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Grünbuch Arbeitsrecht

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das Ziel von Reform- ansätzen sein, son- dern richtig ist es, Beschäftigungssicher- heit durchArbeits- platzsicherheit zu erreichen. Nur eine so verstandene Flexibi- lisierung kann ein sinnvoller Ansatz sein, arbeitsrechtliche Vorschriften den Anforde- rungen des 21. Jahrhunderts anzupassen.

Ingrid Sehrbrock

stellvertretende DGB-Vorsitzende

Thesen:

1. Arbeitsrecht dient dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen im Arbeitsver- hältnis und gleicht als Arbeitnehmerschutz- recht die strukturelle Unterlegenheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Gestaltung der Arbeitsvertragsbezie- hungen aus. Diese Funktion bleibt auch und gerade in Veränderungsprozessen in Folge der Globalisierung und dem sich dar- aus ggf. abgeleiteten Wunsch nach mehr Flexibilisierung bestehen. Für das Indivi- dualarbeitsrecht, wie den Kündigungs- schutz, hat die Wissenschaft zudem nach- gewiesen, dass keine Auswirkungen auf das Einstellungsverhalten der Arbeitgeber und den Arbeitsmarkt bestehen. Die Arbeitsvertragsparteien können deshalb nicht die Gestaltungskraft entwickeln, um positive Wirkungen für nachhaltiges In einer Veranstal-

tung am 13. Februar des DGB-Bundesvor- standes ist über ver- schiedene Aspekte des Arbeitsrechts und ins-

besondere über die unterschiedlichen Beschäftigungsformen in Deutschland und Europa mit Experten diskutiert worden.

Der DGB sieht das Anliegen der Kom- mission kritisch. Bereits der Titel des Grün- buches unterstellt, arbeitsrechtliche Be- stimmungen könnten wirksam Einfluss auf insbesondere die arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen der Zukunft nehmen.

Diese Auffassung teilen die deutschen Gewerkschaften nicht. Sie verstehen Arbeitsrecht nach wie vor als Schutzrecht, das die strukturelle Unterlegenheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausgleichen soll. Dieses Instrument zu nut- zen, Arbeitsverhältnisse an die wirtschaftli- chen Bedürfnisse der Unternehmen anzu- passen, ist vom Ansatz her problematisch.

Denn die so verstandene Anpassung wird zwangsläufig den Schutz von Arbeitnehme- rinnen und Arbeitnehmern minimieren, ohne dass dafür ein Ausgleich, etwa durch mehr Beschäftigung oder bessere Arbeits- plätze erfolgt.

Deshalb verfolgen die deutschen Gewerkschaften den Ansatz, mehr und bessere Arbeitsplätze durch verbesserte Ausbildung sowie besseren Gesundheits- schutz durch mehr Sicherheit am Arbeits- platz zu erreichen. Nicht Beschäftigungssi- cherheit stattArbeitsplatzsicherheit kann

Wachstum und die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen zu erzielen.

2. Die Ausweitung prekärer Beschäfti- gungsverhältnisse ist nicht zu bestreiten.

Sie als Ausdruck der Flexibilität „an den Rändern“ zu kategorisieren und diese Ent- wicklung darauf zurückzuführen, dass das Normalarbeitsverhältnis zu starr sei, ist jedoch unzutreffend. Der notwendige Interessenausgleich zwischen dem Bedürf- nis nach größerer Flexibilität und der Anpassung an den internationalen Wettbe- werb kann in erster Linie über die Aus- handlung von Tarifverträgen erfolgen. Die Arbeitszeitflexibilisierung in der Bundesre- publik, die vereinbarten Haustarifverträge zur Beschäftigungssicherung bzw. die tarif- lichen Öffnungsklauseln machen deutlich, dass für das sog. Normalarbeitsverhältnis eine Anpassung dort erfolgt, wo es not- wendig ist. Durch tarifvertragliche Gestal- tung kann Beschäftigungssicherung und Beschäftigungsaufbau mit der Anpassung an veränderte wirtschaftliche Rahmenbe- dingungen erfolgen. Die gesetzlichen Rah- menbedingungen des Normalarbeitsver- hältnisses zu verschlechtern um sie pre- kären Beschäftigungsverhältnissen anzu- nähern, damit der Rückgriff auf prekäre Beschäftigungsverhältnisse eingedämmt wird, ist auch deshalb abzulehnen.

3. Lebenslanges Lernen, aktive Arbeits- marktpolitik und flexibler Sozialschutz kön- nen positive Wirkungen für ein nachhalti- ges Wachstum und die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen erzielen. Not- wendig ist auch, wirtschaftlich abhängige

Grünbuch Arbeitsrecht

Kurzinformationen März 2007 Seite 1

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, im November des letzten Jahres hat die EU-Kommission ein Grünbuch vorgelegt, mit dem Titel „Ein modernes Arbeitsrecht für die Her- ausforderungen des 21. Jahrhun- derts“. Damit will die Kommission einen Diskussionsprozess in Gang setzen über die Frage, wie mit Hilfe des Arbeitsrechts den Herausforde- rungen von Globalisierung und ste- tigem internationalen Wettbewerb Rechnung getragen werden kann.

Deutscher

Gewerkschaftsbund Bundesvorstand

Bereich Arbeits- und Sozialrecht Ausgabe 1/07, März 2007

Informationen

zum Arbeits-

und Sozialrecht

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Nach der Begrüßung durch die stellver- tretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehr- brockhält Michael Sommer, DGB-Vorsit- zender, das Eröffnungsreferat.

Ausgehend vom Ansatz der Kommission, wie Arbeitsrecht positive Impulse für mehr und bessere Arbeitsplätze liefern könnte, stellt er eben diesen Ansatz grundsätzlich in Frage. Vor dem Wie müsse zunächst geklärt werden, ob das Arbeitsrecht überhaupt geeignet sei, um Prozesse etwaig geänder- ten Bedingungen der Arbeitswelt anzupas- sen. Er erteilt jedoch dieser Behauptung eine klare Absage und weist außerdem auf die zweifelhafte Argumentation der Kom- mission hin, nach der Lösungen in anderen Ländern, beispielsweise Dänemark, zeigten, dass arbeitsrechtliche Flexibilität zu einem ausgewogenen Verhältnis zu mehr Arbeits- plätzen führen könnte. Er betont, dass der Ansatz, den die Kommission im Grünbuch verfolgt, offenbar auf eine Deregulierung der Arbeitnehmerrechte hinausliefe. Dies würde aber den Widerstand der Gewerk- schaften hervorrufen. Dass ein solcher Widerstand organisiert werden könne und auch zum Erfolg führen würde, habe die Auseinandersetzung um die Dienstlei- stungsrichtlinie eindrucksvoll gezeigt.

Danach erläutert Armindo Silva, Leiter der Generaldirektion Arbeit und soziale Angelegenheiten bei der Europäischen Kommission, die Inhalte des Grünbuchs. Er legt dar, dass mit dem Grünbuch eine Platt- form für den Austausch von positiven Erfah- rungen über die Anpassung des Arbeits- rechts geschaffen werden soll. Er benennt die zentralen Herausforderungen, die sich in der globalen Wirtschaft mit flexibler Anpas- sung und stetiger Weiterentwicklung von Unternehmen und Beschäftigten ergeben.

Er betont, das Grünbuch erhebe nicht den Anspruch, ein Rahmenwerk eines einzigen Modells zu sein, der alle Aspekte des Arbeitsrechts regle. Er sehe aber den Ansatz, mit dem Arbeitsrecht die Lissabon- Strategie für Wachstum und mehr und bes- sere Arbeitsplätze zu unterstützen.

Aus der Vielfalt der bestehenden Ver- tragsbedingungen und der unterschiedli- chen Sicherheitsniveaus ergäbe sich eventu- ell das Bedürfnis den Arbeitnehmerstatus neu zu definieren. Zunehmend befänden sich außerdem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in anderen Arbeitsverhältnis- sen als den bisherigen Standardarbeitsver- hältnissen in Vollzeit mit umfassenden Absi- cherungen. Außerdem bestehe das Problem, dass die bestehenden Standardverträge kei-

nen ausreichenden Anreiz für Arbeitnehmer bieten würden, größere Flexibilität und Ver- antwortung für die Arbeit auszuprobieren.

So entwickle sich eine Flexibilität am Rande, die aber nicht ausreiche, um den geänder- ten Anforderungen gerecht zu werden.

Zudem habe es in der Vergangenheit die stärkste Beschäftigungsentwicklung in der Nichtstandardbeschäftigung gegeben, die aber durch mangelnde Absicherung und häufig durch ein niedriges Einkommensni- veau gekennzeichnet sei. Neben den arbeitsrechtlichen Instrumentarien gäbe es in Europa außerdem eine bunte Mischung sozialpolitischer Instrumentarien. Insgesamt bestehe ein Bedürfnis von Beschäftigungssi- cherheit zu der Beschäftigungsfähigkeit zu kommen. Auch deshalb sei eine bessere Handhabung von Beschäftigungsübergän- gen notwendig. Insgesamt gehe es darum, auf europäischer Ebene bestimmte Beschäf- tigungsstandards als Mindeststandards einschließlich der Beiträge der Sozialpartner zu garantieren. Mit dem Grünbuch werde versucht, einen Konsens für die Reformrich- tungen zu entwickeln und die Debatten um die Prinzipien zur Flexicurity zu unterstüt- zen. Er weist abschließend auf die öffentli- che Konsultation bis zum 31. März 2007 hin und forderte die Teilnehmer der Tagung auf, sich an der Diskussion zu beteiligen. (Siehe Internetadresse oben)

Wiebke Warneck von ETUIgibt einen Überblick über die verschiedenen Systeme der Regulierung in ausgewählten EU-Län- dern. Sie stellt eine kritische Stellungnahme zu dem Grünbuch ihren Ausführungen voran. Sie wirft die Frage auf, ob die grundsätzlichen Prämissen des Grünbuches überhaupt haltbar seien. Unterstellt wird, dass die Segmentierung des Arbeitsmarktes ihre Ursache in dem Vorhandensein zu gut geschützter Insider habe und dass die her- kömmlichen Beschäftigungsmodelle nicht geeignet seien, sich dem Wandel anzupas- sen. Daraus ergebe sich, dass die Flexibili- sierung von Standardverträgen notwendig sei und dass weniger Jobsicherheit zu mehr Beschäftigungssicherheit führen könne. Sie stellt die Frage, wovon bei Segmentierung des Arbeitsmarktes überhaupt gesprochen werde. Es dürfe nicht darum gehen, dass die Segmentierung bekämpft wird indem die Sicherungsniveaus insgesamt abgesenkt werden. Die Überlegung müsse vielmehr sein, wie die Arbeitssituation von prekär Beschäftigten verbessert werden könne.

Dazu müsse für alle Arbeitnehmer ein Min- destschutz vorhanden sein.

Kurzinformationen März 2007 Seite 2

Tagungsbericht

Grünbuch Arbeitsrecht

Beschäftigte generell in den Schutzbereich des Arbeitsrechts einzubeziehen, um ein Auseinanderdriften der Beschäftigungsfor- men zu vermeiden. Darüber hinaus muss eine Brücke gebaut werden von prekärer Beschäftigung in ein existenzsicherndes, unbefristetes Arbeitsverhältnis, um über- haupt an Weiterbildung und oft auch sozial- versicherungsrechtlichem Schutz teilnehmen zu können. In Betracht kommen eine Defini- tion und Begrenzung von Praktikantenver- hältnissen, eine bevorzugte Berücksichti- gung von bereits befristet Beschäftigen und Teilzeitbeschäftigten bei der Besetzung frei- er Stellen, der Anspruch auf Arbeitszeitauf- stockung für Teilzeitbeschäftigte und mehr Arbeitszeitsouveränität der Arbeitnehmer bei Arbeitszeitflexibilisierung.

Der equal-pay-Ansatz (Gleiches Entgelt für Leiharbeitnehmer wie für Stammbe- schäftigte) muss für Leiharbeitnehmer ab einer bestimmten Zeit des Einsatzes beim selben Entleiher verwirklicht werden.

Zu den Kommissionsfragen:

empl-labour-law-green-paper@ec.europa.eu

Tipp!

In der Reihe ‘Informationen zum Arbeits- und Sozialrecht’ sind die fol- genden Broschüren erhältlich:

Änderungen des SGB II und III

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

Überblick über die Neuregelungen mit praktischen Erläuterungen

Alle Broschüren sind ausschließlich zu beziehen bei:

http://www.toennes-bestell- service.de/besys

Registrierungskennwort für unregi- strierte Benutzer: lager (bitte Klein- schreibung beachten).

Oder per e-mail:

bestellservice@toennes-

bestellservice.de

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Bei der Betrachtung, ob herkömmliche Beschäftigungsmodelle nicht ausreichen, um sich dem Wandel anzupassen, stellte sie die Entwicklung in Österreich, den Nieder- landen, Spanien und Dänemark gegenüber.

Sie weist darauf hin, dass in all diesen Län- dern die Flexibilität vor allem durch Verein- barung der Sozialpartner erreicht worden sei. Im weiteren Verlauf stellt sie die Beson- derheiten der unterschiedlichen Systeme dar. Im Ergebnis zeigt sich, dass in allen Ländern Arbeitnehmer mit Standardverträ- gen sich sehr wohl den notwendigen Verän- derungen angepasst haben. Insofern stehen Flexibilität und der Standardvertrag nicht in einem Widerspruch, sondern die tarifver- traglichen Möglichkeiten lassen eine Anpas- sung da zu, wo es notwendig ist. Ihr Fazit ist deshalb, dass eine Lückenschließung der Segmentierung durch mehr Prekarisierung nicht der richtige Weg sei. Zur Frage des Gegensatzes von Jobsicherheit und Beschäf- tigungssicherheit weist sie noch einmal dar- auf hin, dass hoher Kündigungsschutz keine Arbeitsplätze vernichtet. Vielmehr bringen Kündigungsschutz und Arbeitsplatzsicher- heit längere Arbeitsverhältnisse und damit mehr Fortbildung, höhere Produktivität, mehr Zufriedenheit sowie mehr Planungssi- cherheit und damit positive Effekte für die Gesamtwirtschaft mit sich.

In dem anschließenden Round-Table- Gespräch, moderiert von Dr. Gerhard Bin- kert, Vorsitzendem Richter am LArbG Ber- lin-Brandenburg, wird das Thema euro- päische Mindeststandards und nationale Regulierungsnotwendigkeiten im Arbeits- recht diskutiert.Anton Wirmer, vom Han- delsverband BAG, stellt dar, dass vor allem im Einzel- und Großhandel ein Anpassungs- bedarf bestehe, weil der Druck sich auf die Unternehmen erheblich vergrößert habe.

Dem widerspricht Gerd Herzberg, stellv.

Vorsitzender der Gewerkschaft ver.di und weist darauf hin, dass der notwendige Anpassungsbedarf nicht durch gesetzliche Regelungen notwendig sei, sondern durch tarifliche Anpassung bereits im Gang ist.

Anette Kramme, Fachanwältin für Arbeits- recht und Bundestagsabgeordnete der SPD, greift den grundsätzlichen Ansatz der Kom- mission noch einmal auf und betont, dass offensichtlich auf europäischer Ebene eine Deregulierung in Gang gesetzt werden solle. Ihrem Empfinden nach gehe es aus- schließlich darum, Arbeitnehmerrechte abzubauen, ohne dass nur der geringste Beweis für einen Zusammenhang zwischen Beschäftigung und arbeitsrechtlichem Stan- dard vorhanden sei.Dirk Linder, Betriebs- ratsvorsitzender der Osram-Glaswerke AG, betont, dass in der betrieblichen Praxis schon längst alle Flexibilisierungsmöglich- keiten genutzt würden. So sei eindeutig feststellbar, dass es schon lange keine Ein-

stellung in ein unbefristetes Arbeitsverhält- nis mehr gebe, denn Befristung liege voll im Trend. Insofern reichen die bestehenden Fle- xibilisierungsmöglichkeiten aus und gingen über das Notwendige sogar hinaus. Seiner Erfahrung nach würden nicht nur die Tätig- keiten befristet, bei denen tatsächlich eine Notwendigkeit bestehe, sondern es sei generelle Unternehmenspraxis befristete Arbeitsverhältnisse abzuschließen.

Catalene Passchier, vom Europäi- schen Gewerkschaftsbund, wies auf die unterschiedlichen Situationen in den europäischen Ländern hin und widersprach der Möglichkeit, auf europäischer Ebene Regelungen zu finden, die den nationalen Bedürfnissen und Entwicklungen gerecht werden könnten.

Der erste Vortrag nach der Mittagspause von Dr. Sebastian Schiefvon der Univer- sität Fribourg, Schweiz, befasst sich mit Arbeitszeitflexibilisierung im internationalen Vergleich. Dr. Schief stellt zunächst die Frage, was eigentlich mit Flexibilität gemeint sei. Er unterscheidet zwischen numerischer und funktionaler Flexibilität sowie interner und externer Flexibilität und stellt dann die These auf, dass die intern numerische Flexi- bilität sehr häufig in der Politik nicht wahr- genommen werde. Insbesondere die Flexibi- lität über Arbeitszeitorganisation werde in der politischen Diskussion in der Regel igno- riert. Anhand von einigen Ergebnissen des Survey „working time and worklife balance in european companies“ der Stiftung Lebens- und Arbeitsbedingungen in Dublin weist er nach, dass gerade diese Flexibilität der Arbeitszeitorganisation in allen Ländern der europäischen Union und insbesondere in den Ländern, die als besonders reguliert gelten, einen erheblichen Raum einnimmt.

So sei etwa in Deutschland die Arbeitszeit- flexibilität deutlich über dem europäischen Durchschnitt und liege noch über dem von Dänemark. Diese Arbeitszeitflexibilität komme aber nicht nur den Unternehmen zugute, sondern sie ermögliche worklife balance und führe zu einer erheblichen Stei- gerung der Arbeitszufriedenheit. Dabei haben Arbeitszeitkonten mit der Möglich- keit, längere Zeit am Stück frei zu nehmen, die größten Effekte. Bemerkenswert in den Untersuchungen sei, dass die Wahl der Fle- xibilitätsinstrumente (Arbeitszeit oder Perso- nalpolitik) in den unterschiedlichen Ländern durchaus unterschiedlich gewesen ist. Dies habe ein Vergleich von Deutschland, Frank- reich, Großbritannien, den Niederlanden und Portugal ergeben. Gleichgültig dabei war jedoch, ob das Unternehmen in inländi- schem oder ausländischem Besitz gewesen sei. Daraus ergebe sich, dass für die Flexibi- lität und die Wahl des entsprechenden Instruments der Standortfaktor von ganz entscheidender Bedeutung sei. Deutlich

weniger Wirkung habe der Herkunftsland- Effekt gezeigt. Daraus könne der Schluss gezogen werden, dass nur wenig Einfluss- nahme auf europäischer Ebene auf Flexibi- litätsinstrumente genommen werden könne.

Entscheidend sei in erster Linie und weit überproportional der Standort des jeweili- gen Unternehmens.

Dr. Karin Schulze Buschhoff, Wissen- schaftszentrum Berlin schließt ihre Aus- führungen an zur Entwicklung von neuen Selbstständigen in Deutschland und den europäischen Ländern dar. Sie erläutert zunächst, dass die Mehrzahl der europäi- schen Länder seit den 70er Jahren des letz- ten Jahrhunderts eine deutliche Zunahme von selbstständiger Erwerbsarbeit zu ver- zeichnen sei. In den 90er Jahren kam es dann zu einer Stagnation der Selbstständig- keit, wobei in den Niederlanden, in Deutsch- land und im Vereinigten Königreich in jüng- ster Zeit wieder ein Anstieg zu verzeichnen ist. Bemerkenswert sei allerdings, dass die Ausgangssituation für diese Entwicklung in den unterschiedlichen Ländern durchaus unterschiedlich gewesen sei. Bei allen betrachteten Ländern sei jedoch festzustel- len, dass mit Ausnahme von Schweden der Anteil der Klein- und Kleinstunternehmen deutlich angestiegen sei. Die sog. Solo- selbstständigen haben dabei deutlich zuge- nommen. Dabei sei außerdem festzustellen, dass der Wechsel von Selbstständigkeit in abhängiger Selbstständigkeit und wieder Selbstständigkeit bei Kleinselbstständigen besonders groß sei. Unterschiedlich sei das Maß der sozialen Absicherung. Während im Vereinigten Königreich die Selbstständigen durch die staatlichen Systeme in ähnlicher Weise erfasst werden wie die abhängig Beschäftigten und auch in Schweden die Selbstständigen in alle Zweige der Sozial- versicherung einbezogen seien, gelte der in Deutschland ansonsten bestehende ver- gleichsweise hohe Schutz gegen soziale Risiken nur eingeschränkt. Die Pflichtversi- cherungssysteme sind nur auf wenige Son- dergruppen unter den Selbstständigen beschränkt. Tatsache sei, dass die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Formen der Erwerbsarbeit fließend seien.

Dieser Trend setze sich durch Globalisie- rung und stetig steigendem internationalen Wettbewerb fort. Deshalb dürfen Übergän- ge von einem Erwerbsstatus in einen ande- ren nicht mit Nachteilen hinsichtlich der sozialen Sicherung verbunden sein, statt- dessen solle eine hohe Dynamik des Arbeits- marktes sozialrechtlich umfassend flankiert werden. Dabei sei weniger auf sozialpart- nerschaftliche Vereinbarungen zu setzen, da für Soloselbsständige der Zugang sehr häu- fig schwierig ist. Insofern bestehe auch hier Handlungsbedarf zur Öffnung der Organisa- tionen für neue Beschäftigungsformen.

Seite 3 Kurzinformationen März 2007

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Als nächstes legen Dr. Martin Groß von der Humboldt Universität in Berlin zusammen mit Dr. Johannes Giesecke von der Uni Mannheim die Verbreitung, Grenzen und Konsequenzen befristeter Beschäftigung in Europa dar. Sie stellen zunächst klar, dass ohne Berücksichtigung von beruflicher Ausbildung, Beschäftigung neben der Ausbildung und Beschäftigung in Maßnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik und in Abgrenzung zur Zeitarbeit sich bei einer Betrachtung der europäischen Länder zeige, dass befristete Beschäftigung sehr unter- schiedlich verbreitet ist. Während in Irland weniger als 3% befristet Beschäftigte zu verzeichnen seien, liege die Quote in Spani- en bei über 30%. Ausgehend davon solle untersucht werden, ob der Regulierungs- grad der Befristung auf ihre Verbreitung Auswirkungen haben könnte. Dabei ergebe sich, dass in Spanien der Regulierungsgrad von Befristungen deutlich höher ist, als in Deutschland oder in Großbritannien. Groß- britannien hat gegenüber Deutschland keinerlei Restriktionen, gleichwohl sei die Verbreitung in Großbritannien und in Deutschland in etwa gleich. Und obwohl beide deutlich geringere Regulierungen der befristeten Beschäftigung aufweisen als Spanien, sei in Spanien die befristete Beschäftigung deutlich höher. Außerdem ergebe sich, dass die EU-Richtlinie zu befri- steten Arbeitsverträgen nur geringe Auswir- kungen auf die Regulierung in den einzel- nen Ländern hat. Insofern stelle sich die Frage, inwieweit europäische Normen hier überhaupt Einfluss nehmen können. Ebenso wenig könne ein Zusammenhang herge- stellt werden zwischen dem Regulierungs- grad von Entlassungen und der Verbreitung von befristeter Beschäftigung. Obwohl in Deutschland die Beschäftigungssicherheit deutlich höher sei als in Großbritannien, sei die Befristungsquote etwa gleich groß. In Spanien, wo die Regulierung der Kündigun- gen deutlich niedriger sei, sei die

Befristungsquote erheblich höher als in Deutschland. Offensichtlich bestehe also kein Zusammenhang zwischen der Regulie- rung der Entlassungen und der Verbreitung befristeter Beschäftigung. Auch zeige sich, dass sich die Befristungsquote im Verlauf von 10 Jahren kaum verändert habe und branchenspezifische Abweichungen festzu- stellen seien.

Als Ergebnis könne festgehalten wer- den, dass die Wahrnehmung von befristeter Beschäftigung mit der Realität nur wenig zu tun habe. Tatsache sei jedoch, dass ein erhebliches Risiko vor allem in Deutschland bestehe, aus einem befristeten Beschäfti- gungsverhältnis wieder in ein befristetes Beschäftigungsverhältnis zu kommen.

Gegenüber Großbritannien zeige sich außerdem, dass das Risiko von Arbeitslosig- keit in befristeter Beschäftigung deutlich höher sei. Insgesamt ergebe sich, dass zwi- schen Befristungsrestriktion und Beschäfti- gungssicherheit sowie der Verbreitung befri- steter Stellen kein Zusammenhang bestehe.

Negative Folgen aus befristeter Beschäfti- gung ergeben sich vor allem für den Arbeitslohn und für die Karriere, weil die negativen Konsequenzen dann besonders stark sind, wenn die Beschäftigungssicher- heit besonders hoch ist. Wolle man befriste- te Beschäftigungsverhältnisse deregulieren, wirke sich das nicht unmittelbar auf den Verbreitungsgrad befristeter Stellen aus, sondern bewirke nur eine Dynamik befriste- ter Beschäftigung.

Als letzter Referent stellt Dr. Markus Prombergervom IAB die Situation der Leiharbeit in Deutschland und in Europa dar. Darauf verweisend, dass die Leiharbeit in den letzten 10 Jahren einen sprunghaften Anstieg erfahren hat, hob er hervor, die Zahl der Betriebe, die Leiharbeit nutzen, liege immer noch nur bei etwa 2,5%. Im Durch- schnitt werden etwa 8,7 Leiharbeiter pro Betrieb beschäftigt. Der Einsatz erfolge vor allem in Mittel- und Großbetrieben sowie in der Industrie. In der Regel werden gering qualifizierte Arbeitnehmer in Leiharbeit beschäftigt und weniger höher oder hoch qualifizierte. Bemerkenswert sei, dass die Nutzungsintensität weit stärker wachse als die flächenmäßige Verbreitung.

Festzustellen sei, dass Leiharbeit in Deutschland immer noch mit einem gerin- geren Verdienst als reguläre Beschäftigung verbunden und die Beschäftigungsstabilität erheblich geringer sei. Der sog. ‘Klebeeffekt’

bleibe nach Aussagen von Dr. Promberger ebenfalls eher gering, nur 15% der Leihar- beitnehmer fänden über Leiharbeit eine feste Beschäftigung. Im europäischen Ver- gleich bestätige sich die Erfahrung insge- samt, auch in den anderen europäischen Ländern, außer in Norwegen und im Verei- nigten Königreich, sei der Anteil Hochquali- fizierter eher gering.

Gemeinsam an Leihar- beitsverhältnissen in Europa sei, dass sie in der Regel sozialversichert sowie unbe- fristet beschäftigt seien und das sie gesetzlich anderen Arbeitnehmern gleichge- stellt sind. Außerdem gebe

es Zulassungsbedingungen für Leiharbeits- firmen und das Verbot, Provisionen von Beschäftigten in Anspruch zu nehmen.

Unterschiede bestehen in den Schutzrech- ten, insbesondere da in Dänemark, im Verei- nigten Königreich und in Irland kaum Schutzrechte vorhanden sind. Die equal tre- atment Regelungen seien unterschiedlich ausgeprägt, die maximale Einsatzdauer sei ebenfalls unterschiedlich geregelt. Schluss- folgernd stellt Dr. Promberger fest, dass sich nur die Organisation einfacher Arbeit verän- dert habe und durch erfolgreiche Lobbyar- beit der Interessenverbände der Entleiherfir- men es zu einer Tendenz der schleichenden Abwertung und Prekarisierung einfacher Arbeit gekommen sei. Hier müsse durch Festlegungen von Mindeststandards für Ver- leihtätigkeiten auf europäischer Ebene gegengesteuert werden.

In der anschließenden Podiumsdiskussi- on, die von Prof. Dr. Marita Körnervon der Fachhochschule Berlin geleitet wird, legt Frau Hornunng-Drausvon der BDA die Notwendigkeit dar, mehr Flexibilität des Arbeitsrechts zu ermöglichen, um eine Anpassung der Arbeitgeber an die veränder- ten Bedingungen der Arbeitswelt sicherzu- stellen.Ingrid Sehrbrockerläutert, dass Arbeitsrecht Schutzrecht und kein Mittel wirtschaftlicher Gestaltung sei. Insofern sei unter Zugrundelegung und in Kenntnis der empirischen Befunde Arbeitsrecht ungeeig- net, eine Anpassung an sich verändernde Marktbedingungen zu ermöglichen.Kajo Wasserhövel, Staatssekretär im BMAS, sieht den Deregulierungsansatz ebenfalls als problematisch an. Ministerialdirektor Friedrich Seitzvom Bayerischen Staatsmi- nisterium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen bezweifelt die Zustän- digkeit der Rechtssetzung im Arbeitsrecht und lehnt eine Richtliniendefinition des AN- Begriffs ab.Armindo Silvabetont wieder- holt, der Ansatz der Kommission sei nicht Deregulierung, sondern eine Bestandsauf- nahme, um nach Lösungen der zweifelsfrei anstehenden Probleme frei zu sein.

In ihrem Schlusswort dankt Ingrid Sehrbockallen Teilnehmern der Veranstal- tung und verleiht der Hoffnung Ausdruck, dass die Erkenntnisse dieses Tages auch in die weiteren Entscheidungsprozesse der Kommission Eingang finden werden.

Die Tagungsmaterialien sind zu finden unter:www.dgb.de

I M P R E S S U M

Herausgeber:DGB Bundesvorstand V.i.S.d.P.:Ingrig Sehrbrock

Redaktion:Helga Nielebock, Martina Perreng Layout:WIK, Seelze

Druck:PrintNetwork PN GmbH Kostenfreie Abo-Bestellungen:

mail: asr@bvv.dgb.de oder Fax: 030-240 60-761

Nachdruck nur nach schriftlicher Genehmigung.

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