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Archiv "Brücken zwischen Wissen und Glauben" (14.03.1991)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT II ' I e eilLIMIUM

Brücken zwischen Wissen

Ein Ärztegremium, das nur weni- gen bekannt ist, tagte unlängst im Kölner Maternushaus: das In- ternationale Ärztekomitee von Lourdes (I.Ä.C.L.). Ihm gehören etwa 25 Mediziner aus dem Raum der Europäischen Ge- meinschaft an, die sich regelmä- ßig einmal im Jahr zusammenfin- den, um eine kritische wissen- schaftliche Prüfung der Unterla- gen über Heilungen in dem fran- zösischen Wallfahrtsort in den Pyrenäen vorzunehmen. In Lour- des war nach der Überlieferung

1858 dem Hirtenmädchen Ber- nadette die Madonna erschie-

D

em Autoren — er ist Chir- urg und einziges deutsches Mitglied des Komitees — war es gelungen, die sonst regelmäßig in Paris stattfindende Versammlung erstmalig nach Köln einberufen zu lassen. Zu diesem Treffen waren Mitglieder erschie- nen aus Frankreich, Spanien, Italien, den Benelux-Ländern, aus Irland, Schottland und Deutschland: durch- weg Gebietsärzte, unter ihnen Lehr- stuhlinhaber, die das Wochenendse- minar dazu nutzten, gemeinsam me- dizinische Dokumente mit Arztbe- richten, Krankengeschichten, Rönt- genaufnahmen, Laborresultaten zur Erklärung von Lourdes-Heilungen zu studieren und zu beraten.

Den Mitgliedern des Komitees geht es ausschließlich um die Fest- stellung der Diagnose und der the- rapeutischen Möglichkeiten des Krankheitsfalles, die zu seiner Hei- lung geführt haben; das Wort „Wun- der" hat in ihrem Arbeits-Sprach- schatz keinen Raum. Ihre Aufgabe ist es zu ermitteln, ob eine in Lour- des bekanntgewordene Heilung nach heutiger medizinischer Erkenntnis erklärt werden kann, oder ob sie nicht erklärbar bleibt. Nach einge- hender Diskussion übernimmt ein Referent jeweils den vorliegenden Fall, den er nach weiterer Prüfung

und Glauben

Das Internationale Ärztekomitee von Lourdes

beriet in Köln

nen und hatte es aufgefordert, hier nach einer Quelle zu graben und eine Kapelle zu errichten.

Seitdem wird immer wieder über Krankenheilungen berich- tet, die sich an der Grotte von Massabielle ereignet haben.

bei der nächsten Tagung dem Gre- mium vorlegt. Erst die einstimmige Billigung seiner Ergebnisse durch die übrigen Mitglieder veranlaßt das Komitee schließlich, das Material an die zuständigen kirchlichen Behör- den weiterzuleiten.

Seine Unterlagen erhält das Ko- mitee von dem Ärztebüro in Lourdes.

Hier residiert ständig ein Arzt, der sich zunächst jeweils selbst von dem Vorliegen einer Heilung überzeugt haben muß, nachdem er zudem mit den gerade anwesenden Pilgerärzten ein Consilium abgehalten hat. Es muß sich um ein schweres körperli- ches Leiden handeln, das als unheil- bar bezeichnet wurde und dessen Heilung sich plötzlich vollzogen hat.

„Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft . . ."

Sicher hat fast jeder Arzt schon erlebt, daß die hoffnungslos erschei- nende Krankheit eines Patienten ei- nen völlig unerwarteten Verlauf nahm und diese Entwicklung zur Ge- nesung führte. Über solche „Spon- tanheilungen" gibt es allerdings nur wenig statistisches Material.

1966 erschien dazu ein Buch von T. C. Everson und W. H. Cole in Philadelphia mit dem Titel „Sponta-

Hoffen auf eine wunderbare Heilung durch die Jungfrau Maria. Wallfahrer aus vielen eu- ropäischen Ländern an der Grotte von Mas- sabielle im Pyrenäenort Lourdes Foto: dpa

neous Regression of Cancer", in dem aus der medizinischen Weltfachlite- ratur der Jahre 1960 bis 1965 über 176 Fälle berichtet wurde, in denen histologisch nachgewiesene Krebser- krankungen ohne oder bei ungenü- gender Behandlung zum Stillstand gekommen sind. Auch andere Auto- ren wie Alvarez, Derra et al., Eiden- müller, Palasthy konnten Remissio- nen oder Regressionen bei verschie- denen bösartigen Tumoren beobach- ten, deren Verlauf zu offen gebliebe- nen wissenschaftlichen Fragestellun- gen führte.

Wir dürfen also feststellen, daß sich nicht immer der klinisch-patho- logische Befund der Prognose unter- wirft.

A-852 (28) Dt. Ärztebi. 88, Heft 11, 14. März 1991

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Viele zehntausend Schwerkranke und ihre Begleiter pilgern alljährlich nach Lourdes, und im- mer wieder kommen von dort Berichte über angebliche Wunderheilungen. Das Internationale Ärztekomitee prüft, ob eine solche Heilung nach heutigen medizinischen Erkenntnissen erklärt werden kann (das Bild entstand bei einem Besuch des Papstes in Lourdes) Foto: dpa Früher — vor 50 oder 100 Jahren

— waren es die Tuberkulosefälle, die bei den aus Lourdes berichteten Heilungen in der Beachtung den er- sten Platz einnahmen. Heute ist der bösartige Tumor, der geheilt wurde, das eindrucksvollste Beispiel in dem Pyrenäenort. So hat sich ein Wandel vollzogen durch die medizinischen Fortschritte, die gewiß eines hoffent- lich nicht fernen Tages auch in der Therapie der malignen Neubildun- gen den entscheidenden Durch- bruch, die Heilbarkeit jener Leiden ermöglichen werden.

Aus diesem Grund betont das Internationale Ärztekomitee von Lourdes in seinen Stellungnahmen gegebenenfalls, daß eine Heilung

„nach dem heutigen Stand der Wis- senschaft" unerklärbar ist. Hier ist man also um äußerste Objektivität bemüht, was auch dadurch zum Aus- druck kommt, das bis zu einer sol- chen Beurteilung oft Jahre vergehen.

Bisher von der Kirche anerkannt: 65 Fälle

Die medizinische Stellungnah- me, oftmals das Eingeständnis der Ärzte also, daß eine wissenschaftli- che Erklärung im vorliegenden Fall nicht möglich war, wird weitergege- ben an die kirchlichen Autoritäten:

den katholischen Bischof, zu dessen Diözese der Geheilte gehört. Die Kirche entscheidet dann darüber, ob sie die Erklärung abgibt, daß in die- ser Heilung ein Zeichen Gottes, ein Wunder, zu sehen sei, durch welches Gott die Menschen aufmerksam ma- chen und im Glauben bestärken wolle.

Bisher sind von der katholischen Kirche 65 Fälle als wunderbare Hei- lungen in Lourdes anerkannt wor- den; die Ärzte haben etwa 1300 als unerklärbar bezeichnet. In der Liste der von der Kirche anerkannten Wunderheilungen finden sich vor al- lem sämtliche Formen der Tuberku- lose mit Lungenkavernen oder Bauchfell-Tb, Knochen- und Ge- lenk-Tb, langjährige Lähmungen, Erblindungen, Morbus Pott, mehre- re Fälle Multipler Sklerose, Osteo- myelitis, Lymphogranulomatose, Ad- disonscher Krankheit und anderes.

Sie alle wurden erst nach mehreren jährlichen Kontrollen registriert.

Interessant ist der Fall eines jun- gen italienischen Gebirgsjägers mit Beckensarkom, das auch das Hüftge- lenk zerstört hatte; er kann inzwi- schen seit Jahren wieder bergsteigen.

Sein Heilungsbericht erschien 1976.

In jüngerer Zeit, im Juni 1989, wurde der Heilungsbericht über die junge Sizilianerin Delizia Cirolli vorgelegt.

Sie war 1976 an einem — histologisch nachgewiesenen — Sarkom des Un- terschenkels erkrankt; im Anschluß an eine Pilgerfahrt nach Lourdes heilte es aus. Es war keine Therapie erfolgt. Sie ist gesund und hat vor ei- nem Jahr geheiratet.

In einer Pressekonferenz aus An- laß der Kölner Komitee-Tagung be- richtete Dr. Pilon, der ständige Arzt des Bureau M6clical de Lourdes, jährlich meldeten sich etwa 20 Men-

schen, die angeben, geheilt worden zu sein. Im vergangenen Jahr war un- ter ihnen ein Fall von Multipler Skle- rose sowie die Heilung eines Blinden mit Sehnervenschaden. Die Fälle werden derzeit untersucht und im nächsten Jahr dem Ärztekomitee vorgetragen.

Immer bleibt noch Raum für die Hoffnung

Von Journalisten wurde wäh- rend der Pressekonferenz unter an-

derem auch gefragt, warum der spä- tere Medizin-Nobelpreisträger Dr.

Carrel, der im Jahr 1902 Zeuge der Heilung einer Schwerkranken mit Bauchfell-Tb gewesen war, darum gebeten hatte, diesen Fall erst nach seinem Tode veröffentlichen zu las- sen. Die Antwort lautete: Weil er da- mals um seine Karriere als Arzt in Lyon fürchtete. Die Unterlagen zu diesem Fall befinden sich noch heute unter den Krankenakten, aber nicht unter denen der „wunderbaren Hei- lungen".

Anläßlich der Tagung des Inter- nationalen Ärztekomitees hatte der Kölner Erzbischof Kardinal Meiss- ner eine Ausstellung in der Biblio- thek des Maternushauses eröffnet, die Bilder, Fotos und Dokumente der Lourdes-Pilgerfahrten zeigte. Sie stammten aus den Beständen des Deutschen Lourdes Vereins Köln, aus der Erzbischöflichen Bibliothek, und teils waren es Leihgaben aus dem Ärztebüro Lourdes. Der Kardi- nal dankte den Teilnehmern für ihre Tätigkeit. Sie zeige, daß Wissen- schaft und Glaube keine unvereinba- ren Gegensätze seien und daß immer noch Raum bleibe für die Hoffnung

— auch entgegen jeder medizinisch- wissenschaftlichen Erkenntnis.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Erwin Theiß Schwalbenweg 21 W-5253 Lindlar

Dt. Ärztebl. 88, Heft 11, 14. März 1991 (29) A-853

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