Die Sprache des Josippon^).
Von
siegmund Fraenkel.
In seiner kürzlich erschienenen Abhandlung: ,Zur Kritik des
Gorionides' (Nachr. von der Kön. Ges. der Wissensch, zu Göttingen
1895 S. 391 ff.) äussert sich K. Trieber über die Sprache des
echten Josippon, der Autor schreibe ,in biblischem StUe und
in reinem Hebräisch". Zum Theil trifft diese Bemerkimg zu.
In der That wimmelt das Buch von biblischen Phrasen. Wo
es nur irgend möglich war, hat der Verfasser mit den Worten
der Bibel selbst gesprochen. Es folge hier eine kleine Auswahl
seiner Reminiscenzen aus Capitel 20 bis 25.
mini -,3t ns nnttn nnw (Cap. 20, 33»'2) Exod. 17, 14. -jssD
bail riatab (Cap. 20, 33'» 2) Jes. 34, 2. oui "iion niisn ijbD
(Cap. 20, 35" 1) 2. Sam. 16, 7. iab iNbM lUJN NIM nr iNi ni NIM i^3 (Cap. 20, 34" 2) Esth. 7,5. ijiban nnn Dijaittbi iDinnn ü^ny -onn
(Cap. 20, 35" 1) Psalm. 47, 4. nbNrt mriri bD nN iJiNlttt p b»
^ (Cap. 20, 36<'2) Deut. 17, 1. ynsn bs "^nD "^bn (Cap. 20, 37" 2)
Gen. 39,1. üVi üS' bsan ninm riDi-in bsa (Cap. 20, 37"2)
Esth.- 3, 12. iab t»bn (Cap. 24, 41»i) Esth. 7,5. mn nMn aban
(Cap. 24, 41« 1) 2. Sam. 9, 8.
Dass der Autor aber weit davon entfemt ist, eine ,rein bib¬
lische" Sprache zu reden, hat bereits Zunz, Gottesdienstliche Vor¬
träge ^, 148, Anm. c und d, klar gelegt, indem er bei ihm eine
grosse Anzahl spätrabbinischer Ausdrücke und Wendungen nachweist.
Hier mögen einige weitere folgen:
mmna bc: nnia ,er wurde noch nachdenklicher". Cap. 30,47*i,
nnd so öfter inra-, "nyiffl y^b „ohne Maass" Cap. 23, 40»2;
tiioab nnn ibinn nr naoai Cap. 135, 51»2; miiTD« (öfters)
u. a. m.
Pällt schon diese merkwürdige Mischung biblischer Sprache
mit späteren Wendungen auf, so noch mehr ein Anderes.
1) Ich citire nach Capiteln der Volgat. und nach Seiten und Columnen der Edit, princ, die mir aus der Bibliotbek des jttdisch-theologischen Seminars in Breslau durch Herm Dr. Brann mit Erlaubniss des Curatoriums gütigst ge¬
liehen wurde.
Fraenkel, Die Sprache des Josippon. 419
Unser Autor hat eine gewisse Vorliebe für allerlei seltenere
Eigenthümlichkeiten der Bibelsprache. So schreibt er Mssüna p hy
pNM nt* ■'T'a , deshalb wurde in meiner Hand die Schüssel um¬
gewendet" Cap. 30,46*2 paenult.; ebenso iSSn ^bai nN icmii
Oap. 30, 46''2, 12 v. u. (Vgl. Jos. Bell. I, 82.) Gewiss kennt das
alte Testament diesen Gebrauch, aber schon in den spätern Büchern
ist er verschwunden, vollends natürlich in der MiSnäh und ähn¬
lichen Werken.
Noch seltsamer aber berührt die Verwendung hebräischer Wörter
in Bedeutungen, die sie weder im A. T. noch im späteren jüdischen
Schriftthume, noch überhaupt bei einem anderen Autor haben.
Klagel. 1, 15 wird das Verbum nbo so gebraucht, dass man
darin den Begriff des „Niederwerfens" finden kann. (Das Targum
fasst es als „sammeln", RaSi als „treten", die Neueren als „ver¬
achten".) Dies Verbum ist nun bei unserem Autor, der viel mit
Schlachten zu thun hat, an einer grossen Zahl von Stellen in der
Bedeutung „niederstrecken" gebraucht, activisch und passivisch.
Es wird nützlich sein, sie hier zum Theil einzeln anzuführen, weil
sich in ihnen auch gleich andere Stileigenthümlichkeiten zeigen.
DJTOnw nbo nia-n Cap. 20, 34" i ; n-'nn Qia-i di-isd arra nboi
Cap. 20, 35»2; iBiN f\bn Qittj:« nsma nboi Cap. 21, 36" i. Eben¬
so passivisch: mw3 nann DiJiin p Ninn anpa ibioi ('iu ist
zu miia zu ergänzen); noDU pNb DuMin Ninn anpa ibioi
Cap. 23, 38*1; iniub iffiSNa ibiD Diam Cap. 31, 47" 2; ibiDi
tjbN 'b inpn DSM anpa Ninn ora Cap. 20, 36 i ; nwnbwn nbnnai
niia DiDbN nsnN ibio Cap. 25, 41" i.
Von diesem Gebrauche ist im späteren Schriftthume keine Spnr.
In ziemlich derselben Weise verwendet er ein anderes hebrä¬
isches Verbum. y^i bedeutet im A. T. stets „ausbreiten" (vom
Lager). Unser Autor gebraucht es mit Vorliebe vom „Hinstrecken"
der Feinde, nnnbna »iJtn pipa iniaa s\bin 'Dp Cap. 21, 35"«;
niia qbN '» Ninn nnnbna isitm Cap. 23, 39" 2 u. 0. Kein
Schriftsteller kennt sonst diesen Gebrauch.
nao, das im A. T. nur „verschliessen" heisst (von der Thür u. ä.)
braucht unser Autor seltsamer Weise vom Beendigen des Lebens,
imi riK niaob „seiu Leben zu bescbliessen" Cap. 25, 41" 1; nnao nmi i^sie beschloss ihr Leben" Cap. 35, 51" 1.
Nicht ganz so merkwürdig ist die Redensart TOii Dnn „er
beschloss sein Leben" Cap. 27, 44» 1, da wenigstens onn im späteren
Schriftthume eine gewisse allgemeine Bedeutung gewonnen hat (vgl.
Levy, Nhbr. Wb. s. v.). Dagegen ist nao in dieser Verbindung
sonst unerhört.
nTn kommt im A. T. nur als „Bruststück" (des Thieres) vor,
unser Autor schreibt: DiBinaN iD©a imn nN "^il „er schlug seine
Brust mit beiden Fäusten" Cap. 30, 46" 2.
nTN, im A. T. nur „umgürten", verwendet der Verfasser in
27»
folgender Verbindung: T'n« mi^ö nN mTN'T „er trat die Herr¬
schaft seines Bruders an'.
Alle solche Wendungen und Gebrauchsweisen — sie lassen
sich noch vermehren — kennt nur unser Autor.
Nun aber das Seltsamste. Josippon verwendet für den Genitiv
theils den altbebräiscben Status constructus , theils führt er ihn
durch das spätere bis der MiSnäh ein. Man vgl. die folgende Stelle,'^
die zugleich ein Beispiel für die Schwerfälligkeit sein kann, die er
nicht selten im Stile zeigt: -;b»n bia NBin bN Din nN nc^t „er
trug das Blut zum Arzte des Königs" Cap. 30, 46''2.
Dieses blö ist mm, wie auch die Alten erkannten, aus'b liON
entstanden. Nun braucht das A. T. b lUJN nicht selten zur Um¬
schreibung des Possessivpronoraens oder zur Bezeichnung einer An¬
gebörigkeit bei Eigennamen. Dagegen ist es völlig imerhört
und von keinem hebräisch schreibenden Autor je versucht worden,
diese Construetion beliebig auch bei anderen Genitiven , etwa des
Stoffes, oder dergleichen, zu verwenden. Nun schreibt aber unser Autor
antb "iiöN lpi „einen goldenen Weinstock' Cap. 87, 54* 1, 1©N p
anxb „einen goldenen Garten" ib. (Jos. Ant. XIV, 35 ftr« äfineXo^
UTE xi^noq.) Die Construetion anTb "ifflN "iESm kehrt bei der
Beschreibung des berodianischen Tempels Cap. 55, 78* 1 wieder.
Nicht ganz so seltsam aber wunderlich genug sind Constructionen
-innb ITBN bp» nNi Cap. 83, 48'' 2 (kurz vorher D"'n73nn mbpW nNi).
(Jos. Ant. xin, 372 &vpaovs ix cfoivixtuv.)
Hier nun hat sich der Autor verrathen. Ist schon die fiüher
aufgewiesene seltsame Mischung verschiedener Stilformen verdächtig,
so zeigt diese eine Seltsamkeit, dass wir es mit einem Pälscher
zu thun haben, der ganz bewusst und klüglich möglichst archaistisch
zu reden versuchte , um nicht erksumt zu werden. Dass er aber
in diesem Bestreben so weit ging, Constrnctionen zu versuchen, die
sprachlich unmöglich sind, entlarvt ihn. Er wusste wohl, dass die
MiSnähform b« aus b- -»iBN- entstanden ist und so schien es ihm
angemessen, gelegentlich diese ältere Construetion anzubringen. Aber
es ging ihm wie allen Genossen, die falsche Anwendung verräth
ihn. Njm verste,hpn wir Alles. Der Autor versucht hebräisch zu
schreiben. Da a^r sein Stoff mit dem Sprachschatse des A. T.
vielfach nicht dargestellt werden kann, so muss er natürlich häufig
zu späteren Wendungen greifen, wie sie, von. Zunz (u. a. 0.) und
oben' nachgewiesen wurden.
Auf solche Weise werden uns. auch die eigenthümlichen Bilder
und Metaphem, die sich zu Dutzenden in dem Buche finden, begreif¬
lich. Vgl. nnpbsin pny ^ina r^** ''^u-'i Cap. 24, 40» 1 (vgl.
dagegen 2. Sam. 11, 15) „er versenkte sich in das dichteste,.Kriegs¬
gewühl "; nma;!. inn^, niOfibM „4ie, Kriege wu,chsen in. ihrem
Hause' Qap., 35, Hi" 2. nttnbnn. la inv- laipgi 13^ "vinqpt t^b'n
"|iyn by Dnb; laN „und d^r JüngUng käpjipfte in seinem Herzen
und Inneren einen grösseren Kampf, als uni di?. Stedt" Cap. 27, 43* 1.
Fraenkel, Die SpracJie des Josippon. 421
TT^Sp HNT rmmbK nN laiprt b-'o'' 1©ND Cap. 20, 35* i
(Er fällte die Feinde) „wie der Schnitter seine Garben — und nun
mit charakteristischer Häufung des Bildes — und die Garben seines
Schnittes Mit". (Hier mag auch noch die Redensart aiyN Nbi
by pN "lä »ich werde keinen Stein auf dem andern lassen"
.Cap. 25, 41*1 (Reminiscenz an Matth. 24, 2(!)) angemerkt werden.)
Diese Beispiele werden genügen.
Mit dem Nachweise, dass der Josippon das Werk eines Fälschers
ist, der es durch möglichst alterthümliche und seltsame Wendungen
zu drapiren versuchte, ist wohl zugleich das Urtheil über die An¬
sicht Triebers gesprochen, der sein Buch als historische Quelle zu
verwerthen denkt. Sollte hierüber jemand noch im Zweifel sein,
so wird es nicht schwer sein zu zeigen, dass alles Wesentliche
darin aus den Apokryphen (1. und 2. Makkab.) und Josephus zu.-
sammengestoppelt ist. So ziemlich das Einzige, was der Verfasser
hinzufügt, sind einige Reden an Stellen, wo Josephus objectiven
Bericht giebt.
Eingehendere Mittheilungen über die späteren Bearbeitungen
des Josippon seien einem weiteren Artikel vorbehalten. Nur eine
Bemerkung sei noch gestattet. Rappoport hat bereits vennuthet,
dass das Vaterland des Buches Italien sei. Da allerlei — nicht
wenige — Zeichen verrathen, dass der Verfasser des Griechischen
kundig war, so wird sich jetzt wohl genauer Unteritalien als seine
Heimath feststellen lassen ; hier war ja, wie wir aus Ascoli's Samm¬
lung jüdischer Grabinschriften wissen , das Griechische noch in
späterer Zeit die Sprache auch der Juden. Hier konnte also etwa
ein Arzt seine Apokryphen und seinen Josephus lesen und excer¬
piren. Dass es ' ein Arzt gewesen, möchte ich aus der oben S. 420
mitgetheilten Bemerkung scbliessen, da Josephus (Bell. I, 82 Ant.
XIII, 314) nichts davon berichtet, dass das Blut dem Arzte gezeigt
werden soll. —
Sein Buch hat jedenfalls Generationen eine angenehme Lectüre
gewährt.
Aber nun , wo ernsthaft der Versuch gemacht wurde , sein
Werk als historische Qnelle zu verwerthen, war es nöthig, es nach
Zunz nochmals näher zu betrachten und seinen wahren Charakter
zu untersuchen. Zunz hat vornehmlich aus sachlichen Momenten
geschlossen, dass der Josippon zu den pseudepigrapbischen Litteratur-
erzeugnissen gehöre. Da in den vorstehenden Ausführungen das¬
selbe auch von sprachlichen Gesichtspunkten aus erwiesen
worden ist , so darf wohl ein weiterer Versuch , dem Josippon ein
früheres Zeitalter anzuweisen, nicht mehr erwartet werden.
Nachschrift: Auf das Sachliche ist im Vorangegangenen
absichtlich gar nicht Bezug genommen. Doch sei eine Bemerkung
gestattet. Trieber schliesst (a a. 0. S. 402 oben) auf die Vor¬
züglichkeit der Quelle, die dem Verf. des Josippon vorgelegen
u. A. auch daraus, dass er als Namen der Jos< Ant. XIV, 394 auf¬
geführten römischen Befehlshaber DTi^Tis iibion DiNiT'üD"'3 nennt.
Das Cognomen des SSikeuv sei nämlich Pompaedius gewesen und
das sei OT^bTiD. Da nun Josephus von diesem Cognomen keine
Spur habe , so müsse unser Autor es eben aus einer anderen vor¬
züglichen QueUe geschöpft haben. Nun ist aber schon die Aendiv
rung Von DiibniD zu OiiTiottiD durchaus nicht bequem. Wieviel
aber auf die Verlässlichkeit imseres Autors in diesem Betrachte
überhaupt zu geben ist , mag man aus folgenden zwei Beispielen
sehliessen. Er giebt Kilixwv avkwva IJiXXav (Jos. Ant. XIII,
397) durch ib^D nNn ibiN nsi Oipibip nNi wieder. (I>aXkiwv er¬
schemt 54*1 als mbeis (1. "jT-bs-s) d. i. xal 'liakXiaiv, Jos. Ant.
xrv, 33.
423
Vedische Untersuchungen.
Von
Hermann Oldenberg.
1. vahni und Verwandtes.
W. Neisser hat vor einiger Zeit den Nachweis versucht/)
dass der Veda neben dem Worte vdhni , Zugthier'«) ein nur dem
Lautkörper nach mit jenem zusammentreffendes 2. vdhni „erhaben',
„erhebend', „huldigend, betend', kennt. Dieses ist nach N. mit
öhate, väghdt, evxofiai,, ox«, ^o;(Qg verwandt; mit ihm soll das
überwiegend als Schlussbestandtheil von Compositen erhaltene vähas
sowie vdhistha zusammengehören. Mir scheint, dass diese Auf¬
stellungen neben ihrer Bedeutung für die Exegese einer ansehnlichen Anzahl von Vedastellen ein principielles, die Methode der vedischen
Wortforschung berührendes Interesse besitzen, so dass eine emeute
Discussion der Frage nicht überflüssig sein wird.
Zunächst ein Blick auf die Lautverhältnisse. Bei vdhni deutet
das h vor folgendem n auf die Aspirata der Palatalreihe, während
uns väghdt in das Gebiet der Velaren führt. Ebenso spricht bei
vdhistha das avestische vazista^) , bei vähas die Vergleichung des
vedischen rtasya vähasä mit avestischem asavozarih*) sehr ent¬
schieden für die Auffassung des Wurzelauslautes als Palatalis, also
flir die Verbindung mit vah „fahren' und gegen diejenige mit
väghdt. Ich erörtere nicht die Wege, auf welchen diese Polgerang
1) Bezzenberger's Beiträge XVIII, 301 fg.
2) So nach Neisser, der S. .103 (vgl. 315, 316) behauptet, dass vdhni nicbt wie völhar jedes Wesen, welches vahati, sondern eben nur das Zugthier bedeute, leb balte die von ibm versuchte Begründung nicht für zureichend.
„Än so festgewordenen Ausdrücken ist nichts zu deuteln" (303) — aber dass vöhni gerade in dieser Umgrenzung fest geworden sei, können wir nicbt a priori wissen, und wenn wir z. B. Savitar als vdhnili II, 38, 1, die Asvin als vdhni VII, 73, 4; VIII, 8, 12, die Visve deväs als vdhnayali I, 3, 9 (vgl. I, 44, 13) finden, scbeint mir eine starke Wahrscheinlichkeit dafiir zu sprechen, dass sie so als Fahrende genannt worden sind.
3) Wenn dies , wie auch Neisser annimmt , in der That mit vedischem vühistha zusammengehört.
4) Siehe Geldner Bezz. Beitr. XIV, 11; anders Bartholomae ebendas.
XVII, 340.