles heilen, nicht alle Schwierigkeiten überwinden.

Unzulänglichkeiten müssen festge- stellt, aber falsche Anschuldigun- gen vermieden werden. Wo man anders vorgeht, muß befürchtet werden, daß manche zwar Lesen gelernt haben, den Text jedoch nicht zu verstehen vermögen. Das ist eine der verbreitesten Formen von Legasthenie und die gefähr-

lichste.

Dr. med. Johann G. Hille 7410 Reutlingen

Postfach 351

2276 Heft 36 vom 2. September 1976

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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