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Die Internationale Politik 1991/92

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Olaf Preuschoft, Warum kämpfen?

Wofür sterben? Zur Soziogenese und Anthropologie des Krieges, Frankfurt a.M.: Haag + Herchen 1992, 246 S.; DM29,80

Wer eine erschöpfende Antwort auf die vom Autor aufgeworfenen Fragen erwartet, die das Thema des Buches bilden, wird et- was enttäuscht. Lediglich 45 Seiten räumt der Autor dem Kernproblem ein, und auf die Frage »Warum Krieg« bemüht er ein Konglomerat von Antworten aus der Ver- haltens- und Sozialpsychologie, die aber al- lesamt nur Teilerkenntnisse bieten. Fromms These, daß der Krieg nicht ausschließlich die Frucht menschlicher Aggression sei, wird zustimmend zitiert (S. 125). Auch Ag- gressionen haben in der Natur gewisse, zum Teil arterhaltende Funktionen, so daß da- mit sich das Phänomen allein nicht erklärt.

Die in der Regel dem Krieg vorhergehen- de negative Klassifizierung potentieller Geg- ner als Angehörige von Gruppen oder Men- schen, die grundsätzlich schlecht sind (S. 130) und dementsprechend auch schlech- te Absichten hegen, ist zweifellos richtig. Es wäre hier aber angebracht gewesen, auf die neuesten Ergebnisse der Verhaltensfor- schung zu verweisen, die etwa bei Schim- pansenpopulationen Angriffe auf benach- barte Populationen zeigten, um deren Ter- ritorium in Besitz zu nehmen. Auch die jüngsten Beispiele der ethnischen Säube- rung und des gezielen Massenmordes durch serbische Sozialisten in Bosnien hätten ei- ne eingehende Beschäftigung mit dem Pro- blem der Binnenmoral und Außenmoral nahegelegt.

Seine Stärken dagegen entfaltet das Buch bei der Untersuchung der antiken Wurzeln des Phänomens Krieg, dem auch sein größ- ter Teil gewidmet ist. Der Autor beschreibt

die Entwicklung des »Kämpfers« und »Krie- gers« und des Kriegswesens in einem weit- gespannten Bogen, der vom Gilgamesch- epos bis zur Neuzeit reicht. Seine Liebe gilt jedoch der Zeit der frühen Hochkulturen, der griechischen Antike, Rom und dem ger- manischen Gefolgschaftswesen. Wer sich hier über die Ausformung des Begriffs

»Krieg« und über diejenigen, die »des Ares Jammergeschäft und Frevel« über zweitau- send Jahre betrieben, unterrichten will, ist mit dem Buch gut bedient.

Graf Thun-Hohenstein

Landkriegführung. Operation — Taktik — Logistik — Mittel. Ein Handbuch, hrsg. und eingeleitet von Johannes Gerber, Osnabrück: Bi- blio 1992, XII, 841 S.; DM 9 8 , - Das umfangreich-komplexe Wissen eines ge- samten Fachgebiets enzyklopädisch geord- net zu veröffentlichen ist sicher ein heraus- forderndes Unternehmen, des Engagements hochrangiger Fachleute wert. Der Heraus- geber steht dabei in einem doppelten Di- lemma: Zum einen läuft ein solches Wag- nis Gefahr, gerade in Zeiten fundamentaler Umwälzungen — und wer wollte bestreiten, daß wir mitten in einer solchen Zeit le- ben — rasch an Aktualität zu verlieren; zum anderen ist er von der Sachkompetenz der Fachleute und »Experten« (der Unterschied zwischen beiden liegt darin, daß die erste- ren von dem Thema, über das sie reden oder schreiben, auch etwas verstehen) ab- hängig.

Generalmajor a.D. Gerber hat, um die Ri- siken wohl wissend, dennoch diesen Ver- such gewagt. Das Ergebnis ist ein Handbuch zu den Bereichen Operation, Taktik, Logi-

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stik und Mittel der Landkriegführung, das unter 51 Stichworten von »Alternative Ver- teidigungskonzepte« bis »Zusammenarbeit von Landstreitkräften« eine breite Palette an Wissen und Information bietet.

Die einzelnen Beiträge sind von recht un- terschiedlicher Qualität — kein Wunder, denn die fachspezifische Qualifikation man- ches Möchtegern-Experten gründet offen- sichtlich nur in der Tatsache, daß seine mi- litärische Laufbahn irgendwann und -wo diejenige des Herausgebers kreuzte. Dem- entsprechend sind auch die Recherchen als Grundlage der einzelnen Darstellungen, ebenso die Reflexionshöhe wie der intellek- tuelle »Tiefgang«. Da Militärs mit zuneh- mendem Lebensalter meistens eine unheil- bar wachsende Zuneigung zur Geschichte entwickeln, fehlt in fast keinem Beitrag die Einordnung des Themas in einen histori- schen Horizont.

Hier ist dann dem Dilettantismus ein breites Feld geöffnet: Was an falschen Da- ten und Fakten, Interpretationen und Zu- sammenhängen erscheint, ist fürwahr »ein starkes Stück« — um es artilleristisch aus- zudrücken! Einige Beispiele aus einer un- übersehbaren Vielzahl: Der 30jährige Krieg sei von »mit Spießen bewaffneten Volkshau- fen« geprägt worden (S. 11), alle deutschen Panzeroperationen in der ersten Phase des Zweiten Weltkrieges (bis Ende 1941) seien

»durch Luftlandeoperationen unterstützt«

worden (S. 14), Roßbach und Leuthen 1757 seien wesentlich durch die preußische Ar- tillerie entschieden worden (S. 28), der An- griff auf Verdun beginnt einmal am 12. Fe- bruar (S. 31), ein andermal am 21. Januar 1916 (S. 103), 1939 wird ein deutscher

»Blitzfeldzug« gegen Norwegen geführt (S. 35), 1815 findet ein Begegnungsgefecht an der Katzbach statt (S. 86), 1913 wird Danzig belagert (S. 105), im Ersten Welt- krieg habe es im Osten nur eine »Nicht- Front« gegeben (S. 183), Zweck der Kauka- susoperation 1942 sei nur der Flanken- schutz für den Angriff auf Stalingrad gewe-

sen (S. 198), 1820 regierte in Preußen Fried- rich Wilhelm II. (S. 266), die Mauer wird 1963 gebaut (S. 287), »eine grundsätzliche Ubereinstimmung zwischen Waffen, Tak- tik und Doktrin« habe es »das letzte Mal im 13. Jahrhundert unter den Mongolen und den Engländern gegeben« (S. 306), der Versailler Vertrag wird 1920 geschlossen (S. 325), Napoleon sei ein »großer Reiter- führer« gewesen (S. 398) usw., usf.

Natürlich weist die Terminologie der mi- litärischen Fachsprache eigenständige Be- griffe mit entsprechenden Inhalten auf, dies wird nahezu auf jeder Seite des Handbuchs deutlich. So mancher Autor schießt aller- dings in der Kreativität seiner sprachschöp- ferischen Leistung wohl über das Ziel hin- aus: Was ist ein »Stellenkrieg« (S. 14), ein

»schwacher Schwerpunkt« (S. 35), was ist die »Flugartillerie« (S. 46) oder ein »Flug- zeugwerfer« (S. 47), was sind »indirekte Feu- erwaffen« (S. 53) oder »indirekter Beschüß«

(S. 172) oder »indirekt schießende Waffen- systeme« (S. 380), was versteht man unter einem »Luftflugzeug« (S. 377) oder der

»deutschen Panzergrenadierphilosophie«

(S. 583), was ist ein intelligenter Spähpanzer (S. 585) und was sind »Sichtwaffen« (S. 743)?

Auch diese Liste ließe sich beliebig fort- setzen. Problematisch wird es, wenn ein

»reiner Soziologe« in die militärische Pha- lanx einbricht: Da wird die »Integration ur- banisierter Strukturen in Netzwerke mili- tärischer Verteidigung« (S. 643) verlangt, die Aufgabe, einen »Aufmarsch [...] zu maskie- ren«, korrespondiert mit der »Fluidität an- derer Kräfte« (ebd.), »angreifende Infante- rie [wird] absorbiert« (S. 644) und »Kampf- teams [sollen] unsystematisch [...] nach dem Zufallsprinzip im Raum verteilt« (S. 645) werden; da schreibt der »Gelehrte« von

»Streuung« (S. 739 und 744), meint aber nicht die Streuung in der Ballistik, sondern die Auflockerung von Truppen, und wäh- rend der militärische Fachmann die »Streu- stellungen« (ebd.) als aufgelockerte Feuer- stellungen identifiziert, werden vom Sozio-

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logen »nicht verstreute Kräfte [...] unsyste- matisch eingesetzt« (S. 744) und »Stadtkon- glomerate [...] als natürliche Deckung für die Infanterie [...] betrachtet« (S. 745).

Bei aller Einsicht in die Bündnisrelevanz der englischen Sprache fragt man sich doch, ob in einem deutschen Handbuch die Skiz- zen der Schlachten von Cannae, Breitenfeld und Leuthen unbedingt englische Erläute- rungen haben müssen (S. 396 f.). Ebenso fragwürdig sind in einem Handbuch der Landkriegführung die Angaben der Ge- schwindigkeit und Reichweite von Flugzeu- gen in Knoten und nautischen Meilen (S. 493).

Viele Aussagen in den einzelnen Beiträgen sind durchaus diskussionsbedürftig — so z.B. ob Panzer und Flugzeuge wirklich

»nur noch Symbolwert« (S. 446) haben —, manche skurril: Ob die Feststellung, »wer gelernt hat, mit einem Pferd umzugehen, [...] wird es immer leichter haben, Men- schen richtig zu behandeln« (S. 398), das zu- treffende Erläuterungsmuster für die Men- schenführungsprobleme in der Bundeswehr liefert, erscheint doch sehr zweifelhaft, ebensowenig dürfte der Satz, »die Schwei- zer Infanterie verwendet Viehherden, um die audio-visuellen, die infraroten und die Radarbilder zu verwischen« (S. 747), die Häufigkeit derartiger Viehherden in der Al- penregion begründen.

Bei klarer Erkenntnis, daß Nuklearwaf- fen primär politische Waffen sind, wäre die Darstellung ihres möglichen Einflußes auf die Landkriegführung doch von eminenter Bedeutung—diese Komponente fehlt völlig.

Leider wimmelt das Handbuch von Druckfehlern, die häufig sinnentstellend wirken und in dieser massierten Anzahl für ein Werk mit dem hohen Anspruch, Hand- buch der Landkriegführung zu sein, eigent- lich indiskutabel sein müßten.

Fazit: Ein Werk, das viel Information bie- tet, doch um dem o. a. Anspruch zu genü- gen, dringend der Überarbeitung bedarf.

Waldis Greiseiis

British Naval Documents 1204—

1960, ed. by John Β. Hattendorf, R. J. Β. Knight, A. W. H. Pearsall, Ν. A.M. Rodger and Geoffrey Till, Aldershot: Scolar Press 1993, XVm, 1196 S. (= Publications of the Navy Records Society, Vol. 131); £60 Der umfangreiche Band British Naval Do- cuments 1204—1960 ist aus Anlaß des 100jährigen Jubiläums der Navy Records Society erschienen. Es handelt sich um ei- ne Sammlung von Dokumenten (-ausschnit- ten), geordnet in sieben Zeitabschnitte und herausgegeben von N. A.M. Rodger (1204—

1485, 1485-1603 und 1603-1648), John B. Hattendorf (1648-1714), R.J.B. Knight (1714-1815), A.W.Η. Pearsall (1815-1900) sowie Geoffrey Till (1900-1960). Die Zeit- abschnitte beginnen jeweils mit einer »All- gemeinen Einführung«, in der versucht wird, den Bezug zur relevanten historischen Entwicklung herzustellen. Die Dokumen- te sind dann in die Sach-Kapitel »Politik und Strategie«, »Taktik und Operationen«,

»Führung«, »Material und Waffen« sowie

»Personal« eingeordnet. Auch diesen Sach- Kapiteln ist jeweils eine Einleitung voran- gestellt. Insgesamt werden also die unter- schiedlichsten Aspekte aus Konstruktion, Betrieb und Gebrauch des Instrumentes Flotte in 756 Jahren britischer Geschichte angesprochen.

Insbesondere die älteren Dokumente sind so redigiert, daß sie gut lesbar sind, ohne daß jedoch ihr Charakter verändert wäre;

fremdsprachige Dokumente sind ins Eng- lische übertragen. Ein ausführliches Glos- sar hilft zum Verständnis fachspezifischer Begriffe. Dennoch wird der Leser ohne flüs- sige Englischkenntnisse nicht auskommen.

Die Herausgeber hatten sich vorgenom- men, anläßlich des 100jährigen Jubiläums der Navy Records Society im Jahr 1993 ei- ne Sammlung von Dokumenten zusam- menzustellen, die so vollständig sein soll- te, wie das in einem Band nur möglich war.

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Sie sollte für den Anfänger eine Einführung in die Geschichte britischer Seemacht sein, aber auch eine Basis für weitere Nachfor- schungen durch den Experten.

Was den »Anfänger« angeht, so wird ihm in den »Allgemeinen Einführungen« zu den Zeitabschnitten ein Uberblick über die je- weilige historische Entwicklung gegeben, zu der Konstruktion, Betrieb und Gebrauch der Flotte in Wechselbeziehung stehen. Oh- ne solide Kenntnisse der britischen Ge- schichte beim Leser wird dies allerdings Stückwerk bleiben. Hilfe kann der »Anfän- ger« in den Hinweisen zu weiterführender Literatur finden, die den Abschnitten bei- gegeben und im Anhang zu einer knappen Bibliographie zusammengefaßt sind.

Darüber hinaus bemühen sich die Her- ausgeber, der sehr weit gefächerten Mi- schung von Dokumenten jeweils in einer Einleitung zu den Sach-Kapiteln sowohl Rahmen als auch roten Faden zu geben. Ei- ne nur schwer zu lösende Aufgabe, wenn z.B. zu »Taktik und Operationen« des Zwei- ten Weltkrieges nur 60 Zeilen eingesetzt werden können, und darin auch noch die Dokumente in einen — oft kaum vorhan- denen — Zusammenhang gebracht werden sollen. So wirken diese Einführungen zu den Sach-Kapiteln vielfach holzschnittartig und reizen nicht selten zum Widerspruch.

Was den Anspruch angeht, eine möglichst vollständige Sammlung zusammenzustellen, so kann das sicherlich nur bedeuten, daß die wesentlichen Entwicklungslinien und Ereignisse erfaßt werden. Auch dafür ist die Auswahl von Dokumenten aus 756 Jahren Geschichte der britischen Marine natürlich problematisch, insbesondere in der versuch- ten Breite von Strategie bis Personal. Was dabei herauskommt, ist eine kunterbunte Mischung: Manche Dokumente bieten Lo- gik und Analyse, manche bieten interessante Einblicke in zeitgenössisches Denken, man- che bieten auch (nur) Anekdote.

So finden sich zum Ereignis Skagerrak- Schlacht ein persönlicher Brief Jellicoes,

vier Tage nach dem Erleben noch vom Pul- verdampf getrübt, sowie eine süffisante Po- lemik des Admiral Richmond zum Kräf- teverhältnis aus dem Jahr 1919. Britische U-Bootkriegführung im Ersten Weltkrieg schlägt sich in dem albernen Brief eines Leutnants an seine Ehefrau aus dem Okto- ber 1914 und in der dienstlichen Meldung des Commodore Submarines für das zwei- te Halbjahr 1918 nieder. Ganz anders wie- derum die sorgfältige Analyse der Admira- lität aus dem August 1945 zur Auswirkung der gerade erfundenen Atombombe auf die Seekriegführung.

Eine solche bunte Vielfalt der Dokumen- te hat aber auch viel Reiz. Als eine Art

»Festschrift« einer Gesellschaft, die mit dem Ziel gegründet wurde, ungedruckte Manu- skripte und seltene Werke von Interesse für den Seekrieg zu veröffentlichen, ist das Werk allemal gut gelungen. Die Fülle des Materials beeindruckt und macht neugie- rig auf die Vielzahl themenbezogener Ein- zelveröffentlichungen der Navy Records So- ciety (eine Liste der lieferbaren Titel ist im Anhang enthalten).

Wenn so auch der »Experte« in dem Buch mit Interesse, vielfach auch Amusement und mancherlei Erkenntnissen im Detail le- sen wird, so ist sein Wert als »Basis für wei- tere Nachforschungen« doch eher zurück- haltend zu bewerten. Uwe Dirks

William ER Napiery History of the War in the Peninsula and in the South of France from the year 1807 to the year 1814, vols. 1, 2 (Reprint) London: Constable 1992,

Vol. I: XI, 638 S.; Vol. II: XI, 530 S.;

je £ 18.95

Der Feldzug in Spanien war der wesentli- che Beitrag des britischen Heeres zu den na- poleonischen Kriegen; zudem markiert er

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den Beginn des Aufstiegs des Herzogs von Wellington. So kann es nicht überraschen, daß die Vorgänge auf der iberischen Halb- insel von 1807/1808 bis 1814 die britische Öffentlichkeit immer schon besonders in- teressiert haben. William Napiers sechsbän- diges Werk, zuerst 1828 bis 1840 erschienen, nimmt hier eine besondere Rolle ein. Zwar hat Napier selbst auf diesem Kriegsschau- platz gekämpft, aber es sind keine Erinne- rungen, die er schreibt. Im Gegenteil: den Standards damaliger wissenschaftlicher Ge- schichtsschreibung verhaftet, bemüht er sich, alle Aussagen durch Verweise auf Quellen und Literatur zu belegen. Diesen wissenschaftlichen Anspruch verbindet er mit einer kraftvollen Sprache und einem Sinn für faszinierendes militärisches Detail.

Mit seiner Darstellung der Vorgänge hat er die britische Sicht dieses Krieges — und das britische Spanienbild — das ganze 19. Jahr- hundert hindurch maßgeblich beeinflußt.

Dabei ist Napiers Darstellung aber keines- wegs objektiv. Zu deutlich wird sein Ziel, die beiden britischen Befehlshaber, Sir John Moore und eben Wellington, von aller Schuld reinzuwaschen, dagegen die Regie- rung in London und ihren Vertreter in Spa- nien, Frere, für Mißerfolge verantwortlich zu machen. Vor allem aber sind es die Spa- nier, die prahlerisch, feige und hinterhältig die alliierte Kriegsanstrengung zunichte ma- chen; für sie hat Napier kein gutes Wort übrig, besonders, wenn sie von Priestern oder gar Bischöfen geführt werden. Da der Sieg trotz der oder fast schon gegen die spa- nischen »Anstrengungen« erfochten werden mußte, leuchtet das Licht der beiden briti- schen Feldherren um so strahlender.

Dieses nicht unproblematische, aber in je- dem Fall doch wichtige und überaus lesbar geschriebene Werk liegt jetzt in einer foto- mechanischen Wiedergabe der dritten Auf- lage von 1835 vor. Diese Form der Aufbe- reitung erhält den Charme der ursprüngli- chen Ausgabe; so sind alle Belege als Glossalien neben den Text gesetzt. Leider

ist das Schriftbild einiger Seiten (schlechte Vorlage? schwache Reproduktion?) recht verwaschen, dafür aber sind die Karten und Skizzen in guter Qualität wiedergegeben (gleichwohl sollte man beim Lesen eine Kar- te Spaniens zur Hand haben!).

Die vorliegenden Bände werden also den Liebhaber schöner alter Bücher erfreuen, sie werden sich als Lektüre »einfach nur so«

anbieten, sie werden aber auch dem Wis- senschaftler hilfreich sein, der sich mit der Geschichte der Militärgeschichtsschreibung auseinandersetzt. Winfried Heinemann

Erna und Klaus-Ulrich Keubke, Das Mecklenburger Militär und seine Uniformen im Biedermeier (1815—

1849), Rostock: Hinstorff 1991, 159 S., 63 Abb.; DM 78,-

Militärgeschichte in Deutschland, das ist für viele in erster Linie die Geschichte der be- waffneten Macht in Preußen, vielleicht noch des Königreichs Bayern, kaum mehr die Sachsens. Alle anderen eigenständigen Militärorganisationen der deutschen Staa- ten des 19. Jahrhunderts werden nahezu nicht mehr wahrgenommen. Um so ver- dienstvoller ist der Versuch von Erna und Klaus Keubke, die Geschichte des meck- lenburgischen Militärs, das heißt der Groß- herzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz, zwischen dem Ende der napoleonischen Kriege und der Revo- lution von 1848/49 einem breiteren Publi- kum nahezubringen.

Im Vordergrund stehen die seltenen, hier ausgezeichnet reproduzierten Uniformta- feln verschiedener Provenienz, unter denen die des mecklenburgisch-Schweriner Offi- ziers Friedrich v. Boddien einen besonde- ren Rang einnehmen. Die von Erna Keub- ke nach zeitgenössischen Vorlagen geschaf- fenen Aquarelle mecklenburgischer Uni-

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formen aus den Jahren 1848/49, die durch Ausdruck und Detailtreue bestechen, run- den das Tafelwerk ab. Die Arbeit weist aber über den Rahmen einer rein uniformkund- lichen Darstellung hinaus, da sie den Ver- such unternimmt, das Bildmaterial in den Rahmen einer Militärgeschichte der beiden Herzogtümer im 19. Jahrhundert zu stellen.

Ein um so verdienstvolleres Unternehmen, da eine entsprechende Untersuchung bis heute fehlt.

Der Autor beschränkt sich auf organisa- tionsgeschichtliche und biographische As- pekte, während er die allgemeinhistorischen Bezüge nur in Umrissen wiedergibt. Eine Darstellung der inneren Verfassung der Truppen, des nicht immer spannungsfreien Verhältnisses zum übermächtigen Nachbarn Preußen oder die Haltung der Armee 1848/

49 mußte daher ausgespart bleiben.

In Anbetracht der reichen Bestände des Schweriner Landeshauptarchivs, von denen der Autor bisweilen eine Kostprobe gibt, könnte eine Militärgeschichte dieser beiden Staaten der militärhistorischen Forschung neue Impulse vermitteln.

Angenehm berührt, daß der Band, der durch die ausgezeichnete Qualität des repro- duzierten Bildmaterials eine besondere ver- legerische Betreung erkennen läßt, durch ei- nen kritischen Apparat und ein umfangrei- ches, weitere Forschungen erleichterndes Literatur- und Quellenverzeichnis das Ni- veau vieler ähnlicher Publikationen weit hinter sich läßt. Bernhard R. Kroener

»... Wahr muss es sein«. Militär und Journalismus in zwei Jahrhunder- ten, hrsg. von Fritz Peter Hoppe und Gerhard Schurig, Herford- Bonn: Mittler 1989, 176 S., 100 Abb.; DM 49,80

Dieser Band stellt eine Festschrift dar zum 200jährigen Jubiläum des Verlages E. S. Mitt-

ler & Sohn. Seine Herausgeber sind Offi- ziere, Militärschriftsteller und Journalisten deren Anliegen es ist, die »Interdependenz des Politischen, Wissenschaftlichen, des Wirtschaftlichen, des Sozialen und auch des Kulturellen mit dem Militärischen sichtbar werden zu lassen«. Dieser Anspruch dürf- te für ein schmales Buch zu hoch angesetzt sein, wie auch die Aufforderung Feldmar- schall Blüchers an den Journalisten Görres nach der Schlacht von Waterloo, die als Ti- tel gewählt wurde. Die Beiträge der 17 Au- toren, außer zwei Schweizern und einem Österreicher alles Deutsche, sowie Auszü- ge aus den Schriften bekannter Dichter und Offiziere nähern sich diesen Idealanforde- rungen soweit als möglich an.

Der aufwendig aufgemachte und reich be- bilderte Band wird vom früheren Staatsse- kretär im Bundesministerium der Verteidi- gung, Dr. Lothar Rühl, kenntnisreich ein- geleitet. Die weiteren Beiträge bringen inter- essante und aufschlußreiche Überlegungen zum Spannungsfeld zwischen der Notwen- digkeit militärischer Geheimhaltung und der Aufgabe breiter Offentlichkeitsunter- richtung. Marlis Steinerty Genf

Wolfram Wette, Militarismus und Pazifismus. Auseinandersetzung mit den deutschen Kriegen. Mit einem Vorwort von Fritz Fischer, Bremen:

Donat 1991, XVII, 268 S. (= Schrif- tenreihe Geschichte und Frieden, Bd 3), DM 29,80

Wette will für die deutsche Geschichte im Zeitalter der beiden Weltkriege untersu- chen, »welche Faktoren es waren, die zu den wiederholten kriegerischen Gewaltexzessen führten«. Parallel dazu will er darüber in- formieren, welche Kräfte »in eine andere, friedlichere Richtung wirkten, sich aber nicht durchsetzen konnten«. Der Band ver-

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einigt bereits publizierte Aufsätze. Im Hin- blick auf ein breiteres Publikum, das mit Fragestellungen und Ergebnissen historisch dimensionierter und nicht im akademi- schen Elfenbeinturm verharrender Friedens- forschung vertraut gemacht werden soll, mag es sinnvoll erscheinen, die Arbeiten nochmals herauszubringen. Auf zwei kurze Skizzen zum Milizgedanken im 19. Jahr- hundert und über sozialdemokratische Ein- stellungen zu Krieg und Frieden folgen je zwei Beiträge zum Ersten Weltkrieg, zur Weimarer Republik und zur NS-Ideologie.

Der Zweite Weltkrieg wird anhand des Kriegs gegen die Sowjetunion und des Kriegsendes in insgesamt vier Aufsätzen be- handelt, wobei die Analyse zur militäri- schen Führungsschicht nach dem 8. Mai 1945 in die Nachkriegszeit hinüberweist.

Abgeschlossen wird der Band mit kurzen Überlegungen zum Beginn der Kriege 1914 und 1939 und ausführlicher angelegten Fra- gen zu Lernfähigkeit und Lernbereitschaft im Schatten einer kriegsbestimmten Ge- schichte sowie zur Aufgabe und Leistungs- fähigkeit historischer Friedensforschung.

Wette verdeutlicht, daß gesellschaftliches Lernen nur als Prozeß langer Dauer vor- stellbar ist. Was den Einstellungswandel zu Militär und Krieg nach dem Zweiten Welt- krieg betrifft, so zeichnet er ein ambivalen- tes Bild.

Es bleibt der Wunsch, daß er aus der Per- spektive des nach dem Ende des Ost-West- Konflikts wiederhergestellten deutschen Nationalstaates zu einer monographischen Bearbeitung seiner Fragestellungen kommt und dabei sowohl die Kriege einbezieht, die zur ersten Gründung dieses Nationalstaats 1871 führten, als auch die der zweiten Na- tionalstaatsfindung vorausgehenden Jahr- zehnte der alten Bundesrepublik berück- sichtigt, die einerseits Frontstaat im Kalten Krieg war und andererseits Motor suprana- tionaler Politik im Westen und entspan- nungspolitischer Initiativen nach Osten.

Gottfried Niedhart

Egmont Zechlin, Erlebtes und Er- forschtes 1896—1919, hrsg. von Anneliese Zechlin, Göttingen, Zü- rich: Muster-Schmidt, 1993, 195 S.;

DM 4 8 , -

Der Hamburger Historiker hat das Manu- skript dieses Bandes kurz vor seinem Tode im Jahre 1992 noch abschließen können; so darf man annehmen, daß auch der Titel, der den Inhalt sehr präsize charakterisiert, von ihm bestimmt worden ist. Der Erste Welt- krieg und seine unmittelbare Nachgeschich- te stehen ganz im Mittelpunkt der Auf- zeichnungen, doch auch die relativ kurzen Bemerkungen zur Herkunft der Familien, zur Kinder- und Jugendzeit vermitteln ei- nen sehr starken Eindruck von der Atmo- sphäre, die in dem ausgesprochen militä- risch geprägten Elternhaus und dem ent- sprechenden Umfeld geherrscht hat. Kein Wunder, daß der knapp 18jährige sich bei Kriegsbeginn sofort als Kriegsfreiwilliger meldete und dank seiner Beharrlichkeit schließlich auch angenommen wurde.

Bei der Schilderung der verschiedenen Stationen seiner militärischen Laufbahn steht die Wiedergabe des Erlebten ganz im Vordergrund. Als Kavallerist und Angehö- riger einer Maschinengewehrabteilung er- lebte er den Krieg an der Ost- und Südost- front; die Westfront besuchte er im Som- mer und Herbst 1918 als Kriegsberichter- statter. Für den Militärhistoriker ist es sehr aufschlußreich zu verfolgen, wie dieser jun- ge, kriegsversehrte Leutnant, der durchaus die Symptome der schleichenden Lähmung der Kampfbereitschaft der Mannschaften erkannte und sich gänzlich unkonventionell durch ein kurzes Intermezzo als Munitions- arbeiter bei Borsig in Berlin Einblick in ei- ne ihm fremde Lebenswelt zu verschaffen suchte, trotz aller Bemühungen das volle Ausmaß der Zerrissenheit der Gesellschaft und der Zerrüttung der Armee verkannte.

In seinen Frontberichten aus dem Okto- ber 1918 für die Norddeutsche Allgemei-

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ne Zeitung — einige sind dem Band als An- lage beigegeben — versuchte er der panikar- tigen Stimmung entgegenzuwirken. Und diese Haltung bestimmte ihn auch in den folgenden Monaten, so daß ihm die Nieder- schlagung der Januar-Unruhen 1919 als ein

»Sieg über den Bolschewismus« erscheinen konnte. Bei der Darstellung dieser Monate kommt dann auch der forschende und inter- pretierende Historiker zu Wort, der eigenes Erleben mit den Ergebnissen der Forschung konfrontiert. Sehr ausführlich geschieht dies auch bei der reflektierenden Beschrei- bung der Kühlmann-Krise, die Zechlin den Anstoß gab, sich als Kriegsberichterstatter zu versuchen. — Geschrieben ist das Buch in einem sehr lebendigen, nie ermüdenden Stil, und insgesamt ist es Zeugnis der be- wundernswerten, auch im hohen Alter nicht nachlassenden Schaffenskraft dieses bedeutenden Historikers. Wilhelm Deist

Fritz Fischer, Hitler war kein Be- triebsunfall. Aufsätze, München:

C.H.Beck 1992, 272S. (= Beck'- sche Reihe 459); DM 19,80 Die Aufsatzsammlung des bedeutenden Hamburger Historikers Fritz Fischer, der im Jahre 1993 seinen 85. Geburtstag feiern konnte, kreist einmal mehr um die großen Themen seines wissenschaftlichen Lebens.

Es geht um die Außenpolitik des kaiserli- chen Deutschland und den Beginn des Er- sten Weltkrieges, um die Rolle Kaiser Wil- helms II. bei der Gestaltung der deutschen Politik vor 1914, um dessen Haie-Interview vom 19. Juli 1918 — von Fischer als »Ex- zeß der Autokratie« charakterisiert — sowie um die Person des Reichskanzlers Theobald v. Bethmann Hollweg. Zeitlich weiter ausgreifend sind zwei Beiträge, die sich mit den Kirchen in Deutschland während der beiden Weltkriege befassen sowie mit dem Thema »Deutschland — Rußland — Polen vom Wiener Kongreß bis zur Gegenwart«.

Im Mittelpunkt des Bandes steht der Auf- satz »Hitler war kein Betriebsunfall«, in dem sich Fischer mit der bekannten natio- nal-apologetischen Deutung der NS-Zeit aus- einandersetzt. Er geht von dem Befund aus, daß Hitlers »Weltanschauung« aus zwei un- veränderlichen Zielen bestand: der Vernich- tung der Juden und dem Krieg gegen Ruß- land zum Zwecke der Eroberung von »Le- bensraum« im Osten. Mit diesen Themen erweise sich Hitler »als nicht originell und als Kind einer breiten Strömung in der deut- schen wie der österreichischen Gesellschaft vor dem Ersten Weltkrieg« (S. 174). Denn es bestehe eine »Kontinuität von den Anti- semiten des Kaiserreichs [...] bis zu Hitlers Denken und Handeln«. Was die Eroberung und Kolonisation des Ostens angehe, kön- ne man die Linie ebenfalls zurückverfolgen:

Spätestens seit 1912/13 sei diese Expansions- richtung in der Parole vom »unvermeidli- chen Existenz- und Endkampf« zwischen Slawen und Germanen offizielle Zielset- zung des Deutschen Reiches geworden (S. 177). Neben raumpolitisch-strategischen Zielen hätten schon damals wirtschaftliche Interessen (die Ukraine als Kornkammer und Lieferant von Erzen) die deutsche Po- litik bestimmt.

Mit dem Uberfall Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion im Jahre 1941, der ein rein imperialistischer Eroberungskrieg war, seien die Tendenzen der Vorweltkriegszeit ins Brutal-Unmenschliche ausgeartet. Fi- scher ordnet dieses Ereignis folgenderma- ßen ein: »Neu, der Person Hitlers allein zu- zuschreiben, ist die Ubersteigerung dieser Politik ins Kriminelle: die Behandlung der polnischen und russischen Bevölkerung als Heloten; das Verhungernlassen von Millio- nen russischer Kriegsgefangener, woran auch die Wehrmacht eine große Mitschuld trägt. Wohl Hitler allein zuzuschreiben ist die Ermordung von Millionen europäischer Juden. Wobei auch hier, außer den Gefolgs- leuten Hitlers, staatliche und private Grup- pen (Polizei, Eisenbahn, Bauunternehmer,

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Chemiewerke), sei es aus Antisemitismus, sei es aus preußisch-deutscher Gehorsams- tradition oder aus gedanken- und bedenken- loser Gewinnsucht beteiligt waren. Die geo- politisch-strategische und ökonomische Zielsetzung (>Nach Ostland wollen wir rei- ten! <) ist Kontinuität des wilhelminisch-all- deutschen Expansionismus« (S. 178 f.).

Fritz Fischer faßt an dieser Stelle noch einmal seine Erkenntnisse über das — die deutsche Politik zwischen 1871 und 1945 bestimmende — »Bündnis der Eliten« zu- sammen. Um seine Politik innenpolitisch durchsetzen zu können, verbündete sich Hitler, gedeckt durch die SS, mit den Säu- len der Gesellschaft und Wirtschaft des wil- helminischen Deutschland, nämlich der Ar- mee, der Schwerindustrie, dem Großgrund- besitz, der Beamtenschaft, der Justiz und der katholischen Kirche.

Damit ist Hitler in den größeren histori- schen Zusammenhang eingeordnet: »Dieser Vulkan an Energie, Willen und Leiden- schaft ist [...] ohne die gesellschaftlich-so- zialen wie die ideellen Bedingungen Deutschlands im Kaiserreich und in der Weimarer Republik nicht denkbar. Jeden- falls kam Hitler nicht aus der Hölle oder vom Himmel und war kein »Betriebsunfall·.

Er gehört, gemessen an den Voraussetzun- gen, die sein Wirken und sein Auftreten er- möglichten, wie an seiner Gedankenwelt, tief in die deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts hinein« (S. 181).

Besonders zu empfehlen ist schließlich die Einleitung zu diesem Buch. Fischer gibt hier einen dicht gedrängten Abriß der histo- riographischen Auseinandersetzung mit der preußisch-deutschen Geschichte und hebt insbesondere — auf Meinecke, Dehio und Forscher der jüngeren Generation zurück- greifend — die fatalen Auswirkungen des Mi- litarismus hervor. In prägnanter Kürze wird die seit 1964 anhaltene »Fischer-Kontrover- se« rekapituliert, die das Ende der apologe- tischen Periode der deutschen Geschichts- wissenschaft einläutete. Wolfram Wette

George Nekrasov\ North of Galli- poli. The Black Sea Fleet at War 1914-1917, New York: Columbia University Press 1992, VI, 167 S.

(= East European Monographs, No. CCCXLIII); $ 32.50

Mit dem vorliegenden Band der Serie East European Monographs unternimmt der Verfasser den lobenswerten Versuch, einer breiteren interessierten Leserschaft einen Aspekt des Seekriegs im Ersten Weltkrieg näherzubringen, der in einer offiziellen, umfassenden Darstellung bislang nur von einer Seite vorliegt — den Seekrieg im Schwarzen Meer, über den das Admiral- stabswerk mit seinen beiden Bänden »Der Krieg in den türkischen Gewässern« (Ber- lin 1928 und 1938) ausführlich die Sicht der türkischen, und das heißt hier der kaiser- lich deutschen Marine wiedergegeben hat.

Im Gegensatz zu dieser bislang einzigen offiziellen Darstellung schöpft der Verfas- ser nur aus Einzeldarstellungen und per- sönlichen Erinnerungen von zaristischen Kriegsteilnehmern, was er auf die Weigerung des sowjetischen Systems zurückführt, in einer eigenen offiziellen Geschichtsschrei- bung die außerordentlichen Leistungen der zaristischen, d.h. vorrevolutionären Schwarzmeerflottenführung zu dokumen- tieren.

Diese Leistungen werden in der sehr dif- ferenzierenden Darstellung deutlich. Sie ge- währt darüber hinaus bemerkenswerte Ein- blicke in die Innovationsfähigkeit und -be- reitschaft der damaligen russischen Schwarz- meerflottenführung auf technischem wie taktischem Gebiet. So führt die Schwarz- meerflotte erstmals das Kampfgruppenkon- zept ein, indem sie lageangepaßt große und kleinere Kampfeinheiten zu geschlossenen taktischen Elementen zusammenfaßt; sie führt gegen den Druck der eigenen Füh- rung eine zielstrebige Minenoffensive gegen den Bosporusausgang im Sinne einer klas- sischen Sea-Denial Strategie; sie rüstet ein

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Geschwader von Seeflugzeugträgern aus, welche gemeinsam oder den Kampfgruppen zugeteilt operieren und u.a. einen offen- siven Luftkrieg gegen wichtige Landziele als Power-Projektion führen; schließlich entwickelt sie das Konzept amphibischer Kampflandungen und baut hierzu als erste Marine der Welt moderne flachgehende Landungsschiffe für Strandlandungen.

Insgesamt ist dem Verfasser eine ein- drucksvolle, lesenswerte Darstellung des Einsatzes einer augenscheinlich leistungsbe- reiten und innovationsfähigen Flotte sowie der Persönlichkeiten ihrer beiden Befehls- haber, der Admírale Eberhard und Kolchak, gelungen. Zu bedauern ist lediglich, daß er sich nicht in der Lage gesehen hat, zu offe- nen oder spekulativen Einzelthemen wie Verlusten, der Explosion des Schlachtschif- fes Imperatritsa Maria in Sevastopol am 20. Oktober 1916 oder der Übernahme rus- sischer Einheiten durch die Kaiserliche Ma- rine nach dem Waffenstillstand mit dem Deutschen Reich, die Darstellung des Ad- miralstabswerks sowie andere verfügbare Veröffentlichungen mit heranzuziehen oder zumindest zu prüfen. Dem Wert des vor- liegenden Werkes tut dies aber letztlich kei- nen Abbruch. Viktor Toyka

Peter Jung, Der k. u. k. Wüstenkrieg.

Österreich-Ungarn im Vorderen Orient 1915-1918, Graz, Wien, Köln: Styria 1992, 198 S.; DM 39,80 Nach einer Reihe von Einzeluntersuchun- gen, die er zumeist in militärgeschichtlichen Zeitschriften publiziert hat, faßt der öster- reichische Militärhistoriker Peter Jung mit dem vorliegenden Band seine Forschungen zur Präsenz von k. u. k. Streitkräften im Os- manischen Reich während des Ersten Welt- krieges zusammen. Titel und Untertitel des Buches versprechen ein wenig anderes, als

der Text einhält. Jung liefert keine Darstel- lung der Rolle der Donaumonarchie im Vorderen Orient während des Krieges, und ob man von einem k.u.k. Wüstenkrieg sprechen darf, ist füglich zu bezweifeln.

Am 12. November 1914 erklärt der Sul- tan Rußland, Großbritannien und Frank- reich den Krieg. Zwei Tage später ruft er zum Heiligen Krieg, zum Dschihad, zum Schutz der heiligen Stätten des Islam. Für die Donaumonarchie bedeutet der Kriegs- eintritt nicht ohne weiteres eine Entlastung, wie man in Wien, vor allem in Kreisen der militärischen Führung, hofft1.

Durch Verträge mit dem osmanischen Nachbarn verbunden, wird die Monarchie noch tiefer in die Auseinandersetzungen auf dem Balkan hineingezogen. Hier wie auch sonst in den ersten Monaten des Krieges verliert sie rasch an Handlungsspielraum für die Durchsetzung eigener Interessen. Jung erwähnt dergleichen freilich nur im Vor- übergehen, er setzt die allgemeine politische und militärische Entwicklung des Ersten Weltkrieges als bekannt voraus. Er konzen- triert sich auf einen Bericht über die mili- tärische Zusammenarbeit zwischen Wien und der Hohen Pforte, so z.B. über die Ent- sendung von U-Booten in die Dardanellen, von Artillerie nach Palästina und nach Me- sopotamien, von Instruktionsdetachements für die Ausbildung türkischer Offiziere und Mannschaften im Einsatz der aus Wien avi- sierten Geschütze, von Kfz-Formationen oder auch eines Radiodetachements, letzt- genanntes freilich für den deutschen Ver- bündeten und dessen Richtfunkverbindun- gen im Nahen Osten.

Jung belegt seinen Bericht aus den reichen Aktenbeständen des Wiener Kriegsarchivs und aus der Literatur und schildert die ver- schiedenen Einsätze auf den Kriegsschau- plätzen des Nahen Ostens, berichtet auch über die Bewegungen der Truppen und il- lustriert dies alles mit Karten (Anhang) und vor allem mit aufschlußreichem, bislang weitgehend unbekanntem Bildmaterial. Aus

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alldem entsteht ein farbiges Bild — aber es ist doch das Bild einer Episode, eines Ge- schehens eher am Rande der Ereignisse, die den Gang des Krieges bestimmen, von ge- ringer militärischer Bedeutung, von der po- litischen Bedeutungslosigkeit nicht zu re- den. Bernhard Unckel

1 Hierzu und zum folgenden jetzt zusammen- fassend die wichtige Arbeit von Francis Roy Bridge, The Habsburg Monarchy among the Great Powers, 1815—1918, New York, Oxford, Munich 1990, passim, bes. S. 345 ff.

Siegfried Sorge, Vom Kaiserreich zur Bundesrepublik. Aus den Schriften eines engagierten Offiziers und Staatsbürgers, im Auftrag des Mili- tärgeschichtlichen Forschungsamtes hrsg. von Werner Rahn, Berlin u. a.:

Mittler & Sohn 1993, 144 S.;

DM 29,80

Mit dem Autor Siegfried Sorge verbindet der Rezensent und wie er viele andere Marineoffiziere das 1937 erschienene, alle Aspekte der Menschenführung richtung- weisend behandelnde Buch »Der Marine- offizier als Führer und Erzieher«. Nicht hiervon, sondern von anderen Schriften die- ses engagierten Offiziers handelt der von Werner Rahn herausgegebene Band. Damit erfahren die wenigen Veröffentlichungen, in denen Marineoffiziere ihr Leben vom Er- sten Weltkrieg bis in unsere Zeit reflektiert haben, eine wertvolle Ergänzung.

In der vom Herausgeber gegebenen Ein- führung zu Sorges Lebensweg (1898—1989) wie auch in seinen Schriften — genannt sei- en hier beispielhaft die 1923/24 vom dama- ligen Oberleutnant zur See verfaßte Win- terarbeit über den Offizierunterricht, die Arbeit über die Reichsmarine der Weima- rer Zeit von 1972, über die Menschenfüh-

rung in Kaiserlicher, Reichs- und Kriegsma- rine von 1981 sowie seine detaillierte Aus- arbeitung von 1952 zur Personalstruktur künftiger deutscher Seestreitkräfte — wird das Bild eines Offiziers gezeichnet, der stets von einer tiefen Sorge um die ihm anver- trauten Männer erfüllt war. Dies zeigt sich in den detailliert ausgearbeiteten, für seine Zeit äußerst modernen Empfehlungen des 25jährigen Oberleutnants z.S. zum Offizier- unterricht ebenso wie in den Gedanken des 54jährigen Konteradmirals a.D. zur künf- tigen Personalstruktur, in denen mit viel Einfühlungsvermögen Fähigkeiten, Bedürf- nisse und Leistungsgrenzen zukünftiger Ma- rinesoldaten gegeneinander abgewogen wer- den. Das Herz für seine Männer hat Sorge im übrigen auch beispielhaft vorgelebt, und es ist das besondere Verdienst des Heraus- gebers, dies deutlich gemacht zu haben.

So hat sich Sorge im Mai 1945 auf der Halb- insel Heia bewußt der Gefangennahme durch die Rote Armee ausgesetzt und dies auch so mit seinem Vorgesetzten verein- bart, da seiner Meinung nach ein Admiral mit den Truppen in Gefangenschaft zu ge- hen hatte.

Bleibt noch zu erwähnen, daß neben der Menschenführung auch politische Ereig- nisse ihren Niederschlag in Sorges Schrif- ten gefunden haben. Dafür steht seine Nie- derschrift über die Generalstagung in Po- sen und im Führerhauptquartier im Januar 1944, aber auch seine kritische Auseinan- dersetzung mit der Heye-Affäre im Jahr 1964.

Zu bedauern ist, daß sich in dem vorlie- genden Band eine Betrachtung über das Selbstverständnis Sorges als Offizier von 1916 bis 1945 aus eigener Feder nicht fin- det. Sie hätte den Wert dieses Buches, das allen an den Aspekten der Truppenführung wie auch an der Marinegeschichte zwischen den Weltkriegen Interessierten zu empfeh- len ist, zweifellos noch deutlich erhöht. Sor- ge hat sich hierzu leider nicht schriftlich ge- äußert. Viktor Toyka

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Gerhard Kaiser, Sperrgebiet. Die ge- heimen Kommandozentralen in Wilnsdorf seit 1871. Mit Fotografien von Christian Thiel und Detlev Steinberg, Berlin: Ch. Links Verlag 1993, 199 S.; DM 5 4 , -

Gestützt auf eine umfangreiche Auswer- tung von staatlichen und privaten Archi- ven und Materialsammlungen sowie dem Studium einer breiten Literatur, die sowohl die örtliche Geschichte als auch das The- ma berührende Darstellungen und Memoi- ren zur Militärgeschichte erfaßte, hat sich der Autor bemüht, in drei Abschnitten (»Die Preußen kommen«, »Von Krieg zu Krieg«, »Die Russen kommen«) die Ge- schichte jenes Militärareals nachzuzeich- nen, dessen Nutzung nach 1871 begann und das unter dem Namen der Ortschaft Wüns- dorf in die Geschichte vor allem nach 1945 eingegangen ist, als hier das Oberkomman- do der späteren Westgruppe der russischen Streitkräfte seinen Sitz nahm. Es nutzte dabei drei Prozent des auf dem Truppen- übungsplatz Zossen ab 1935 geschaffenen feldmäßigen Hauptquartiers des Oberkom- mandos des Heeres, das bis 1945 für 90 Millionen Mark teilweise vier bis sechs Stockwerke tief in die Erde gebaut worden und 1945 demontiert und zum Teil ge- sprengt worden war sowie weitere Gebäu- de und Einrichtungen des Gebiets. Umfang- reiches Bildmaterial unterstützt die Aus- sagen.

Eingeordnet in die allgemeine politische Geschichte verbindet K. dabei die Darstel- lung der örtlichen Entwicklung mit der Be- handlung der Entstehung und Ausbreitung der militärischen Einrichtungen im Gebiet sowie der Funktionen, die sie in Vorberei- tung und Verlauf der Weltkriege hatten, aber auch welchen Einfluß Wünsdorf auf die politische und militärische Führung der DDR vermittelte. Er macht auch auf die Probleme aufmerksam, die sich mit dem Abzug der russischen Truppen für die wei-

tere Nutzung des Gebiets, seiner Bauten und Einrichtungen ergeben.

Die Zahl und der Umfang der vom Au- tor unter dem Sammelbegriff Wünsdorf zusammengefaßten Dienststellen und Ein- richtungen, die sich über den Raum Wüns- dorf—Zossen—Klausdorf—Rehagen und Kummersdorf erstreckten, brachte es mit sich, daß der Autor viele oft nur kurz an- reißen konnte und sich in der Schilderung auf die interessantesten und wesentlichsten beschränken mußte. Zu bedauern ist des- halb, daß er auf Anmerkungen und Fuß- noten verzichtete; das umfangreiche Litera- turverzeichnis vermag zwar Anregungen zum Nachschlagen zu geben, kann sie aber nicht ersetzen. Werner Knoll

Dermot Bradley/Karl-Friedrich Hil- debrand/Markus Rövekampy Die Ge- nerale des Heeres 1921—1945. Die militärischen Werdegänge der Gene- rale sowie der Arzte, Veterinäre, In- tendanten, Richter und Ministerial- beamten im Generalsrang. Mit ei- nem Geleitwort von Generalmajor a. D. Heinz Günther Guderian, Bd 1: Abberger—Bitthorn, Osna- brück: Biblio 1993, XIII, 422 S.

(= Deutschlands Generale und Ad- mírale, Teil IV, Bd 1); DM 178 — Mit diesem ersten Band zu den Heeresgene- ralen von Reichswehr und Wehrmacht eröff- net der Biblio-Verlag in seiner verdienstvol- len Reihe »Deutsche Generale und Admí- rale« nunmehr die lexikografische Aufarbei- tung zum Kernbereich der deutschen Ge- neralität. Wie in den vorausgegangenen Bän- den zu den Admiralen und Luftwaffenge- neralen besticht auch die neue Reihe durch ihre gute Bebilderung und ihre zuverlässi- ge Datensammlung, die aus amtlichen Do- kumenten, Personalakten und Ranglisten

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geschöpft ist. Neben den Lebensdaten wer- den Berufseintritt und Entlassung, Beför- derungen sowie dienstliche Verwendungen einschließlich der Dauer von Kriegsgefan- genschaften aufbereitet. Nicht ganz über- zeugen kann indes die zeitliche Eingren- zung mit dem Beginn des Berichtzeitraumes erst 1921. Zu diesem Zeitpunkt wurde zwar formal die Reichswehr aus der Taufe geho- ben. Dennoch würde man die Jahre 1919/

20 militärhistorisch doch zweifelsfrei bereits zur Reichswehrgeschichte schlagen. Schließ- lich sind die Generalsernennungen schon zu dieser Zeit nicht mehr vom Vorgänger- regime des Kaiserreiches resp. der Königrei- che Preußen, Bayern, Württemberg und Sachsen, sondern durch die Weimarer Re- publik vorgenommen worden.

Daneben seien einige sachliche Anmer- kungen gemacht, die vielleicht bei der wei- teren Bearbeitung der Reihe Berücksichti- gung finden können. Stiefmütterlich be- handelt werden hier wie in den früheren Reihen die Wehrmediziner und Militär- beamten. Das liegt sicherlich wesentlich an der lückenhafteren Materialüberliefe- rung im Verhältnis zu den Generalen. Ei- ne intensive Auswertung der militärischen Fachzeitschriften nach 1945 und die Ein- schaltung entsprechender Traditionsverbän- de könnten hier möglicherweise Lücken schließen helfen. Eine Auswertung der jetzt zugänglichen Militärakten der DDR ließe im übrigen die Daten ehemaliger Wehr- machtgenerale in der NVA wesentlich prä- ziser fassen (so etwa bei Bamler in diesem Band). Aus sozialhistorischer Sicht wäre zudem zu fragen, ob man für die Zeit nach 1945 nicht auch Angaben zum weiteren nichtmilitärischen Werdegang des vorge- stellten Personenkreises machen könnte.

Schließlich erscheint es unzweckmäßig, den Sohn des Reichspräsidenten, der in der Li- teratur allgemein unter Oskar von Hin- denburg geführt wird, unter seinem Na- mensbestandteil v. Beneckendorff aufzufüh- ren. Zumindest sollte man für den entspre-

chenden Folgeband einen Querverweis vor- sehen.

Insgesamt schränken die aufgeworfenen Fragen die durchgängig positive Einschät- zung dieser für den Militärhistoriker zen- tralen Reihe zur Personen- und Struktur- geschichte der deutschen Generalität nicht wirklich ein. Zu hoffen bleibt daher, daß der Fortgang der Reihe zügig vorangetrie- ben werden kann. Bruno Thoß

Helmut Michels, Ideologie und Pro- paganda. Die Rolle von Joseph Goebbels in der nationalsozialisti- schen Außenpolitik bis 1939, Frank- furt a.M. u.a.: Lang 1992, 458 S.

(= Europäische Hochschulschriften.

Reihe ΙΠ: Geschichte und ihre Hilfs- wissenschaften, Bd 527); DM 108,—

Der Gegenstand dieser Trierer Dissertation ist, was schon die Titelei vermuten läßt, nicht ganz eindeutig. Es geht um mehrere Aspekte einer Goebbels-Biographie, näm- lich erstens um die ideologischen Positio- nen dieses prominenten Mitstreiters Hitlers, zweitens um seine praktische Propaganda und drittens um seinen — möglicherweise vorhandenen — Einfluß auf die national- sozialistische Außenpolitik der 30er Jahre.

»Die vorliegende Studie will«, so läßt uns der Autor einleitend wissen, »von der Fixie- rung auf Hitlers Denken und Handeln weg- führen, ohne zu verkennen, welche Bedeu- tung der Diktator in der äußeren Politik des NS-Staates hatte« (S. 16 f.). Eine weitere lei- tende Fragestellung zielt auf die politische Substanz von Goebbels ab: »War er purer Propagandist [...] oder lassen sich in seinem Denken ideologische Fixpunkte und in sei- ner Politik Leitlinien ausmachen?« (S. 24)

Helmut Michels' Darstellung besticht durch eine extensive Verarbeitung der reich- haltigen wissenschaftlichen Literatur zur Propaganda der NS-Zeit und zum für sie zu-

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ständigen Minister sowie durch eine unge- wöhnlich breite Quellenkenntnis. Beson- ders hervorzuheben ist, daß er neben dem einschlägigen Aktenmaterial und den Tage- büchern von Goebbels auch dessen zahllo- se Leitartikel und Zeitungsaufsätze, veröf- fentlicht in der »Völkischen Freiheit«, den

»NS Briefen«, dem »Angriff«, dem »Völki- schen Beobachter« und dem »Reich« sowie die öffentlichen Reden des Propagandami- nisters — so weit sie durch Presseberichte faßbar sind — auf seine Fragestellungen hin ausgewertet hat. Wir erfahren von der Exi- stenz einer vom Autor angefertigten »Re- dekartei« von 1800 Ansprachen (!), die der Propagandaminister bis zum Jahre 1939 ge- halten hat.

Durch die weitläufige Präsentation dieser Quellen wird die Darstellung plastisch und detailreich. Im einzelnen befaßt sich die Ar- beit mit dem Werdegang und dem Weltbild von Goebbels, wie es sich in den 20er Jahren entwickelte, sowie mit der Rolle des Reichs- ministers für Volksaufklärung und Propa- ganda in der NS-Außenpolitik 1933—1939.

Die Ergebnisse weichen allenfalls in Nuancen vom bislang schon Bekannten ab:

Goebbels habe mit seiner Propaganda die öffentliche Meinung in Deutschland weit weniger geformt, als bislang angenommen wurde. Er könne nur insoweit als ein pro- pagandistisches Genie bezeichnet werden, als er Stimmungen, die in der deutschen Be- völkerung ohnehin schon vorhanden wa- ren, zu aktivieren vermocht habe. War er auf diesem innenpolitischen Feld einigerma- ßen erfolgreich, so sei seine Auslandspro- paganda »ein kompletter Fehlschlag« gewe- sen (S. 415 und 420). Eine eigene außenpo- litische Konzeption habe Goebbels — sieht man von einigen antiwestlichen und pro- russischen Ideensplittern einmal ab, die er in den 20er Jahren zu Papier brachte — nicht gehabt. Vielmehr sei er gerade auch auf dem Gebiet der Außenpolitik der Sug- gestionskraft Hitlers völlig erlegen und ha- be eigentlich nur dessen Außenpolitik pro-

pagandistisch »verkauft«, so weit sie ihm er- kennbar war. Michels nimmt an, daß Goebbels keineswegs in vollem Umfang über Hitlers langfristige Ziele informiert war. Der erste Propagandist des NS-Staates wird uns in seiner bösen Banalität geschil- dert: Ein gewitzter Taktiker, den opportu- nistische Wendigkeit und brutale Men- schenverachtung auszeichneten. Mit diesen Forschungsergebnissen trägt der Autor auch zu einer Entdämonisierung des gelegentlich völlig überschätzten Propagandaministers bei. Wolfram Wette

Patrìk von zur Mühlen, Fluchtweg Spanien—Portugal. Die deutsche Emigration und der Exodus aus Eu- ropa 1933—1945, Bonn: Dietz 1992, 223 S. (= Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung, Reihe: Po- litik- und Gesellschaftsgeschichte, Bd 28); DM 39,80.

Diese historische Forschungsarbeit beleuch- tet einen bislang in der Emigrationsfor- schung vernachlässigten Aspekt, nämlich den Fluchtweg deutscher Emigranten durch Spanien und Portugal, der während des Zweiten Weltkrieges zeitweise die einzige verbliebene Möglichkeit bot, nach Groß- britannien und nach Ubersee auszuwan- dern. Viele der deutschen Emigranten, die diesen Weg nach 1939 in Anspruch nah- men, waren schon in den 30er Jahren nach Frankreich geflüchtet, das bis dahin wich- tigste Aufnahmeland für deutsche Emigran- ten. Den Fluchtweg über die beiden iberi- schen Länder Spanien und Portugal nutz- ten etwa 80000 bis 100000 Menschen. Etwa 95 Prozent von ihnen waren Juden, die rest- lichen 5 Prozent vorwiegend nicht-jüdische Ehepartner aus sogenannten Mischehen.

Die politisch Verfolgten, denen das histo- riographische Interesse in besonderem Ma- ße galt, bildeten nur eine kleine Minderheit

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von einigen hundert Personen. Unter den Persönlichkeiten aus Literatur und Politik, die über Lissabon dem Zugriff der Gesta- po entgingen, waren Heinrich Mann, Franz Werfel, Hans Habe, Erich Ollenhauer, Otto von Habsburg, Otto Strasser und andere.

Patrik von zur Mühlen, langjähriger Mit- arbeiter des Forschungsinstituts der Fried- rich-Ebert-Stiftung in Bonn, recherchierte in deutschen, portugiesischen, spanischen und amerikanischen Archiven und ergänzte die dort gewonnenen Erkenntnisse durch Befragung noch lebender Zeitzeugen. In den vier größeren Abschnitten seines Bu- ches behandelt er folgende Aspekte des Fluchtgeschehens: »Ausgangsland Frank- reich«, »Transitland Spanien«, »Etappenziel Portugal«, »Fluchtwege, Fluchthelfer, Fluchtziele«. Der Sache nach erörtert er Fragen von Asyl und Exil, Lebensbedingun- gen und wechselseitigen Einflüssen von Flüchtlingen und ihren vorübergehenden Aufnahmeländern.

Dem Autor, der hier seine Spezialkennt- nisse über die spanische Zeitgeschichte ein- bringt, kann bescheinigt werden, eine dif- ferenzierte, kenntnisreiche und gut lesbare Sozialgeschichte jenes Teils der deutschen Emigration vorgelegt zu haben, der Spanien und Portugal als Transitweg für überseeische Fluchtziele benutzte. Wolfram Wette

Detlef Garbe, Zwischen Widerstand und Martyrium. Die Zeugen Jeho- vas im »Dritten Reich«, München:

Oldenbourg 1993, 577 S. (= Studien zur Zeitgeschichte, Bd 42); DM 98,—

Die Zeugen Jehovas, lange Zeit noch unter ihrer älteren Bezeichnung als »Ernste Bibel- forscher« bekannt, stellen im Gesamtkom- plex des Widerstands gegen die nationalso- zialistische Herrschaft ein Phänomen be- sonderer, unverwechselbarer Art dar. Zu- tiefst unpolitisch und stets auf sorgsamste

Beachtung der staatlichen Vorschriften be- dacht, arbeitswillig und fleißig, verkörperten sie gleichsam den Grundtypus der »Stillen im Lande«. Von ihren sekundären Tugenden der Arbeitsamkeit und Genügsamkeit beein- druckt, wollte Heinrich Himmler sie sogar nach einem deutschen Sieg in Rußland an- siedeln, um diesen Raum dauernd zu pazi- fizieren (S. 457 f.). Nichtsdestoweniger stan- den sie wegen ihrer Verweigerung der An- passung an den Stil des Regimes und seine Rituale schon früh unter Druck, noch be- vor die Einführung der allgemeinen Wehr- pflicht sie wegen ihrer unbeugsamen Kriegs- dienstverweigerung vollends dem Terror von Justiz und Geheimer Staatspolizei aus- setzte. Keine Religionsgemeinschaft hat ei- ne auch nur annähernd vergleichbare Zahl von Opfern aufzuweisen (wenn auch die bisher als gesichert angenommenen Zahlen der Opfer erheblich niedriger angesetzt werden müssen: S. 486 und 488).

Dieser bislang von der Forschung nur we- nig beachteten Gruppe hat Detlef Garbe, Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, eine eindringliche Studie gewidmet, die sehr umfangreiches Material entfaltet und so fes- selnd geschrieben ist, daß der Leser kaum ermüdet. Im Schicksal dieser Gruppe wer- den trotz aller Besonderheiten, etwa ihrer gelegentlichen Unterstützung durch die Di- plomatie der USA, die wegen der interna- tionalen Verflechtung der Zeugen Jehovas in berechtigter Wahrung amerikanischer In- teressen auftreten konnte (S. 102 u. ö.), den- noch Grundstrukturen nationalsozialisti- scher Herrschaft ebenso deutlich wie die Teilhabe an den anfänglich weit verbreite- ten Versuchen zur Beschwichtigung drohen- der Konflikte mit dem System. Auch die Bi- belforscher haben 1933 einen ihrer Kongres- se mit dem Deutschlandlied eingeleitet und bekundet, daß sie »zur nationalen Regie- rung des Deutschen Reiches keinerlei Ge- gensätze« sähen (S. 98—101). Die Verpflich- tung für alle im öffentlichen Dienst Be- schäftigten, als dienstliche Grußformel laut

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mit »Heil Hitler« zu grüßen, erzwang dann ab 1935 ein klares Bekenntnis zur eigenen Uberzeugung, die solches nicht erlaubte, und klärte somit die Fronten, die sich durch die Wehrpflicht bald weiter verschärften.

Für die Militärgeschichte sind naturge- mäß diese Partien des Buches von besonde- rem Aufschluß, weil sie in der Darstellung zahlreicher Fälle die Praxis ziviler wie mi- litärischer Gerichte bei der Bestrafung von Verletzungen der Wehrpflicht dokumentie- ren. Aufmerksamkeit verdienen auch die aus den Akten gewonnenen Einsichten in die bis 1934 zurückreichenden Bestrebungen, die »Zersetzung der Wehrkraft« unter Stra- fe zu stellen (S. 337f.). Obwohl der Verfas- ser hier eine große Zahl von Prozessen dar- stellt, die bei künftigen Diskussionen um die Einschätzung der Militärgerichtsbarkeit im Zweiten Weltkrieg nicht außer acht ge- lassen werden sollten, dürfte der Schwer- punkt seines persönlichen Interesses in die- sem Zusammenhang bei »Jehovas Zeugen in den Konzentrationslagern« (S. 394—462) liegen. Diesen umfangreichen Abschnitt hat er noch ergänzt durch eine Untersuchung über die Bibelforscher im Konzentrations- lager Neuengamme, die als Einzelfallstudie die Gesamtsituation dieser Gruppe von Ver- folgten beleuchtet. Eine ähnliche lokal be- grenzte, aber in ihrer Aussagekraft generel- le Darlegung bietet der Abschnitt über die Internationale Bibelforscher-Vereinigung in Hamburg, die auf Datenstudien zu 414 Per- sonen beruht.

Die Arbeit von Garbe stützt sich neben Akten öffentlicher Provenienz auf private Quellen aus Kreisen der Verfolgten und ei- ne große Zahl von Erinnerungsberichten der Zeitzeugen. Sie werden im Rahmen der Darstellung oft und ausführlich zitiert. Die- se gewinnt dadurch an Farbe und Ein- druckskraft, verliert jedoch an Dichte, was der wissenschaftlich interessierte Leser be- dauern mag. Nichtsdestoweniger ist das Buch von Garbe eine Leistung von beacht- licher Qualität. Heinz Hürten

Ingo SommeTy Die Stadt der 500000.

NS-Stadtplanung und Architektur in Wilhelmshaven, Braunschweig, Wiesbaden: Vieweg 1993, IX, 438 S.;

DM 9 8 , -

Das militärische Bauwesen hatte einen be- trächtlichen Anteil an der Auslastung der Bauindustrie in den Jahren unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg. Uber die einzelnen Baumaßnahmen und ihre Einbindung in eine großangelegte nationalsozialistische Stadtplanung, die nur teilweise eine Umset- zung erfuhr, gibt die detaillierte Abhand- lung von Ingo Sommer anhand des Flotten- stützpunktes Wilhelmshaven Aufschluß.

Die Studie, die das Baugeschehen vor Ort in den dreißiger Jahre aussagekräftig nach- zeichnet, entstand 1990 als Dissertation an der Universität Oldenburg.

Ausgehend von einer gerafften Architek- turgeschichte Wilhelmshavens und hier wir- kender Baumeister widmet sich Sommer eingehend den Wohnsiedlungen bis 1945 (100 S.). Im Zusammenhang mit Militär- planungen werden dann Hochbaumaßnah- men von Marine und Luftwaffe vorgestellt (30 S.). Die Monumentalplanungen (20 S.) sollten in der Stadt nicht nur zu einem ach- sialen Straßennetz, sondern auch zu reprä- sentativen Plätzen führen, so in Anlehnung an ein Verwaltungsforum und ein nur teil- weise verwirklichtes Marineforum. Weite- re Kapitel behandeln die Baumaßnahmen der Kriegszeit (20 S.) und Einzelaspekte des städtischen Bauprogramms (100 S.).

Auf die typischen Funktionsbauten von Marine und Luftwaffe wird ausführlich ein- gegangen. Sämtliche Bauvorhaben, also Ka- sernen, Dienstgebäude und technische Ein- richtungen, werden einzeln beschrieben und illustriert. Ein sehr hilfreicher Anhang mit Kurzbiographien örtlich tätiger Archi- tekten und leitender Baubeamter belegt die Verbindung des Wehrmachtbauwesens zu den stilbildenden Architekturschulen der Zeit.

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Manche pauschalen Urteile, die quellen- mäßig nicht gesichert sind, mindern den Wert der Arbeit. Ob die »militärischen Bau- behörden [...] dem nationalsozialistisch ver- ordneten Kampf gegen modernes Bauen«

folgen mußten, ob es überhaupt solche Ver- ordnungen gab, muß bezweifelt werden, be- legt wird es jedenfalls nicht. Auch die Be- hauptung, daß die Architektur marineeige- ner Siedlungen »traditionell und restaurativ«

sei, weil es »um Darstellung der Wehrkraft und Symbolisierung des Regimes« ging (S. 150), bedürfte konkreter Belege. Uberzo- gen klingt die Auffassung, daß »die kriege- rischen Militärbauten mit rückschrittlicher Harmlosigkeit« verschleiert worden seien (S. 151). Bei den stilistischen Ausdrucksmit- teln an Kasernen und Dienstgebäuden fal- len Sommer immer wieder »(Führer-)Bal- kone« auf, die er als stets präsente Symbo- lisierung des »obersten Feldherrn« ansieht (S. 154f., 159, 255, 257). Sein durchgängi- ger Versuch, einen »Marinestil« festzustel- len, ohne diesen jedoch schlüssig zu kon- kretisieren, wird vollends unsinnig, wenn er solch einen auch für die Luftwaffe kon- statieren will (S. 175—177). Historische Wer- tungen fallen zuweilen arg populistisch aus, so, wenn er die »protzige Marinezentrale«

(S. 13) oder das »uniformierte Musikspek- takel« (S. 161) anspricht. Stephan Kaiser

Manfred Benkel, Gebirgspioniere.

Die Geschichte einer Spezialtruppe, Osnabrück: Biblio 1991, 364 S., 9 Anlagen; DM 78,—

Der einstige Kommandeur des Gebirgs- pionierbataillons 8 der Bundeswehr in Bran- denburg hat mit dieser erfolgreichen Arbeit ein gerade für die Truppe sehr verwendba- res Werk vorgelegt, das einen weit ausgrei- fenden Betrachtungshorizont erschließt und sich dabei nicht nur mit allgemeinen Belan- gen der Gebirgstruppen beschäftigt, son-

dern noch gezielter die Entwicklungslinien der Gebirgspioniere, ihre Aufgabenstellun- gen, aber auch die Leistungen der Gebirgs- pioniere im militärischen Gesamtsystem im Auge hat. Dabei hat der Autor als Mann der Praxis geschrieben, doch theoretische Fragestellungen durchaus einbezogen und zugleich den historischen Betrachtungsrah- men so weit gefaßt, daß ein brauchbares Nachschlagewerk entstanden ist, welches sich in besonderer Weise gerade an den Ge- birgspionier von heute wendet und zu sei- nem Selbst Verständnis beiträgt.

Die Darstellung beginnt mit der Beschrei- bung der historischen Wurzeln der späte- ren Spezialtruppe, wobei der Autor bei den bayrischen, preußischen und schlesischen Pioniereinheiten des frühen 19. Jahrhun- derts naturgemäß das Schwergewicht auf die Pionierfunktion legt, da ja gerade in Deutschland mit der Aufstellung spezieller Gebirgstruppen erst viel später begonnen wurde. Die Betrachtung der Entwicklung während des Ersten Weltkrieges wird kei- neswegs nur auf das Alpenkorps be- schränkt, auch die Verhältnisse in Öster- reich-Ungarn werden gestreift, und dies wie- derholt sich auch bezüglich der Zwischen- kriegszeit. Breiten Raum nehmen dann die deutschen Gebirgspioniereinheiten von Heer und Waffen-SS während des Zweiten Weltkrieges ein, doch auch die Entwick- lungslinien nach 1945 in Osterreich (gar un- ter Einbeziehung der B-Gendarmerie) und der Bundesrepublik finden ausführliche Be- rücksichtigung.

In der Darstellung sind narrativer Exkurs, kalendarische Aufzählung und analytischer Ansatz zur Einheit gefügt, wenn man sich auch von einem so kompetenten Mann der Praxis in analytischen Bereich etwas mehr erwartet hätte. Vielfältige Materialien, Bil- der und Graphiken ergänzen die Darstel- lung. Die Basis der Arbeit ist gegeben durch einige Quellentexte, bei denen unklar bleibt, aus welchen Archiven sie stammen, sowie eine Fülle von Elementen aus den

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verschiedensten zitierten Publikationen, wobei die Numerierung der Anmerkungen etwas verwirrend erscheint. Beeindruckend ist die außerordentliche Fähigkeit zur Syn- these, die Zusammenschau und Zusammen- fassung zu einer geschlossenen Monogra- phie. August Walzl

Die deutschen Divisionen 1939—1945.

Heer/Landgestützte Kriegsmarine/

Luftwaffe/Waffen-SS, hrsg. von Peter Schmitz, Klaus-Jürgen Thies, Gün- ter Wegmann und Christian Zweng, Bd 1: Die Divisionen 1—5 mit An- hang: Pier Paolo Battisteiii, Forma- tionsgeschichte und Stellenbesetzung der Italienischen Sozialistischen Re- publik (R.S.I) 1943-1945, Osna- brück: Biblio Verlag 1993, XXI, 782 S.; DM 178,-

Der Biblio Verlag Osnabrück hat den er- sten seiner voraussichtlich zehn Bände um- fassenden Ausgabe über die deutschen Di- visionen von 1939—1945 herausgegeben.

Das vorliegende Werk umfaßt alle Divisio- nen des Heeres, der landgestützten Kriegs- marine, der Luftwaffe und der Waffen-SS, die mit den Nummern 1—5 bezeichnet worden sind. In der dem Kenner des Hee- res geläufigen Reihe stehen auch einige we- nig bekannte Verbände, wie die 1. und 2. Kosaken-Kavallerie Division und die Di- vision z.b.V. 4 (RAD) (April und Mai 1945 Reserve der HGr Weichsel).

Die im ersten Band mit den »niedrigen Hausnummern« erfaßten Divisionen neh- men meist einen größeren Umfang an In- formation in Anspruch. Allein die 4. Pz.

Div. füllt 14 Textseiten und 6 Kartenblät- ter. Dagegen muß man sich bei den den Ab- schluß des Gesamtwerkes bildenden Ver- bänden, die mit vierstelligen Nummern ζ. T. erst im April 1945 aufgestellt worden sind, mit zwei oder drei Zeilen begnügen.

Für jede Division sind die Einsatzräume und die Unterstellungsverhältnisse verzeich- net. Außerdem erscheinen namentlich die Kommandeure und ihre 1. Generalstabsoffi- ziere sowie die Träger höherer Auszeich- nungen. So finden wir bei der 1. Flieger- division insgesamt 113 Ritterkreuzträger (unter ihnen der mit Schwertern und Bril- lanten dekorierte Werner Mölders), erschüt- ternd die Zahl der 52 Toten und zwei Ver- mißten.

In den 146 Karten sind die Einsatzorte, Bewegungen und Verlegungen mit Datie- rung angegeben. Hierzu liefern die Auto- ren noch kurze stichwortartige Erklärun- gen. Der Kartenteil muß als besonders hilf- reich für die Forschung bewertet werden, da aus täglichen Lagekarten nur im Wege des Vergleichens Bewegungen nachvollzo- gen werden können. Als Beispiel für das dramatische Schicksal einzelner Divisionen mag die 1. ID, der einzigen unter der Reichswehr in Ostpreußen stehenden, die- nen, die am 1. September 1939 zum Angriff gegen Polen antrat, nach Einsätzen in Frankreich noch einmal bis zum 22. Juni 1941 in der angestammten Heimat stand, dann fast pausenlos in Rußland kämpfte und im Januar 1945 in Ostpreußen zerschla- gen wurde.

Dem Band 1 ist als Anhang die Forma- tionsgeschichte der Streitkräfte der Italieni- schen Sozialistischen Republik, die am 9. Oktober 1943 gebildet wurden, beigege- ben. Die hier zusammengestellten Nach- richten über die italienischen Truppen stel- len eine Fundgrube für eine vertiefende Er- forschung des Anteils dieser Verbände am Kriegsgeschehen dar. Die nur aus Parteimit- gliedern aufgestellten »Schwarzen Briga- den«, welche lediglich über einige tausend Mann verfügten, sind mit immerhin 53 Ein- heiten vertreten. Interessant ist unter den hierzu genannten »Quellen und Biogra- phien« der Hinweis: »Außerdem sind die Bestände von >Guardia Nazionale Repub- blicana< und »Ministero della Difesa Nazio-

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nale< verfügbar, deren Benutzung mir nicht möglich war.« Es dürfte sich für den Histo- riker lohnen, dennoch um Akteneinsicht bemüht zu sein.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß sich das vorliegende Werk sowohl als Hilfsmittel in der militärgeschichtlichen Forschungsarbeit als auch für die Wahl ei- nes Forschungsthemas anbietet. Hierzu fällt dem Rezensenten die Empfehlung ein, die Transportleistung zur Überführung der Di- visionen nach dem Balkanfeldzug in den Aufmarschraum »Barbarossa« einmal dar- zustellen.

Für manchen Kriegsteilnehmer und des- sen Angehörige mag auch der Blick in die Listen der hochdekorierten Soldaten inter- essant sein. Die breite Streuung über alle Dienstgrade findet ihre Begrenzung bei der Nahkampfspange in Gold, deren Träger sich vorwiegend aus Unteroffizieren und Mannschaften zusammensetzen. Bei der 4. Pz.Div. finden wir Helmut Frisch, dem als Gefreitem nach 50 Nahkampftagen die hohe Auszeichnung verliehen wurde. Der Frontsoldat weiß, was das bedeutet. So gibt das Werk auch Anlaß zu Nachdenklichkeit über die Opfer einer ganzen Generation.

Kurt Burk

Ulrich H.J.Israel y Graf Zeppelin, einziger deutscher Flugzeugträger, Herford: Koehlers Verlagsgesell- schaft 1994, 170 S.; DM 58,- Nachdem über den einzigen, unvollende- ten deutschen Flugzeugträger »Graf Zeppe- lin« bereits in den vergangenen Jahrzehn- ten zahlreiche Beiträge publiziert wurden, legt der Autor hier zweifelsohne ein Stan- dardwerk vor, das nur noch wenig Raum für Ergänzungen übrig läßt.

Im Mittelpunkt des Buches steht die Bau- phase und die Schiffstechnik, die durch drei Faltpläne und 47 Fotos gut illustriert sind

und auch dem Modellbauer wertvolle Auf- schlüsse liefern dürften. Löblich ist, daß zu- dem die Entwicklung der Trägerflugzeuge (38 S.) und des Flugzeugträgerbaus im All- gemeinen behandelt (15 S.) werden. Die Entscheidungen Hitlers und der Ski über das Schicksal des Trägers ab Kriegsausbruch sind auf den letzten zehn Seiten chronolo- gisch dokumentiert, so daß zusammen mit einer kurzen Abhandlung über den Na- mensgeber Graf Zeppelin eine abgerunde- te Darstellung entsteht.

Schade ist insbesondere für den wissen- schaftlich interessierten Leser, daß die ge- ringe Wertschätzung von Flugzeugträgern als maritimes Kampfmittel in der Kriegs- marine nur auf knapp einer Seite (Vorwort, S. 9) erörtert wird. In diesem Zusammen- hang ist auf die Planspiele des OKM aus der unmittelbaren Vorkriegszeit zu verweisen, die eindeutig beweisen, daß die Ski Flug- zeugträgern — diesen schwimmenden »Ben- zinkisten«, wie sie verächtlich genannt wur- den —, keine nennenswerte Rolle im See- krieg beimaß. Letztendlich sind auch die beiden deutschen Träger — ähnlich wie die Kreuzer der Hipper-Klasse — wohl nur in Auftrag gegeben worden, um es den ande- ren Großmächten gleich zu tun. Trotz die- ser einschränkenden Bemerkung gewinnt man nach der Lektüre einen überaus positi- ven Eindruck von dem entstandenen Buch.

Sönke Neitzel

Wilhelm Schulz, Über dem nassen Abgrund. Als Kommandant und Flottillenchef im U-Boot-Krieg, Berlin, Bonn, Herford: E.S. Mittler

& Sohn 1994, 232 S.; DM 49,80 Der Verfasser dieser »für seine Kinder und Enkelkinder« (S. 7) geschriebenen Darstel- lung starb 1986. Der Autor war nach der Schule zehn Jahre bei der Handelsschiff- fahrt (S. 25—61), sowie anschließend zwölf

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