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Transnationale Kommunikation und Internationale Politik

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Academic year: 2022

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Transnationale Kommunikation und Internationale Politik

Kultur- und Sozialwissen- schaften

Dissertation

Jutta Dorn

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Transnationale Kommunikation und Internationale Politik

Dissertation zur Erlangung des Dr. phil.

an der Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften der FernUniversität in Hagen

vorgelegt von Jutta Dorn

aus Berlin im Juli 2015

Erstgutachter: Prof. Dr. Georg Simonis

Zweitgutachter: Prof. Dr. Hans-Joachim Lauth

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Inhalt

Einleitung ...………..…5

1. Theorie und Stand der Forschung ….………..……...12

1.1 Transnationale Kommunikation in den Medien- und Kommunikationswissenschaften ……….………..12

1.1.1 Globalisierung, internationale und transnationale Kommunikation ………...….…12

1.1.2 Nachrichtengeographie und die UNESCO-Debatte ………...……….…...20

1.1.3 Die US-Tradition: agenda-setting, priming, framing, indexing und cascading activation ….………23

1.1.4 Die europäische Tradition: Nachrichtenfaktoren und Rezeption ……….…...34

1.1.5 Der transnationale Vergleich in den Medien- und Kommunikationswissenschaften ……….47

1.2 Transnationale Kommunikation in den Demokratietheorien ………..………..………....58

1.2.1 Politik und Öffentlichkeit ………...………....58

1.2.2 Demokratietheorien und die normative Bewertung von Politik und Medien ……….….64

1.2.3 Demokratische Grundwerte und „grundlegende Kommunikationswerte“………..68

1.2.4 Demokratietheoretisch orientiertes Media Monitoring als internationaler Vergleich ……….…78

1.2.5 Demokratie als Problemlösungsmodus im trans-/internationalen Kontext ……….83

1.3 Transnationale Kommunikation und die Theorien der internationalen Politik …..……….………..….…..87

1.3.1 Internationale Politik als Disziplin und Gegenstand und die Theorien der internationalen Politik ………..87

1.3.2 Komplexe Interdependenz (I) und „realistisch“ (R) eingeschätzte Situationen: I- und R-Settings ………..95

1.3.3 Kommunikation und Normen in nationaler und internationaler Politik .…………..………...………...99

1.3.4 Die Politisierung der transnationalen Öffentlichkeit ……….…105

1.3.5 Internationale Politik in „transnationalisierten“ Medien? ……….………108

2. Die IR-Studie ………..……….………..………...……..113

2.1 Konzept und Design ...………....113

2.1.1 Theoretischer Rahmen ...………...113

2.1.2 Hypothesen ……..……….120

2.1.3 Untersuchungsanlage …...…...………..……125

2.1.4 Fragenkatalog …..……….128

2.1.5 Räume und Zeiten ...……….……….132

2.1.6 Ebenen ……...………...134

2.1.7 Indizes ……...………...136

2.2 Methoden und Procedere ...……….………139

2.2.1 Der Vergleich als Methode ...……….……...139

2.2.2 Quantitative Inhaltsanalyse: Fallauswahl, Untersuchungszeitraum, Analyseebenen …...………….………...143

2.2.3 Das inhaltsanalytische Instrument: Kategorien, Variablen, Operationalisierungen ...………...150

2.2.4 Validität und Reliabilität ……….…..161

2.2.5 Analysemethoden ...……….….164

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3. Ergebnisse ………..……….………..……….…165

3.1 Die Oberflächenstruktur der transnationalen Medienagenda (Deskriptive Statistik) …………..……..……….165

3.1.1 Politisierung, Transnationalisierung und Interdependenzorientierung (F1-3) …...………165

3.1.2 Relationsmaße ………...…………176

3.1.3 Allgemeine Themen- und Akteurstruktur (F8) ………..……….178

3.1.4 Demokratietheoretische Fragen (F4-6) ………..………180

3.1.5 Nachrichtengeographie (F7) ...………..……….187

3.1.6 Themen im Kontext von Liberalisierungsprozessen (F10) ...………...……….….195

3.1.7 Aggregierte Werte: Demokratiewert (D), DI- und TDI-Index ...………...….197

3.1.8 Mediensystemtypen (F9) und alternative Differenzierungen ……….………..……….200

3.2 Dynamiken transnationaler Kommunikation (Zeitreihen) ……….…………...…205

3.2.1 Entwicklung der Themen- und Akteurstruktur (F1-3, F5, F8) ………..……….…..………..205

3.2.2 Entwicklung demokratietheoretischer und aggregierter Werte (F4-6) ...……….………..…216

3.2.3 Entwicklungen bei der Nachrichtengeographie (F7) ………..221

3.2.4 Entwicklungen bei den liberalisierungsrelevanten Inhalten (F10) ...………..………224

3.2.5 Dynamiken und Veränderungs-Resistenzen ………..225

Zwischenbilanz: Strukturen und Dynamiken der Medieninhalte ………...228

3.3 Die transnationale Medienagenda und ihre konstituierenden Faktoren (Korrelationen) .……….…………...234

3.3.1 Hypothesen zur Transnationalisierung: Ergebnisse ………...234

3.3.2 Hypothesen zur Demokratieorientierung: Ergebnisse ………236

3.3.3 Hypothesen zur Interdependenzorientierung: Ergebnisse ……….…….237

3.3.4 Transnationale Medienagenden und internationale Beziehungen (F11-13) ……….…..238

4. Schluss...………….………..………...243

4.1 Transnationalisierung, Demokratisierung und Interdependenzorientierung ……….243

4.2 Schlussfolgerungen für die Theorie ………..245

4.3 Schlussfolgerungen für die Praxis ……….248

Anhang ...………..257

Anhang 1.1.4: Nachrichtenfaktoren und Nachrichtenwert ...……….258

Anhang 2.2.2: Weltmarkt der Nachrichtenmagazine ……….259

Anhang 2.2.3: Codebuch ...…………...………261

Erhebungs- und Zielvariablen ………..………...………..269

Anhang 3.1: Deskriptive Statistik ...…...……..………..………..………..……….…...270

Anhang 3.3: Außenhandelsquoten und Korrelationen ………..……….……280

Abbildungsverzeichnis ……….………...………..283

Tabellenverzeichnis ………..………...………..285

Tabellenverzeichnis Anhang …………..……..………...………..286

Abkürzungsverzeichnis ………...………..287

Literaturverzeichnis ....….……….…….288

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Einleitung

Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.

Niklas Luhmann (1996; 42009: 9)

Am 13. Dezember 2003 scheiterte beim EU-Ministerrat in Brüssel die Annahme der gemeinsamen europäischen Verfas- sung. Wer an diesem Tag in Deutschland den Fernseher einschaltete in der Erwartung, eine Reaktion der heimischen Politik auf dieses Ereignis oder gar eine gesamteuropäische Debatte nach dem Muster der amerikanischen Federalist Papers zu erleben, wurde enttäuscht. Stattdessen dominierte die Gefangennahme Saddam Husseins durch das US-Militär im Irak die Nachrichtenlage. Dabei konnte es für fast 500 Millionen Europäer kaum ein wichtigeres politisches Thema geben als eine neue, gemeinsame Verfassung – ganz gleich, wie man den damals vorliegenden Entwurf des Verfassungs- vertrages im Einzelnen bewertete. Wie lässt sich die Diskrepanz zwischen der offensichtlichen Relevanz eines politischen Themas und der Performance der Medien erklären?

Gewalthaltige politisch-mediale („realistische“) Settings wie Kriegsszenarien erzeugen eher massenmedial verwertbare Evidenzen - meist in Form kommentierter Bildmaterialien - als gewaltfreie, interdependenzorientierte Verhandlungs- Szenarien, deren Ergebnisse aus medial schwieriger vermittelbaren Diskursen, Kompromissen und Verträgen bestehen.

„Realistische“ Settings entwickeln eine Eigendynamik, die alles andere von den Oberflächen der Medien und damit ten- denziell auch von den Agenden der Politik zu verdrängen scheint. Durch die sich mit einer gewissen Gesetzmäßigkeit einstellenden dramatischen Bilderwelten binden „realistische Settings“ Aufmerksamkeits-Kontingente scheinbar wie von selbst, während Sichtbarkeit im Sinne medialer Präsenz in interdependenzorientierten Settings von den Medien nur müh- sam herzustellen ist und für die Erzielung bestimmter Verhandlungsergebnisse aus der Perspektive der Verhandlungs- partner sogar als kontraproduktiv erscheint.

Die Medien haben in Demokratien die Aufgabe, zur politischen Information der Bürger beizutragen. Diese Bürger sollen einen „informed and enlightened demos“ bilden, um über gemeinsame Angelegenheiten zu entscheiden (Dahl 1989: 112).

Dazu gehört die Befähigung der Individuen, die Leistungen der politischen Entscheidungsträger zu beurteilen, um auf der Grundlage dieses Wissens partizipieren zu können (vgl. Pfetsch 2004: 346). In einem globalisierten Umfeld sind es aber nicht nur nationale Entscheidungen, die Einfluss auf das Leben der Bürger haben, sondern zunehmend auch solche, die in internationalen Institutionen, transnationalen Unternehmen und anderen nicht-nationalen Kontexten getroffen werden.

Nicht zu vermeiden ist darüber hinaus, dass auch die Entscheidungen von Staaten und transnational operierenden Gewalt- akteuren, Kriege zu führen oder andere Formen von Gewalt anzuwenden einen zwar indirekten, aber doch nicht unerheb- lichen Einfluss auf nicht direkt beteiligte Staaten und ihre Bürger haben. Dieser Einfluss vermittelt sich zu einem wesent- lichen Anteil über Medienkommunikation. Vor allem TV-Medien füllen das tägliche news hole (Bennett 1990) lieber mit aufmerksamkeitsstarken Bildmaterialien aus Konfliktgebieten als mit talking heads aus internationalen Verhandlungs- szenarien. Politische Akteure machen sich diesen Umstand zunutze und lassen besonders in „realistischen“ Settings spek- takuläres Material produzieren, das dann als handouts über die Medien an die jeweiligen Zielgruppen gelangt – oder sie inszenieren photo opportunities, welche den Medien die Gelegenheit geben, das erwünschte Material selbst zu erstellen (Boorstin 1961). Das Internet hat diese Form der Evidenzpolitik noch weiter ausdifferenziert. Inzwischen können belie- bige Behauptungen als angebliche Realität in „sozialen“ Netzwerken gepostet und weiterverbreitet werden. Diese Form der Evidenzpolitik hat erhebliche Folgen nicht nur für die von gewaltsam ausgetragenen Konflikten betroffenen Bevöl- kerungen und die jeweils nationalen Politiken, sondern auch für viele andere, oft allein über dieses Bildmaterial und die damit verbundenen Texte an solche Szenarien gekoppelten Öffentlichkeiten. Das Bild der Welt, das die Medien vermit- teln, dient auch der Politik als Hintergrund nicht nur für außenpolitische, sondern auch für interne Entscheidungen.

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Insbesondere im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts schien dieser Mechanismus immer stärker zu greifen. Die Bericht- erstattung über die Anschläge am 11. September 2001 und die als Reaktion darauf begonnenen Kriege in Afghanistan und im Irak verdrängte zentrale politische Prozesse im Rahmen der UN-Klimakonferenzen, der Europäischen Union oder anderer institutioneller Kontexte auf die „hinteren Plätze“ der Medien. In der Europäischen Union standen in dieser Zeit wichtige Themen auf der Agenda, die für alle EU-Bürger relevant waren: die Einführung des Euro als Bargeld, die Ost- erweiterung um insgesamt 12 Länder und der bereits erwähnte und schließlich gescheiterte Prozess der Installation einer europäischen Verfassung. Die Medien berichteten aber nach dem 11. September 2001 auf ihren prominenten Positionen eher über den „Kampf gegen den Terror“, als EU-Themen nach vorne zu bringen. Vor allem in soziologischen Publika- tionen wurde das Fehlen einer gemeinsamen europäischen Öffentlichkeit beklagt und als Ursache für die Aversion der Medien gegenüber europäischen Themen vermutet. Einer der Gründe für das konstatierte Missverhältnis läge demnach beim Unwillen ökonomischer Akteure, in Sender oder Verlage mit einer kontinentalen Reichweite zu investieren. Eine weitere Erklärung ist die Sprachenvielfalt in der Union, die eine europaweite Berichterstattung erschwert. Doch auch die jeweils heimischen Medien haben sich lange mit der Europa-Berichterstattung schwergetan. Europathemen galten als Quotenkiller und wurden in mediale Nischen der Spartenkanäle und auf unattraktive Sendeplätze abgeschoben. Natürlich gab es Artikel in den Printmedien, doch solche Themen schafften es kaum auf die Titelseiten. Das änderte sich erst nach dem Beginn der Finanzkrise im Herbst 2008, als europäische Themen zum Bestandteil der Krisenberichterstattung wur- den und damit die Selektionskriterien des Negativismus und Sensationalismus erfüllten. Nun gab es Bilder von Demonst- rationen in Griechenland und Spanien, welche die jeweiligen Bevölkerungen beim Protest gegen die von internationalen Institutionen verordneten und von den jeweiligen Regierungen durchzuführenden Sparmaßnahmen zeigten und offenbar ausreichend spektakulär waren, um die Aufmerksamkeit der medialen Gatekeeper zu erregen. Paradoxer Weise über- schritt die Europäische Union in den Medien ihrer eigenen Mitgliedsländer erst in der Krise eine gewisse Schwelle der Sichtbarkeit. Doch wo genau liegt diese „Schwelle der Sichtbarkeit“, deren Überschreiten ein transnationales Thema auf die vorderen Plätze der Nachrichtensendungen oder die Titelblätter der Nachrichtenmagazine hebt? Wie globalisiert oder transnationalisiert sind die Medien in einem als „global“ wahrgenommenen Zeitalter? Und welchen Anteil haben Themen aus interdependenzorientierten im Vergleich zu „realistischen“ Settings?

Bisher gibt es keine Studien der Kommunikations- oder Politikwissenschaft zu diesen Kategorien. Dabei hat die Kom- munikationsforschung zur Themenselektion und Thematisierungsleistung der Medien eine lange Tradition. Seit den ers- ten prominenten Studien von Galtung und Ruge (1965) zum Nachrichtenwert und jener von McCombs und Shaw (1972) zum Agenda-Setting wurden eine Vielzahl von Untersuchungen durchgeführt, welche Nachrichtenfaktoren, Nachrichten- werte, die Nachrichtengeografie, die Varianten des Agenda-Building, Priming und Framing sowie zahlreiche weitere Faktoren analysierten – auch und gerade hinsichtlich der Auslandsberichterstattung. Bei den meisten dieser Studien han- delt es sich um Inhaltsanalysen, die in der Regel den gesamten verbalen Inhalt der untersuchten Medien codierten; oft in Kombination mit einer Publikumsbefragung, um eventuelle Medienwirkungen zu erfassen. Wegen des hohen Aufwandes stellen diese meist als Querschnittstudien angelegten Untersuchungen nur Stichproben von wenigen Tagen oder Wochen dar, deren Daten dann untereinander, mit anderen Daten oder mit „Extra-Media-Daten“ verglichen wurden. Sie erzeugten damit nur eingeschränkt verallgemeinerbare Schlaglichter, die stark von aktuellen Ereignissen und den jeweiligen räum- lichen und zeitlichen Kontexten abhängig waren. Die auf dieser Grundlage ermittelten Nachrichtenfaktoren (z.B. Nega- tivität, Konflikt, Kontroverse, Etablierung von Themen, Prominenz, räumliche/politische/kulturelle/wirtschaftliche Nähe;

s. Kap. 1.1.4) stellen nach einer medienspezifischen, aufmerksamkeitsökonomischen Logik konstruierte Selektionskrite- rien dar, welche durch die Ergebnisse der Studien entweder bestätigt oder verworfen werden. Die Ergebnisse der Studien divergieren stark, und zwei Befragungen führender Journalisten fördern wieder andere Prioritäten zutage. Nachrichten- faktoren sind offenbar ständigen Veränderungen unterworfen, die von den jeweils zeitspezifischen gesellschaftlichen Be- dingungen abhängen. Der neu entdeckte Nachrichtenfaktor der „Visualität“ etwa (Ruhrmann et al. 2003) spielt sicher schon länger eine Rolle, hat aber die Schwelle zur Sichtbarkeit nicht zufällig erst kurz nach den Anschlägen des 11.

September 2001 und den darauffolgenden militärischen Reaktionen überschritten.

Aus einer politikwissenschaftlichen Perspektive stellt sich die Frage, inwieweit diese medienökonomischen Kriterien mit dem Ziel einer aufgeklärten, demokratischen Öffentlichkeit kompatibel sind, welche zum „enlightened understanding“

(Dahl 1989: 111) der Bürger beitragen soll. Diese Frage ist zunehmend auch hinsichtlich transnationaler Inhalte relevant.

Zu einer politikwissenschaftlichen Bewertung der Inhalte können sie jenseits von nachrichtengeographischen Aspekten nur wenig beitragen. Die Studie entwickelt daher aus den demokratietheoretischen Grundwerten der Freiheit, der Gleich- heit und der demokratischen Kontrolle (vgl. Lauth 2004) die Kriterien des Transparenzwerts, des Partizipationswerts und des demokratischen Kontrollwerts von Medieninhalten, anhand derer die Demokratieorientierung der Medienagenden und damit indirekt auch jene der Medienakteure gemessen werden kann.

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Aus demokratietheoretischer Sicht nicht weiter überraschend ist die Diagnose eines „universellen Regionalismus“ (Schulz 1983) als Ergebnis fast aller medienwissenschaftlichen Inhaltsanalysen. Die Medien stellten bisher die jeweils eigene Nation ins Zentrum ihrer Berichterstattung, was zunächst kaum problematisch war, denn die Reichweite der politischen Systeme war die jeweils nationale Reichweite. Die bisher als natürlich wahgenommene Kongruenz der politischen Räume und der Nachrichtenräume scheint sich in den letzten Jahren jedoch zunehmend zu verschieben. Der mismatch zwischen einer zunehmend globalisierten Ökonomie und den viel geringeren Reichweiten der jeweils nationalen Politiken dürfte sich auch in den Medieninhalten niederschlagen. Versuche der internationalen Koordination, zum Beispiel in der EU, finden dennoch wenig Resonanz in den Medien. Inwieweit die Medieninhalte aufgrund der Transnationalisierung be- stimmter Problemlagen und den darauf reagierenden (oder eben nicht reagierenden) politischen Prozessen mittlerweile nicht nur nationale, sondern zunehmend auch transnationale Berichterstattung umfassen, dazu gibt es bisher keine Unter- suchungen. Lediglich eine Reihe technischer und ökonomischer Indikatoren wurden in einzelnen medien- oder politik- wissenschaftlichen Studien herangezogen, um das Ausmaß der Globalisierung im Mediensektor (Beisheim et al. 1999) oder den „Kosmopolitismus“ von Mediensystemen auf einer nationalen Basis (Norris/Inglehart 2009) einzuschätzen. Was fehlt, ist eine Langzeitstudie, welche die Themenverteilung anhand tatsächlicher Medieninhalte über Räume und Zeiten hinweg vergleichend untersucht, Konstanten und Veränderungen deutlich macht und sie in Relation zu ihrem näheren und weiteren gesellschaftlichen Kontext setzt. Ein derartiger Langzeit-Vergleich nach Kriterien, die sich aus einer poli- tikwissenschaftlichen Perspektive an den Demokratietheorien sowie den Theorien der internationalen Beziehungen (IB) orientieren wurde bisher nicht durchgeführt. Diese Lücke füllt die vorliegende Studie. Auf diese Weise kann der Stellen- wert der verschiedenen Modi internationaler Politik in den Medien ermittelt werden. Zudem lassen sich Sichtbarkeits- Standards sowie Ähnlichkeiten und Unterschieden in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht untersuchen.

Voraussetzung für die Durchführung einer solchen Untersuchung ist ein vereinfachtes Theoriemodell, nach dem die je- weiligen Inhalte eingeordnet werden können. In der politikwissenschaftlichen Disziplin der Internationalen Beziehungen werden „realistische“ Theorien, welche Staaten als alleinige Akteure im internationalen System konzipieren, die Macht und Gewalt einsetzen, um ihre Ziele zu erreichen, kontrastiert mit einer Vielzahl von Theorien, die sich aus den idealis- tischen Theorien des 19. und frühen 20. Jahrhunderts entwickelt haben, darunter u.a. der (Neo-) Liberalismus, der Trans- nationalismus, der neoliberale Institutionalismus, die Regimetheorie, der Konstruktivismus sowie vielfältige Mischfor- men wie der liberale Republikanismus (Moravczik 1997) und andere Derivate, die als Gesamtkomplex aufgrund ihres Variantenreichtums auch als „Pluralismus“ bezeichnet wurden. Bei den realistischen Theorien gab es weniger Differen- zierungen; die wichtigste davon ist die Abspaltung eines strukturell orientierten Neorealismus (stellvertretend: Waltz 1979) von dem eher anthropologisch argumentierenden ursprünglichen Realismus (stellvertretend: Morgenthau 1948).

Der hier verfolgte Ansatz schlägt vor, auf der Grundlage der Interdependenztheorie von Keohane/Nye (1977/1989/2001) ein vereinfachtes Realismus-Modell (R) mit einem Interdependenz-Modell (I) zu kontrastieren, das der realistischen Be- schränkung auf Staaten als Akteure sowie auf Sicherheitsthemen und -instrumente die Relevanz multipler Akteure, The- men und Politikinstrumente entgegensetzt. Die grundsätzliche Unterscheidung von I- und R-Theorien ermöglicht es, diese reflexiv als Kategorien zur Erfassung verschiedener Realitäten einzusetzen, welche den Theorien zugrunde liegen. So lassen sich Gewaltdrohungen, gewalthaltige Szenarien und Kriegsschauplätze als „realistische“ Settings und Themen, die aus solchen Settings resultieren als R-Themen, Verhandlungs- und Verständigungsszenarien dagegen als Interdependenz- Settings und die mit ihnen verbundenen Themen als I-Themen definieren.

Die vorliegende Studie untersucht die Dynamik der I-/R-Themenstruktur anhand eines Langzeitvergleichs der Titelthe- men von sechs prominenten Nachrichtenmagazinen aus fünf verschiedenen Ländern in vier Kontinenten über 36 Jahre hinweg (1977-2012), die eine jährliche Gesamtauflage von über 400 Millionen Exemplaren und ein potentielles Zielpub- likum von rund zwei Milliarden Rezipienten repräsentieren. Als Mainstream-Medien sind sie Bestandteil der „Default Reality Option“ (Bennett 2009), mit der die großen Massenmedien zur Meinungsbildung in ihren Gesellschaften beitra- gen. In die Titelproduktion der Nachrichtenmagazine ist eine Vielzahl von Personen involviert; die Themenauswahl er- folgt in der Regel nicht ohne vorangehende Diskussionen innerhalb der jeweiligen Redaktion. Die Titelthemen wöchent- lich erscheinender Nachrichtenmagazine sind außerdem nicht in dem Maße der Tagesaktualität unterworfen wie TV- Nachrichten oder die Aufmacher-Themen der Tageszeitungen und Nachrichtenportale im Internet. Man kann also davon ausgehen, dass sie im jeweiligen Kontext ein gewisses Ausmaß an Reflektion durchlaufen haben und daher mit relativer Verlässlichkeit jenes Mindestmaß an gesellschaftlicher Relevanz besitzen, welches ihre Auswahl als Untersuchungsob- jekte rechtfertigt – gleich, ob sie bereits vorhandene Themen aufgreifen oder investigativ vorgehen und neue Themen auf die Tagesordnung setzen. Dieses Forschungsdesign wurde gewählt, um ein im gegebenen Rahmen realisierbares Mindest- programm als Pilotprojekt exemplarisch durchzuführen, dessen Ergebnisse dennoch eine gewisse Aussagekraft besitzen.

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Die zentrale Fragestellung ist zunächst: wie transnationalisiert, demokratie- und interdependenzorientiert sind die Medi- eninhalte und wie haben sich die Agenden der einzelnen Medien sowie eine hypothetische, globale Gesamtagenda im Lauf der Zeit verändert? Die sich daran anschließende Frage ist, inwiefern diese Inhalte zum enlightened understanding der Bürger auch außenpolitischer und internationaler politischer Prozesse beitragen, die für ihr Leben ebenso relevant werden können wie interne Politikprozesse. Um diese Fragen zu beantworten, werden neben einer Reihe kontextualisie- render Kenngrößen (Politikanteil, Nachrichtengeografie, Reichweiten der Inhalte etc.) der Transnationalisierungsgrad (= „Globalisierung“) sowie die Demokratie- und Interdependenzorientierung der Medienagenden erhoben, um die Reprä- sentation dieser Werte in den Medien zu ermitteln und vergleichbar zu machen. Die Ergebnisse der Studie gehen in einen auf IB- und demokratietheoretischer Basis konstruierten Index ein, der die verschiedenen Parameter der jeweiligen Me- dienagenden abbildet und Rankings der einzelnen Medien sowie eine Darstellung der Gesamt-Performance im Zeitverlauf ermöglicht. Neben Länder- und Regionen-Vergleichen werden außerdem Vergleiche der einzelnen Jahrzehnte, der US- Legislaturperioden sowie der Mediensystemtypen nach Hallin/Mancini (2004) möglich, um Hinweise auf eventuelle Muster und Zusammenhänge zu erhalten. Nachdem auf diese Weise die Konturen der transnationalen Medienagenda über Räume und Zeiten hinweg ermittelt wurden, kann schließlich nach Zusammenhängen und konstituierenden Faktoren für die Ausprägungen dieser Strukturen gefragt werden. Die Ergebnisse zu einer Reihe von Hypothesen hinsichtlich solcher Faktoren machen gleichzeitig den Stellenwert der I- und R-Theorien und der von diesen Theorien thematisierten kontex- tuellen Hintergründe für die transnationale Medienagenda deutlich.

Aufbau

Die Studie lotet das komplexe Verhältnis zwischen transnationaler Kommunikation und internationaler Politik aus. Dabei wird zwischen internationalen als lediglich grenzüberschreitenden und nur Staaten betreffenden und transnationalen als die Grenzen von Staaten transformierenden und auch andere als staatliche Akteure involvierenden Prozessen unterschie- den. Der Text ist in einen Theorieteil (1) und in einen empirischen Teil aufgeteilt, letzterer besteht aus der Konzeption der IR-Studie (2) sowie einem Bericht zu ihren Ergebnissen (3). Das Schlusskapitel fasst die Implikationen der Empirie- Ergebnisse für die unterschiedlichen Theoriebereiche und die publizistische, politische und politikwissenschaftliche Pra- xis zusammen. Der theoretische Teil der Studie befragt nach einer Darstellung der Schnittstellen zwischen Globalisierung und transnationaler Kommunikation sowie des Forschungsstandes der Kommunikationswissenschaften zu diesem Thema sowohl die Demokratietheorien als auch die Theorien der internationalen Politik nach theoretisch begründbaren Bewer- tungskriterien und Erklärungsvariablen zur Beurteilung transnationaler Medieninhalte (1.1 bis 1.3). Er gibt einen Über- blick über die wichtigsten Konzepte sowie die bisher im Rahmen dieser drei Disziplinen durchgeführte vergleichende Forschung zu diesem Themenkomplex. Die Studie verfolgt einen auf einem Theorienpluralismus basierenden multiper- spektivischen Ansatz, um die verschiedenen Facetten transnationaler Kommunikation zu beleuchten.

Der Theorieteil beginnt mit einem Abschnitt zu den Diskursen und Forschungsergebnissen der Medien- und Kommuni- kationswissenschaft (1.1). Das erste Kapitel (1.1.1) weist noch einmal auf den Mythos von der Globalität transnationaler Kommunikation hin, der inzwischen vielfach entkräftet wurde (u.a. Beck 1997; Hirst/Thompson 1999; Hafez 2005). Zur Klärung und Abgrenzung werden die Begriffe der „globalen“ von „internationaler“ und „transnationaler“ Kommunika- tion unterschieden, um operationalisierbare Definitionen für die empirische Forschung zu erhalten. Außerdem stellt das Kapitel heuristische Zugangsweisen und Analyseperspektiven der Kommunikationswissenschaft vor, die es erlauben, verschiedene Formen transnationaler Kommunikation auf unterschiedlichen Ebenen einer kommunikationswissenschaft- lichen Analyse zu unterziehen. Das zweite Kapitel des kommunikationswissenschaftlichen Abschnitts (1.1.2) diskutiert am Beispiel der UNESCO-Studie, die erstmals Auslandsnachrichten aus 29 Ländern über zwei Wochen des Jahres 1979 untersuchte, die Thematik der Nachrichtengeografie, die im Rahmen der Vereinten Nationen bereits in den 1960er Jahren Debatten auslöste. Die Forderung der Südländer nach einer neuen, globalen Informationsordnung verdeutlicht die Un- gleichgewichte sowohl bei der Selbst- als auch bei der Fremdwahrnehmung der verschiedenen Regionen und wirft ein Schlaglicht auf die politischen Diskurse, die während des Kalten Krieges mit diesem Thema verbunden waren.

Die Kapitel 1.1.3 und 1.1.4 beschäftigen sich mit der US-amerikanischen und der europäischen Tradition der Kommuni- kationsforschung. Während die US-Tradition (1.1.3) sich auf die Entscheidungen von Individuen konzentriert und die Themenkomplexe des gatekeeping, agenda-setting, priming und framing in den Vordergrund stellt ist die europäische Tradition (1.1.4) eher strukturell orientiert und versucht, universell gültige Gesetze der Selektion (Nachrichtenfaktoren) zu finden, die sowohl für die Produktion als auch für die Rezeption der politischen Kommunikation gelten sollen. Die Variabilität der Forschungsergebnisse zeigt allerdings, dass diese Auswahlkriterien zu einem nicht unerheblichen Anteil bestimmten Konjunkturen unterworfen und von gesellschaftlichen Kontexten und Moden abhängig sind. Ein weiteres,

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viel diskutiertes Thema ist die Darstellung von Gewalt in den Medien, die nach wie vor relativ stereotyp diskutiert wird, obwohl Forschungsergebnisse darauf hinweisen, dass weniger fiktionale Gewalt (Computerspiele, TV-Krimis etc.) als vielmehr die Berichterstattung über reale Gewalt einen Einfluss auf Rezipienten ausübt. Das letzte Kapitel (1.1.5) des medienwissenschaftlichen ersten Abschnitts stellt die Entwicklungen der Kommunikationswissenschaft im Bereich des trans-/internationalen Vergleichs dar, der in den letzten Jahren einen starken Aufschwung erfahren hat. Hier werden meist Mediensysteme verschiedener Nationen und deren unterschiedliche Charakteristika und Ausprägungen verglichen. Wäh- rend die räumliche Ausdehnung der Vergleiche in der Kommunikationswissenschaft stets zunimmt und auch andere als europäische und nordamerikanische Medien einbeziehen, bleiben Langzeitstudien ein klares Desiderat der Forschung.

Ein weiteres Desiderat sind Studien, die tatsächlich Medieninhalte transnational vergleichend untersuchen und sich nicht auf den Vergleich von Indikatoren wie Brutto-Inlandsprodukten und Pro-Kopf-Einkommen beschränken. Beide Deside- rate greift die vorliegende Studie auf und integriert sie in ihr Forschungsdesign.

Der zweite Abschnitt des Theorieteils (1.2) wendet sich den Demokratietheorien zu, um möglichst allgemein gültige politikwissenschaftliche Kriterien zur Bewertung transnationaler Kommunikation zu entwickeln. Hier werden zunächst der Begriff der Demokratie sowie der mit der Demokratie unmittelbar verbundene Begriff der Öffentlichkeit umrissen (1.2.1), um dann auf die verschiedenen Versionen der Demokratietheorie einzugehen, die in der Literatur zum Bezie- hungsgeflecht zwischen Demokratie und Öffentlichkeit Berücksichtigung finden (1.2.2). Die meistzitierten Varianten sind gegenwärtig liberale, partizipative und deliberative Modelle, die sowohl für den Vergleich von Diskursen als auch als Grundlage für normative Standards zur Evaluation der Medienperformance herangezogen werden. Die diesen Model- len zugrundeliegenden demokratischen Grundwerte und darauf aufbauend „grundlegende Kommunikationswerte“ aus verschiedenen Quellen werden anschließend vergleichend zusammengestellt (1.2.3). Wie sich anhand solcher Werte ein demokratietheoretisch orientiertes Media-Monitoring durchführen lässt, demonstrieren zwei aktuelle Beispiele, die als internationale Vergleiche anhand der bereits erwähnten medienexternen Indikatoren durchgeführt wurden (1.2.4) und insofern das Feld abstecken für die in Teil 2 konzipierte empirische Studie. Die trans-/internationalen Kontexte der De- mokratien thematisiert Kapitel 1.2.5., das die Angemessenheit gegenwärtiger Demokratiedefinitionen für die Anwendung in solchen Kontexten untersucht und anhand eines Beispiels entsprechende Modifikationen vorschlägt.

Einen Überblick zum Gegenstand und den Theorien der politikwissenschaftlichen Subdisziplin Internationale Politik gibt der dritte Abschnitt des theoretischen Teils der Studie (1.3), um Unterschiede zur Herangehensweise der Kommu- nikationswissenschaften deutlich zu machen (1.3.1). Als einzige Theorie, der in der Disziplin der Internationalen Beziehungen eine Art Gesetzesstatus zugeschrieben wird, gilt die auf Kant zurückgehende „Theorie des demokratischen Friedens“, die postuliert, dass Demokratien keine – oder nur selten – Kriege gegeneinander führen oder Gewalt gegeneinander anwenden. Diese Theorie kann zur Anwendung auf Medieninhalte modifiziert werden und so zur Erklärung der empirischen Ergebnisse der Studie beitragen; die Ergebnisse wiederum können der Theorie weitere Evidenz hinzufügen. Der breiten Ausdifferenzierung der im Bereich der Internationalen Beziehungen entwickelten Theorien wird durch die bereits erwähnte Einteilung in I- und R-Theorien begegnet, welche die eher auf Kommunikation und Verständigung setzenden interdependenzorientierten – und mit ihnen verwandten – Theorien (I) den auf Macht, die Selbstbehauptung der Nationalstaaten und militärischen Gewalteinsatz fokussierten „realistischen“ Theorien (R) gegenüberstellen (1.3.2). Den Stellenwert von Kommunikation und Normen sowie der damit verbundenen Sozialisierung in der internationalen Gemeinschaft fasst Kapitel 1.3.3 zusammen. Kapitel 1.3.4 thematisiert die Politisierung der transnationalen Öffentlichkeit, die vor allem aus Reaktionen auf die ökonomische Globalisierung resultiert. Das abschließende Kapitel des Abschnitts zur Internationalen Politik (1.3.5) fragt nach der tatsächlichen „Globalisierung der Massenmedien“ und nach der Binnenstruktur jener transnationalen Medieninhalte, die politische Belange transportieren.

Es identifiziert ein Set aus politikwissenschaftlich orientierten Strukturfaktoren transnationaler Kommunikation, die als zentrale Kriterien im empirischen Teil der Studie zum Einsatz kommen.

Der zweite Teil der Studie konzipiert die exemplarische und als Pilot für weitere Studien konzipierte Langzeit-Struktur- analyse von Medieninhalten aus sechs Medien, fünf Ländern und vier Kontinenten. Die IR-Studie fragt nach Strukturen und langfristigen Veränderungen bzw. Veränderungs-Resistenzen hinsichtlich der anzunehmenden Transnationalisie- rung, Demokratisierung und Interdependenz-Orientierung von Medieninhalten. Einen besonderen Stellenwert besitzen dabei die Theorien der Internationalen Politik, die neue Kategorien zur Bewertung des Datenmaterials beisteuern, die bisher in diesem Kontext nicht eingesetzt wurden. Zudem werden die Inhalte nach demokratietheoretischen Kriterien bewertet, um mögliche Zusammenhänge zwischen dieser Demokratieorientierung und den Ausprägungen der Mediena- genden hinsichtlich ihrer Transnationalisierung und Interdependenzorientierung ermitteln zu können.

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Der erste Abschnitt (2.1) des konzeptionellen Teils der Studie (2.) bereitet die bis dahin dargestellten Konzepte für die empirische Anwendung auf. Auf dieser Grundlage werden der Untersuchungsgegenstand, das Forschungsziel, ein vereinfachtes Theoriemodell und eine Reihe von Basisaussagen zusammengestellt, die den theoretischen Rahmen der IR- Studie bilden (2.1.1). Eine Reihe von Hypothesen thematisiert die zentralen Zusammenhänge zwischen Transnationali- sierung, Demokratieorientierung und Interdependenzorientierung der Medieninhalte (2.1.2). Kapitel 2.1.3 begründet die Untersuchungsanlage, die es ermöglicht, die zur Beantwortung der Forschungsfragen relevanten Variablen zu Inhaltsstrukturen, Akteuren und weiteren Merkmale der Medienagenden (2.1.4), Untersuchungsräume und –zeiten, (2.1.5) und Analyseebenen (2.1.6) zu identifizieren und zu einem Forschungsdesign zusammenzufügen. Schließlich wird eine Reihe von Indices (2.1.7) auf verschiedenen Stufen der Aggregation entwickelt, die von der Demokratieorientierung (Demokratie-Index) bis hin zu einem Gesamtkomplex (TDI-Index) reichen, der alle drei Themenbereiche der Transnationalisierung, Demokratie- und Interdependenzorientierung integriert, um einen kompakten Wert zu erhalten, anhand dessen Medieninhalte auf einen Blick hinsichtlich der hier interessierenden Kriterien eingeordnet und verglichen werden können.

Der zweite Abschnitt (2.2) des konzeptionellen Teils gibt einen Überblick über die Methodik und den Ablauf der IR- Studie. Nacheinander werden an dieser Stelle der Vergleich im Allgemeinen (2.2.1) und die quantitative Inhaltsanalyse im Besonderen (2.2.2) als Methode vorgestellt. Vor diesem Hintergrund werden die Fallauswahl, der Erhebungszeitraum und die Analyseebenen noch einmal aus der methodischen Perspektive beleuchtet. Das Kapitel beschreibt die ausgewähl- ten Medien und die Kontexte, aus denen diese stammen, um die Begründung für ihre Auswahl zu liefern. Die Besonder- heit der hier durchgeführten Studie ist neben ihrem breit angelegten Vergleichs- und Langzeitcharakter, dass sie mit einem anderen Variablenraster arbeitet als die meisten kommunikationswissenschaftlichen Inhaltsanalysen. Die Neuausrichtung an Demokratietheorien und IB-Theorien wurde in dieser Form bei noch keiner Inhaltsanalyse versucht; sie ist insofern doppelt innovativ. In einem Pretest wurden die Kategorien geprüft und einer mehrfachen Revision unterzogen. Kapitel 2.2.3 gibt einen Überblick über die Operationalisierung der wichtigsten Begriffe und den Aufbau des inhaltsanalytischen Instruments, wie es schließlich bei der Datenerfassung eingesetzt wurde. Alle Kategorien und Variablen sind en Detail noch einmal in Anhang 2.2.3 (Codebuch) aufgelistet. Kapitel 2.2.4 gibt Auskunft zur Validität und Reliabilität der erho- benen Daten; Kapitel 2.2.5 beschreibt die angewandten Analysemethoden.

Der dritte Teil der Studie (3.) gibt einen Überblick über die Ergebnisse der Analyse. Abschnitt 3.1 nimmt eine Gesamt- betrachtung der strukturellen Verteilungen bei den Medieninhalten vor (deskriptive Statistik). Die Ergebnisse werden differenziert nach Medien, Mediensystemen und Mediensystemtypen, Zeiträumen, Nationen und Regionen sowie für die

„globale“ Ebene analysiert. Abschnitt 3.2 untersucht die Dynamiken transnationaler Kommunikation während des unter- suchten Zeitraums von 36 Jahren. Eine Zeitreihenanalyse der verschiedenen Aspekte transnationaler Kommunikation ermöglicht die Identifizierung von Konjunkturen, Flauten und kurz- oder längerfristigen Trends bei den erhobenen Vari- ablen.

Anschließend werden in Abschnitt 3.3 die Zusammenhänge zwischen den drei Bereichen der Transnationalisierung, der Demokratie- und Interdependenzorientierung ermittelt. Strukturiert wird dieser Abschnitt durch die in Kap. 2.1.2 formu- lierten Hypothesen zu diesen drei zentralen Bereichen. Dabei kommt neben den medienintern ermittelten Werten der Demokratieorientierung (D) der Medieninhalte als unabhängiger Variablen zur (potentiellen) Erklärung der Interdepen- denz- (I) bzw. „Realismus“-Orientierung (R) der Medieninhalte (Kap. 3.3.2) auch die externe Variable der Außenhan- delsquoten der involvierten Länder zum Einsatz, um den Transnationalisierungsgrad der Medieninhalte (T) anhand dieses exemplarischen Referenzwertes einordnen zu können (3.3.1). Außerdem wird ein möglicher Zusammenhang zwischen den I- und R-Werten thematisiert (3.3.3): bedeuten mehr „realistische“ Settings automatisch weniger Interdependenz- Settings auf den Oberflächen der Medien?

Nach dieser Untersuchung zu potentiellen Kontextvariablen der gecoverten Themen werden abschließend dem IR-Theo- riemodell entsprechend die mit potentiell relevanten Akteuren der internationalen Politik verbundenen konstituierenden Faktoren der transnationalen Medienagenda untersucht. Dazu werden exemplarisch zu jeder in den Theorien der interna- tionalen Beziehungen relevanten Analyseebenen die jeweils als wichtig geltenden und potentiell einflussreichen Akteure als unabhängige Variablen getestet (H11-13); beginnend mit der Stellung der Staaten im internationalen System – hier gemessen anhand der jährlichen Performance beim Ranking der meistgecoverten Länder, bei dem stets die USA den ersten Platz belegten. Als Beispiel für den Impact der innerstaatlichen auf die internationale Ebene diente auf Grundlage einer Vermutung von Entman (2004) die Variable der US-Regierungspartei (Demokraten oder Republikaner) als Ein-

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flussfaktor auf die transnationale Medienagenda. Schließlich wurden als dritte Variable und stellvertretend für die indi- viduelle Ebene die verschiedenen in der Studie erhobenen individuellen Akteursgruppen gegeneinander (und gegen die ersten beiden Variablen) getestet, darunter die für R-Settings zentralen militärischen und die demokratie- und interdepen- denztheoretisch wichtigen strategisch-politischen Akteure.

Das Schlusskapitel fasst die Ergebnisse zusammen und zieht Schlussfolgerungen für die Theoriebildung sowie die wissenschaftliche, publizistische und politische Praxis. Die IR-Studie sollte klären, inwieweit die Voraussetzungen gegeben sind für die demokratietheoretisch gebotene Information aufgeklärter Bürger auch zur trans-/internationalen Politikebene – und dies über verschiedene Kontinente und einen längeren Zeitraum von 36 Jahren hinweg. Die Ergebnisse zeigen, dass „realistische“, Macht und Gewalteinsatz betonende Themen einen klaren Vorteil bei der Selektion von Medieninhalten besitzen – mit gravierenden Folgen für die Wahrnehmbarkeit interdependenzorientierter Themen. Die Untersuchung kann gleichzeitig als „Relevanztest“ dienen für die modellhaft konzipierten Theoriegruppen der I- und R- Theorien. Außerdem konstatiert die Studie extreme Diskrepanzen zwischen wirtschaftlicher, medialer und politischer Transnationalisierung – mit eher abnehmenden statt der zu erwartenden zunehmenden Tendenzen bei der medialen und politischen Transnationalisierung seit Beginn der 1980er Jahre.

Die Ergebnisse ermöglichen eine Einschätzung der Transnationalisierung sowie der Demokratie- und Interdependenz- orientierung der untersuchten Medieninhalte und damit auch der Medienakteure. Damit werden Präferenzstrukturen deutlich, die Schlussfolgerungen hinsichtlich grundlegender Orientierungen ermöglichen. Die auf dieser Grundlage konstruierten idealtypischen Präferenzsysteme lassen in einem gewissen Rahmen Prognosen hinsichtlich zu erwartender Selektionsergebnisse zu: je demokratieorientierter die Medieninhalte sind, desto interdependenzorientierter werden sie auch sein. Umgekehrt gilt: je weniger demokratieorientiert ein Sample ist, desto weniger Interdependenz-Inhalte werden gecovert. Die Ergebnisse stützen eine auf Medieninhalte angewandte Theorie des demokratischen Friedens in ihrer die Demokratie betonenden Variante, sprechen aber gegen die ökonomische Version des Handelsliberalismus. Die abschließend skizzierten Perspektiven der Media Governance thematisieren die Chancen transnationaler Koordination auf der Grundlage medialisierter Diskurse im Umfeld einer digitalisierten Medienökonomie.

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1. Theorie und Stand der Forschung

1.1 Transnationale Kommunikation in den Medien- und Kommunikationswissenschaften

Die vorliegende Studie versteht sich nicht nur als Beitrag zu den politikwissenschaftlichen Subdisziplinen der Demokratieforschung und der Internationalen Politik, sondern auch als interdisziplinärer Beitrag im Rahmen und der Politischen Kommunikation.1 Das Forschungsfeld der Politischen Kommunikation befindet sich in einem Grenzbereich zwischen Politik- und Kommunikationswissenschaften. Eine klare Zuordnung ist kaum möglich, da die politikwissen- schaftliche Subdisziplin der Politischen Kommunikation und die Medien- und Kommunikationswissenschaften eine Vielzahl thematischer und personeller Überschneidungen aufweisen. Wichtige kommunikationswissenschaftliche Studien wurden von Politikwissenschaftlern durchgeführt, und die Kommunikationswissenschaft interessiert sich für die politischen Implikationen ihrer Forschung (vgl. Schulz 2008). Umgekehrt greift die Politische Kommunikation auf Konzepte und Forschungsergebnisse der Medien- und Kommunikationswissenschaft zurück. In die folgende Darstellung werden daher neben den Konzepten und Forschungsergebnissen der politikwissenschaftlichen Subdisziplin Politische Kommunikation vor allem die Konzepte der Medien- und Kommunikationswissenschaft eingehen – auch mit dem Ziel, Unterschiede zwischen politik- und medienwissenschaftlichen Herangehensweisen deutlich zu machen. Für beide Bereiche gilt, dass nationale bzw. interne und nicht transnationale Kommunikation den Schwerpunkt der Forschung bildet – mit einigen Ausnahmen, die in den folgenden Kapiteln hervorgehoben werden.

1.1.1 Globalisierung, internationale und transnationale Kommunikation

Der erste Abschnitt des Theorieteils der Studie gibt einen Überblick über die Diskurse und Forschungsergebnisse der Medien- und Kommunikationswissenschaft zur transnationalen Kommunikation. Er beginnt mit einem Kapitel zum theoretischen und empirischen Gehalt des Globalisierungsbegriffes aus einer ökonomischen, politik-, sozial- und medienwissenschaftlichen Perspektive. Anschließend werden die Begriffe der „internationalen“, „transnationalen“ und

„globalen“ Kommunikation voneinander abgegrenzt. Das Kapitel stellt heuristische Zugangsweisen und Analyse- perspektiven der Kommunikationswissenschaft vor, welche die Analyse verschiedener Formen transnationaler Kommunikation auf unterschiedlichen Ebenen ermöglichen und erweitert diese um Perspektiven der Demokratie- forschung und der Internationalen Politik.

Globale Öffentlichkeit?

Von einer globalen Öffentlichkeit wird mittlerweile gesprochen, „als sei sie so real existent wie die Vereinten Nationen oder der internationale Strafgerichtshof“ (Curran 2011: 84).2 Wie diese wird sie ganz selbstverständlich als Bestandteil der internationalen politischen Strukturen verstanden (vgl. z.B. Volkmer 2003; Bohmann 2004; Calhoun 2004).3 Hepp, Krotz und Winter (2005: 7) thematisieren im Rahmen der Medien- und Kommunikationswissenschaften eine

„Globalisierung der Medienkommunikation“, die sie sowohl an der Zunahme weltweiter Konnektivitäten als auch am steigenden Stellenwert global agierender Medienkonzerne festmachen. In aktuellen medienwissenschaftlichen Publikationen ist von einem „emergenten Weltsystem“ die Rede, das in die vergleichende Forschung einbezogen werden müsse (Wessler/Averbeck-Lietz 2012: 7). Bereits 1969 verfolgten ca. 600 Millionen Menschen weltweit die ersten menschlichen Schritte auf dem Mond im Fernsehen. Die Hochzeit von Prince Charles und Lady Di im Jahr 1981 erreichte sogar die Rekordeinschaltquote von 750 Millionen Zuschauern. Und die Zuschauerzahlen der weltweiten und synchronen Berichterstattung zu den Ereignissen am elften September 2001 in New York und Washington wird diese Zahl noch

1 Die politikwissenschaftlichen Subdisziplinen Internationale Politik bzw. Internationale Beziehungen und Politische Kommunikation werden groß, die entsprechenden Gegenstände klein geschrieben.

2 Curran, James, Media and Democracy. Routledge, London/New York 2011. Curran spricht hier von einer „international public sphere“. Wahlweise ist in verschiedenen Publikationen auch von einer „global public sphere“ oder von „global public“ die Rede.

3 Volkmer, Ingrid, The global network society and the global public sphere, in: Development 46, 1, 2003, 9-16. Bohman, James, Expanding dialogue: The Internet, the public sphere and prospects for transnational democracy, in: Sociological Review 52, 2004, 131- 155. Calhoun, Craig, Information technology and the international public sphere, in: Schuler, Douglas/Day, Peter (Hg.), Shaping the Network Society: The New Role of Civil Society in Cyberspace. MIT Press, Cambridge, MA 2004, 229-251.

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übertroffen haben.4 Dennoch war auch 9/11 kein wirklich globales Medienereignis. Das chinesische Staatsfernsehen CCTV verpasste es, über die Anschläge in Washington und New York zu berichten. Dabei fanden diese während der Sendezeit der wichtigsten chinesischen Nachrichtensendung „Xinwen Lianbo“ um 19 Uhr statt. Doch der Zensor der Kommunistischen Partei war bereits nach Hause gegangen. Der kleine Hongkonger Sender „Phoenix TV“ soll an diesem Tag über eine Milliarde Zuschauer erreicht haben.5 Mega-Events mit einem wirklich globalen Publikum sind bis heute die Ausnahme geblieben. Derart umfangreiche und weltweit synchronisierte Zuschauerschaften setzen auch weltweit synchronisierte Inhalte voraus – und davon gab es bisher nicht allzu viele. Doch transnationale Medien, verstanden als Medien, welche Publika auch jenseits nationaler Grenzen ansprechen, werden zahlreicher und haben sich insbesondere in Europa während der vergangenen zwanzig Jahre ein kleines, aber wachsendes Publikum erobert (Brüggemann/Schulze- Forberg 2008: 78). Brüggemann und Schulze-Forberg unterscheiden in ihrer Typologie transnationaler Medien die Idealtypen der globalen, internationalen, pan-regionalen, und nationalen Medien mit einer transnationalen Mission. Dabei betonen sie mit dem Soziologen Jean Chalaby (2002, 2005), dass die Fokussierung auf eine spezifische Publikationsplattform als unzulässige Einschränkung erscheint, da fast alle Medien inzwischen ihre „Entsprechung“ im Internet besitzen und insofern wenigstens theoretisch global zugänglich sein sollten.6 In der Literatur zur Globalisierung nimmt die „Raum-Zeit-Kompression“ (Harvey 1990: 260ff.; Giddens 1997) durch die Kommunikationsmedien einen zentralen Platz ein. Die Frage nach der Kausalitätsrichtung der Globalisierung hinsichtlich der Massenmedien ist allerdings kaum zu beantworten: verursacht die Globalisierung mehr grenzüberschreitende Kommunikation oder ist sie eher eine Folge zunehmender grenzüberschreitender Kommunikationen? Anzunehmen ist, dass es sich um rekursive Prozesse mit sich selbst verstärkenden Effekten handelt, sofern man tatsächlich von der realen Existenz des vielfältig instrumentalisierten Konstrukts der „Globalisierung“ ausgehen will.7

Begriff und Reichweite der Globalisierung

Unter Globalisierung wird im medienwissenschaftlichen Kontext ein Konglomerat von Trends verstanden, „welche die Grenzen von Nationalstaaten und ethnischen Gemeinschaften überschreiten und dazu dienen, die verschiedenen Bevölkerungen, in welche die Welt gegenwärtig aufgeteilt ist in gemeinsame ökonomische, politische und kulturelle Muster zusammenzubinden.“ 8 Ob diese politischen, ökonomischen und kulturellen Muster aber eine globale Reichweite besitzen, ist umstritten (vgl. u.a. Hirst/Thompson 1996; Beck 1997). Die Definition einer der in der Globalisierungs- debatte einflussreichsten Publikationen, „Global Transformations“ von David Held et al. (1999: 16) nimmt diesen Aspekt der beschränkten Reichweite des Phänomens bereits in ihre Definition des Globalisierungsbegriffes auf. Hier wird unter Globalisierung verstanden:

„ein Prozess (oder eine Reihe von Prozessen), welche eine Transformation der räumlichen Organisation sozialer Beziehungen und Transaktionen verkörpern – bewertet hinsichtlich ihrer Reichweite, Intensität, Geschwindigkeit und Auswirkungen – und die transkontinentale oder interregionale Aktivitäts-, Interaktions- und Machtausübungsflüsse und -Netzwerke generieren.“ 9

Die historische Perspektive: Beginn und Stand der Globalisierung

Der Beginn der Globalisierung wird in den Geschichtswissenschaften meist mit dem Beginn der europäischen Expansion während der Frühen Neuzeit gleichgesetzt (vgl. z.B. Reinhard 1983, 1985, 1988, 1990). Bereits der Ausbau von Handels- und Transportnetzwerken während des späten Mittelalters durch die Familien Fugger oder Thurn und Taxis in Mitteleuropa kann aus einer europäischen Perspektive als erste Tendenz in Richtung Globalisierung verstanden werden.

Andere sehen den Beginn der Globalisierung in der Antike, in der es bereits Fernhandelsverbindungen oder Schiffsverkehr zwischen verschiedenen Hochkulturen gegeben habe (Maddison 2008). Die Globalisierung verlief in

4 Zu weltweiten Einschaltquoten gibt es nur Schätzungen. Die hier zitierten Zahlen stammen von Curran 2011. Besonders die Einschaltquoten zu den Events der „Royals“ werden häufig überschätzt, so etwa Nick Harris, „because sport, not royalty reigns“.

Harris, Nick, Revealed: Royal Wedding TV audience closer to 300m than 2bn (because sport, not royalty reigns). Auf:

www.sportingintelligence.com/2011/05/08/revealed-royal-wedding’s-real-tv-audience-closer-to-300m-than-2bn-because-sport-not- royalty-reigns-080501/ Zugriff 09.09.2013.

5 Vgl. Rulf, Kirsten, 9/11 in Chinas Medien: Wie das Staats-TV eine Milliarde Zuschauer verlor. Auf: www.spiegel.de/kultur/

gesellschaft/9-11-in-chinas-medien-wie-das-staats-tv-eine-milliarde-zuschauer-verlor-a-785308; vom 09.09.2011; Zugriff 09.09.2013.

6 Dass dies gerade bei multimedialen Medieninhalten aus Copyright-Gründen de facto häufig nicht der Fall ist, ist eine der vielen Einschränkungen der „globalisierten“ elektronischen Medien, die nur selten thematisiert werden.

7 Nach konstruktivistischer Auffassung ist „Globalisierung“ weniger ein tatsächlich stattfindender Prozess als eine Idee oder eine soziale Konstruktion, die sowohl die Ursache als auch die Wirkung bestimmter empirischer Gegebenheiten darstellen kann.

Vgl. den Abschnitt zum Sozialkonstruktivismus in Kap. 1.3.3.

8 Smith 1992: 64f.; zit. nach Meckel/Kriener 1996: 11; meine Übersetzung. Zu den politischen, ökonomischen und kulturellen Aspekten der Globalisierung vgl. stellvertretend Held et al. 1999.

9 Meine Hervorhebung; meine Übersetzung (jd).

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mehreren Wellen; die WTO etwa sieht die erste „wirkliche“ Globalisierungswelle erst mit dem Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert einsetzen (World Trade Organization 2013: 46; vgl. Ikenberry 2000). Eisenbahn und Dampfschifffahrt ermöglichten erst jetzt eine nennenswerte Ausweitung des Fernhandels, und Bauprojekte wie der Suezkanal, der eine Abkürzung der Handelswege zwischen Asien und Europa ermöglichte, taten ein Übriges und senkten die Transportkosten. Ein weiterer Schritt ist die Kommunikations-Revolution, die mit dem elektrischen Telegrafen in den 1840er Jahren begann. Die Installation von Seekabeln ermöglichte erstmals die sofortige Überwindung auch kontinentaler Distanzen. Das sich hieraus entwickelnde globale Handelssystem – sofern es überhaupt ein „System“ genannt werden kann – beruhte auf dem internationalen Goldstandard (ebd.: 49). Eine Phase der „De-Globalisierung“ trat während des Ersten Weltkrieges 1914-1917 ein, verstärkt noch durch die Depression 1929-1933 und den Zweiten Weltkrieg 1939- 1945. Nach dem zweiten Weltkrieg wiederum begann mit dem Bretton-Woods-System eine Phase der „Re- Globalisierung“, die bis heute andauert, aber in weitere Unter-Abschnitte unterteilt werden kann, die jeweils bedingt sind durch technologische Weiterentwicklungen vor allem in den Bereichen des Transports und der Kommunikation. So konnten in den 1950er Jahren die Tonnagen der Handelsschifffahrt dramatisch erhöht werden und eine Expansion der Luftfracht beschleunigte den Transport bestimmter Güter (ebd.: 53). Die Verbreitung der Computer-Technologie, der Einsatz von Glasfaserkabeln und die Ermöglichung von satellitengestützter Telekommunikation ermöglichten die Aufspaltung der Produktionsketten und deren Verteilung über verschiedene Kontinente hinweg. Zentral ist hierbei auch das „Verschwinden der Distanz“ durch die fortgesetzte Transport-Revolution (Stichwort: „Containerisierung“). Dies alles bewirkte, dass der Welthandel ab einem bestimmten Zeitpunkt schneller wuchs als die durchschnittliche Inlandsproduktion (jährliches Wachstum von 1950 bis 1980 um 7,2 Prozent pro Jahr). Wirklich Fahrt aufgenommen hat der Welthandel erst in den 1970er Jahren. Das zeigen die Zahlen der WTO zu den „International Trade Statistics“.10 Die meisten Sozialwissenschaftler verorten den Beginn der gegenwärtigen Globalisierungsphase in den 1970er Jahren. Jürgen Habermas (1998: 101) nimmt das Ende der 1970er Jahre als Beginn dieser Globalisierungsphase an, ähnlich wie Beisheim et al. (1999: 15), die von einem „in den siebziger Jahren eingetretenen Schub in der Globalisierung“ sprechen, eine Aussage, die sie aber anhand ihrer empirischen Indikatoren später (ebd., 16) als zu undifferenziert bezeichnen:

Globalisierung sei ein vielfach gebrochener Prozess, der je nach Land und Sachbereich variiere.

Ein weiteres Merkmal dieses von der WTO das „zweite Zeitalter der Globalisierung“ genannten Zeitraums ist die Entwicklung multinationaler Konzerne und die Explosion der Direktinvestitionen im jeweiligen Ausland (foreign direct investment, FDI) nach 1945. 2009 gab es bereits 82.000 multinationale Konzerne, die mehr als 810.000 Niederlassungen weltweit besaßen. Mehr als zwei Drittel des Welthandels finden inzwischen nur noch zwischen diesen „Multis“ und ihren Lieferanten statt (WTO 2013: 54). Die WTO sieht außerdem eine Umkehrung des Musters der ersten Phase der Globalisierung, die mit einer Industrialisierung der Zentren verbunden war, in eine Deindustrialisierung der Zentren und eine Industrialisierung der Peripherie in der zweiten Phase nach dem Zweiten Weltkrieg. Im 19. Jahrhundert habe es weltweit eine „große Divergenz“ gegeben, die sich inzwischen durch die Industrialisierung der Schwellenländer in eine

„große Konvergenz“ mit dem entwickelten Westen verwandle (ebd.: 55). Analog ist zu fragen, ob es auch eine entsprechende Konvergenz bei den Inhalten der Massenmedien gegeben hat. Diese Frage wird die vorliegende Studie versuchen, auf der Grundlage eines ausgewählten Samples zu beantworten.

Die ökonomische Perspektive: die Außenhandelsquote als Kennziffer für Globalisierung

Die ökonomische Basis der Globalisierung besteht aus einer Transnationalisierung der Produktion, des Handels und der Finanzmärkte (vgl. z.B. Zürn 1998: 128). Die Ursachen sind eine erhöhte Mobilität des Kapitals, von Gütern und auch von Menschen, die auf technologische Weiterentwicklungen und die Verbreitung dieser Technologien zurückgehen.

Einen großen Anteil daran haben neben der „Containerisierung“ der Transportwege vor allem Informations- und Kommunikationstechnologien und damit die Digitalisierung, Automatisierung und Virtualisierung der drei Bereiche Produktion, Handel und Finanzen. Herausragende Bedeutung für die „Globalisierung“ wird vor allem dem Handel zugeschrieben. Eine in der Makroökonomie gebräuchliche Kennziffer zur Darstellung der ökonomischen Globalisierung ist die Außenhandelsquote. Diese Quote beschreibt den Anteil des Außenhandelsumsatzes (die Summe aus Importen und Exporten) am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Sie dient auch zur Kennzeichnung der Offenheit einer Volkswirtschaft. Die WTO berichtet von einer Steigerung der weltweiten Außenhandelsquote in den zwanzig Jahren von 1995 bis 2015 von

10 WTO (Hg.), 2015: International Trade Statistics 2015, auf: www.wto.org/english/res_e/statis_e/its2015_e/its2015_e.pdf. Vgl. z.B.

das Diagramm, basierend auf dieser Statistik, in: ING 2015: The world trade comeback; ING Global Markets Research; Data Source:

WTO; in: www.ubg.nl/media/ING_EBZ_The-future-of-world-trade_tcm162-84573.pdf . Die Kurve zum Umfang des internationalen Handels erhebt sich in den 1970er Jahren leicht von der Basislinie, steigt stärker in den 1980er und 1990er Jahren und vollzieht ab 2002 einen steilen Anstieg, der nur durch einen kurzfristigen Einbruch im Jahr 2009 (internationale Finanzkrise) unterbrochen wird.

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durchschnittlich 20 auf 30 Prozent.11 Im gleichen Zeitraum ist diese Quote in den USA von 57 auf 67, in Frankreich von 44 auf 57 und in Deutschland von 47 auf 95 Prozent gestiegen. 12 Schon die Unterschiede zwischen diesen drei Ländern zeigen, wie inhomogen die Entwicklung der ökonomischen Globalisierung verläuft. Dennoch lässt sich die Außenhandelsquote als Maßstab für das Ausmaß der Globalisierung verstehen, der später als orientierender Wert für den Vergleich mit der Globalisierung von Medieninhalten dienen kann.

Die sozialwissenschaftliche Perspektive: individuelle statt institutioneller Globalisierung

Der Soziologe Ulrich Beck (2009: 9)sieht einen neueren Trend der Globalisierung, der von Individuen anstatt von Staaten und Institutionen ausgeht, da immer mehr Menschen international wirtschaften, leben, konsumieren, heiraten und ihre Kinder mehrsprachig „im generalisierten Nirgendwo des Fernsehens und des Internets“ erziehen. Globalisierung wird hier nicht mehr als wachsende Interdependenz zwischen nationalen Gesellschafts- oder Wirtschaftsräumen verstanden, sondern als innere Globalisierung dieser Räume selbst gedacht. Die bisherige Unterscheidung von national und international betrachtet Beck damit als aufgelöst (ebd.). Ein Grund für eine solche „innere Globalisierung“ könnte unter anderem in den zunehmend transnationalisierten Medieninhalten zu finden sein, mit denen Rezipienten täglich konfrontiert werden. Wäre dies allerdings tatsächlich bei einer Mehrheit der Bevölkerung(en) der Fall, müsste sich dieser Sachverhalt auch in den täglichen politischen Prozessen und Entscheidungen der politischen Akteure niederschlagen, die nun nicht mehr nur an nationalen, sondern zunehmend an trans-/ internationalen oder gar globalen Kriterien auszurichten wären. Darüber hinaus sollte diese Form der Globalisierung auch in den Meldungen zu politischen Entscheidungen in den allgemein zugänglichen Nachrichtenmedien sichtbar werden. Interne wie externe politische Nachrichten sollten demnach gleichwertig nebeneinander existieren, da beide Ebenen einander bedingen und beeinflussen. Dass dies bisher durchaus bezweifelt werden kann, zeigen bereits die gegenwärtig verfügbaren Ergebnisse der vergleichenden Kommunikationsforschung (z.B. Meckel 1996, 1998; Kamps 1998, 1999; Curran 2011; Shoemaker et al. 2012;

Norris/Inglehart 2012; Norris 2012). All diese Studien deuten darauf hin, dass nach wie vor weit mehr nationale oder regionale als trans- oder internationale Kommunikation stattfindet. Zwar existiert inzwischen eine transnationale Infrastruktur aus Satellitentechnik und Überseekabeln, die transnationale Mobiltelefon-, TV- und Internetkommunikation spontan und jederzeit ermöglichen, doch diese Verbindungen erreichen weder alle Teile der Welt noch alle Teile der jeweiligen Bevölkerungen (vgl. Norris 2001). Und noch weniger globalisiert als die technischen Strukturen sind, so ist anzunehmen, die Medieninhalte, die neben geographischen und sozialen auch sprachliche und kulturelle Hürden zu überwinden haben. Dennoch scheint der gesellschaftliche Stellenwert transnationaler Kommunikation zuzunehmen. Vor allem der stetige Anstieg der Internetkommunikation und der massenhafte Einsatz der als „soziale Netzwerke“

bezeichneten kommerziellen Internet-Anwendungen mit ihrer potentiell globalen Reichweite scheinen dies zu suggerieren. Hinken also Politik und Medien hinsichtlich ihres „Transnationalisierungsgrades“ hinter der Gesellschaft, ihren Interessengruppen oder hinter der ökonomischen Globalisierung her? Die in den Teilen 2 und 3 der vorliegenden Studie vorgestellte Untersuchung des Transnationalisierungsgrades von Medieninhalten über einen Zeitraum von 36 Jahren und unterschiedliche kulturelle, sprachliche und geographische Untersuchungsräume hinweg wird Anhaltspunkte zur Beantwortung dieser Frage geben.

Die politikwissenschaftliche Perspektive: gesellschaftliche und politische Denationalisierung

Im politikwissenschaftlichen Kontext wird Globalisierung nicht nur ökonomisch definiert, sondern umfasst neben der grenzüberschreitenden Produktion von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräften (Wirtschaft) auch jene von Bedrohungen und Kriegsrisiken, Umweltrisiken, und Zeichen (Kultur/Kommunikation; Zürn 1998: 125). Dabei wird von ähnlichen Zeiträumen ausgegangen wie bei den Soziologen (Beginn in den 1970er Jahren) - mit geringfügigen Abweichungen. Zangl und Zürn (2003: 20) etwa sprechen von Prozessen, die in den „80er und 90er Jahren“ stattgefunden hätten und die besonders vom Sozialkonstruktivismus diskutiert worden seien. Eine der wenigen Studien, die versucht hat, auf systematische Weise empirische Belege für die Prozesse der Globalisierung zu finden, ist ein am Institut für Interkulturelle und Internationale Studien (InIIS) der Universität Bremen durchgeführtes und von der DFG gefördertes Projekt, dessen Ergebnisse von Marianne Beisheim et al. (1999) publiziert wurden. Es arbeitet mit politikwissenschaftlichen Definitionen, die neben dem Bereich der Kommunikation und Kultur auch auf die Sachbereiche der Mobilität, Sicherheit, Umwelt und Wirtschaft angewandt werden. In den von der Studie untersuchten fünf Sachbereichen macht die Studie durchaus Tendenzen zu Globalisierungsprozessen aus – verstanden als Prozesse der zunehmenden „Denationalisierung“. Unter dem Label der „Globalisierung“ werden hier die zunehmenden

11 World Trade Organization, 2015: 17; www.wto.org/english/res_e/statis_e/its15_highlights_e.pdf; abgerufen 17.05.2016.

12 Penn World Tables v8.1: Trade Data; www.rug.nl/research/ggdc/data/pwt/pwt-8.1; abgerufen 20.09.2015. Im dort untersuchten Gesamtzeitraum zwischen 1950 und 2011 ist die Außenhandelsquote in den USA von 8 Prozent auf 32 Prozent gestiegen; in Frankreich von 28 auf 57 und in Deutschland von 8 auf 95 Prozent.

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Interdependenzen und Verflechtungen durch soziale Netzwerke, grenzübergreifende Informationsströme und Identitäten zusammengefasst (ebd.: 18; „interconnectedness“: Held et al. 1999). Da der Stellenwert des Staates innerhalb dieser Prozesse abnimmt, hat Michael Zürn (1998) den alternativen Begriff der „Denationalisierung“ für derartige Prozesse geprägt. Beisheim et al. (ebd.) unterscheiden eine „gesellschaftliche“ von einer „politischen“ Denationalisierung. Den Begriff der gesellschaftlichen Denationalisierung definieren sie – angelehnt an Karl Deutsch (1953, 1969) – als „Prozess der Ausdehnung der verdichteten sozialen Handlungszusammenhänge über die Grenzen des Nationalstaats hinaus“ (ebd.).

Für ihre quantitative Studie zur gesellschaftlichen Denationalisierung operationalisieren sie den Begriff

„als eine relative Zunahme des grenzüberschreitenden Austausches oder der grenzüberschreitenden Produktion von Zeichen und kulturellen Gütern im Bereich der Kommunikation und Kultur, von Personen im Bereich Mobilität, von Bedrohungen im Sicherheitsbereich, von Schadstoffen und Risiken im Umweltbereich und von Gütern, Dienstleistungen und Kapital im Wirtschaftsbereich“ (Beisheim et al. 1999: 20).

Die von der gesellschaftlichen unterschiedene politische Denationalisierung wiederum wird definiert als:

„ein Prozeß, bei dem sich die Reichweite und das Zusammenspiel politischer Institutionen gegenüber einem Status quo verändern, der durch die Dominanz nationalstaatlicher Institutionen gekennzeichnet ist (1999: 22).“

Operationalisiert wird die politische Denationalisierung als

„Ausweitung (Integration) und/oder Verkürzung (Fragmentierung) der territorialen und/oder personalen Reichweite politischer Institutionen gegenüber der bisherigen Dominanz nationalstaatlicher Einrichtungen“ (1999: 23).

Das politikwissenschaftliche Interesse an der Globalisierung bezieht sich also vor allem auf die Reichweite politischer und politisch relevanter Institutionen. Zürn (1998: 125) identifiziert als strukturellen Kausalmechanismus für die Herausforderungen nationaler Politik (mit dem Ziel sozialer Wohlfahrt) vor allem eine „Inkongruenz wirtschaftlicher und politischer Räume“. Eine politische Reaktion darauf ist die zunehmende Schaffung internationaler politischer Institutionen, welche ein „Regieren jenseits des Nationalstaats“ ermöglichen – im Sinne von Governance, einer

„zielgerichteten Regelung gesellschaftlicher Prozesse“ (ebd.: 12), die auch ohne von oben agierende Staaten (government) auskommt. Ob diese relativ komplexen Prozesse von den Medien bisher adäquat abgebildet wurden, ist fraglich. Untersuchungen in diese Richtung beschränken sich meist auf die Analyse ökonomischer Kennziffern, ohne tatsächliche Medieninhalte zu berücksichtigen. Die Studie von Beisheim et al. (1999) arbeitet im Sachbereich der Kommunikation mit den Indikatoren der internationalen und nationalen Briefsendungen, der internationalen und nationalen Telefongespräche sowie der Entwicklung des Datenverkehrs über elektronische Netzwerke (ebd.: 44-68). Im Bereich der Kultur werden die Im- und Exporte von Büchern, Zeitschriften sowie die Denationalisierung des Buchwesens und der Kino- und TV-Produktionen untersucht; andere Indikatoren sind die Anzahl der internationalen Radiosendungen sowie die Entwicklung der Im- und Exporte von Tonträgern (ebd.: 69-100). Eine weitere kulturell aufgefasste Indikatorengruppe betrifft das Englische als Weltsprache (ebd.: 100-105). Im Ergebnis macht die Studie in all diesen Bereichen Denationalisierungstendenzen aus; vor allem im Bereich des grenzüberschreitenden Datenverkehrs ist im untersuchten Zeitraum der 1990er Jahre ein exponentielles Wachstum zu verzeichnen (ebd.: 44).

Globalisierung als Diffusion

Vielfach wird betont, bei der Globalisierung handele es sich vorwiegend um Prozesse, die innerhalb des Bereiches der OECD zu lokalisieren seien. Detlef Jahn (2009: 91; 92: Abb. 1) kommt nach der Analyse einer Reihe ökonomischer Indikatoren zu dem Ergebnis, dass im Gegensatz zu den Volkswirtschaften weltweit jene der OECD-Länder und noch mehr jene der EU-Länder im Zeitverlauf von 1820 bis 1998 deutliche Konvergenzen und damit Globalisierungstendenzen aufweisen. Globalisierung ist nach dieser Lesart als Diffusionsprozess innerhalb einer bestimmten Gruppe von Ländern zu verstehen, der nicht unbedingt mit einem Bedeutungsverlust der Nationalstaaten einherzugehen braucht (Jahn 2009:

108). Dabei ist das Problem der Multikausalität (Galtons Problem) zu beachten.

„Mythos Globalisierung“

Andere stehen den allgemein angenommenen Globalisierungstendenzen skeptisch gegenüber. Der Kommunikations- und Politikwissenschaftler Kai Hafez (2005) spricht vom „Mythos Globalisierung“, den er vor allem an der nach wie vor national und regional ausgerichteten Medienkommunikation festmacht. Hafez stellt fest:

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