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Vorgetragen in der Versammlung der D.M.G

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377

Ueber die Sprache der sogenannten Kafirs im

indischen Caucasus (Hindu Küsch).

Vorgetragen

in der Versammlung der D.M.G. in Heidelberg, den 28. Sept. 1865,

von

Dr. E. Trnmpp j Diaconus in Pfullingen.

Den Gegenstand der folgenden Abbandlung habe ich schon vor

mehreren Jahren im XIX. Band des Journals der Royal Asiatic

Society of Great Britain and Ireland behandelt, wo ich mich auch

über die Art und Weise, wie ich zu meinen Notizen über die Käfir-

Sprache gekommen bin, ausgesprochen habe.

In neuester Zeit nun ist meine Aufmerksamkeit auf jenes

äusserst interessante Volk wieder gelenkt worden durch einen knr¬

zen Reisebericht, den zwei bekehrte Afghänen von Peschawer über

ihre Reise Jiach Käfiristän den Missionarien in Peschawer abge-i

stattet haben

Diese gefährliche Reise wurde unternommen von den Afghanen

Fazl Haqq, dem Sohne eines wohlbekannten Mullah's von AdTna im

Peschawerthal, der im Jahre 1859 getauft worden ist, und vouNur-

Ullah, einem andern getauften Afghanen ans dem Lande der Yusuf-

zeis. Fazl Haqq war nach seiner Taufe in das Guide-Corps ein¬

getreten, das in Merdän unter Major Lumsden stationirt war. In

jenem Corps dienten auch einige Käfirs, die Major Lumsden durch

einige Muhammedaner hatte auffordern lassen, von ihren Bergen

auf britisches Gebiet herabzukommen, um Dienste zu nehmen.

Major Lumsden hatte nämlich die Absicht ein ganzes Käfir-Corps

zu organisiren, weil die engl. Regierung hoffte, sie besser gegen die

wilden und treulosen afghänischen Stämme gebrauchen zn können;

sein Plan stellte sich jedoch bald als unausführbar heraus, da nür

einzelne Käfirs, wegen der Unsicherheit der Wege in Folge der

Todfeindschaft der angrenzenden muhammedanischen Stämme, sich

bewegen liessen, den gefährlichen Schritt zu wagen. Einer dieser

Käfirs war Gärä, den ich selbst einige Tage in Peschawer in mei-

1) Siehe anch einen engl. Bericht in dem Clmrch Missionary Intelligencer, July, 1865.

(2)

378 Trumpp, über dieSprache der sog. Kafirs im ind. Caut. ..j.

nem Hause hatte, der sich bewegen liess, in das Guide-Corps ein¬

zutreten. Als es ihm aber, nebst einem andern Käfir, gelungen war,

nach seiner Entlassung aus dem Guide-Corps seine heimathlichen

Berge wieder zu erreicben, so sandte er wiederholt an Fazl Haqq

eine Einladung, ihn in seiner Heimath zu besuchen.

Trotz der eindringlichsten Abmahnungen traten beide die Reise

nach Käfiristän an, mit verschiedenen Arzneien und kleinen Ge¬

schenken versehen. Sie verliessen Peschawer den 9ten Sept. 1864,

und gingen direct nordwärts nach Swät. Sie hatten ursprünglich

die kürzere Route nacb Jelalabäd nebmen wollen und schon mit

einem Caravanenführer sich verständigt; als dieser aber erfuhr, dass

sie Christen seien, wollte er nichts weiter mit ihnen zu schaffen

haben. Die erste Nacht rasteten sie in dem Dorfe Kangra'), wo

sie jedoch von einem Schüler von Fazl Haqq's Vater erkannt wur¬

den, der drohte, sie verrathen zu wollen. Sie verliessen daher das

Dorf wieder,'als ob sie nach Peschawer zurückkehren wollten, und

kamen durch einen Umweg den folgenden Nachmittag in Sanderai

an. Ihr nächster Marsch ging nach Baransderai, von wo an

der Weg unsicher war; sie mussten desshalb bei Nacht reisen mit

drei Führern, die ihnen zugleich als Bedeckung dienten nnd sie bis

nach Shahr *) begleiteten. Hier verliessen sie das englische Ge¬

biet und betraten den Boden von Swät. Mit knapper Noth wichen

sie auf ibrem Wege einem früheren Zögling der Peschawer Missions¬

schule aus, indem sie sich in die Reisfelder verbargen, wo sie knie¬

tief im Wasser waten mussten bis zu dem Swat-Fluss, über den

sie mit Mübe setzten, unterstützt durch einen Afgbanen, der ihre

Kleider hinübertrug. Nach einem Marsch von mehr als 12 Stunden

erreichten sie Bar Badwän , wo ein gastfreundlicher Hafner sie auf¬

nahm und ihnen zu essen gab.

Am 12. September kamen sie in Kal um anai an; der Weg

galt zwar als gefährlich, doch gelang es ihnen, zwei bewaffnete

Männer als Begleiter zu bekommen. Am folgenden Tage liessen

sie Swät hinter sich und betraten Bajour, nachdem sie den Malagi-

Fluss überschritten hatten, was in einer Wiege geschah, die durch

ein ausgespänntes Seil über den reissenden Fluss gezogen wurde.

Sie machten Halt in Walai, wo sie, in Folge ihrer Müdigkeit

unter einem Baume einschliefen; sie wurden jedoch bald durch

einen andern Schüler von Fazl Haqq's Vater aufgeweckt, der wis¬

sen wollte, was er, als Christ, da zu thun habe. Sie versuchten

ihn mit freundlichen Worten zu versöhnen, und gaben ihm einen

1) Die Namen der weiter unten vorkommenden Dörfer sind auch auf der sonst so exacten Karte des englischen General-Quartiermcisterstabes (entworfen von Major Walker, Caleutta 1852) nicht zu finden, so wichtig cs auch wäre, ihre Localität genau bestimmen zu können.

2) Shahr (j^) ist auf Elphinstouc's Karte zu findeu ; es liegt auf dem linken Ufer des Landai (des kleineu) oder Swat-Flusses.

(3)

Trumpp, Über die Sprache der sog. Kußrs im ind. Caucasus. 379

kleinen Spiegel zum Geschenk; allein er wollt» Ashrafis ') und

Perlen dafür zum Lohne haben, dass er sie nicht augenblicklich

als Christen angebe und ihren Tod herbeiführe. Endlich gab er

sich mit 9 Rupien zufrieden, und da er mit der Dysenterie behaftet

war, gaben sie ihm Arznei, welche ihm gut bekam; er führte sie

dann in seines Oheims Haus und gab ihnen zu essen. Ihr nächster

Marsch ging nach Miän Kilai, durch Shobäna. Hier trafen sie

40 bewaffnete HindüstänTs, unter ihren beiden Anführern, Abd-ul-

MejTd und Abd-ul-Karlm. Als diese hörten, dass Reisende von

Peschawer angekommen seien, kamen einige von ihnen, um zu fra¬

gen, ob die Sähibs (die Engländer) noch weitere Expeditionen vor¬

bereiteten; und nach einigen Unterredungen beherbergten sie sie

als ihre Gäste. Hier mussten sie drei Nächte bleiben, da der

weitere Weg so gefährlich war, dass sie Niemand begleiten wollte.

Endlich vermochten sie 7 Männer, sie mit ihren Flinten bis Badän

zu begleiten; als sie aber dort ankamen, wollte sie Niemand auf¬

nehmen noch ihnen zu essen geben, nicht einmal für Geld. Sie

setzten sich am Wege nieder; nach einiger Zeit hörten sie, wie ein

Mann zu einem andern sagte, dass sein Weib krank sei. Sie frag¬

ten nach der Ursache ihrer Krankheit und gaben ihre» Manne

Arznei für sie. Der Schmerz der Frau liess nach und der dank¬

bare Mann gab ihnen Brot und Nachtlager und verschaffte ihnen

4 Begleiter, um sie am andern Morgen nach G h 0 k h a i zu bringen.

Hier verliessen sie Bajour und betraten Künar, nachdem sie den

Hindüräj überschritten hatten, ein äusserst hohes Gebirg, das auf

seiner Nordwest-Seite bewaldet ist. Das erste Dorf in Künar war

Mara warm, wo sie nur noch zwei Tagemärsche von dem Näshi

oder Kätar-Stamm der Käfirs entfernt wareu , von dem eine Anzahl

zwei Nächte zuvor das Dorf angegrilfen und einen Mann und ein

Weib getödet hatte. Die Leute waren alle noch in grosser Auf¬

regung und hielten Nachtwachen in Erwartung eines weiteren An¬

griffes. Sie hielten nnsere Reisenden an und sagten ihnen, dass

sie entweder mit ihnen wachen oder ihr Dorf verlassen sollten.

Sie setzten sich mit ihnen nieder und bald entspann sich das

folgende Zwiegespräch mit einem Mullah: „Wo kommet ihr her?"

„Vom Yusufzei-Land." „Von was für einem Dorfe?" „Von Adina."

„Kennet ihr den Mullah Pasanei?" (Fazl Haqqs eigenen Vater).

„Ja." „Habt ihr seinen Sohn Fazl Haqq gesehen , den ich als ein

Kind wohl kannte, wo ich des Mullah's Schüler war?" „Ja."

„Wie befinden sie sich? geht es ihnen allen gut?" „Ja, es geht

ihnen allen gut." „So kommt herein, sagte der Mullah, und esset

etwas, denn ihr habt mir gute Nachrichten gebracht."

Ihr nächster Marsch nach Pushit war besonders gefährlich.

1) früher die gewöhnliche Goldmünze der Mogul-Kaiser; sie ist

1 Pfund, 11 Shilling und 8 Pence werth.

2 S

(4)

380 Trumpp, über die Sprache der sog. Kafirs im ind. Caucasus.

aber sie verschafften sicb 8 bewaffnete Männer, nm sie zu begleiten.

Auf dem Wege begegneten sie gerade an einer solchen Stelle, wo

sie nicht ausweichen konnten, einem Manne, Wasik, dessen Bruder

Shafik unter den Gulden diente. Sie kannten sicb und umarmten

sich nach ächter afghänischen Sitte, indera sie einander ura den

Hals fielen. Ohne ihra Zeit zu lassen, sich zu besinnen, erzäblten

sie ihra den ganzen Hergang und verliessen sich auf seine Ver¬

schwiegenheit, indem sie ihra zugleich zu versteben gaben, dass sein

eigener Bruder auf englischem Gebiete sich befinde, und dass natür¬

lich er desshalb ihr Freund sein werde. Er bewahrte ihr Ge¬

heimniss, nahm sie gastfreundlich auf und wusch ihre Kleider.

Vier Reiter, die denselben Weg ritten, begleiteten sie nach

Künar, einera grossen Dorfe, mit einem guten Bazär nnd vielen

Hindü-Läden. Hier überschritten sie den Künar-Fluss auf aufge¬

blasenen Häuten nnd gingen durch Kudalai und Patan nach Nürghal.

In Nürghal erwarteten die Leute ebenfalls einen Angriff von den

Käfirs. Sie konnten bier nichts zu essen bekomraen, aber durch ihre

Arzneien, worait sie einen Mann vom Fieber curirten, verschafften

sie sich etwas Brod und Käse. Hier banden sie fünf Häute zusam¬

men , atzten sicb auf dieses Floss und fuhren den Strom hinab

nach Tangai, von wo sie weiter nach Bariäbäd in Ningrahär

gingen, wo sie, als sie in das Dorf traten, fünf Studenten uud

Sipähis aus dem Yusufzei-Lande in einer Moschee sitzen sahen,

■welchen sie wohl bekannt waren. Sie zogen sich unbemerkt zu¬

rück, und schlössen mit einem Manne, den sie ausserhalb des Dorfes

antrafen, der Kameele rait bedeckten Kajäwas ') führte, wie sie von

verschleierten Frauen auf ihren Reisen gebraucht werden, einen

Handel ab, dass er sie, verborgen wie Frauen, nach Jelalabäd

bringen sollte, weil sie in der Nachbarschaft Feinde hätten, welche sie vermeiden wollten.

So hatten sie den ersten Theil ihrer Reise nach Jeläläbäd

in Sicherheit vollbracht. Sie waren 150 Meilen auf ungangbaren

Wegen gegangen ura die directe Route durch deu Chaibar-Pass zu

verraeiden, die, obsebon sie nur 70 Meilen von Peschawer beträgt,

für sie als Christen ganz unausführbar war. Sie hielten es jedoch

nicht für gerathen, längere Zeit in Jeläläbäd zu verweilen, sondernl

nachdera sie eine gute Mahlzeit von Fleisch, Melonen und Trauben

eingenoraraen hatten, raachten sie sich wieder auf den Weg, der

sie zuerst, durch Nasiräbäd, nach Chärbägh führte. Auf diesem

Wege passirten sie viele grosse Höhlen, die über den Fluss hereiu-

ragten, und die von den Käfirs in den alten Zeiten gebaut sein

sollen.

1) »jL^ oder *jL.>'>i' sind grosse aus Weiden geflochtene Körbe, die auf beiden Seiten des Kamecls herabhängen und in welchen die Frauen in einer kauernden Stellung zu reisen pflegen.

(5)

Trumpp, üher die Spraehe der sog. Kafirs im ind. Caucasus. 381

Hier waren sie gezwungen, sich zu verkleiden, da in der Nach¬

barschaft einige frühere Guide-Soldaten lebten, zu denen sie sich

nichts Gutes versahen. Die Frage, wie sie ihre Dörfer unbeob¬

achtet passiren könnten, erforderte reifliche Erwägung. Endlich

beschlossen sie, in Weiberkleidung zu reisen und ihr Gesicht mit

Burkas zu bedecken. Sie warben drei Führer an, um sie zu ver¬

theidigen und zu begleiten; diese mietheten für sie, als für Frauen,

in Muley an ein Privat-Gemach und kochten ihr Essen; aber zu

ihrem Schrecken wollten sie sie nicht mehr weiter begleiten, nach¬

dem sie sie zu dem Dorfe gebracht hatten. Endlich Hessen sich

drei Führer für ein Geschenk herbei, sie nach dem nächsten Dorfe

Niy asi zu begleiten, wo sie wieder ihre eigene Kleidung annah¬

men. An den Ufern des Mangö-Flusses waren sie nunmehr in

einem Lande, wo jedermanns Haus eine Festung ist und jedes Dorf

eine Burg; in aufeinander folgenden Märschen kamen sie nach Rajai,

Kotäla, Adär und von da nach Kaj gara, dem Dorfe eines

andern Guide-Sipähi's, ShahbuddTn, der ihr Freund war. Sie gaben

ihm einen Peschawer Turban, und curirten seine kleine Tochter, die

am Fieber darniederlag; er begleitete sie nach Niliär, dem letz¬

ten muhammedanischen Dorfe auf ihrem Wege. Hier wohnte Abd¬

ullah, der Sähibzädab, welcher im Jahre 1856 mit Majld und dem

Sohne eines Käfir-Häuptlings in Peschawer gewesen war. Er ist

ein Sayyid und in jener Gegend ein grosser Mann, da er haupt¬

sächlich die Mittelsperson ist für den Verkehr zwischen den Mu¬

hammedanern und den Käfirs. Er sagte ihnen olfen, dass, wenn

sie Käfiristän betreten würden, sie getödtet werden würden. Sie

erwiderten, dass sie dort Freunde hätten, und gaben ihm Geschenke,

um ihn zu bewegen, sie mit acht Schutzleuten nach Malel zu be¬

gleiten. Der Weg war so überaus steil, dass sie mit Händen und

nackten Füssen sich an die Felsen anklammern mussten, um deu

Berg zu ersteigen.

Halbwegs nach Malel liegt Manli, das Rendez-vous der

Käfirs, wohin sie ihre Wallnüsse und Früchte bringen, und dafür

Salz von den Muhammedanern eintauschen. Fünfzig I^äfirs waren

zu diesem Zwecke dort anwesend. Abdullah sagte zu ihnen, sie

sollten sich nicht fürchten, und die Käfirs kamen herzu, sie zu

grüssen, indem sie ihre beiden flachen Hände horizontal ausstreck¬

ten, die ihrigen umschlangen und so rückwärts und vorwärts schwan¬

gen, mit dem Rufe: Modaji, shäbase ') (seid nicht verdrossen; es

freut uns, euch zu sehen). Sie waren mit Bogen, Pfeilen und

Messern bewalfnet. Unsere Reisenden fragten nach Gärä, dem

Käfir-SipähT , der sie in ihr Land eingeladen hatte ; sie erfuhren

1) Modaji ist mir unbekannt; shabase ist offenbar das bekannte ijiL; sLil bravo! (wörtlich: sei ein König!), was sie von den Afghänen angenommen haben. Uie Erklürung in Klammern riihrt von den zwei Reisenden her , die aher keine grossen philologischen Studien in Käfiristän gemacht haben.

Bd. XX. 25

(6)

382 Tmmpp, Hier die Spraehe der sog. Kafirs im irul. Caucasus.

dass er zu einem Leichenbegängniss in ein benachbartes Dorf ge¬

kommen sei. Sie schrieben ihm eine Linie in Pastö, um ihm zu

sagen, dass er augenblicklich koramen solle (denn Gärä war von

Fazl Haqq ira Lesen unterrichtet worden); sie gaben einera Käfir

sieben Ellen von ihrera Turban für den Botenlohn; denn Geld ist

hier nutzlos und ganz unbekannt. Dann gingen sie alle nach Malel,

von wo aus der Sähibzadah und Shahbuddin zurückkehrten, da sie

nicht weiter zu gehen wagten, und unsere Reisenden blieben allein

bei den Käfirs zurück. Sie hatten nun wenigstens den Endzweck

ihrer Reise erreicht, und sahen das Volk von Angesicht zu Ange¬

sicht, um desswillen sie Gefahren und Mühsalen ausgestanden hatten.

Wie wird wohl ihr Empfang ausfallen ? Sie wussten, dass das Loos

eines jeden muharamedanischen Afghanen in Käfiristän der Tod war,

und sie waren wie Afghanen gekleidet. Ihre Freunde waren noch

nicht angekommen und sie hatten keinen Beistand bei sich, ausser

Gott. Da sie nichts zu essen hatten, tauschten sie weitere Ellen

des Turbans für Brod und Käse aus, als sie glücklicherweise eine

Frau mit bösen Augen bemerkten. Sie gaben ihr Arznei, welche

sie wieder herstellte, und sogleich brachte das ganze Dorf alle

Kranken herbei, um sie heilen zu lassen. Von elf Menschen wur¬

den sechs vora Fieber durch Chinin geheilt, so dass die Leute sehr

freundlich gegen sie wurdeu. Sie hatten jetzt Zeit sich urazuschauen.

Die Gipfel der Berge waren kahl und öde , aber ihre Seiten waren

bewaldet, besonders rait Fichten ; es gab auch Wallnussbäurae, Maul¬

beerbäume und Myrobalanenbäume. Die Felder waren alle künst¬

lich in kleinen Terrassen angelegt, die rait Steinen aufgebaut waren,

und da es kaura irgend welche Erde dort hat, raachen sie Boden

rait Sand und Dünger. Von den Häusern waren raanche fünfstockig,

rait flachen Dächern und hölzernen Thüren ; die Leute steigen von

einera Stock zura andern auf einem schiefen Balken hinauf, in wel¬

chen Fusstritte auf plumpe Weise eingebauen sind. Die Feuer

wurdeu in der Mitte der Ziraraer angezündet, um welche sie alle

herum sassen; der Rauch entwich, so gut er konnte. Beim Essen

sassen sie zuweilen auf dem Boden ; aber öfters auf niederen Stüh¬

leu mit Tischen, auf welche sie die Speise stellten. Es gab auch

Betten in den Häusern, aber gewöhnlich liegen sie auf einem rauhen

Teppich auf dem Boden, dessen Ende sie über sich werfen. Die

Weiber waren nicht verheiralicht und waren sehr weiss und äusserst

schön, rait dunkelbraunera Haar und Augen. Sie raischten sich unter

die Männer und schwatzten oft rait ihren Besuchern. Ihr Anzug

bestand aus engen Hosen, schwarz unter dera Knie und ober dem¬

selben weiss, rait einera Herad über den Körper, das beinahe bis

auf die Knie reichte, aber nur lose ura die Hüfte gebunden war.

Ihr Haar war zusaramengeschlungen und durch eine kleine wollene

Kappe auf dem Kopfe zusammengehalten. Der ganze Hals war rait

Halsbändern von Beeren und Kügelchen bedeckt. Ihre Füsse sind

gewöhnlich bloss, manchraal tragen sie auch Stifefeln. Männer wie

(7)

Trumpp, iiher die Sprache der sog. Knfirs im iiul. Caucasus. 3^3

Frauen tragen messingene oder eiserne Armspangen die mit

Scldaugenlcöpfen geziert sind, und ebenfalls messingene oder eiserne

Halsbänder. Die Weiber baben lange schwere Ohrringe von Kügel¬

chen, die um das Ohr geschlungen und durch eine Schnur gehalten

werden, die an die Kappe auf dem Kopfe befestigt ist.' Die Männer

tragen wollene Hosen, die mit einem Gürtel um die Lenden gebun¬

den werden, mit Röcken von Ziegenfellen, die um den Körper ge¬

schlungen werden, und mit langen Aermeln von demselben Stoff,

die besonders angezogen werden, in denen die Haare einwärts ge¬

kehrt sind. Der Kopf ist gewöhnlich bloss oder mit Baumrinde

bedeckt. Sie rasiren ihr Haupt, wobei sie iu der Mitte ein? runde

Stelle mit langen Haaren stehen lassen Manchmal rasiren sie

den Kinn- und Backenbart, und manchmal nur den Kinnbart; wenn

sie aber eiuen Kinnbart tragen, lassen sie ihn nie lang wachsen.

Die Weiber verrichten alle Arbeit; sie kochen, mahlen Korn,

holen Holz und Wasser. Sie pflügen auch ihre sogenannten Felder,

iudem ein Weib den Pflug leitet, das andere aber denselben vorn

zieht. Die Männer schämen sich irgend eiue Arbeit zu verrichten ;

das einzige was sie thun ist, dass sie die Heerden füttern, fechten

und sich zu Berathschlagungen versammeln. Das Hornvieh ist sehr

rar, aber Ziegen gibt cs im Ueberfluss.

Nach drei Tagen kam Gärä an. Er war den ganzen Weg ge¬

sprungen, aus Furcht, sie möchten getödtet werden. Er hatte, wie

er sagte, erwartet, dass der englische Missionar bei ihnen sei, aber

kein englischer Missionar hatte sich getraut, einen solchen Weg zu

machen. Er nahm sie mit der grössten Herzlichkeit auf, und bat

sie mit ihm in sein Dorf zu gehen , indem er es auf sich nehmen

wolle, sie mit seinem Leben zu vertheidigen.

Den anderu Morgen reisten sie alle ab auf dem Wege nach

Titäni, welcher sehr gebirgig war und fast gänzlich über Felsen

hin führte, die manchmal so steil wie Staffeln waren; sie hatten

noch zwei Ellen von dem Turban übrig, die sie für 8 Brodlaibo

verkauften. Die Nacht brachten sie auf einem Hause zu, das fünf

Stockwerk hoch war.

Eine schreckliche Einweihung in ihre neue Arbeit lag nun

-vor ihnen, welche die Wildheit der Käfirs in ihren schlimmsten

Zügen ihnen vor Augen stellte. Ibr nächster Marsch ging nach

Nik era, das auf der Höhe der Berge gelegen ist. Hier trafen

sie 28 bewaffnete Muhammedaner an , welche von deu Käfirs von

Mangü herübei' eingeladen worden waren. Schon vor vielen Jahren

war eine Anzahl Käfirs in ihrem Dorfe erschlagen worden, und sie

dachten, die That sei vergessen oder vergeben ; sie hielten sich für

ganz sicher, da sie bewaffnet und in solcher Anzahl kamen, um von

der Gastfreundschaft der Käfirs Gebrauch zu machen. Ihre Wirthe

1) Vergl. dftzu Elphinstone's Schilderung p. 624.

2) Ganz nncli Art der lieutigen Hindus.

2 8 * 25

(8)

384 Trumpp, über die Sprache der sog. Kafirs im ind. Caucasus.

tractirten sie aufs grossmütliigste und hatten sie überredet, nachdem

sie allen Verdacht aus ihren Herzen entfernt hatten, ihre Waffen

in den Hütten zurückzulassen, die ihnen angewiessen waren. Ge¬

rade zu jener Zeit kamen unsere Reisende dort an und unterhielten

sich viel mit diesen Mangü - Leuten, von denen zwei Mullahs waren

und 6 Studenten von Künar, als plötzlich ihr Freund Gärä ihnen

auf Hindüstäni zurief, sie sollten weggehen. Sie fragten warum:

„Weil sie jetzt im Begriffe sind, zu tanzen." „Dann wollen wir

bleiben und zusehen." „Aber es wird eine Tamäshäi) folgen, und

ihr müsst weggehen." Alles dieses ging auf Hindüstäni vor sich,

welches Niemand ausser ihnen , verstand. Sie gingen ruhig weg

und setzten sich oben auf den Felsen.

Die Käfirs brachten eine Drommel und Pfeifen und fingen an

zu singen und zu tanzen, wobei sie ihre Hände und Füsse herum¬

warfen, indem die Weiber zuschauten. Dann wurde plötzlich, ohue

die geringste Warnung, jedes Käfir Messer gezückt, uud hoch über

dem Kopfe geschwungen, und mit einem lauten Pfeifen stürzten

sich 4 oder 5 Käfirs auf jeden Muhammedaner, und stachen ihn

auf allen Seiten. Alles war in einem Augenblick vorüber, und alle

waren todt niedergesunken, mit vielen Wunden bedeckt. Danu

schlugen sie ihnen die Köpfe ab uud warfen sie iu den Bach

drunten. Unsere Reisenden waren sprachlos vor Schrecken, als

Gärä ihnen wiederholt sagte, sie sollten sich nicht fürchten; es

solle ihnen kein Haar gekrümmt werden. Sie zeigten auf die todten

Körper unter ihnen und sagten mit halb ersticktem Athem, dass ja

auch diese vor einer kleinen Stunde die Gäste der Käfirs gewesen

seien. Er erklärte ihnen den Grund dieser schrecklichen Rache.

Die Blut-Fehde war noch nicht gehoben und die Käfirs hatten nie

den Mord ihrer Brüder vergessen. Er ermahnte sie übrigens, ihn

nie zuverlassen. Nach drei Tagen schickten die Käfirs nach Mangü,

um ihnen sagen zu lassen , dass sie Leute senden sollten , um das

Eigenthum der Erschlagenen zu holen : denn die Käfirs tödten wohl

einen Musalman, aber plündern ihn nie aus. Einige Leute kameu

von Malel und brachten ihre Flinten und Dolche (welche die Käfirs

so hoch schätzten, aber nicht nehmen durften) so wie ihre Hände

und Köpfe zurück. Von Nikera gingen sie über den Walimand,

das höchste Gebirge in der Gegend, wo der Schnee vom vorigen

Jahre noch ungeschmolzen in den Hohlwegen lag, nach Begära,

und von da den folgenden Tag nach Gärä's eigenem Dorfe, Shaider-

läm. Hier wurden sie von vielen PYeunden besucht. Kachü, der

Guide-Sipähi, kam mit seinen zwei schönen Weibern, sowie Kärak,

Shäshi, Bädsbäh, Waskäri und Bälö, welche alle zu einer oder

andern Zeit in dem Guide-Corps gedient hatten. Sie brachten ihre

1) In Indien heisst Li;L*J jedes Speclakelstüclc , öffentlicher Aufzug oder Lustbarkeit.

(9)

Trumpp, über die Sprache der sog. Kafirs im ind. Caucasus. 385

Weiber und Kinder, mit Lebensmitteln und Trauben, und erwiesen

alle Gastfreundschaft den Fremden, von denen sie wiederum be¬

schenkt wurden. Schon zuvor hatten sie ihre Missionsarbeit an¬

gefangen: denn Gärä und seine Freunde hatten immer an ihren

Morgen- und Abendandachten Antheil genommen, und es wurde zu

verschiedenen Zeiten viel über Religion gesprochen ; aber jetzt fingen

sie dieselbe in allem Ernste für etlich und zwanzig Tage an. Den

ganzen Tag, von Morgen bis zur Nacht, sprachen sie mit den Leuten

und beantworteten Fragen ; die Leute nahmen auch Antheil an ihren

Andachten. Bei Nacht schrieben sie ihr Tagebuch, in welchem sie

auf Pastö alles genau aufzeichneten, was sie sahen und hörten, mit

den Namen der Persowen, Plätze und Sachen. Dieses Tagebuch

wurde mit Limonensaft geschrieben, und sah, nach ihrer Rückkehr

wie unbeschriebenes weisses Papier aus; als es aber über dem

Feuer erwärmt wurde verdunkelten sich die Buchstaben nach uud

nach und nahmen ihre eigeuen Formen an. Gärä und Kachü und

ihre Weiber waren am theilnahmsvollsten, alle aber hörten zu und

alle zollten Beifall, als Gärä die Worte, die sie sprachen, in ihre

eigene Sprache übersetzte. Manchmal versammelte sich das ganze

Dorf, Männer, Weiber und Kinder. Das Tagebuch enthält eine

interessante Beschreibung von vielen ihrer Gebräuche. Die Männer

heirathen nie in ihrem eigenen Dorfe; denn alle Frauen desselben

Dorfes werden als Schwestern betrachtet, auch heirathen sie nie

ohne die freie Einwilligung von Mann und Weib. Wenn ein Mann

seine Wahl getroffen hatt, bittet er seinen Vater für ihn ein ge¬

wisses Mädchen zu erhalten. Der Vater schickt eine Ziege und

drei Widder in das Haus von des Mädchens Vater. Nichts wird

dabei gesprochen, sondern die Ziegen werden innerhalb des Hauses

angebunden. Wenn der Vater des Mädchens die Ziege tödtet und

die Widder behält und den Ueberbringer ohne dieselben nach Hause

schickt, so ist der Verspruch vollendet; schickt er aber die Ziegen

zurück, so hat das Mädcben seine Einwilligung nicht gegeben. Wenn

sie einmal verlobt siud, so kann der Mann das Mädchen ruhig in

den Gebirgen besuchen, aber er spricht mit ihr nie öffentlich (nie

mit andern Weibern), noch bringt er ihr Geschenke. Wenn der

Hochzeitstag da ist, so sendet der Vater des Bräutigams zwei Männer

zu dem Vater der Braut, mit Ziegen und Geschirren und Pfannen,

einem Spiess und Leuchter oder vielmehr mit einem Leuchtholz

(denn sie brennen kein Oel, sondern Fichtenholz), und, wenn er es

vermag, auch mit einer Flinte. Die zwei Männer bleiben dort

zwei Nächte, während in beiden Dörfern Tanzen und Essen vor

sich geht, die Männer und Weiber für sich. Die Männer scheinen,

wie sie (die Reisenden) bemerkten, ihr Leben mit Tanzen und Spielen

zuzubringen. Der Vater der Braut gibt ihr dann ihre Kleider (die

schwarzen gelten für die schönsten) und die zwei Männer begleiten

die Braut, gefolgt von verschiedenen Weibern, welche Kom mit sich

tragen, nach dem Hause des Bräutigams. Wenn einmal die Brant

(10)

386 Tnimpp, iiher die Sprache der sog. Kaßrs im ind. Caucastis.

Uber die Scbwelle getreten ist, finden keine weiteren Ceremonien

mehr statt; sie ist ohne weiteres sein Weib. Die Weiber bleiben

bei ihr zwei Tage, und kehren dann zurück, nachdem sie vier Ziegen

erhalten haben. Die neuvermählte Frau darf ihres Vaters Haus vor

fünf Jahren nicht besuchen. Nachher kann sie ihren Vater und ihre

Mutter für eiuen Monat oder zwei besuchen, und wenn sie zurück¬

kehrt, tragen die Weiber wiedemm Korn mit ihr. Nachher können

sie Besuche machen, wie sie wollen.

Ehebruch ist in Käfiristän ganz unbekannt >); doch haben viele

mehr als eine Frau. Der Bruch des 6ten Gebots auf irgeud welche

Weise wird auf keine Weise geduldet. Sie glauben, dass die Rache

ihrer Götter für einen solchen Act auf das ganze Dorf lällt. Wenn

eine Dürre eintritt oder irgend ein Unglück über ein Dorf kommt,

so kommen die unverbeiratheten Mädchen in Verdacht; denn das

Haus einer verbeiratbeten kommt nicht einmal so viel als in Ver¬

dacht. Ein alter Mann oder eine alte Frau wird dann abgeordnet,

um die schuldige herauszufinden. Sie muss, unter Androhung der

Todesstrafe, ihren Liebhaber entdecken. Das Eigenthum des männ¬

lichen und weiblicben Theils wird dann ohne weiteres geplündert,

und die Häuser von beiden werdeu auf den Gmnd niedergebrannt,

und, unter einem Steinregen und dem Hailoh der Buben und Mädchen

werden sie für immer aus dem Dorfe gejagt und zu den Muham¬

medanern geschickt. Sogar der Weg, auf dem sie gehen, gilt für

so unrein, dass die Leute ihuen nachgehen und an dem nächsten

Strom, den sie überschreiten, eine Ziege opfern Der Gott ist dann

besänftigt, und es bedarf kaum der Bemerkung, dass dieses Ver¬

brechen, das in christlichen civilisirten Länderu für so geringfügig

gilt, dort nur sehr selten vorkommt. Diebstähle sind in Käfiristän

ganz unbekannt. Wenn Jemand auf den Bergen ein Messer fallen

lässt, so können viele daran vorbei gehen; aber Niemand hebt es

auf, um es sich anzueignen. Einbruch kommt nie vor; man lässt

die Häusser ganz unbewacht. Wenn Korn beim Laden herabfällt,

so sucht man seinen Eigenthümer aus und gibt es ihm zurück.

Wenn sie einen Menschen tödten, so schicken sie seine Waffen in

sein Haus zurück. Sie tödten indessen nie einen Mann von ihrem

eigenen Dorfe. Wenn zwei Männer einen Streit mit einander haben,

so kommen sie in Gegenwart des Dorfes zusammen, ziehen ihre

Kleider aus und legen ihre Waffen nieder. Dann machen sie es

im Ringkampfe aus, indem sie einander umarmen, sowohl ehe sie

anfangen als auch wenn alles vorbei ist. Wenn der eine von ihnen

nur einen Stock nimmt, so legt sich das ganze Dorf dazwischen.

Es ist ganz unbekannt, dass einer je einen Mann seines Dorfes

getödtet oder auch nur verwundet habe.

1) Nach Elphinstone's Quellen jedoch sieht es in dieser Beziehung bei den Käfirs nicht so glänzend aus. Siehe p. 624.

(11)

Trumpp, über die Sprache der sog. Kafire im ind. Caucasus. 387

Wenn zwei Dörfer mit einander fechten, so gebrauchen sie

ihre Waffen. Die Stämme befinden sich oft mit einander im Kriege

und tödten alles, was ihnen in den Weg kommt, wenn sie nicht zu

ihrem eigenen Starame gehören.

Dieses Tödten von Männern und Weibern führt allein unter

ihnen zu hohen Ehren. Sie haben keinen König und es gibt nur

zwei Grade von Adel oder Auszeichnung unter ihnen. Der eine ist

der Grad des Bahädur, und der andere der des Surunwäli,

oder Sonin wäll >). Weder der eine noch der andere Grad ist

erblich, und keiner von beiden lässt sich erreichen, ausser durch

das Tödten von vier Männern. Wenn einer seine vier Männer ge¬

tödtet hat, so muss er, um ein Bahädur zu werden, alle, die kommen,

mit 200 Ziegen, sechs Ochsen und vielen Centnern von Korn, Reis,

Käse und mit einer enorraen Quantität Wein, zwei Tage lang füt¬

tern Um nachher ein Surunwäli zu werden, muss er drei Jahre

warten, während welcher Zeit er 80 Feste zu geben hat, in Zwischen¬

zeiten von 8 — 10 Tagen; denn die Käfirs sind zu klug, um alles

auf einraal zu haben. Wie viel bei einera jeden Feste gegeben

werden rauss, ist genau festgestellt. Die kleinste Anzahl von Zie¬

gen, die auf einraal abgeschlachtet wird, ist zwanzig; ara sechsten

Feste aber tödten sie 150; und ara neunten Feste wird eine leben¬

dige Ziege einera jeden Theilnehmer gegebeu, ausser Brod und Käse

und GhT und Wein. Wenn er seine neue Würde erhält, wird eine

besondere grosse Trommel gerührt, die nur bei besondern Gelegen¬

heiten geschlagen wird, und es findet viel Tanzen von Männern und

Weibern statt. Er braucht dann keine Menschen raehr zu tödten,

ausser wenn er es zu seinera eigenen Vergnügen thut. Ura zu

zeigen, wie viele Menschen fer getödtet habe, errichtet ein jeder in

der Umgebung des Dorfes eine hohe Stange, mit der plumpen Figur

eines Menschen auf ihrer Spitze. Für jeden Mann den er tödtet,

bohrt er ein Loch in dieselbe und steckt einen Pflock hinein. Wenn

er eine Frau tödtet, bohrt er nur ein Loch hinein, ohne einen Pflock.

Ein Bahädur oder Surunwäli hat iraraer den ersten Platz bei Festlich¬

keiten und bekomrat eine doppelte Portion.

Das Folgende ist einer ihrer gewöhnlichen Gesänge. Ein Vater

in dera Dorfe Shino hat, wie angenoramen wird, seinen Sohn an die

Muhararaedaner verkauft; als der Knabe gross geworden ist, tödt«t

er 14 Musalmanen und entwischt nach Hause, und seine Mutter, in

stolzem Hochgefühl, singt:

Parole blie batö warraeiäwe

Badal lowe bele araä baio lausousawe Unä pras sagor araan bato warrailäwe

1) Sielie die Erklärung dieser Worte im Appendix I.

2) . Diess stimmt ganz mit Elpiiinstone's Bericht iiberein; siehe Elphinstone, Account of the kingdom of Caubul, p. 62<l.

(12)

388 Trumpp, über die Sprache der sog. Kafirs im ind. Caucasus.

Awar paras dandako partus tatakotäwe Pa sheristän gangare sutä. i)

„Bravo, mein Knabe, du hast wacker gestritten, Mein altes Blut ist vor Kummer um dich aufgetrocknet.

Als dein Vater meinen heldenmüthigen Buben verkaufte.

Und du hast vierzehn Männer getödtet und bist wieder beim gekommen, Mit tönenden Glöcklein an deinen Füssen."

Beim Begräbniss haben sie den Gebrauch, den Leichnam zu

baden und ihn in neue oder frisch gewaschene Tücher zu büllen. Die

Leute stehen herum , weinend und tanzend und eine kleine Trommel

schlagend und Pfeifen blasend. Sie machen dann am Todestage einen ,

Sarg, und ein Mann hebt den Leichnam auf seine Schultern und ein

anderer trägt den Sarg, welcher drei Spannen breit und drei Spanneu

hoch ist, und so tragen sie beide zu einer Höhle in den Bergen,

wo sie den Leichnam in den Sarg legen, der dann mit Holznägeln

geschlössen und mit grossen Steinen beschwert wird. Wenn jemand

von derselben Familie innerhalb dreier Jahre stirbt, so öifnen sic

den Sarg und legen den Leichnam hinein ; wenn es aber mehr als drei

Jahre sind , so macben sie einen neuen Sarg. Es finden dabei keine

Ceremonien statt, und nichts wird gesprochen, nur dass die Männer

und Weiber schreien. Wenn Leute am Sterben sind, so sitzen die

Weiber neben denselben, aber es wird nichts gesprochen. Wenn

der Verstorbene ein Bahädur oder ein Surunwäli war, so wird sein

Leichnam drei Tage aufbewahrt, und sie füttern alle, welche kom¬

men, und weinen und tanzen und schlagen die grosse Trommel,

Mandu. Am dritten Tage tragen sie ihn hinweg mit seinem Bogen

und Pfeilen und Messer, und fünf Jabre lang halten sie seinen

Todestag , indem sie die Trommel Mandü schlagen , Almosen und

Feste geben. Die Mandü wird auch für den Abkömmling eines

Surunwäli fünf Generationen hindurch geschlagen; und wenn der

Sohn eines Surunwäli selbst ein Surunwäli wird, wird sie zehn Ge¬

schlechter hindurch geschlagen, und wenn auch sein Enkel einer

wird, fünfzehn Geschlechter hindurch. Ein Wittwer oder eine Wittwe

darf drei Jahre nicht wieder heirathen, während welcher Z^eit sie

weder ihr Haupt salben oder waschen oder .\ntimouium auf ihre

Augen streichen, oder gute Kleider tragen oder ghl essen darf.

Die Männer rasiren auch ihre Köpfe nicht.

Was ihre Religion betrifft, so haben sie weder Tempel, noch

Priester *), noch Bücher, noch Gebräuche. Sie glauben nnr an

Einen Gott, aber wer oder was oder wo er ist, oder was ib':j

1) Ich weiss mit diesen Versen weiter nichts anzufangen; nur Ein Wort in denselben ist sicher, äma (nicht amä") Haus. Die Frage ist freilich die, ob die Afghänen recht gehört und correct das Gehörte wiedergegeben hahen, wozu sie ihr eigenes Organ nicht sehr befähigt hat.

2) Anders Elphinstone (p.622), der sagt, dass die Käfirs erbliche Priester haben, die aber keinen grossen Einfluss ausUben.

(13)

Trtimpp, über die Sprache der sog. Kafirs im ind. Caucasus. 389

wohlgeföllig sei, das, sagen sie, wissen sie nicht. Sie haben drei

Götzenbilder, die sie für ihre Fürsprecher bei Gott halten. Eines

ist von Holz, plump zu einer Menschengestalt gearbeitet, mit Silber¬

augen. Es heisst Pulispanuund ist im Dorfe Muzghal errichtet.

Man wendet sich an dasselbe bei allen öffentlichen Gelegenheiten,

z. B. wenn es keinen Regen gibt oder zu vielen Regen, oder wenn

schwere Krankheiten im Lande.sind. Jeder Käfir bringt eine Ziege

und opfert sie, indem er das Blut darüber sprengt. Dann kochen

sie dieselbe und essen sie entweder daselbst, oder sie nehmen sie

nach Hause. Es gilt als eine grosse ünehrerbietigkeit gegen den

Götzen, wenu ein Weib sich demselbeu nähert; sie backen desshalb

Brod und essen von dem Opfer in einer gewissen Entfernung von

demselben. Sie begrüssen nie den Götzen, noch werfen sie sich

vor demselben nieder, sondern bitten denselben einfach, ihnen das

zu geben, was sie wollen. Sonst haben sie keinen bestimmten

Gottesdienst noch irgend eine Art vou Anbetung, keine heilige

Zeiten oder Festtage.

Die zwei andern Götzenbilder sind gewöhnliche Steine. Eines

heisst Adrakpänu^), im Dorfe Girdalares; und das andere Mati-

kapanu 3) im Dorfe Shaiderläm. Man gebraucht sie nur für

Familien oder persönliche Angelegenheiteu, und sie bitten sie um

gute Ernten, Kinder u. s. w.

Es gibt kein Geflügel im Lande; die Leute essen keines, auch

keine Fische oder Eier. Sie essen Rebhühner, verschiedene Arten

von Hirschen , mit Einsehluss von barasinghas und uriyal. Es gibt

eine Masse von Krähen, Papageien, Mainas, Sperlinge, Geier,

Falken und Adler; auch Leoparden, Bären und Wölfe, aber keine

Schakale. Es gibt dort keine Pferde oder Ponies oder Esel oder

Kameele, und sehr wenig Hornvieh oder Büffelochsen oder Hunde,

aber es finden sich Katzen, Mäuse, Ratten, Eidechsen, Scorpione

und Schlangen. In Betreff der Schlangen haben sie einen sonder¬

baren Aberglauben; sie tödten sie nie, da sie glauben, dass ihnen

in diesem Falle ein grosses Unglück zustossen würde. Ziegenfleisch

ist die gewöhnliche Nahrung des Landes, welches sie in grossen

Stücken in grossen Töpfen kochen. Sie essen das Blut und in der

That den grössten Theil der Eingeweide und fast alles, ausser der

Haut und den Knochen. Wein trinken sie in grosser Masse; aber

wenn das, was davon nach Peschawer gebracht worden ist, als

eine Probe davon gelten kann, so ist er etwas Ekelichtes *). Keiner

wurde je von unseren Reisenden in einem betrunkenen Znstande

gesehen. Ihre Trinkgeschirre bestehen aus gebranntem Thon, und

1) Wahrscheinlich pulispäno slatt purispano, das Mann wesen.

2) Siehe im Appendix das Wort Adrilipänö.

3) Mätikapanu das Matterwesen, entsprechend dem pulispanu.

4) Siehe im Appendix I. das Wort tin. .

(14)

390 Trumpp, iiher die Spracke der sog. Kaßrs im ind. Caucasus.

sind curios gearbeitet; mancbmal aus Silber. Sie essen mit ihren

Händen. Das Wasser soll besonders gut sein, und die Leute er¬

reichen oft ein hohes Lebensalter, wobei sie stark" und gesund

bleiben fast bis zu ihrera Todestag. Kröpfe sieht man nur hie und

da. Die Männer sehen etwas schwärzlich aus, aber die Weiber

sollen so weiss wie Europäerinnen sein, und sebr schön, mit rothen

Wangen. Die Männer waschen sich.kaum jemals, noch auch ihre

Kleider; sie und ihre Kleider sollen oft zum ersten Male bei ihrem

Tode gewaschen werden. ünsere afghanischen Reisenden sahen

keine Flöhe, Läuse aber sind gewöhnlich; es gibt auch entsetzliche Musquitos, die grosse Wunden schlagen, die "aufschwellen und blu¬

ten. Der Fuss des einen Reisenden war immer noch verbunden

bei seiner Ankunft in Peschawer, in Folge eines Musquito-Bisses,

den er vor einem Monat erhalten hatte.

Wie in allen uncivilisirten Ländern sind auch hier Feensagen

zahlreich verbreitet , und die Leute reden mit der grössten Zuver¬

sicht von einigen Wasserbehältern auf dem Gipfel der Berge, die

mit Schätzen gefüllt sein sollen, die aber Niemand erreichen könne,

weil sie von den Feen gehütet werden. Auch reden sie von einem

wunderbaren Baume auf einem anderen Berge, den ungewöhnlich

grosse Schlangen bewachen, dessen Holz die Eigenschaft haben soll,

jedermann zu der Person dessen heranzuziehen, der es besitzt.

Wenn sie sprechen, so schreien sie mit aller Macht. Einige von

ihnen hatten eine fast abergläubische Vorstellung vou den Kräften,

die unsere Reisenden besitzen sollten. Ein Mädchen, Marimari,

brachte eines Tages ihren kleinen Bruder, der wegen eines schlim¬

men Anfalls von Zahnweh schrie, und bat sic, für ihu zu beten.

Sie thaten das und streichelten seiu Gesicht. Das Mädchen glaubte,

er sei geheilt und führte ihn hinweg; als aber das Kind wieder

zu schreien anfing, schlug sie ihn in das Gesicht wegen seines

Schreiens, weil er, wie sie sagte, doch geheilt worden sei. Sei es

natürlich, oder in Folge des Schlages, das Kind ward geheilt, und

da man seine Genesung ihrem Gebete zuschrieb, so brachten sie

alle ihre Geräthschaften, eine Flinte oder einen Pflug, Bogen oder

yfeil, ura sie segnen zu" lassen. Einige von ihnen jedoch hingen

sich an ihre eigene Religion und verlangten Wunder, solche, sagten

sie , wie sie Christus selbst verrichtet habe , ura die Wahrheit des

Christenthuras zu beweisen. Das waren jedoch nur wenige; weit¬

aus die Mehrzahl hörte auf sie rait Ehrerbietung und Aufraerksara-

keit, da sie alles, was gesprochen wurde, anzunehmen und zu glau¬

ben schienen.

Indess fing der Schnee an zu fallen und der Winter rückte

immer näher, und unsere eingeborenen Missionare hatten sich zu

entscheiden, ob sie den Winter hier zubringen, oder aber nach

Hause zurückkehren wollten. Aus manchen Gründen hielten sie es

für besser, umzukehren. Gärä liebst vielen Käfirs begleiteten sie

vier Tagereisen auf ihrem Wege ven Shaiderläm nach Begura , Na-

(15)

Tmmpp, über die Sprache der sog. Kaf irs im ind. Caucastw. 391

kera, Zitäni, und von da nach Malel , wo sie durch den Sahibzädah

Abdullah sicher aus Käfiristän geleitet wurden. Sie reisten auf

ihrem alten Wege nach Jeläläbäd, und von da zu Wasser auf einem

Flosse den Kabulfluss hinab 'nach Peschawer, nachdem sie zweimal

mit knapper Noth dem Imäm einer wohlbekannten Moschee in Pe¬

schawer entronnen waren, dem sie mit grosser Schwierigkeit aus

dem Wege gingen; ebenso einem Studenten, der sie erkannte, aber

sich überreden liess, ihr Geheimniss zu bewahren. Sie kamen in

Peschawer den 10. November an, nachdem sie mehr als zwei Mo¬

nate abwesend gewesen waren ; sie brachten einen Bogen und einen

Pfeil, ein Messer, eine lederne Flasche gefüllt von ihrem Wein,

Stiefeln, Gürtel und verschiedene Stücke der Käfir-Bekleidung mit

sich. Sie brachten auch zwei Briefe mit sich, welche ihnen die

Käfirs an den englischen Missionar und sein Weib aufgegeben ha¬

ben sollen, worin sie den Wunsch ausdrücken, dass sie den näch¬

sten Sommer von unsern Reisenden wieder sollten besucht und

unterrichtet werden.

So interessant auch dieser Bericht ist, der uns, weil von glaub¬

würdigen Augenzeugen herrührend, einen ziemlich sichern Blick in

das Leben und Treiben der Käfirs thun lässt, so ist doch auf der

andern Seite sehr zu bedauern, dass unsere beiden afghänischen

Reisenden das Hauptmedium alles weiteren Verkehrs mit den Käfirs,

die Sprache derselben, so ganz ausser ihrer Beobachtung gelassen

haben. Die Afghanen selbst haben freilich nicht viel Sinn für die

Auffassung fremder Sprachen, wie ich mich oft genug überzeugt

habe; immerhin wäre auch die geringste Wortsammlung bei der

Kargheit des uns zu Gebot stehenden Materials von grossem Nutzen

und Werth gewesen.

So viel steht jetzt über allen Zweifel fest, dass die Käfirs

indischen Ursprungs sind, und dass sie in ihre jetzigen Woh¬

nungen durch die vou Südwesten noch Norden vordringenden Pastö-

Stämme getrieben worden sind. Dies scheint im 8. und 9. Jahr¬

hundert unserer Zeitrechnung geschehen zu sein, da die Afghanen,

nach Ferishtah's Geschichte von Indien, schon die nordöstlichen

Gebirge des jetzigen Afghanistans im 9ten Jahrhundert im Besitze

gehabt haben. Jedenfalls scheinen die Afghänen damals schon den

Islam angenommen zu haben, was die blutigen Kriege zwischen

ihnen und den in die Gebirge zurückweichenden Käfirs erzeugte.

Dass die Thäler des Kabulflusses damals von Buddhisten bewohnt

waren, steht ausser allem Zweifel, obschon in der Religion der

heutigen Käfirs kaum eine Spur davon wahrzunehmen ist, da sie,

nach fast alleu Berichten, auf der niedrigsten Stufe der religiös¬

sittlichen und staatlichen Entwicklung stehen. Jedenfalls haben sie,

was für ein Hindü-Volk charakteristisch genug ist, keiue Spur von

(16)

392 Trumpp, über die Sprache der sog. Kafirs im ind. Caucasus.

Gasten, auch keine Priester und nur einen, durch reiche Spenden

von Essen und Trinken, erreichbaren Adel.

Da'überhaupt unsere Nachrichten über jene dunklen Zeiten

Indiens sehr spärlich sind , wo die Angriffe der islamischen Völker

das alte indische Leben aus allen Fugen brachten, so ist es uns

jetzt kaum mehr möglich, die indischen Stämme, welche das Hoch¬

land von Kabul zu jener Zeit bewohnten, auch nur annähernd zu

bestimmen.

Für die Sprachkunde Indiens wäre es jedoch von grösstem

Interesse , wenn wir in der Sprache der Käfirs , die Jahrhunderte

lang von allem weiteren Verkehr mit ihren Brüdern in den indi¬

schen Ebenen abgeschlossen waren, den Rest einer ungetrübten uud

unvermischten Präkrit-Sprache ans dem 8. oder 9. Jahrhundert er¬

halten könnten. Dadurch würde auf einmal ein helles Licht auf

die Entwicklung der jetzigen Präkrit-Sprachen Indiens fallen, von

deren innerem Entwicklungsgange uns nnr wenige spärliche Proben

vorliegen, die aber nicht einraal bis ins 8tc und 9te Jahrhundert hinauf reichen.

Sollte der Verkehr mit den Käfirs weiter gepflegt werden, so

dürfen wir ohne Zweifel bald einer reicheren philologischen Aus¬

beute entgegensehen.

Die folgenden sprachlichen Notizen habe ich aus dem Munde

dreier Käfirs selbst gesammelt und mir dabei die grösste Mühe

gegeben, die Orthographie so genau als mir nur möglich war, fest¬

zustellen. Die Käfirs selbst sind jedoch, wie alle Berichte einstim¬

mig zugeben , in verschiedene Stämme getheilt ; ob dadurch auch

dialeetische Veränderungen ihrer Sprache sich angebahnt haben,

lässt sich freilich jetzt noch nicht bestimmen.

Manche Worte, wie wir später sehen werden, werden als Käfir-

worte ausgegeben, die es offenbar nicht sind, sondern einem der

vielen verwandten Dialecte angehören , die im Kühistän (Gebirgs¬

land) von Kabul gesprochen werden. Die meisten Bewohner dieses

äusserst wilden Gebirgslandes sind keine Afghänen, sondern Ueher¬

reste uralter Völkerschaften, die sich alle vor den Fluthen der an¬

drängenden afghänischen oder tätarischen Völkerschaften in dasselbe

gerettet haben. Eine genaue Untersuchung dieser Dialecte wäre

von der grössten philologischen Bedeutung.

Dass der Name Käfir im Munde der Muhammedaner nichts¬

sagend ist, ergibt sich schon aus dessen Bedentnng. Ich habe dess¬

halb auch die Käfirs, die wir einstweilen so benennen wollen, bis

wir ihren rechten Nanien werden erfahren haben, gleich darnach

gefragt, wie sie ihr eigenes Land heissen, und erhielt die prompte

Antwort: Wäraasthän. Dies scheint der alte Name des ganzen

1) Im Flühjahre 1859, währeiia meines Aufenthaltes in Peschawer.

(17)

Trumpp, iiber die Sprache äer sog. Kafirs im ind. Caucasus. 393

Hochlandes bis nach Balch hin gewesen zu sein (nach dera Burhäni-

Qätig bedeutet bära ^fi l^jU v:^^^! juiiä j.Lj, es ist der Name

einer Festung in Trans-Oxiana) ; Vullers vergleicht damit das Zen¬

dische häma, sansk. i^TT? Licht. Der Name Bämiän selbst

scheint ebenfalls rait diesera Worte in Verbindung zu stehen. Auf

Elphinstone's sowie auf Burnes Karte ist in Käfiristän ein Ort

Väraa verzeichnet, obschon er in dem Bericht unserer afghänischen

Reisenden nicht erwähnt wird. Da diese Länder früher der Sitz

des Buddhismus gewesen sind, so könnte Wäraasthän wohl „das

Land des Lichtes" bedeuten, da das Wort Warna oder Bära

in Käfiristän und Bactriana vorkoramt, was auf eine mehr appel¬

lative Bedeutung desselben hinweist »).

I.

Das Käfir-AIphabet 2).

Wir lassen bier zunächst eine Uebersicht desselben folgen

wie wir es aus dera uus zu Gebot stehenden Material deduciren

konnten.

Vocale.

a , a , ä ; i , I ; ai , e ; u , ü ; au , ö.

Nasalisirte Vocale (mit Anuswära):

ä, a; 1, !; ü, u etc. .

Consonanten. 1

1) Gutturale: k — g — ü ; — h. I

2) Palatale: {f;^'"^ " " ^ ^^s) 3).

3) Cerebrale: t, th; d — n r 1

4) Dentale: t, — d; — n, r, l,"s, s, z.

5) Labiale: p — b — m w.

Was zunächst die Vocale betrifl't, so ist zu bemerken, dass

a so schnell ausgesprochen wird, dass es fast dem deutschen ü

gleichkommt. Es ist ein ganz unbestimmter kurzer Laut, den ich

anfangs für ein flüchtiges i annahm, allein die Etymologie über¬

zeugte mich, dass es ein ganz flüchtiger Vocalanstoss ist, nur noch

1) Nach dem Burhäni QätiJ trägt auch Balch den Beinamen ,

in Bäma oder Bämastän gelegen.

2) VVir folgen hiebei dem von Prof. Lepsius aufgestellten linguistischen Systeme , II. Auflage. ( Englische Ausgahe , unter dem Titel : The Standard Alphabet etc.)

3) Wir haben, obschon ts (:=tsch) und g vollkommen zusammenfallen, doch beide auseinander gehalten, indem wir e (=^) schreiben, wo die Ety¬

mologie uns bekannt, ts >^ber., wo sie uns unbekannt ist.

(18)

394 Trumpp, über die Sjrrache der aoii. Kaßrs im ind. Can

kürzer und unbestimmter ausgesprochen, als der den Sanskrit-

Consonanten inhärirende kurze Vocal, der so ziemlicb dem unbe¬

stimmten englischen u (in but) gleichkommt. Ganz denselben flüch¬

tigen Vocalanstoss treffen wir im Pastö, den wir dort auf dieselbe

Weise (durch a) bezeichnen; die Afghanen pflegen denselben durch

ein überschriebenes Hamzah in guten und genauen Haudschriften

C 1

zu markiren, z. B. ^ji kräh und -..s' krah, das erstere ist das

Particip fem. sing. Perfecti (facta), das letztere das Particip masc.

plur. Perfecti (facti). Man kann den Unterschied dieser beiden

kurzen Laute eigentlich nur durch das Ohr lernen; er sollte aber

auch in der Schrift immer hervorgehoben werden, da die Bedeutung

der einzelnen Worte so viel davon abhängt.

Die Käfir-Sprache beurkundet sich auch dadurch als eine reine

Präkrit-Sprache, dass sie, wie die jetzigen Idiome, so sebr zur

Nasalisation der Vocale hinneigt, was freilich deu ueuern Sprachen

einen unangenehmen näselnden Ton gibt.

Das Consonanten-System beurkundet die Käfir-Sprache auf den

ersten Blick als eine indisch-ärische. In einzelnen Fällen habe ich

zwar die Aspirata nicht feststellen können, aber wohl nur aus

Mangel an Material; dass die Aspirate im Gebrauche sind, ist

ausser allem Zweifel. Auch das gutturale h (^) ist gehörig ver¬

treten, was ganz specifisch indisch ist (es fehlt im P;isto, sowie

im Persischen).

Die Palatalen fiuden sich sehr zahlreich; nur habe icb nicht

mit Bestimmtheit die Aspirate jh feststellen können, die aber sicher¬

lich vorhandfen ist. Statt c (^) findet sich auch schon (wie im

MaräthT) der schwächere Laut ts, wie in „mäts" Mensch, SindhI

T^T^, mäcu (ein Wort, das schon den späteren Präkrit-Sprachen

angehört, Hindi ^\^\, Sansk. TT^). 1« andern Worteu scheint

ts auch von dem Sansk. zusammengesetzten Consonanten ^ ks ab¬

geleitet zu sein, wie in dem Worte : but-t sida, Tempel oder Götzen¬

platz, but = Hindi (Sansk. '5'^). ^^ötze. tsida ist wahr¬

scheinlich das sansk. (Hindi %f^) Feld i). Ts hat sich auch

noch weiter in z (nicbt das deutsche, sonderu das englische) er¬

weicht, wie zu, Milch, Sansk. (Sindi ^V^). Ganz dieselbe

Erscheinung treffen wir äuch im Pastö an, wo sich - und ^ sehr

häufig iü £ ts und £ dz erweichen.

1) Oder noch wahrscheinlicher ist es das sansk. ^ Bild, indem tr

zu tt contrahirt und dje Tenuis in die Mut a verwa ndelt wird , was im Käfirl öfters vorkommt; z. B. tsadä, vier, gansk.

(19)

Tnimpp, über die Spruche der sor/. Kafirs im irul. Caucastis. 395 Als ein ächter Präkrit-Dialect zeigt die Käfir-Sprache dieselbe

Vorliebe für die Cerebralen, wie seine indischen Schwester¬

sprachen. Die Cerebralen sind daher vollständig vertreten; nur die

Aspirata dh habe ich nicht gerade in einem Beispiele belegen kön¬

nen. Das cerebrale n dagegen ist gesichert, und merkwürdiger¬

weise auch das cerebrale r und s, welch letzteres sogar in eiuzel¬

nen indischen Dialecten (wie im Hindüstäni, Panjäbl, auch dem

Sindhi) schon verschwunden ist.

In der Classe der Dentalen sind mir gerade die Aspiraten in

eiuzelnen Beispielen nicht vorgekommen, was aber auf deren Nicht¬

vorhandensein keiuen Schluss abgibt; dasselbe gilt von den Aspira¬

ten der Labial-Classe. Wenn einmal mehr zusammenhängendes

Material zu Tage gefördert wordeu sein wird, werden sie sich ge¬

wiss alle aufweisen lassen.

Die fjiste der Käfir-Worte, die Sir AI. Burnes (siehe den An¬

hang) und Mr. Norris (durch Vermittlung von T. Villiers Lister)

mitgetheilt haben, leidet an dem grossen Uebelstände, dass die

Vocale, und insbesondere die Consonanten nicht sprachlich genau

fixirt worden sind; es ist in beiden Verzeichnissen rein kein Unter¬

schied zwischen Dentalen und Cerebralen markirt, und dess¬

halb sind Sic auch nur mit Vorsicht fiir die Feststellung des Laut¬

systems zu gebrauchen. Wir hoffen, dass bei eingehenderen Unter¬

suchungen unser Lautsystem, wenn auch einzelnes unrichtig aufge¬

fasst sein mag, wie es fast nicht anders zu erwarten ist, sich in

seinen allgemeinen Zügen als richtig erweisen wird.

II.

Die Declinations-Verhältnisse.

Es ist äusserst merkwürdig, dass das Käfirl, was die Biegung

des Nomen anbelangt, schon auf derselbeu Stufe der Flexionslosig-

keit steht, wie alle neueren Sprachen Indiens. Von einer Declina¬

tion im eigentlichen Sinne ist gar keine Rede mehr ; die Casus-

Zeichen sind spurlos verschwunden und an ihre Stelle treten Post¬

positionen oder Adverbien, gerade wie in den übrigen indo-

ärischen Sprachen. Der Genitiv Singular wird durch Anfügung

des Affixes wä gebildet. Dieses Affix wä schien mir das Sansk.

Affix «n»^ 2" neige mich jetzt jedoch zu der Ansicht,

dass es das persische Lj resp. I. ist, mit, bei, das im Käfirl, wie

alle andere Casus-Zeichen, hinten an das Nomen tritt. Auf ähn¬

liche Weise wird auch im alten Pastö der Dativ durch die Präpo¬

sition 5 wa ausgedrückt, das offenbar mit dem Pärsi ö als Dativ-

Präfix (von, wegen) identisch ist. Die Käfir-Sprache, als äusserster

westlicher Ausläufer der indischen Sprachen, hat überhaupt auch

soust manche uicht unwichtige Berührungen mit dem Pastö.

2 9

(20)

396 Trumpp, über die Sprache der sog. Kafirs im ind. Caucasus.

Dieses Affix wä scheint überhaupt nur dann im Gebrauch zu

sein, wenn ein Besitz angezeigt werden soll. Sonst wird der

Genitiv durch kein besonderes Casuszeichen, sondern nur durch die

Wortstellung angedeutet, wie wir aus den Beispielen ersehen wer¬

den '). Im Genitiv Plural hingegen hat sich noch ein alter

Casus-Rest erhalten ; die Endung ia entspricht offenbar dem Hinda¬

stänT Casus obliquus o, SindhT a, PanjäbT a etc., welches die all'

Präkrit-Genitiv-Plural-Endung ^TJT ist.

Der Dativ Singular scheint ein alter Casus-Ueberrest zu sein;

schon im HindT finden wir gelegentlich als Dativ-Affix (neben

dem gewöhnlichen Affix oder %f , Hindüstäni kö , SindhI

welches mit dem Apabhransha-Genitiv-Affix ^ (siehe Lassen,

Instit. Linguae Pracrit. p. 462 u. 466) zusammenfällt. Dieses he

(oder hi) bin ich geneigt, in dem Käfirl-Affix e wieder zu finden,

da schon im alten Präkrit die Functionen des Genitivs auch die

des Dativs vertreten. Im Plural wird dieses Affix nasalirt, e.

Der Instrumentalis-Singular wird im Käfirl gar nicht

unterschieden vom Nominativ; es wird auch keine Postposition zu

Hülfe genommen, wie im Panjäbl, HindT etc., sondern der Instru¬

mentalis muss durch die Satzstellung und Bedeutung erlannt wer¬

den. Aehnlich ist es auch im SindhI, wo der Instrumentalis nur

durch einen Voealweehsel am Ende des Wortes vom Nominativ

unterschiedeu wird. Der Instrumentalis Plural dagegen fällt mit

dem Dativ Plural zusammen.

Der Accusativ Singular wird nicht vom Nominativ unterschie¬

den; das gleiche liesse sich auch vom Accusativ Plural erwarten;

doch habe ich in den Beispielen, welche ich die Käfirs fragte, auch

die Form des Dativs Plural für den Accusativ Plural erhalten, was

noch weiterer Aufklärung bedarf. Der Locativ Singular und Plural

wird durch die Postposition da ausgedrückt, welche ohne allen

auch im BangälT (te) und im Marathi (ät) schon als Locativ-Affix

dient.

Der Genitiv Plural, welcher in den übrigen neu-indischen

Sprachen zugleich als Formativ oder als casus obliquus

dient ^), an den alle Postpositioneu herantreten, hat im Käfirl

offenbar nicht diese Ausdehnung, soudern statt desselben dient die

Form des Dativ Plural in e als Formativ, an welche die Postposi-

1) Diess würe nach Analogie der sogenannten TatpuruSa, in welchem Falle das voranstchende Wort im Genitivverliältniss steht. Das Sindhi gebrauclit noch häufig

solche Zusammensetzungen , wie Hanslierr, statt

2) Aber ohne das adjectivische Affix desselben.

Zweifel die Präkrit-Ablativ-Endung welche

(21)

Trumpp, üher die Spraehe der sog. Kafirs im ind. Cavcasiis. 397

tionen sich ansehliessen. Diess kann es auch einigermassen erklä¬

ren, dass die Form in e auch die Stelle des Accusativs Plural

vertritt.

Was die Bildung der Mehrzahl betrifft, so wird der Nomi¬

nativ Plural von dem des Singular in keiner Weise unterschie¬

den, wie diess ja auch schon im Hindi grösstentheils der Fall ist

(d. h. bei allen auf einen Mitlaut endigenden Wörtern)

Wir lassen nun zur Uebersicht ein Paradigma folgen:

Singular.

Nom. mäts, ein Mann

tienit. mäts-wä, oder mäts (vorangestellt)

Dativ mäts-e

Instrum. mäts

Accus, mäts

Locativ mäts-da Plural.

Nom. mäts, Männer

Genit. mäts-iä

Dativ mäts-§

Instrum. mäts-e Accus, mäts (mäts-6) Locat. mäts-e-da Format, mäts-e

Ueber das Geschlecht der Nomina habe ich weiter nichts

in Erfahrung bringen können. Ohue Zweifel aber gebrauchen sie

nur Ma.sculinum und Femininum, wie die meisten andern Präkrit-

Sprachen ; ich habe wenigstens keine Spur eines Neutrums wahr¬

nehmen künnen. — Dass das Käfirl keinen Artikel hat, verstellt

sich wohl von selb.st.

Wir lassen nun einige Beispiele folgen, die den Käfirs vor¬

gelegt, und genau niedergeschrieben wurden, um die Flexionsverliält-

nisse daraus kennen zu lernen, da sie natürlich keine Antwort auf

grammaticalische Fragen hätten geben können.

Das ist das Haus des Sahibs: yak äma Sähib-wä sc ').

Das ist Gärä's Pferd: yak güru Gärä-wä se.

Ich gebe diese Sache dem Sähib: ci yak diinoat Sähibe blTm.

Ich sehe diesen Mann : ei yak mäts käsim.

Gärä ist in diesem Hause: Gärä tiko äma da se.

Gärä ist in diesem Dorf: Gärä tiko gläm da se.

Durch den Sähib wurde gesagt: Sähib bala.

1) Ich habe die kurzen Silben überall da bezeichnet , wo solches nothig schien. Auch der Accent ist durch einen Acut hervorgelioben.

Bd. XX. 26

(22)

98 Trumjjp, üher die Spraehe der sog. Kaßrs im ind. Catccaeus.

Beispiele, welche den Plural enthalten:

Diese Männer sind gut: sige mäts maista sin.

Diese Weiber sind gut: sige istri maista sin.

Das Haus dieser Männer: äma sige mäts-iä.

Dieser Hund ist von diesen Männern : yak kijri sige mäts-iä sß.

Ich gebe diesen Hund diesen Männern : yak kiiri sige mätsg blim.

Icb sebe diese Männer: ei yake mätsC käsim.

Beispiele über den Genitiv (ohne Affix).

Was ist der Name deines Vaters? Tua däi näm kä se?

Was ist der Name deiner Mutter? Tua ärau näm kä sC?

Das ist das Haus meines Bruders. Yak ama ima blä se.

Das Haar deines Hauptes ist schwarz. Tua sä drS sikista se.

Komm zu dem Hause des Sähibs: Sähib äma da ei.

Ich gehe zu dera Hause des Vaters : Ei dai äraa da dira.

In allen diesen Beispielen steht das Noraen, das ira Genitiv stehen sollte, voran und bezeichnet dadurcb das Abhängigkeitsverbältniss

von dera folgenden Nomen. Eine nähere Einsicht in diese Flexions¬

verhältnisse wird uns aber erst dann möglich werden, wenn die

Sprache raehr ira Zusararaenhange vor uns liegen wird.

IH.

Adjective.

Es sind rair in den abgefragten Beispielen nur weuige Adjectiva in die Hände gefallen; so viel aber geht aus denselben klar hervor,

dass das Adjeetiv, wie im Persischen, keinerlei Veränderung der

Zahl noch des Geschlechts zulässt, was allerdings eine auffallende

Erscheinung in einer Präkritsprache ist, und einen wesentlichen

Unterschied von den indischen Schwestersprachen hervorbringen

würde, in denen das Adjeetiv noch seine volle Uebereinstimmung

mit dem Substantiv in genere, numero et casu bewirkt, sofern es

überhaupt noch (durch einen auslautenden Vocal) der Flexion fähig

gebliehen ist.

Ich habe, um die Stellung des Adjectivs zu seiuem Substantiv

etwas näher kennen zu lernen, die folgenden Beispiele abgefragt:

Dieser Mann ist gut: yak mäts maista sii.

Dieses Weib ist gut: yak istrI maista sS.

Diese Männer sind gut: yake mäts raaista sin.

Jene Weiber sind gut: sige istrI raaista sin.

Verzeichniss einiger Adjective.

Gross, anli; vielleicht von („very").

Wenig, abellk; vielleicht von ^^R,-

Viel , raala.

Recht, thik; Hindi 'ct^-

(23)

Tnimpp, iilier die Sprache der sog. Kaßrs im ind.. Cajicam/s. 399 Schwarz, sücista.

Gut maista (vielleicht von <H | ^ ^ ?).

IV.

Pronomina.

.1) Persönliche Pronomina.

Ei Ich.

Singular.

Nom. Ei Ich

Genit. ima mein, meine.

Dativ. Unbekannt.

Instrum. yü, durch mich.

Locat. yü da in mir.

Plural.

Nom. ima wir.

Genit. imna, von uns, unser.

Dat. Unbekannt.

Instrum. ima, durch uns.

Locat. ima dl, in uns.

Es ist mir nicht gelungen, aller einzelnen Casus der Pronomina

habhaft zu werden; ich gebe daher nur diejenigen Formen, die ge¬

sichert, sind.

Das Pronomen der ersten Person bietet schon eine sehr starke

Contraction dar, wie wir sie in den übrigen indischen Dialecten

nicht vorfinden; es bat sich aus der Präkritform verflüchtigt,

wie sich das SindhI äü umgekehrt gedehnt hat. Der Genitiv ima

ist aus ^l^l (oder besser M'^) abgekürzt, mit einem Vorschlags-

vocale. Auffallend^ ist der Instrumentalis Sing. yü. Wir finden aber

schon im Apabhransha-Dialect (der früher ohne allen Zweifel der

nächste westliche Nachbar der Käfir-Sprache war, ehe dieses Volk

in die nördlichen Gebirge zurückgedrängt wurde) einen Instrumen-

• ♦

talis ^5^5 der durch das Sindhi ausgetragen wird, obschon

es noch Lassen (Instit. Ling. pracr. p. 468) bezweifelt, dass

von abgekürzt sein sollte. Im Kafiri wäre y ein eupho¬

nischer Vorschlagsvocal , und 5 wäre zu ü gedehnt, was jedenfalls

durch das Sindhi ä-u hinlänglich belegt werden könnte. Dieser

Instrumentalis dient zugleich auch als Formativ-Casus (au den

die Postpositionen herantreten), was auch bei dem SindhI ä der

Fall ist.

2 9* 2(i *

(24)

400 Trumpp, üher die Spraehe der sog. Kafirs im ind. Caucasus.

Der Plural ima, wir, obschon der Form nach jetzt identisch

mit dem Genitiv Singular ima, ist offenbar von dem Prakrit Nom. Plural

abgeleitet ( Hindi ). Der Genitiv Plural imua entspricht

dem Prakrit Genitiv plur. Wft- I^^r Instrumentalis lautet eben¬

falls ima, und weist gleichfalls auf den Prakrit Instrum. plur.

^I^f^ (mit Abwerfung von f^) zurück-, der Instrumentalis

dient, wie auch der Singular, zugleich als Formativ-Casus. Das

Pronomen des Plural lautet auf diese Weise völlig monoton, was

auffallend ist. Ob sich vielleicht in meiner Auffassung ein Fehler

eingeschlichen hat, was bei einer nur wenige Tage dauernden Unter¬

redung mit wilden Menschen gar leicht möglich ist, müssen weitere

Untersuchungen zeigen.

Tu, dü.

Singular.

Nom. Tü, du.

Genit. tua, dein, deine.

Dativ. Unbekannt.

Instrum. tü , durch dich.

Locat. tü da, in dir.

Plural.

Nom. wT, Ihr.

Genit. ya, euer.

Dativ. Unbekannt.

Instrum. wi, durch euch. .j

Locat. Wl da, iu euch.

Das Pronomen der zweiten Person hat sich im KatirT verkürzt

(tü), während es sich in den meisten indischen Sprachen verlän¬

gert hat (tü, tu). Der Genitiv tua ist gauz das prakritische

; der Instrumentalis hat sich aus dem prakritischen rf2, g''"*'

auf dieselbe Weise gebildet, wie yü aus '^S^, uur scheint es kurz

geblieben zu sein. Der Instrumentalis dient auch, wie schon öfters

bemerkt, als Formativ-Casus. Der Plural Nominativ vi ist ganz

gegen alle indische Analogie; nur das Sindhi kennt die analogen

Formen '^o^ avhi und ^ST^ avi, die von einem im Sansk.

und Präkrit nicht mehr im Nom. Plur. gebräuchlichen Pronominal-

Stamm «f abgeleitet sind. Bopp's Vermuthung (II, §. 337) trifft

hier wörtlich ein, dass man von dem Pronominal-Stamm ^ einen

Plural vi erwarten sollte.

(25)

Tnimpp. über die Sprache der sog. Kafirs im ind. Caucasus. 401

Merkwürdig ist, dass dieser Pronominal-Stamm im Genit. Plnr.

wieder verlassen und auf den im Sansk. gebräuchlichen Stamm yu

(in yushme) cf. Bopp, Compar. Gramm. II, §. 334. zurückgegriffen

wird i der Formativ Instrumentalis ist ebenfalls vi.

Siga, Er, sie, es.

Singular.

Nom. Siga, Er, jener etc.

Genit. siga, seiner, sein.

Dativ. Unbekannt.

Instrum. siga, durch ihn.

Locat. siga da, in ihm.

Plural.

Nom. sigl, sie, jene.

Genit. siga, ihrer, ihr.

Dativ. Unbekannt.

Instrum. sigö, durch sie.

Locat. sige da, in ihnen.

Die Bildung dieses Pronomens ist sehr auffallend; seine Form er¬

innert an das Pastö m3> (ähnlich dessen Etymologie auch

dunkel ist. Es scheint jedoch mit dem Sindhi Pronom. 5^ ,jener"

zusammenzuhängen = iiMt) > mit dem Adjectiv-Affix das

im Kafiri in die media g herabgedrückt worden wäre; in Folge des

.\ffixcs wäre das ö von sö zu i verflüchtigt worden.

Im Singular bleibt siga unverändert durch alle Casus. Der

Plural lautet durchaus sigl, mit Ausnahme des Genitivs, der die

Form sigä, statt sigia, wie zu erwarten war, darbietet.

Die Pronomina scheinen also auch im Käfirl ihren eigenen Weg

zu haben, der mit der Flexion der Nomina nicht ganz übereinstimmt.

2) Possessive Pronomina.

Die possessiven Fürwörter sind die Genitive der für sich stehen¬

den persönlichen Fürwörter, die im Kafiri als eigentliche Adjectiva

betrachtet und auch so gehandhabt werden; sie sind:

Singular. Plural,

ima mein. imua unser,

tua dein. yä euer,

siga sein. sigä ihr.

Um die possessiven Fürwörter zu belegen, fragte ich die fol¬

genden Beispiele:

Mein Haus : ima ama

Dein Haus: tua ama

(26)

402 Trump2>, über die Spi-aehe der sog. Kafirs im iiui. Caucasus.

Sein Haus: siga äma

Unser Haus: imua ama

Euer Haus: ya äma

Ilir Haus: sigä ama.

Interessant ist das Factum, dass das Käfirl, wie das Sindln, Pastö

und Persische, Pronominal-Suffixa gebraucht, die, soweit°ich

deren habe habhaft werden können, mit dem SindhT eine grosse

Aehnlichkeit haben, z. B. naukar-sin, sein Diener; tu mulawcse,

verstehst du es? sin ist das Suffix der III pers. Sing, in den No-

minibus, siudhT sS, pers. (Prakrit ^)^). Bei den Zeitwörtern

ist es se, wie im SindhT. Das Suffix der I pers. Sing, ist im, wie

ustim , meine Lippe, SindhT me , persisch am , P.astö me. Die übri¬

gen Suffixa sind nicht in meine Hände gefallen, sind aber ohne

Zweifel alle vorhanden.

3) Demonstrative Pronomina.

Davou siud mir nur zwei vorgekommen; das schon eben behandelte

siga, und yak dieser.

Singular.

Nom. yak, dieser, diese, dieses Uebrige Casus unbekannt.

Plural.

Nom. yake , diese.

Genit. yakia, dieser.

Instrum. yake, durch diese.

Format, yaki.

Dieses Fürwort ist mit dem Hindi Demonstrativ «jj^ (Hindflstänl

_4j yeh) verwandt, was ans dem sansk. Adv. hier, durch

Anfügung des Adjeetiv-Affixes k, entstanden zu sein scheint. Die

Flexion des Plurals ist ganz regelmässig ; der Singular ist mir in

den obliquen Casus nicht vorgekommen.

In einigen Beispielen ist mir ein Demonstrativ tiko vorge¬

kommen. Es fragt sich nun, ob es ein unabhängiges Fürwort ist,

oder aber der oblique casus von yak (oder einem anderen Demonst.),

wie im HindhT Formativ fff (wie TTTetc.); ebeuso

SindhT ^5 Formativ ff^j Hindi ebenfalls ^ oder ifY (oder

). Beides ist möglich.

1) Im Pastö lantet et ye, indem se znerst In be verwandelt nnd h sodann elidirt worden ist.

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