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Mehr Schutz und Unterstützung

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Academic year: 2022

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Mehr Schutz und Unterstützung

Impfungen erlauben Kindern und Jugendlichen

die Rückkehr ins Leben

Telemedizin & Digitales

Die wichtigsten Hinweise zur elektronischen AU-Bescheinigung

Politik & Verbände

Fragen zur

Gesundheitspolitik – was wollen die

Parteien?

Klinik und Praxis

Interview mit dem bisherigen NLGA-Präsidenten Dr. Matthias Pulz

Mitteilungsblatt der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen

94. Jahrgang | September 2021

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Zielgruppengenau und treffsicher.

Der Anzeigenmarkt

im niedersächsischen ärzteblatt

Hannoversche Ärzte-Verlags-Union GmbH, Karl-Wiechert-Allee 18-22, 30625 Hannover Telefon 05 11 / 3 80 - 22 82, Telefax 05 11 / 3 80 - 22 81 Online-Anzeigenaufgabe: info@haeverlag.de oder unter www.haeverlag.de/service

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Editorial

zum Schulbeginn in Niedersachsen waren bundesweit 61 Prozent der Bevölkerung geimpft. Das ist eine Katastrophe. Wenn in diesem Herbst am Ende nicht mehr Menschen über einen kompletten Impfschutz verfügen, können wir in den kom- menden Wochen und Monaten die vierte Corona-Welle nicht mehr aufhalten.

Denn laut den Berechnungen des Robert Koch-Instituts müssen mindestens 85  Prozent der 12- bis 59-Jährigen und 90  Prozent der über 60-Jährigen vollständig geimpft sein, um etwa überlastete Intensivstationen und erneute Maßnahmen und Einschränkungen für die Bevölkerung zu verhindern.

Wenn wir vor diesem Hintergrund die Situation der Kinder und Jugendlichen betrachten, haben die Älteren vollends versagt. Es wäre an ihnen gewesen, im Sinne der Generationengerechtigkeit alles dafür zu tun, um den Jüngeren und Jüngsten abermalige Einschränkungen zu ersparen. Es ist – da sind sich viele der niedersächsischen Kinder- und Jugendärzte einig – nicht tolerierbar, dass es erneut zur Schließung von Kindergärten und Schulen, zu Home-Schooling und Notbetreuungen oder zum Aussetzen von Vereinssport und Schwimmunterricht kommt.

Bereits jetzt sind die Opfer immens, die Kinder, Heranwachsende und junge Erwachsene gebracht haben, um die Älteren und die sognannten vulnerablen Gruppen zu schützen: Viele haben lange Zeit die Großeltern nicht gesehen. Sie haben ihre Freunde nicht besucht. Sie sind nicht schwimmen, in den Freizeitpark, in den Zoo oder tanzen gegangen. Es gab keine Geburtstagsfeste und keine Partys, keine Familienfeiern und keine Sportevents.

Wir als Ärztinnen und Ärzte wissen, wie groß der Preis ist, den diese Generation schon jetzt gezahlt hat und immer noch zahlt. Denn die Auswirkungen dieser Zeit der Pandemie sind längst noch nicht überwunden und psychische Erkrankungen keine Seltenheit. Deshalb haben wir auch kein Verständnis für Erzieherinnen und Erzieher oder Lehrerinnen und Lehrer, die sich nun, da genügend Impfstoff zur Verfügung steht, nicht impfen lassen. Wir erinnern alle, die noch keinen Impfschutz haben, obwohl sie die Möglichkeit hätten, an ihre Verantwortung den Kindern und Jugendlichen gegenüber. Es kann nicht sein, dass stattdessen ein großer sozialer Druck aufgebaut wird, damit die 12- bis 17-Jährigen einer Impfung zustimmen. Dass sogar geplant wird, sie mit Impfteams in den Schulen aufzusuchen:

Die Jugendlichen müssen die Gelegenheit erhalten, sich in einem geschützten Bereich bei einer vertrauten Ärztin oder einem bekannten Arzt individuell beraten und dann gegebenenfalls impfen zu lassen!

Diese Aufgabe wollen wir gern übernehmen. Unterstützen Sie uns dabei, werte Kolleginnen und Kollegen, und auch dabei, die Impfquote der erwachsenen Bevölkerung zu steigern. Die Kinder werden es Ihnen danken.

Mit kollegialen Grüßen

Dr. med. Thomas Buck

Mitglied im Landesvorstand der Ärztekammer Niedersachsen

Nur geimpfte Erwachsene schützen Kinder

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

Foto: C. Wyrwa

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ÄKN

COVID-19

8 Nicht die Kinder opfern Die Jüngeren und Jüngsten haben in der ersten Zeit der Pandemie zum Schutz der Erwachsenen und Älteren auf vieles verzichtet: Ärztinnen und Ärzte treten nun dafür ein, dass sie ihr Leben wieder leben können.

Klinik und Praxis

12„Der öffentliche Gesundheitsdienst muss weiter gestärkt werden, damit er krisenfest wird“: Dr. med. Matthias Pulz hat sich in den Ruhestand verabschiedet. Der bisherige Präsident des Niedersächsischen Landesgesundheitsamts blickt im Interview auf die Arbeit der Behörde und die Herausforderungen für das Gesundheitswesen zurück.

15Trends bei der Antibiotikaresistenz 2006 startete das Anti- biotika-Resistenz-Monitoring in Niedersachsen (ARMIN).

Jetzt legte das NLGA Daten für 2020 vor.

Digitalisierung

17Stufenweise Einführung des eRezepts Ab 2022 ist die Nutzung des elektronischen Rezepts bei der Verordnung verschreibungspflichtiger Medikamente Pflicht.

MFA

19Wie geht’s weiter nach der Freisprechung? Tipps für den Berufseinstieg von MFA: 1.244 Medizinische Fachangestellte in Niedersachsen haben 2021 ihre Ausbildung erfolgreich beendet und starten nun in den Beruf: Was gilt es im ersten „richtigen“ Job zu beachten und wie können Ärz- tinnen und Ärzte den Berufseinstieg begleiten?

20Weniger Absolventinnen und Absolventen 2021 Keine Freisprechungen in Niedersachsen für die neuen Medizi- nischen Fachangestellten im großen Kreis: Alle Bezirksstellen der Ärztekammer ehrten stattdessen die besten Absolven- tinnen und Absolventen aus ihrem Zuständigkeitsbereich.

Kein Lockdown mehr mit gesperrten Spielplät-

8

zen: Davor warnen einige Ärztinnen und Ärzte aus den Reihen der ÄKN und fordern mehr Rücksicht auf die Interessen der Kinder.

Bezirksstelle Osnabrück

23Viele Herausforderungen für die neu Gewählten Grußwort von Dr. med. Steffen Grüner, Vorsitzender der Bezirksstelle Osnabrück

24Initiative für mehr Wertschätzung, größere Sichtbarkeit und bessere Arbeitsbedingungen Ein Kreis von Meller Hausärztinnen und -ärzten will die Arbeitsbedingungen von Medizinischen Fachangestellten in der Region und darüber hinaus attraktiver machen.

Bezirksstellen

25„Mein Job ist es, die persönliche Resilienz der Patientinnen und Patienten zu fördern“ Seinen 80. Geburtstag begeht im September Professor Dr. med. Klaus-Dieter Kossow, der seit 1984 der Bezirksstelle Verden als Vorsitzender vorsteht. Im Gespräch mit Professor Dr. med. Thomas Lichte blickte Kossow auf sein Wirken zurück.

29„Krankenbesuch und Wohltätigkeit“ Führung des Historikers Dr. phil. Peter Schulze über die beiden jüdischen Friedhöfe in Hannovers Nordstadt am 3. Oktober 2021

29Neurologische Symptome und Erkrankungen stehen im Mittelpunkt des 21. Oldenburger Ärztetags, der am 13. November 2021 in der Zeit von 9 Uhr bis 14.30 Uhr live übertragen wird.

Patientensicherheit

30Auszeichnung für das regelmäßige Angebot von Televisiten und –konsilen Das Aktionsbündnis Patientensicherheit hat den Deutschen Preis für Patientensicherheit für 2021 verliehen: Die Ausschreibung für das kommende Jahr läuft bereits.

12

Auf rund sechzig Jahre berufspolitisches Enga-

25

gement blickt Professor Dr. med. Klaus-Dieter Kossow zurück: Der Vorsitzende der Bezirks- stelle Verden feiert seinen 80. Geburtstag.

Ein neues Hochsicherheitslabor konnte der NLGA-Präsident Dr. med. Matthias Pulz (l.) mit Gesundheitsministerin Daniela Behrens (Mitte) und Alexander Schaub im Mai eröffnen.

Bitte beachten Sie die Beilage der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

„Pilotphase Frühmeldeverfahren Atemwege“.

Fotos: Victoria / stock.adobe.com; NLGA; I. Wünnenberg

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KVN

Corona aktuell

35Auffrischimpfungen sollen zusätzlichen Schutz vor Co- vid-19 bieten Gesundheitsministerkonfernz empfiehlt dritte Impfung für besonders vulnerable Gruppen

Honorar & Verträge

36Ungleiches Rennen Niedergelassene Fachärzte leiden unter der Konkurrenz der Krankenhäuser, die vom Staat unterstützt werden. So wird die Niederlassung unattraktiv

Arzneimittel & Verordnung

38Interaktionen am Enzym CYP2D6 ATIS informiert: Risiko fataler Folgen bei der Tumortherapie mit Tamoxifen 40Selbst ist der Patient plexus-Fortbildung zu den Digitalen

Gesundheitsanwendungen (DiGA)

Selbstverwaltung

41Gesundheit weiter gefasst Die Stadt Norden will mit einer stärkeren Vernetzung der medizinischen Angebote künftige Versorgungsengpässe verhindern

44Medizin als Dauerkonferenz? Die Robert Bosch - Stiftung favorisiert multiprofessionelle Versorgungszentren in der ambulanten Medizin. Doch sind die effizienter?

46„Gute Vernetzung ist entscheidend“ Seit 1993 hat sich Dr. Andreas Klose in der Selbstverwaltung engagiert – zuletzt als Bezirksausschuss-Vorsitzender der BZ Wil- helmshaven. Wie bewertet er diese Zeit?

48Wir l(i)eben Selbstverwaltung – wenn wir mehr Zeit hätten… Was ist nötig, um mehr junge Mitglieder zur Mitarbeit in der KVN zu bewegen?

Krankenhäuser bekommen staatliche Investi-

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tionskostenzuschüsse - und verdienen im am- bulanten Sektor noch zusätzlich. Eine über- mächtige Konkurrenz für Niedergelassene.

Mit einer stärkeren Vernetzung der Gesund- heitsberufe will die Stadt Norden den bevor- stehenden Ärztemangel abfedern. Dabei hilft ein Team der Hochschule Emden/ Leer.

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Praxis & Versorgung

50 Neuerscheinungen

52 Vorbereitung statt Nachsehen Serie Moderne Vermögens- anlage: Mit diesen fünf Tipps vermeiden Sie Fehler bei der Finanzplanung, die ein Vermögen kosten können 54 Mehr netto vom brutto! Steuertipp: Arbeitgeber haben

jetzt mehr Möglichkeiten, zur Mitarbeiterbindung Ver- günstigungen zu gewähren

55 Hohe Anforderungen an die Aufbereitung in der Praxis Informationsstrecke Hygiene & Medizinprodukte: Auf- bereitung von Medizinprodukten 2: Anforderungen 58 Suchtmedizin online Weiterbildung zur suchtmedizinschen

Grundversorgung – Förderung durch KVN möglich

Politik & Verbände

59 Aus anderen KVen

60 Das wollen die Parteien Wie immer vor Bundestagswahlen haben wir die Parteien nach ihren Vorstellungen zu Kernthemen der ambulanten Versorgung befragt

Telemedizin & Digitales

68 Der kleine Sprung nach vorn Neue TI-Anwendungen:

Die elektronische AU-Bescheinigung soll ab 1. Oktober Arbeitsunfähigkeit digital an die Krankenkassen über- mitteln. Doch es gibt eine Übergangsfrist. Und Papier bleibt unverzichtbar

Und sie kommt doch - die elektronische AU- Bescheinigung ist ab 1. Oktober Pflicht. Noch gibt es eine Übergangsfrist. Doch die Praxen sollten sich auf die Digitalisierung einstellen.

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Standards

3 Editorial 6 Aktuell

35 ÄKN-Mitteilungen 71 KVN-Mitteilungen 80 Veranstaltungen 85 Rubrikenanzeigen 95 Impressum

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Aktuell

Foto: Karin Kaiser / MHH

Um Fragen, Sorgen und Nöte von Patientinnen, Patienten und deren Angehörigen dreht sich die Arbeit eines Patien- tenfürsprechers. Seit 2016 ist für die niedersächsischen Krankenhäuser die Berufung von Patientenfürsprechern vor- geschrieben. Das Amt ausüben können dem Gesetz zufolge nur Personen, die über die erforderliche Fachkunde sowie über ausreichend Erfahrungen im Sozial- oder Gesundheits- wesen verfügen. Für die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) wurde jetzt Professor Dr. med. habil. Bernd Haubitz vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur neu bestellt. Haubitz übernahm das Amt zum 1. August von dem 78-jährigen Professor Dr. med. Hartmut Küppers, der ausgeschieden war: „Ich freue mich, der MHH weiter dienen zu dürfen, und hoffe, im Ehrenamt des Patientenfür- sprechers zu einem guten Patienten-Klinik-Verhältnis und damit zu einer noch besseren Versorgungsqualität beitragen zu können“, sagte Haubitz bei der Amtsübergabe. Der Ra- diologe war bis zum Frühjahr dieses Jahres Leitender Oberarzt der Klinik für Neuroradiologie an der MHH. Schon bevor er diese Aufgabe 1996 übernommen hatte, war der gebürtige Berliner mit der MHH bestens vertraut, denn er hat dort in den siebziger Jahren Humanmedizin studiert, anschließend promoviert, die Weiterbildung zum Facharzt für Radiologie absolviert und sich dann im Fach Radiologie mit dem Schwerpunkt Neuroradiologie habilitiert. Während seiner Berufstätigkeit war Haubitz außerdem viele Jahre Mitglied des MHH-Senats und gehört darüber hinaus bis heute der Kammerversammlung der Ärztekammer Nieder-

sachsen an. Die neue Aufgabe teilt er sich mit Patientenfür- sprecherin Barbara Bostelmann, die seit 2016 im Amt ist.

Die Amtsinhaber sollen das Vertrauensverhältnis zwischen Patientinnen, Patienten und Angehörigen auf der einen und dem Krankenhaus und seinen Beschäftigten auf der anderen Seite fördern. Darüber hinaus tragen sie dazu bei, die Qualität der vom Krankenhaus erbrachten Leistungen zu si- chern und weiter zu entwickeln. Dazu nehmen sie Be- schwerden und Anregungen von Patienten und Angehörigen entgegen, leiten sie an die entsprechenden Stellen im Kran- kenhaus weiter und sorgen für Aufklärung. Das Team der Patientenfürsprecher arbeitet ehrenamtlich und unabhängig und ist zur Verschwiegenheit verpflichtet.

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wbg

Der bisherige Patientenfürsprecher der MHH Professor Dr. med. Hart- mut Küppers (l.) übergab sein Amt an Professor Dr. med. habil. Bernd Haubitz (3.v.l.). Es gratulierten MHH-Patientenfürsprecherin Barbara Bostelmann (2.v.l.) und MHH-Vizepräsident Professor Dr. Frank Lammert.

Fallauswahl für Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen (MMK)

2017 hat die Ärztekammer Niedersachsen eine Online- befragung zum Umsetzungsstand von Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen (MMK) in Niedersachsen durchgeführt.

Auf der Basis der Ergebnisse bietet die ÄKN nun Veranstal- tungen und Begleitmaterial an, mit dem die Implementierung und Umsetzung von MMKs verbessert sowie Akzeptanz und Qualität der Konferenzen verbessert werden können.

Seit Anfang August steht Interessierten ein Literaturüberblick zum Thema „Fallauswahl für Morbiditäts- und Mortalitäts- konferenzen“ zum Download zur Verfügung:

www.aekn.de/zentrum-fuer-qualitaet-und-management-im- gesundheitswesen/patientensicherheit/mm-konferenzen Dieser Literaturüberblick bietet eine kurze Zusammenstellung der aktuellen Vorgaben und Empfehlungen aus nationalen und internationalen Leitfäden und Studien.

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Lena Strodtmann, M.A., ZQ, Patientensicherheit

Aktualisierte S3-Leitlinie zum

„Reizdarmsyndrom“

Immer wieder krampfartige Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung, ohne dass eine eindeutige organische Ursache auszumachen ist: Das sogenannte Reizdarmsyndrom (RDS) kann die Lebensqualität erheblich einschränken. Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und die Deutsche Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität e. V. (DGNM) haben in Zusammenarbeit mit 17 weiteren Fachgesellschaften nun die aktualisierte S3-Leitlinie „Reizdarmsyndrom“ veröffentlicht.

Sie fasst den aktuellen Wissensstand zu Diagnostik und Be- handlung zusammen. Unter anderem wurden die Kapitel zur Ernährung, zur psychotherapeutischen Behandlung und zu komplementären Therapien deutlich erweitert. Darüber hinaus ist erstmals ein eigenständiges Kapitel zum Reizdarmsyndrom bei Kindern enthalten. Die aktualisierte S3-Leitlinie Reizdarm- syndrom finden Sie zum Download unter: www.dgvs.de/wissen/

leitlinien/leitlinien-dgvs/reizdarmsyndrom/

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red

Vermittler zwischen der MHH und den

Patientinnen, Patienten und Angehörigen

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Aktuell

In der Gemeinde Auetal im Landkreis Schaumburg soll ein Regionales Ver- sorgungszentren (RVZ) entstehen. Nie- dersachsens Regionalministerin Birgit Honé übergab Auetals Bürgermeister Heinz Kraschewski am 8. August einen Förderbescheid in Höhe von 71.250 Euro. Mit dem Geld soll zunächst ein Feinkonzept zum Aufbau eines RVZ entwickelt werden. Ein RVZ bündelt in kommunaler Trägerschaft ein Medizi- nisches Versorgungszentrum mit ange- stellten Allgemeinmedizinerinnen und -medizinern mit weiteren Angeboten der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum.

Diese können je nach regionalem Bedarf von Betreuungs- über Beratungs- bis hin zu Begegnungsangeboten reichen.

Bürgermeister Heinz Kraschewski sieht

Diagnose: Klimawandel

Gesundheitliche Schäden durch den Klimawandel nehmen auch in Deutsch- land zu. Das Klimahaus Bremerhaven bietet am 8. Oktober 2021 die kosten- lose Teilnahme an einer zweistündigen Veranstaltung mit dem Titel „Diagnose Klimawandel“ an. In ihr geht es um den Einfluss, den der Klimawandel mittlerweile auch in Mitteleuropa auf die Gesundheit der Menschen nimmt.

Dazu wird·Prof. Claudia Traidl-Hoff- mann aus ihrem aktuellen Buch mit dem Titel „Überhitzt“ Auszüge lesen.

Sie zeigen klima-ursächliche Fälle aus ihrem Klinikalltag im Universitätskli- nikum der Universität Augsburg sowie aktuelle Forschungserkenntnisse am Helmholtz-Zentrum München sowie die gesundheitlichen Folgen des Kli- mawandels für den Menschen, ihre Symptome, Ursachen und Behand- lungswege. Weitere medizinische As- pekte des Klimawandels diskutieren dann Dr. Rainer Pospischil (Vorstand Deutsche Gesellschaft für medizinische Entomologie und Acarologie, DGMEA,) Dr. Dieter Lehmkuhl (Deutsche Ge- sellschaft für Soziale Psychatrie (DGSP), Facharzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie i.R., Mitglied der IPPNW (Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges/ Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V.). Dr. Kai Kolpatzik (Leiter der Abteilung Prävention des AOK-Bundesverbandes). Anmeldungen sind möglich unter Tel. 0471 902030-0 oder info@klimahausbremerhaven.de.

in dem Projekt einen wichtigen Beitrag zur Daseinsvorsorge: „Für eine derart ländlich geprägte Gemeinde wie das Auetal ist die Sicherstellung einer orts- nahen hausärztlichen Versorgung von existenzieller Bedeutung. Mit einem re- gionalen Versorgungszentrum im Mit- telpunkt unserer Gemeinde schlagen wir gemeinsam mit dem Landkreis und dem Land Niedersachsen einen inno- vativen Weg ein." Landrat Jörg Farr ver- wies auf die Gesundheitsregion Schaum- burg, in der man mit vielen heimischen Akteuren zusammenarbeite, um die me- dizinische und pflegerische Versorgung im Landkreis für die Zukunft zu sichern.

Ein RVZ könne dabei in „hervorragender Baustein“ sein. Bislang sind landesweit vier Pilotprojekte im Aufbau.

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ös

Fünftes regionales Versorgungszentrum entsteht in Auetal

KVN kritisiert mangelnde Finanzierung der EMS

Als „fatale Fehlentscheidung“ hat KVN- Chef Mark Barjenbruch die Tatsache be- zeichnet, dass das Land Niedersachsen nicht mehr Geld für den Ausbau der Eu- ropean Medical School (EMS) bereitstelle.

Daher kann die EMS nicht wie geplant zum kommenden Wintersemester mehr Medizinstudierende aufnehmen. Nach den aktuellen Haushaltsplanungen des Landes wird es nur 80 Medizin-Studi- enplätze zum Wintersemester in Olden- burg geben. Geplant waren 120. „Alle Förderprogramme für den ärztlichen Nachwuchs sind zum Scheitern verurteilt, wenn es keine zusätzlichen Kapazitäten

für Studienanfängerinnen und -anfänger der Humanmedizin in Niedersachsen gibt“, so Barjenbruch. Aus Sicht der KVN erscheint es auch anachronistisch, wenn das Land Niedersachsen Geld für den Aufbau regionaler Versorgungszentren aufbringt, dann aber bei der Ausbildung von Ärzten spart, die gebraucht werden, um diese Versorgungszentren zu besetzen.

„Wenn die Politik eine verbesserte und umfassendere Versorgung der Bevölke- rung fordert, dann muss sie die zusätzli- chen Finanzmittel zur Verfügung stellen.

Wir dürfen keine Zeit mehr vergeuden",

so Barjenbruch.

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Preis für Patientensicherheit ausgeschrieben

Der Deutsche Preis für Patientensicher- heit ist zum neunten Mal ausgeschrieben worden. Gesucht werden Leuchtturm- Ideen und zukunftsweisende Forschungs- arbeiten, die zu einer besseren Patien- tensicherheit beitragen. Einsendeschluss ist der 7. November. Neben Ärzten und Psychotherapeuten können sich alle Akteure des Gesundheitswesens sowie Institutionen, Verbände und Wissen- schaftler bewerben. Der mit insgesamt

19.500 Euro dotierte Preis wird vom Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) und seinen Kooperationspartnern ver- liehen.

Gewürdigt werden sollen praxiserprobte und zukunftsweisende Ideen und Maß- nahmen, die die Patientensicherheit för- dern, sowie neue Forschungserkenntnisse zum Umgang mit Risiken. Ausdrücklich erwünscht sind dieses Mal auch Projekte,

die sich auf die Bewältigung der Coro- nakrise und die Förderung und den Einsatz digitaler Techniken beziehen.

Die Bewerbungsunterlagen und weitere Informationen finden Interessenten unter https://www.aps-ev.de/dpfp/. Der Preis wird auf der APS-Jahrestagung im Früh- jahr 2022 in Berlin verliehen. Der ge- naue Termin dafür wird noch bekannt

gegeben.

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ös

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In Niedersachsen sind die Schulferien erst Anfang September zu Ende gegangen. Doch Ende August lag die Sieben-Tage-In- zidenz von Neuinfektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus für die unter 15-Jährigen in Norddeutschland trotzdem bereits bei 107,8 und für die Altersgruppe der 15- bis 34-Jährigen bei 103,0. Wie sich die allmählich einsetzende vierte Welle auch in Niedersachsen entwickeln könnte, macht derzeit Nord- rhein-Westfalen vor. Seit die Schule dort Mitte August gestartet ist, sind die Infektionszahlen in NRW gerade unter Kindern und Jugendlichen enorm gestiegen: Am 27.  August lag die Sieben-Tage-Inzidenz für die 0- bis 4-Jährigen bei 129,4, für die 5- bis 9-Jährigen bei 328,4, für die 10- bis 14-Jährigen bei 384,8 und schließlich für die 15- bis 19-Jährigen bei 293,6.

Mehr Hospitalisierungen bei den Jüngeren

Obwohl Kinder und Jugendliche sehr viel seltener einen schweren Verlauf erleben, wächst die Zahl der Hospitalisie- rungen in dieser Altersgruppe. In der österreichischen Haupt- stadt Wien hat die Gesundheitsbehörde zum Beispiel gerade die Intensivbetten für Kinder wegen der ansteckenderen Del- ta-Variante um 25 weitere Betten aufgestockt. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) steigen in Deutschland ebenfalls die Hospitalisierungen. So wurden in der Kalenderwoche 34 in Deutschland insgesamt 71 erkrankte Kinder in der Alters- gruppe 0 bis 4, 49 in der Altersgruppe 5 bis 14 und 373 in der Gruppe der 15 bis 34-Jährigen stationär versorgt. Zum Ver-

gleich: In der 34. Woche des vorigen Jahres waren es insgesamt 9 kranke Kinder unter den 0- bis 4-Jährigen, 11 Kinder bei den 5 bis 14-Jährigen und 95 Fälle unter den 15- bis 34-Jährigen.

Angesichts dieser steigenden Zahlen sowie der schwer einzu- schätzenden Entwicklungen und der zu wenig bekannten möglichen Spätfolgen einer Infektion warnen viele Ärztinnen und Ärzte aus Niedersachsen davor, „das Virus einfach durch Kindergarten- und Schulkinder durchlaufen zu lassen“, wie es Dr. med. Tilman Kaethner, Facharzt für Kinder- und Jugend- medizin aus Nordenham, formuliert. Er sorge sich, dass es auch bei den meist leichteren Verläufen der akuten COVID- 19-Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen trotzdem zu Langzeitfolgen kommen könne, so der Vorsitzende des nie- dersächsischen Landesverbands des Berufsverbands der Kin- der- und Jugendärzte e.V. (BVKJ). Es gebe Hinweise, dass die Infektion unabhängig von der Schwere der Erkrankung die Gefäße vorzeitig altern lassen kann: „Das halte ich für sehr be- deutsam gerade für diese Altersgruppe, die noch lange zu leben hat.“

Long-COVID bei Kindern bisher seltener

Gesundheitliche Beschwerden über die akute COVID-19-Er- krankung hinaus bringt das Long-COVID-Syndrom mit sich, von dem bis zu 15 Prozent der erwachsenen Erkrankten be- troffen zu sein scheinen. Zu den vielfältigen Symptomen bei an Long-COVID leidenden Kindern und Jugendlichen zählen Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Schlaf- und Konzentrationsstö- rungen, aber auch Schwindel, Kopf- und Bauchschmerzen sowie depressive Sörungen. Diese Altersgruppe sei ersten ak- tuellen Studien zufolge jedoch nicht so stark von Long-COVID betroffen wie erwachsene Patientinnen und Patienten, berich- tet Dr. med. Martin Wetzke, Facharzt für Kinderheilkunde- und Jugendmedizin. Der Oberarzt in der Abteilung für pädia- trische Pneumologie und Allergologie der Medizinischen Hochschule Hannover hält es nach aktuellen Kohortenstudien aus der Schweiz und den USA für möglich, dass bis zu zwei Prozent der Kinder und Jugendlichen, die an COVID-19 er- kranken, persistierende, länger als zwölf Wochen andauernde Symptome entwickeln. Dabei gibt Wetzke jedoch zu beden- ken, dass in der bisherigen Zeit der Pandemie nur wenige Kin- der und Jugendliche in Niedersachsen mit dem SARS-CoV-2- Erreger in Kontakt gekommen sind: „Das könnte sich jetzt in

Rückkehr der Jüngeren ins richtige Leben

Kinder und Jugendliche haben sich bisher während der Corona-Pandemie diszipliniert an die Regeln gehalten, nun ist es an den Erwachsenen, sich zu revanchieren: Wie sehen das niedersächsische Kinder-, Jugend- und Hausärztinnen sowie -ärzte?

COVID-19

Foto: Petra / stock.adobe.com

Für viele der Kinder, die jetzt eingeschult werden, wird der Start nach der langen Zeit der Einschränkungen aufgrund der COVID-19- Pandemie nicht leicht sein.

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diesem Herbst ändern, wenn es uns hoffentlich gelingt, die Schulen offen zu halten.“

Zu niedrige Impfquoten bei den Erwachsenen

Erneute Einschränkungen des öffentlichen Lebens lassen sich aber wahrscheinlich nur verhindern, wenn die Quote der Menschen mit einem vollen Impfschutz weiter steigt: Aktuell berichtet das RKI, dass unter den über 60-Jährigen 83 Prozent den vollen Impfschutz haben und bei den Erwachsenen zwi- schen 18 und 60 Jahren 65 Prozent. Von den Kindern und Ju- gendlichen zwischen 12 und 17 Jahren haben sich inzwischen bereits 21 Prozent impfen lassen. Doch für Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Ärzteschaft sind diese Zahlen zu niedrig, um die sich gerade anbahnende vierte Welle zu brechen. Laut Berechnungen des RKI müssten mindestens 85  Prozent der 12- bis 59-Jährigen und 90  Prozent der Senioren ab 60 Jahren vollständig geimpft sein, um überlastete Intensivstationen in den kommenden Monaten zu verhindern.

Kinder- und Jugendärzte fordern in dem Zusammenhang vor allem von Lehrerinnen und Lehrern sowie Erzieherinnen und Erziehern den kompletten Impfschutz ein: Kaethner zum Bei- spiel betrachtet es als Selbstverständlichkeit, dass sich alle, die in Kindergärten und Schulen mit Kindern arbeiten, impfen las- sen. Aber es habe ihn jetzt am Ende der Sommerferien darüber hinaus positiv überrascht, wie viele von den Eltern aus seiner Praxis in Nordenham bereits geimpft gewesen seien und erklärt hätten: „Ich mache das, um mein Kind zu schützen.“

Der Kinder- und Jugendarzt begrüßt diese Einstellung, denn in der Regel würden eher die Erwachsenen Kinder und Jugend- liche anstecken als umgekehrt.

Die Vermutung zu Beginn der COVID-19-Pandemie, Kinder könnten ähnlich wie bei Influenza-Ausbrüchen maßgebliche Überträger des SARS-CoV-2-Virus sein, wurde inzwischen in verschiedenen Studien widerlegt. Trotzdem hat der Berliner Virologe Professor Dr. med. Christian Drosten zum Beispiel im Mai 2021 gemeinsam mit einem Team im Fachmagazin

„Science“ Forschungsergebnisse publiziert, die Kindern bis zu fünf Jahren die geringste Viruslast bescheinigen. Im Falle von älteren Kindern und Jugendlichen haben die Untersu- chungen indes ergeben, dass diese Werte mit dem Alter an- steigen. Die Konsequenz, die sich daraus für die Gesellschaft ergibt, ist die Forderung, dass sich die Erwachsenen impfen lassen müssen, damit ungeimpfte Kinder nicht zu einem Re- servoir für Infektionen und damit zu einer potenziellen Brut- stätte für die Entstehung neuer Varianten werden. Doch es gilt nicht nur, die Jüngsten und die Jugendlichen vor einer Anste- ckung zu bewahren – es geht darum, allen wieder zu ermög- lichen, den Kindergarten oder die Schule zu besuchen, wieder Sport zu machen und Kontakt zu Gleichaltrigen zu haben.

Die Erwachsenen müssen sich revanchieren

Man muss diese Pandemie wegimpfen – darauf drängen Ärz- tinnen und Ärzte angesichts der Situation dieser Altersgruppe:

„Die Kinder und Jugendlichen haben sich im Rahmen des Ge- nerationenvertrags, um sogenannte vulnerable Gruppen zu schützen, während der gesamten bisherigen Pandemie sehr diszipliniert verhalten“, erklärt Dr. med. Thomas Buck, Mitglied im Vorstand der Ärztekammer Niedersachsen und Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin: „Jetzt ist es an uns Erwachsenen, uns zum Schutz der Kinder und Jugendlichen impfen zu lassen – und zwar rasch und ohne Lücken“, fordert der Obmann des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte im Bezirk Hannover. Denn nun gelte es, den Fokus auf das Schutzbedürfnis der Kinder und Jugendlichen zu lenken.

Dabei warnt Buck eindringlich vor einem erneuten Aussetzen aller sozialen Aktivitäten und vor abermaligen Lockdown- Maßnahmen für die Jüngeren und Jüngsten: „Das gefährdet erkennbar die Lebensqualität sowie die sensomotorische, kog nitive und emotionale Entwicklung der Kinder und Ju- gendlichen.“

Negative Folgen des Lockdowns und der Maßnahmen für körperliche und psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

Nicht nur Buck sieht die enormen Opfer, die diese Generation an Schülerinnen und Schülern sowie Jüngeren im Kindergar- tenalter und nicht zuletzt die jungen Erwachsenen gebracht haben und immer noch bringen. Dr. med. Andrea Wünsch, Leiterin des Teams Sozialpädiatrie und Jugendmedizin im Fachbereich Jugend der Region Hannover, hat durchaus wahr- genommen, dass viele Kinder dank eines guten Zusammen- halts in ihren Familien weniger stark unter der bisherigen Zeit der Pandemie gelitten haben. Aber eine Befragung von Eltern aus der Region Hannover, deren Kinder zwischen Mai 2020 COVID-19

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und Mai 2021 die Schuleingangsuntersuchung absolviert ha- ben, zeigt, wie negativ sich die Einschränkungen und Maß- nahmen während der Pandemie auf Gesundheit und Wohl- befinden der Kinder insgesamt ausgewirkt haben: Der Rücklauf der anonymen Fragebögen ergab, dass am Ende 36 Prozent der Kinder mit Traurigkeit, 25,8 Prozent mit häufigen Wutan- fällen und 9,5 Prozent mit Bauch- oder Kopfschmerzen, Übel- keit und Appetitlosigkeit zu kämpfen hatten.

Kein Lockdown mehr für die Jüngeren

Weitere Informationen zur Situation der Kinder im Vor- schulalter lieferten die Schuleingangsuntersuchungen selbst:

Größeren Sprachförderbedarf stellte das Team Sozialpädia- trie und Jugendmedizin bei rund 20 Prozent der Kinder fest, nachdem sich diese nur mit Schwierigkeiten hatten auf Deutsch verständlich machen können. Verschlechterungen durch die Lockdown-Maßnahmen während der Corona- Pandemie gab es auch auf dem Gebiet der körperlichen Fertigkeiten. Sie betreffen die Feinmotorik und besonders die Fähigkeit zu schwimmen. Dass 51,2 Prozent der Kinder, die Anfang September in der Region Hannover eingeschult wurden, nicht schwimmen können, bedauert Wünsch sehr.

Der Kinderärztin ist es deshalb ein zentrales Anliegen, dass die Schwimmbäder für die Kinder von jetzt an geöffnet blei- ben und weder der Sportunterricht noch die Sportangebote der Vereine für Kinder und Jugendliche erneut herunterge- fahren werden: „Dabei handelt es sich nicht um ein Luxus- angebot“, betont Wünsch und berichtet, dass bei den Schul- eingangsuntersuchungen diesmal mehr Kinder stark über- gewichtig gewesen seien. „Diese Kinder haben nicht wie die anderen zwischen 21 und 24 Kilo, sondern bis zu 40 Kilo gewogen.“

„Für zehn Prozent der Kinder und Jugendli - chen hat Home-Schooling nicht funktioniert“

Besonders eklatant schätzt Wünsch die Nachteile der Co- rona-Maßnahmen und der Schließungen von Schulen und Kindergärten für jene Kinder ein, die in schwierigen Ver- hältnissen leben. „Denen es vorher schon schlecht ging, geht es jetzt noch schlechter“, hat auch Matthias Feindt be- obachtet. Der in Göttingen niedergelassene Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und stellvertretende Vorsitzende des niedersächsischen Landesverbands des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ) schätzt, dass rund zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen nicht gut mit dem Home-Schooling über Smartphones und Computer zurecht gekommen sind: „Sie hatten keinen Zugang zu den entsprechenden Geräten oder keinen Platz zum Arbeiten und somit hat für sie der Unterricht auf digitalem Wege nicht gut funktioniert“, sagt Feindt. Nun sei die große Frage, wie es gelinge, dieser benachteiligten Gruppe eine Unter-

stützung zum Beispiel in Form von zusätzlichen Nachhilfe- stunden zuteil werden zu lassen.

Mehr akute psychische Erkrankungen

Beim Thema Bildung sieht auch die Kinder- und Jugendärz- tin Angela Schütze-Buchholz die Kinder und Jugendlichen als die Leidtragenden der Pandemie: „Im ländlichen Bereich sind die Videokonferenzen zum Teil auch am fehlenden In- ternet gescheitert“, berichtet die zweite stellvertretende Vorsitzende des niedersächsischen Landesverbands des Be- rufsverbands der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ). Schüt- ze-Buchholz, die seit 1991 in einer Gemeinschaftspraxis in Syke niedergelassen ist, hat außerdem beobachtet, dass die Anzahl von emotionalen Erkrankungen unter den Jugendli- chen zwischen 13 und 16 gestiegen ist: „Die haben sich ge- ritzt, die haben suizidale Tendenzen gezeigt oder sind in ei- ne Depression gefallen“, sagt Schütze-Buchholz und be- richtet von deutlich mehr Fällen, für die sie gern sofort eine kinder- und jugendpsychiatrische oder -psychotherapeuti- sche Intervention zur Verfügung gehabt hätte. Mitte August gab das niedersächsische Gesundheitsministerium in Han- nover allerdings bekannt, dass die Einrichtungen voll aus- gelastet seien. Daher müssten sich Kinder und Jugendliche, die einen Platz in einer Klinik für Psychiatrie benötigen, auf lange Wartezeiten einstellen. Eine Ausnahme stellten nur die „absoluten Notfälle“ dar.

Mehr schwere Depressionen bis hin zur Suizidalität hat ebenso Dr. med. Marion Charlotte Renneberg, niedergelas- sene Hausärztin in Ilsede und Vizepräsidentin der Ärzte- kammer Niedersachsen, bei Patientinnen und Patienten im Alter zwischen 15 und 35 Jahren erlebt: „Das sind Men- schen, die wir sonst gar nicht in der Praxis gesehen haben“, sagt Renneberg. Die Corona-Pandemie habe bei vielen Ju- gendlichen und jungen Erwachsenen, die Schwierigkeiten hatten, eine Ausbildung zu finden oder Wartezeiten über- COVID-19

Foto: len44ik / stock.adobe.com

Sport im Verein und Bewegung gemeinsam mit Freunden gehörten zu den Aktivitäten, die für viele der Kinder und Jugendlichen wäh- rend der COVID-19-Pandemie eingeschränkt wurden. Nicht alle hat- ten die Möglichkeit, auf Onlineangebote umzusteigen.

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brücken mussten, tiefe seelische Krisen ausgelöst. „Das wa- ren alleinstehende junge Menschen, die dabei waren, sich zu orientieren, ihr Leben auszurichten und sich eine Zukunft aufzubauen.“

Keine mobilen Impfteams an die Schulen

Etwas entspannter hat die Corona-Pandemie dagegen Dr.

med. Carsten Gieseking, niedergelassener Facharzt für All- gemeinmedizin in Müden (Aller), erlebt: Dennoch sieht auch der Vorsitzende des Landesverbands Braunschweig des Deutschen Hausärzteverbands dramatische Schwierig- keiten bei der Sozialisationsentwicklung der Kinder und Ju- gendlichen. Deshalb plädiert Gieseking zwar dafür, die Kindergärten und Schulen in den kommenden Wochen und Monaten offen zu halten, warnt aber andererseits davor, Druck auf die Kinder und Jugendlichen zu machen, dass sie sich impfen lassen sollen: „Wenn wir jetzt die Kinder impfen, um die ungeimpften Erwachsenen zu schützen, lei- den die Kinder ja schon wieder“, protestiert der Hausarzt.

Seiner Meinung nach sollten zudem keinesfalls mobile Teams an die Schulen geschickt werden.

Das Impfen wie bisher den niedergelassenen Ärzten – den Kinder- und Jugendärzten sowie den Hausärzten – zu über- lassen: Dafür macht sich ein Großteil der Ärzteschaft stark.

„Wir kennen unsere Patientinnen und Patienten, da ist es nicht so unpersönlich wie im Impfzentrum“, betont etwa Kaethner. Auch Schütze-Buchholz warnt davor, Kinder- und Jugendliche einer Art Massenveranstaltung in der Schule auszuliefern: „Manche haben eventuell Angst vor der Spritze oder davor umzukippen“, gibt die Kinder- und Jugendärztin zu bedenken, während es außerdem Fälle gebe, bei denen sich Kinder und Jugendliche selbst oder deren Eltern gegen eine Impfung entscheiden würden: „Wir sollten verhindern, dass diese Kinder und Jugendlichen dann in der Schule aus- gegrenzt oder gar gemobbt werden“, fordert die Ärztin. Für Impfungen nach einer ausführlichen, individuellen Aufklä- rung und im besten Falle durch den der Familie bekannten Kinder- oder Hausarzt plädiert auch ÄKN-Landesvorstand Buck: „Aber solange eine einzige Erzieherin oder ein einzi- ger Lehrer ungeimpft ist, kann es nicht Aufgabe der Jugend- lichen und Kinder sein, die Lücke zu schließen.“

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Inge Wünnenberg COVID-19

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Dr. med. Matthias Pulz, Präsident des Niedersächsischen Landesgesundheitsamts (NLGA), wurde zum 1. September in den Ruhestand verabschiedet. Seine Nachfolge trat Dr.

med. Fabian Feil an, der zuletzt als Referent für Infekti- onsschutz und öffentliches Gesundheitswesen beim Nie- dersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung tätig war. Pulz hatte das Amt von Professor Dr. med. Adolf Windorfer 2007 übernommen. Zuvor war der Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektions- epidemiologie 1997 ans NLGA gekommen und hatte dort zunächst die Leitung der Abteilung Mikrobiologie, Kran- kenhaushygiene, Infektionsschutz und Infektionsepide- miologie inne. Im Gespräch mit dem niedersächsischen ärzteblatt blickt der scheidende Präsident auf sein Wirken und die Arbeit des NLGA in dieser Zeit zurück.

Herr Dr. Pulz, Sie nahmen 1997 Ihre Tätigkeit am Nieder- sächsischen Landesgesundheitsamt auf: Sie waren also fast von Anfang an dabei?

Vor der Gründung des NLGA 1995 gab es mehrere Landes- untersuchungsämter. Das waren letztlich regional angesie- delte Einrichtungen, die vor allem mikrobiologische Labor- untersuchungen durchgeführt haben. Mit dem NLGA wurde dann eine moderne Landesbehörde initiiert, die eine spe- zialisierte Labordiagnostik anbietet, aber vor allem auch neue Aufgabenschwerpunkte wie Epidemiologie oder Um- weltmedizin übernahm. Außerdem wurden Themenberei- che wie Prävention und Gesundheitsberichterstattung neu beim NLGA etabliert. Im Jahr 2000 wurde zum Beispiel das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen (EKN) ins Leben gerufen.

Welchen Stellenwert nehmen heutzutage die Laboruntersu- chungen im Aufgabenspektrum des NLGA ein?

Die Bereitstellung einer spezialisierten Labordiagnostik ist für das NLGA von ganz wesentlicher Bedeutung. So konnte das NLGA Anfang 2020 als erstes Labor in Niedersachsen den von Professor Dr. med. Christian Drosten entwickelten PCR-Nachweis von SARS-CoV-2 anbieten und entspre- chende Untersuchungen für den öffentlichen Gesundheits- dienst in Niedersachsen durchführen. Als 2014 im Zuge ei- nes Ebola-Ausbruchs in Westafrika ein Verdachtsfall in

Hannover auftrat, konnten wir durch einen molekularbio- logischen Test schnell Entwarnung geben, da das Ergebnis negativ ausfiel. Weiterhin führt das NLGA Laboruntersu- chungen insbesondere bei Ausbruchsgeschehen und bevöl- kerungsmedizinisch wichtigen Fragestellungen durch, aber auch im Rahmen von Surveillanceprojekten zum Beispiel von akuten Atemwegserregern.

Da war es sicherlich ein Höhepunkt Ihrer Amtszeit als Prä- sident, dass Sie im vorigen Jahr ein neues Hochsicherheits- labor eröffnen konnten?

Ja – ich möchte in dem Zusammenhang an die Anthrax-An- schläge in den USA im Jahr 2001 erinnern. Damals hat das NLGA sein erstes Hochsicherheitslabor bekommen, das aber mittlerweile baulich in die Jahre gekommen war. Die Anforderungen an solche Labore sind zudem in der Zwi- schenzeit enorm gestiegen und werden vom Gewerbeauf- sichtsamt genau überwacht. Bei einem solchen Labor der

„Der Öffentliche Gesundheitsdienst muss weiter gestärkt werden, damit er krisenfest wird“

Dr. med. Matthias Pulz hat sich als Präsident des Niedersächsischen Landesgesundheits- amts in den Ruhestand verabschiedet. Im Interview blickt er auf die Arbeit der Behörde und die Herausforderungen für das Gesundheitswesen zurück

Klinik und Praxis

Fotos: NLGA

Dr. med. Matthias Pulz wurde zum 1. September als Präsident des Niedersächsischen Landesgesundheitsamts (NLGA) in den Ruhestand verabschiedet.

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Schutzstufe 3 muss sichergestellt sein, dass nichts, was in dem Labor passiert, nach außen dringt. Es muss von der Au- ßenwelt vollkommen abgeriegelt sein. Für diese Labore gibt es inzwischen auch höhere Anforderungen an den Brand- schutz. Es muss zum Beispiel eine Löschanlage installiert sein, die im Brandfall automatisch anspringt. Denn die Feu- erwehr kann nicht ohne Weiteres ein Labor mit gefährlichen Erregern betreten. Diesen Sprung haben wir nun mit unserem Erweiterungsbau und dem neuen Hochsicherheitslabor ge- schafft.

Werden für so gefährliche Erreger wie den Ebola-Erreger besondere Sicherheitsmaßnahmen benötigt?

Wir arbeiten in unserem Labor mit einer sogenannten Glove box  – einem Behältnis, in das man nur mit den Händen greift. Dafür müssen allerdings die Erreger wie der Ebola-Erreger abgetötet sein. Dann dürfen wir diese Diag- nostik machen. Wir dürfen indes nicht mit dem Erreger in der lebensfähigen Form arbeiten. Das ist nur in den S4-La- boren mit einer noch höheren Sicherheitsstufe möglich.

2007 übernahmen Sie als Präsident die Leitung des NLGA:

Wie setzten Sie die Modernisierung und Weiterentwicklung der Behörde fort?

Wir haben unter anderem die neue Fachabteilung „Spezielle Fachaufgaben des Öffentlichen Gesundheitsdiensts“ ge- gründet: Das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen (EKN) wurde 2010 ebenso wie der Arbeitsbereich Gesund- heitsberichterstattung in diese neue Abteilung integriert.

Insgesamt wurden die epidemiologische Bewertungskom- petenz und die Beratungsleistungen für den öffentlichen Gesundheitsdienst deutlich ausgebaut. Darüber hinaus ist es gelungen, die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit universitären Einrichtungen zu stärken und Kooperations- partner in zahlreichen, erfolgreichen Drittmittelprojekten zu werden.

Was für Herausforderungen gab es in Ihrer Amtszeit, bevor die COVID-19-Pandemie 2020 ausbrach?

Solange es Corona nicht gab, waren für mich im Rückblick die Influenzapandemie 2009 und der EHEC-Ausbruch 2011 prägende infektiologische Ereignisse. Im Nachhinein zeigte sich zwar, dass die Influenzapandemie 2009 eher milde verlaufen ist. Aber wann immer eine Pandemie entsteht – das passiert durchschnittlich alle 59 Jahre – existiert die Ge- fahr, dass sich ein Erreger schnell über die ganze Welt aus- breitet. Und je nach Erregertyp kann das viele Menschenle- ben kosten. 2009 gab es viele Infektionen, aber die Schwere der Erkrankung war in der Regel eher leicht.

Der EHEC-Ausbruch war jedoch lokal begrenzt?

Ja, in dem Fall wurde 2011 plötzlich bekannt, dass untypi- scherweise viele junge Erwachsene an dem hämolytisch-urä- misches Syndrom (HUS) litten. HUS ist die schwerste Erkran- kungsform durch Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC) – und normalerweise sind Kleinkinder oder alte Men- schen betroffen. Da die Quelle für das Auftreten der Infektio- nen zunächst unklar blieb, galten verschiedene Lebensmittel als möglicher Ausgangspunkt. Durch intensive Nachverfol- gung aufgetretener Fälle und epidemiologische Untersuchun- gen konnte schließlich ein Sprossenhof in Bienenbüttel, in der Nähe von Lüneburg, als Ausgangspunkt des EHEC-Aus- bruchs identifiziert werden. Von dort ausgelieferte, mit einem EHEC-Erreger kontaminierte Sprossen, die beispielsweise in Salaten roh verzehrt wurden, führten in Deutschland zu fast 4.000 Erkrankungsfällen und insgesamt 53 Todesfällen. Das war eine verdichtete Krisensituation im Frühsommer 2011.

Trotzdem konnte der Ursprung in wenigen Wochen ermittelt werden und dann war der Ausbruch schnell beendet.

Seit Frühjahr 2020 bis zu Ihrer Pensionierung Ende August hatten Sie es nun erneut mit einer Pandemie zu tun: Wie ha- ben Sie die COVID-19-Pandemie erlebt?

Ich hätte mir persönlich bislang nicht vorstellen können, dass ein Erreger wie das neue Coronavirus SARS-CoV-2 so um sich greift und so viele Menschenleben fordert. Auch, dass aufgrund der massiven Verbreitung derart eingreifende Maßnahmen wie ein Lockdown und die Schließung von Ki- tas und Schulen erforderlich werden, hätte ich im Vorfeld nicht für möglich gehalten. Die Entwicklung neuer Phasen der Pandemie durch das Auftreten neuer Varianten ist eine weitere unglaubliche Herausforderung. Bewundernswert war, wie schnell mit völlig neuartigen Techniken entwickelte Impfstoffe zur Verfügung standen, insbesondere die mRNA- Impfstoffe. Natürlich mussten weitreichende logistische Maßnahmen getroffen werden, bis mit den Impfungen be- gonnen werden konnte. Die Bereitstellung von SARS-CoV- 2-Impfstoffen innerhalb von Monaten ist zweifellos eine Er- folgsgeschichte, die hohe Anerkennung verdient.

Welchen Rat wollen Sie der Gesellschaft für die Zukunft mit auf den Weg geben?

Zu Beginn der Pandemie fehlte es an Schutzkleidung und Masken. Das war ein riesiges Problem insbesondere in Arztpraxen und Krankenhäusern. Für die Zukunft muss si- chergestellt sein, dass es diesbezüglich eine ausreichende Vorratshaltung gibt und bei einem derartigen Ereignis auf vorhandene Bestände zurückgegriffen werden kann. Wir sollten nicht auf Lieferungen aus Asien angewiesen sein.

Bei den Impfstoffen haben wir dagegen einen Quanten- Klinik und Praxis

(14)

Klinik und Praxis

sprung erlebt, indem völlig neue Impfstoffe entwickelt wur- den. Es müssen in Deutschland allerdings wieder mehr ei- gene Produktionsstätten für Impfstoffe geschaffen werden, damit in kurzer Zeit ausreichend Impfstoff produziert werden kann. Auch wird man im Nachgang überlegen müssen, ob man sich auf europäischer Ebene stärker vernetzen soll. Es wird ja diskutiert, eine eigene Struktur zu schaffen, über die sich die europäischen Staaten besser abstimmen können.

Wie bewerten Sie die Rolle des öffentlichen Gesundheits- diensts während der Pandemie?

Für mich als bisheriger Präsident einer Landesbehörde für den öffentlichen Gesundheitsdienst hat der Öffentliche Ge- sundheitsdienst eine zentrale Rolle gespielt – etwa bei der Nachverfolgung von Kontaktpersonen. In der Zukunft müs- sen wir den Öffentlichen Gesundheitsdienst indes noch weiter stärken, damit er wirklich krisenfest ist. Aktuell wurde er unterstützt durch externes Personal. Das wird in Krisen- zeiten auch künftig erforderlich sein. Dennoch brauchen wir eine dauerhafte Stärkung dieser für die Bewältigung sol- cher Ereignisse elementar wichtigen Institutionen. Das ist ei- ne wichtige Lehre, die wir ziehen müssen.

Welche Aufgaben des NLGA waren Ihnen als Präsident be- sonders wichtig?

Das Thema „Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen“ hatte für mich persönlich immer einen hohen Stellenwert. Auf diesem Gebiet haben wir viele Aktivitäten gestartet – etwa mit Fortbildungen für Krankenhausärzte zum Einsatz von Antibiotika. Außerdem wurde ein Ratgeber für den nieder- gelassenen Bereich entwickelt und seit 2007 das Antibioti- ka-Resistenz-Monitoring in Niedersachsen (ARMIN, siehe Bericht ab Seite 15) durchgeführt, in dem wir zusammen mit niedersächsischen Laboren die Resistenzdaten von dort ge- testeten Keimen erfassen. Wichtige Themen fallen in die Ab- teilung 3 – Umwelt –, die sich mit Problemen rund um Was- ser, Boden und Luft beschäftigt. Die Trinkwasseranalytik ist dort ein bedeutender Baustein. Da haben wir einen eigenen Standort in Aurich, der auch Badegewässerproben unter- sucht. Darüber hinaus wird das NLGA eingeschaltet, wenn plötzlich eine Häufung von Krebserkrankungen auftritt – so- genannte Krebscluster. In dem Fall wird etwa gemeinsam mit dem kommunalen Gesundheitsamt ermittelt, wie viele Menschen davon betroffen sind und ob sich das Phänomen auf eine Quelle zurückführen lässt.

Was geben Sie Ihrem Nachfolger Dr. med. Fabian Feil mit auf den Weg?

Es ist wichtig, dass das NLGA seine Funktion als Schnittstelle zwischen Politik und kommunalen Gesundheitsämtern und

auch anderen Institutionen des Gesundheitswesens weiter effektiv wahrnimmt. Gerade während der Corona-Pandemie war das NLGA ein wichtiger Ansprechpartner für die Politik.

Vor allem aber denke ich, dass Epidemiologie und Labor – diese beiden Pfeiler des NLGA – auch für die Zukunft un- verzichtbar sind. Hier muss das NLGA sich ständig weiter- entwickeln und Fortschritte schnell aufgreifen und integrie- ren. Ein zentrales Thema für die Zukunft ist sicherlich die Digitalisierung. Hier hat sich während der Pandemie bereits vieles verändert. Ein Austausch erfolgte ausschließlich über Videokonferenzen. Für die Fortbildungen des NLGA ist es wichtig, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen und im Flä- chenland Niedersachsen einen guten Mittelweg zwischen Präsenz- und Online-Veranstaltungen zu finden.

Das Interview führte Inge Wünnenberg.

Neuer Präsident des Niedersächsischen Landesgesundheitsamts (NLGA):

Dr. med. Fabian Feil

Seit dem 1. September leitet Dr. med. Fabian Feil, der zuletzt als Referent für In- fektionsschutz und öffentli- ches Gesundheitswesen beim Gesundheitsministeri- um tätig war, das Nieder- sächsische Landesgesund- heitsamt (NLGA). In seiner Zeit beim Gesundheitsmi- nisterin hat der neue NLGA- Präsident bereits viele Pro- jekte, Strategien und Initia- tiven auf den Weg ge- bracht – etwa die Entwick- lung der Strategie zur Elimi-

nation der Masern und Röteln in Niedersachsen, die Anti- biotika-Resistenz-Strategie oder die Impfkampagne „Imp- fen. Klar“. Feil (Jahrgang 1964) hat Humanmedizin studiert und war anschließend fünf Jahre im Kreiskrankenhaus Peine in der Inneren Medizin beschäftigt. Nach dem Er- gänzungsstudiengang Bevölkerungsmedizin und Gesund- heitswesen an der Medizinischen Hochschule Hannover hat er zwischen 1998 und 2003 am Niedersächsischen Landesgesundheitsamt als Epidemiologe in der Gesund- heitsberichterstattung und im Bereich Infektionsschutz ge- arbeitet. Von dort wechselte er 2003 ins Niedersächsische Gesundheitsministerium.

Der neue NLGA-Präsident Dr. med. Fabian Feil

(15)

Klinik und Praxis

Seit 15 Jahren verfolgt das Niedersächsische Landesgesund- heitsamt (NLGA) mit ARMIN – dem Antibiotika-Resistenz- Monitoring in Niedersachsen – die Entwicklung klinisch re- levanter Bakterien im stationären und ambulanten Versor- gungsbereich. Über diesen Zeitraum zeigen die verschiede- nen Erreger-Wirkstoff-Kombinationen eine sehr heterogene Entwicklung. Zusätzlich wurden gerade in den vergangenen beiden Jahren nicht nur reale Veränderungen der Resistenz sichtbar, sondern auch Verschiebungen zwischen dem An- teil sensibel (S) und intermediär (I) beurteilter Erreger, die eine methodische Ursache haben. Seit dem 1. Januar 2019 gilt eine geänderte Definition der I-Kategorie für alle Labore, die nach EUCAST-Kriterien für die Bewertung der in vitro gemessenen minimalen Hemmkonzentration (MHK) oder Hemmhofgrößen arbeiten [1, 2]. Zielsetzung ist dabei eine zunehmende Berücksichtigung von Dosierungsaspekten.

Seit dem 1. Januar 2019 bedeutet eine als „I“ interpretierte Resistenztestung, dass ein Therapieerfolg mit diesem Anti- biotikum bei Gabe einer hohen Dosis beziehungsweise einer erhöhten Exposition des Erregers eher wahrscheinlich ist. Damit ist „I“ gleichbedeutend mit „sensibel (S) mit Do- sisempfehlung“. In der Konsequenz hat sich die Bewertung der MHK beziehungsweise der Hemmhofgrößen geändert.

Die Änderungen sind seit 2020 obligat, für 2019 galt eine Übergangsphase. Die Auswirkungen zeigen sich insbeson- dere für Acinetobacter baumannii, Pseudomonas aeruginosa, Enterobacterales, Stenotrophomonas maltophilia und Strep- tococcus pneumoniae. Weitere Informationen und aktuelle Dosierungstabellen sind auf den Internetseiten des Nationa- len Antibiotika-Sensitivitätstest-Komitees (NAK) zu finden.

In der Beobachtung langfristiger Trends stehen in ARMIN die multiresistenten Erreger wie MRSA (Methicillinresistenter Sta- phylococcus (S.) aureus), VRE (Vancomycinresistente Entero- kokken) sowie 3- und 4MRGN (multiresistente gramnegative Stäbchen mit Resistenz gegen 3 beziehungsweise 4 der wich- tigsten Antibiotikagruppen: Acylureidopenicilline, Cephalo- sporine der 3./4. Generation, Carbapeneme und Flourchinolo- ne) im Vordergrund. Diese Entwicklungen sind im Einzelnen:

- MRSA: Der Anteil der MRSA unter den S. aureus sinkt weiterhin (knapp 11 Prozent im stationären Versorgungs- bereich 2020) und liegt auch im ambulanten Versor- gungsbereich das zweite Jahr in Folge unter 10 Prozent.

- VRE: Der starke Anstieg der VRE ist etwas abgemildert.

Dennoch nimmt der Anteil der aus Blutkulturen isolierten E. faecium mit einer Resistenz gegenüber Vancomycin im Jahr 2020 zu (auf 25 Prozent).

- 3-und 4MRGN: Bei den gramnegativen Stäbchen richtet sich der Blick zunächst auf die Resistenz gegenüber den 3. Generations-Cephalosporinen. Nach einer kontinu- ierlichen Zunahme der Resistenz stagniert der Anteil der Escherichia (E.) coli mit einer Resistenz gegenüber Ce- fotaxim seit 2015. Im stationären Versorgungsbereich sinkt der Anteil 2020 leicht auf 12 Prozent, im ambulan- ten Versorgungsbereich bleibt das Niveau bei 7 Prozent.

Entsprechend zeigt sich die Entwicklung für 3MRGN E. coli. Ihr Anteil liegt 2020 bei 7 Prozent (stationär), res- pektive 4 Prozent (ambulant). 4MRGN E. coli bleiben sehr seltene Einzelfälle. Häufiger werden 4MRGN bei Klebsiella (K.) pneumoniae beobachtet. Ihr Anteil unter den K. pneumoniae aus dem stationären Versorgungs- bereich im Jahr 2020 beträgt 0,3 Prozent, aus dem am- bulanten Versorgungsbereich 0,1 Prozent.

Die gezeigten Abbildungen geben einen Überblick über die weiteren in ARMIN dokumentierten Erreger-Wirkstoff-Kombi- nationen und den Anteil der Erreger, die im Jahr 2020 gegenüber dem jeweiligen Antibiotikum als resistent bewertet wurden.

An dem seit 2006 bestehenden Surveillance-System ARMIN beteiligen sich inzwischen 15 Labore aus Niedersachsen und den angrenzenden Bundesländern. Die Labore, die 2020 mehrheitlich mit den Grenzwerten der EUCAST ar- beiteten, übermitteln dem NLGA anonymisierte Einzelfall- daten der mikrobiologischen Resistenztestung für die 14 häufigsten bakteriellen Infektionserreger. Die Daten werden einmal jährlich zu einer niedersächsischen Resistenzstatistik zusammengefasst, veröffentlicht sowie ausgewertet (www.armin.nlga.niedersachsen.de). Die Daten sind auch Bestandteil des vom NLGA 2018 in zweiter Auflage heraus- gegebenen Ratgebers „Rationale orale Antibiotikatherapie für Erwachsene im niedergelassenen Bereich“. (Restexem- plare können über die NLGA-Internetseite bestellt werden.

Eine Neuauflage ist derzeit nicht geplant.) Dipl.-Geogr. Dr. phil. Martina Scharlach, MPH Niedersächsisches Landesgesundheitsamt

&

Literatur:

[1] EUCAST definiert die Kategorie „I“ im Rahmen der An- tibiotika-Resistenzbestimmung neu. Epidemiologisches Bulletin 2019;9:81-82

[2] Gatermann S et al.: Einfache Therapiesteuerung durch präzisere Empfindlichkeitstestung von Bakterien. Nie- dersächsisches Ärzteblatt 2019;9:18-21

Trends bei der Antibiotikaresistenz

2006 startete das Antibiotika-Resistenz-Monitoring in Niedersachsen (ARMIN). Jetzt legte

das Niedersächsische Landesgesundheitsamt (NLGA) die Daten für 2020 vor

(16)

Klinik und Praxis

Quelle: NLGA

Penicillin Ampicillin+Amoxicillin Ampicillin/Sulbactam Piperacillin Pipercillin/Tazobactam Oxacillin Cefuroxim Cefotaxim Cefpodoxim Ceftazidim Meropenem Co-Trimoxazol Erythromycin Clindamycin Levofloxacin Moxifloxacin Ciprofloxacin Tetracyclin+Doxycyclin Gentamicin Rifampicin Vancomycin Linezolid Fusidinsäure Fosfomycin Nitrofurantoin

Acinetobacter baumannii 1,1 2,8 2,7 1,6

Pseudomonas aeruginosa 41,4 8,7 3,8 2,1 11,4

Stenotrophomonas

maltophilia 0,9

Haemophilus influenzae 21,4 2,2 1,0 1,4 17,4 0,5 0,8 0,8 1,8

Enterobacter cloacae 17,4 9,2 10,3 10,9 0,1 3,8 2,7 1,0

Escherichia coli 39,3 31,8 37,7 5,9 13,8 6,9 8,7 6,9 0,0 20,4 12,4 3,8 1,3 1,1

Klebsiella pneumoniae 20,4 8,8 12,6 6,5 7,1 6,7 0,1 9,5 8,0 1,9 23,8

Proteus mirabilis 30,9 12,3 28,2 0,9 4,1 1,1 1,4 1,1 0,0 33,3 15,5 8,9 16,4

Enterococcus faecalis 0,0 0,1 0,2 0,7

Enterococcus faecium**

Staphylococcus aureus 65,9 7,4 1,6 16,1 15,3 12,0 12,0 15,0 4,8 2,2 0,0 0,0 4,2 2,5

Staphylococcus

Koagulase negativ 30,0 7,2 27,6 15,4 23,0 10,5 1,6 0,1 0,2 39,9

Streptococcus pneumoniae 1,3 0,2 9,2 6,5 1,9 1,6 7,2 0,0

Streptococcus pyogenes 0,1 7,6 4,9 5,2 1,2 7,8 0,1

bis 50 > 50

bis 20

Stand: 24. August 2021

< 1 bis 10

Bitte beachten Sie, dass es sich bei den dargestellten Werten um in-vitro-Testergebnisse handelt. Für die Therapie der durch die Erreger ausgelösten Infektionen sind die gültigen Leitlinien und aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse maßgebend.

** ARMIN weist nur Resistenzen für E. faecium aus Blutkulturen aus (s. Krankenhausbereich)

ARMIN Resistenzübersicht Ambulanter Bereich 2020

Nonfermentergramnegative Bakteriengrampositive Bakterien

Anteil der resistenten Testungen in %

ARMIN: Resistenzübersicht über den ambulanten Bereich für das Jahr 2020

Penicillin Ampicillin+Amoxicillin Ampicillin/Sulbactam Piperacillin Pipercillin/Tazobactam Oxacillin Cefuroxim Cefotaxim Cefpodoxim Ceftazidim Meropenem Co-Trimoxazol Erythromycin Clindamycin Levofloxacin Moxifloxacin Ciprofloxacin Tetracyclin+Doxycyclin Gentamicin Rifampicin Vancomycin Linezolid Fusidinsäure Fosfomycin Nitrofurantoin

Acinetobacter baumannii 2,3 3,5 4,9 3,0

Pseudomonas aeruginosa 32,1 13,8 9,0 4,6 11,5

Stenotrophomonas

maltophilia 3,5

Haemophilus influenzae 27,6 17,9 2,3 0,3 19,2 1,7 1,5 1,3 1,6

Enterobacter cloacae 29,3 22,5 24,0 24,6 0,2 5,0 3,5 2,0

Escherichia coli 45,9 38,6 44,1 10,8 16,8 11,9 13,2 12,2 0,0 22,1 15,4 4,9 1,8 1,1

Klebsiella pneumoniae 27,6 14,9 16,4 11,6 11,7 12,3 0,3 11,6 10,8 3,3 26,5

Proteus mirabilis 30,5 13,6 28,3 1,1 2,6 1,3 1,4 1,2 0,0 31,4 13,2 9,1 15,9

Enterococcus faecalis 0,1 0,1 0,2 0,7

Enterococcus faecium** 90,7 24,9 0,6

Staphylococcus aureus 68,2 10,7 2,1 18,2 17,6 15,4 15,7 26,6 4,5 2,4 0,0 0,0 3,2 1,9

Staphylococcus

Koagulase negativ 53,6 20,0 41,4 36,5 29,2 27,7 4,9 0,2 0,5 35,3

Streptococcus pneumoniae 1,7 0,3 12,6 6,5 1,2 1,3 8,1 0,0

Streptococcus pyogenes 0,6 12,7 8,7 7,1 1,8 0,7 13,7 0,0

Bitte beachten Sie, dass es sich bei den dargestellten Werten um in-vitro-Testergebnisse handelt. Für die Therapie der durch die Erreger ausgelösten Infektionen sind die gültigen Leitlinien und aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse maßgebend.

grampositive Bakterien

Anteil der resistenten Testungen in %

ARMIN Resistenzübersicht Krankenhausbereich 2020

Nonfermentergramnegative Bakterien

** ARMIN weist nur Resistenzen für E. faecium aus Blutkulturen aus

> 50

Stand: 24. August 2021

< 1 bis 10 bis 20 bis 50

ARMIN: Resistenzübersicht über den Krankenhausbereich für das Jahr 2020

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