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Epidemiologie, medizinische Biometrie und medizinische Informatik (Q1) - klinische

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Academic year: 2022

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Epidemiologie, medizinische Biometrie und medizinische Informatik (Q1) - klinische

Relevanz des Lehrstoffs näher bringen - aber wie?

Epidemiology, Medical Biometry and Medical Informatics (Q1) – teaching an understanding of the clinical relevance – but how?

• Andreas Stang1• Hans-Werner Hense2• Karl-Heinz Jöckel3

Die Einführung der neuen Approbationsordnung für Ärzte vom 27.06.2002 mit einer nun noch praxisorientierteren Ausbildung im Medizinstudium an deutschen Hochschu- len bietet eine Chance über die bisherigen Unterrichtsangebote der Fächer zu reflek- tieren und zugleich über neue Lehr- und Lernkonzepte im Rahmen des Querschnitts- fachs Q1 „Epidemiologie, Medizinische Biometrie und Medizinische Informatik"

nachzudenken. Wir präsentieren in diesem Beitrag persönliche Lehrerfahrungen an drei medizinischen Hochschulen in Deutschland und machen verschiedene Vorschläge zur Verbesserung der Lehrqualität in diesem Querschnittsfach. Wir beabsichtigen hiermit die momentan laufende Diskussion zu Lehrkonzepten im Q1-Fach weiter zu stimulieren.

The revision of the Approbationsordnung für Ärzte from June 27, 2002, which regulates the educational program at medical schools in Germany can give lecturers of epide- miology, medical biometry and medical informatics (called Q1 course) at medical fa- culties the opportunity to reflect on former teaching concepts and to consider new approaches to better motivate medical students during the mandatory course of Q1.

Here we present our teaching experiences at three medical schools in Germany and provide some ideas how to improve the quality of teaching within these fields. We intend to further trigger the ongoing discussion about teaching concepts in epidemio- logy, biometry and medical informatics.

Keywords: Epidemiology, Biometry, Medical Informatics, Teaching, Faculty, Medical, Germany

1Sektion Klinische Epidemiologie, Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,

Halle (Saale), Deutschland

2Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin, Universität Münster, Münster, Deutschland

3Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland

Originalarbeit

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Das Querschnittsfach "Epidemiologie, Medizinische Biometrie und

Medizinische Informatik (Q1)"

Mit der Einführung der neuen Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) [1] haben deutsche medizinische Fakultäten neue Studienordnungen verabschiedet.

Der Wegfall des AiP (Arzt-im-Praktikum) macht es er- forderlich, dass das Medizinstudium stärker anwen- dungsorientiert ausgerichtet wird, damit die Medizin- studierenden nach dem Studium ohne Absolvierung des AiP auf den Berufsalltag vorbereitet sind. Diese Neuerungen bieten eine Chance, über die bisherigen Unterrichtsangebote der Fächer nachzudenken. Für das Querschnittsfach der neuen ÄAppO "Epidemiolo- gie, Medizinische Biometrie und Medizinische Informa- tik (Q1)" bedeutet dies, dass man über die nach der alten ÄAppO [2] abgehaltenen Veranstaltungen der Medizinischen Biometrie (Biomathematik für Mediziner) und des ökologischen Stoffgebiets (insbesondere Medizinische Statistik und Informatik sowie Teilgebiete der Sozialmedizin) nachdenkt.

Mit dieser Arbeit möchten wir unsere persönlichen Erfahrungen und Ansichten zur Lehre in den Fächern Epidemiologie, medizinische Biometrie und medizini- sche Informatik an medizinischen Fakultäten zur Dis- kussion stellen. Zur Erleichterung des Leseflusses wird im folgenden ausschließlich die maskuline Form verwendet, die hier stellvertretend für die maskuline und feminine Form stehen soll.

Obwohl im Zeitalter der knapper werdenden Ressour- cen in der Medizin, der an Leitlinien orientierten Medi- zin sowie der „evidence-based medicine" mehr denn je ein Verständnis für die Fächer Epidemiologie, Medi- zinische Biometrie und Medizinische Informatik bei Ärzten erforderlich ist, kam bei einer Befragung von Absolventen des Medizinstudiums und von Ärzten zum Zeitpunkt der Facharztprüfung an der Medizinischen Hochschule Hannover heraus, dass etwas über 50%

aller Absolventen und Fachärzte die Bedeutung des Fachs "Ökologisches Stoffgebiet", welches unter an- derem Medizinische Statistik und Medizinische Infor- matik laut Gegenstandskatalog der alten AppOÄ ein- schloss, als gering einstuften [3]. Weitere 15-20%

hielten dieses Fachgebiet gar für überflüssig. Auch wenn diese Umfrage keine repräsentative Umfrage an allen deutschen medizinischen Fakultäten darstellt, nehmen wir an, dass die Geringschätzung dieser Fä- cher an anderen Fakultäten ähnlich ausfällt. Wir glau- ben, dass diese Umfrageergebnisse auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sind.

• 1. Attraktivität des Fachs

Das ökologische Stoffgebiet und die medizinische Biometrie enthalten einen deutlich kleineren Anteil bzw. keinen Anteil kurativer medizinischer Aspekte im Vergleich zu den typischen klinischen Fächern und vermitteln verhältnismäßig wenige praktische Fertig- keiten. Damit werden diese Fächer von werdenden Ärzten, die zu einem großen Prozentsatz an eine zu- künftige klinische berufliche Tätigkeit denken, per se als weniger spannend als Fächer wie z.B. Chirurgie und Innere Medizin eingeschätzt. Andererseits wird aber gerade im Rahmen von Fortbildungen in diesen klinischen Fächern ein erhebliches Maß an epidemio- logischen und biometrischen Grundkenntnissen beim Lesen medizinischer Publikationen bzw. im Kontext der „evidence-based medicine" (z.B. absolute und re- lative Risikoreduktion, Number needed to treat, etc.) von Ärzten abverlangt.

• 2. Dozenten

Die Kompetenz von Dozenten, die Lehrinhalte anhand konkreter medizinischer Beispiele so zu präsentieren bzw. zu üben, dass mit Hilfe dieser praktischen Bei- spiele die nichtkurativen oder theoretischen Aspekte veranschaulicht werden können, ist aus unserer Erfah- rung oft zu begrenzt vorhanden. Dies kann verschie- dene Ursachen haben:

a) Unnötiges Maß an Abstraktion: Wir beobachten ein unnötig hohes Maß an Abstraktion in der Lehre.

So werden Lehrinhalte zu randomisierten klinischen Studien nicht anhand von konkreten Beispielen, die sich sehr leicht aus der medizinischen Literatur (z.B.

New England Journal of Medicine, Lancet etc.) entwi- ckeln ließen, demonstriert, sondern anhand abstrakter Schilderung wie z.B. "in einer Therapiestudie soll ein Medikament A mit einem Medikament B hinsichtlich seiner Wirksamkeit verglichen werden" dargeboten.

Es wird weder mitgeteilt, um welche Erkrankung es überhaupt geht, noch welche konkreten Medikamente verabreicht werden. Eine Rationale (wissenschaftliche Begründung) für den Medikamentenvergleich A versus B wird nicht geboten. Der Endpunkt (Outcome) wird in der Regel nicht näher erläutert. Fachspezifisches Vokabular (Kohorte, Exposition, Outcome, Retrieval, Record Linkage, Placebo) wird zu wenig oder nicht erläutert bzw. als bekannt vorausgesetzt. Zwar kann Abstraktion zur Förderung des logischen Denkens führen, jedoch geht dies häufig auf Kosten der medizi- nischen Plastizität der Beispiele. Die klinisch ärztliche Relevanz wird bei abstrakten Beispielen weniger deutlich. Gegen diese Sicht wird häufig eingewendet, dass konkrete medizinische Beispiele von den Metho- den, die man lehren möchte, ablenken würden, weil die Studierenden zu lange für das Eindenken in die

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medizinischen Sachverhalte bräuchten. Diese Aussage zeigt unserer Meinung nach lediglich, dass das medi- zinische Beispiel entweder nicht gut gewählt wurde, oder dass das Beispiel nicht fokussiert genug präsen- tiert wurde. Darüber hinaus ist anzumerken, dass man das eine tun kann, ohne das andere zu lassen. Nach der Einführung von zunächst abstrakten Konzepten (s.o.) lassen sich praktisch immer medizinnahe Anwen- dungsbeispiele aus der Literatur finden, die sich didak- tisch hervorragend aufarbeiten lassen. Interessanter- weise geht das Problem-basierte Lernen (POL) den umgekehrten Weg. Es startet mit einem konkreten klinischen Problem, welches dann inhaltlich und me- thodisch aufgearbeitet wird.

b) Sorge der fehlenden Authentizität: es wird zum Teil die Sorge geäußert, dass medizinische Lehrbei- spiele, zu denen man selbst keine klinischen Erfahrun- gen hat, nicht authentisch präsentiert werden könnten.

Diese Sorge trifft mehr oder weniger auf jeden Dozen- ten zu, der entweder keine klinischen Erfahrungen hat oder nur klinische Erfahrungen in anderen Gebieten als das Beispiel betreffende Gebiet hat. Hierzu ist zu sagen, dass für Lehrzwecke keine vollkommene medi- zinische Authentizität und Souveränität erforderlich ist. Vielmehr ist es wichtig, die wesentlichen medizini- schen Grundkenntnisse und Denkprozesse, die für die Präsentation des Beispiels erforderlich sind, zumin- dest so weit zu kennen, dass man gegenüber den Studierenden einen fachlichen Vorsprung hat und das Beispiel seinen Mittel zum Zweck im Rahmen der Fä- cher Epidemiologie, Medizinische Biometrie und Medi- zinische Informatik erfüllt, d.h. die methodischen Aspekte an konkreten, medizinischen Sachverhalten illustriert.

c) Puristische Haltung: Gehäuft beobachteten wir Dozenten mit einer ausgeprägten naturwissenschaftli- chen puristischen Haltung, die unter anderem bewirkt, dass sie sich nicht auf die spezielle Situation des Me- dizinstudiums, welches kein streng naturwissenschaft- liches Studium ist wie etwa das Biologie-, Physik-, Chemiestudium, einstellten. So erlebten die Autoren, dass ein Dozent im Rahmen der Veranstaltung Medi- zinische Biometrie (alte Approbationsordnung) zur Il- lustration von Balkendiagrammen Daten zur Autopro- duktion in der ehemaligen UdSSR heranzog, anstatt konkrete klinische Charakteristiken wie z.B. die Häu- figkeit verschiedener Symptome beim akuten Myo- kardinfarkt zu verwenden. Dies geschah unter ande- rem mit dem Argument, dass es bei der Illustration von Balkendiagrammen keine Rolle spiele, welche Charakteristik man beispielhaft herausgreife. Bei die- sem Argument bleibt unberücksichtigt, dass das im Vergleich zu einem naturwissenschaftlichen Studium stärker regulierte (verschulte) Medizinstudium bei

Studierenden zu einer starken Fokussierung auf medi- zinische Sachverhalte zwecks Scheinerwerb führt, so dass die Bereitschaft, Konzepte auch anhand nichtme- dizinischer Beispiele zu studieren, begrenzter ist als in naturwissenschaftlichen Studiengängen. Weiterhin kommt dazu, dass Dozenten oft nicht die Bereitschaft mitbringen, Sachverhalte anhand angemessener Bei- spiele mit einer geeigneten medizinischen Terminolo- gie zu präsentieren.

• 3. Qualifikation von Medizinstudierenden

Aus langjährigen mündlichen und schriftlichen Prü- fungserfahrungen im Medizinstudium haben wir den Eindruck, dass ein nicht unerheblicher Anteil angehen- der Ärzte in Deutschland erhebliche Schwierigkeiten mit selbst einfachsten mathematischen, statistischen oder logischen Sachverhalten hat. Der Kabarettist und Mathematiker Dr. Dietrich Paul beschrieb dies kürzlich so, dass Deutschland schon immer ein Land war, in dem man „ungestraft damit kokettieren kann, dass man in Mathe schon immer schlecht war" [4]. Die Frage, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, mit einem Würfel eine vier zu würfeln, löst bei Medizinstudieren- den zum Teil Schulterzucken aus. Es erscheint aus unserer Sicht geboten, dass Medizinstudierende im vorklinischen Studienabschnitt einen Kursus zu den Grundlagen des logischen Denkens und der Mathema- tik besuchen, da grundlegendes logisches Denken und Mathematikverständnis aus dem klinischen Alltag nicht wegzudenken ist.

Vorschläge zur Verbesserung der Lehrqualität im Querschnittsfach Q1

Wir sehen verschiedene Möglichkeiten, eine Verbes- serung der Lehre in den Fächern "Epidemiologie, Medizinischen Biometrie und Medizinische Informatik"

insbesondere durch die Dozenten zu erreichen:

1. Lehrende sollten sich verstärkt mit didaktischen Prinzipien vertraut machen. Verschiedene Fakultäten bieten inzwischen Lehrenden verschiedene Kurse an (z.B. "Lehren lernen", "Lehrveranstaltungen planen",

"Aktivierende Lehr- und Lernformen" an der Universität Duisburg-Essen in Zusammenarbeit mit dem Hoch- schuldidaktischen Zentrum), die es den Lehrenden ermöglicht, über die bisherigen Lehrfähigkeiten zu re- flektieren und besser geeignete Lehrmethoden anzu- wenden. Bei vorhandener Computerinfrastruktur (Computerräume) an den medizinischen Fakultäten ist auch an einen verstärkten Einsatz von computerun- terstützten Lehr- und Lernsystemen in Zukunft zu denken.

2. Dozenten bereiten Lehrinhalte bzw. Übungen im Verbund mit klinisch tätigen Ärzten vor. Die klinisch-

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tätigen Ärzte könnten realitätsnahe medizinische Bei- spiele ihrer Fachgebiete und eine authentische medi- zinische Terminologie beisteuern und die medizini- schen Sachverhalte zumindest hinsichtlich der Aspekte, die für die Lehre notwendig sind, detailliert erläutern.

3. Ähnlich wie in anderen Studiengängen könnten insbesondere in den Praktika, Übungen und Semina- ren Medizinstudierende höherer Semester, die mit Erfolg das Q1-Fach absolviert haben, schon in der Planung aber auch in der Durchführung mitwirken.

Medizinstudierende des 9. oder 10. Semesters stehen gemäß der neuen Approbationsordnung 1-1,5 Jahre vor der Approbation, d.h. der Lizenz selbständig kli- nisch tätig zu werden.

4. Es bedarf regelmäßiger Lehrkonferenzen, bei denen die Dozenten sowie teilnehmende Studierende zusam- menkommen und sich darüber austauschen, welche Sachverhalte mehr oder weniger erfolgreich vermittel- bar waren. Dabei ist nicht nur der lockere Austausch von Bedeutung, sondern insbesondere auch das Er- gebnis von Lernerfolgskontrollen. Sachverhalte, die als weniger erfolgreich bewertet werden, bedürfen der inhaltlichen Überarbeitung. Hierzu wäre eine verbind- liche Evaluation durch alle Medizinstudierende (und nicht nur einem Teil von hochmotivierten Medizinstu- dierenden), wie sie bereits von einigen medizinischen Fakultäten in Deutschland bereits durchgeführt wird, sehr hilfreich.

5. Das Q1-Fach sollte in zwei Untereinheiten unterteilt werden. Teil 1 sollte so früh wie möglich, d.h. im 5.

Semester angeboten werden. Dieser Teil, der nur etwa 1/3 des gesamten Q1-Fachs ausmacht, würde einfachs- te Grundlagen vermitteln, die für das Verständnis der klinischen Veranstaltungen wichtig sind. Dazu gehören Kenntnisse diagnostischer Indizes (Sensitivität, Spezi- fität, negativer & positiver prädiktiver Wert) und epide- miologischer Maßzahlen (Inzidenz, Mortalität, Präva- lenz und Letalität). In einem Teil 2, der erst später im Medizinstudium angeboten werden sollte, sollten dann vertiefende, medizinnahe Aspekte der Epidemiologie, Biometrie und Medizinischen Informatik gelehrt wer- den. Der Vorteil dieser Zweiteilung liegt unter anderem darin, dass Medizinstudierende höherer klinischer Semester bereits aufgrund praktischer Erfahrungen im Rahmen von Famulaturen und aufgrund der Erfah- rungen bei der medizinischen Doktorarbeit den Inhal- ten der Epidemiologie, Medizinischen Biometrie und Medizinischen Informatik aufgeschlossener sind, als Medizinstudierende des 5. Semesters, die sich nach 4 Semestern der vorklinischen Ausbildung insbeson- dere in den biomedizinischen Grundlagen darauf freuen, verstärkt klinische Sachverhalte und Fertigkei- ten zu erlernen. Für den Lehrenden ist es außerdem

einfacher, nachvollziehbare, medizinnahe Beispiele zu finden.

6. Die Fächer des Medizinstudiums sind inhaltlich überfrachtet. Das Q1-Fach und auch die übrigen Fä- cher sollten entrümpelt werden. Der Gegenstandska- talog der alten ÄAppO war überladen und spiegelte die fehlende Bereitschaft der einzelnen Disziplinen (Epidemiologie, Medizinische Biometrie und Medizini- sche Informatik) wider, die Stoffmenge zu Gunsten eines tieferen Verständnisses wesentlicher und häufig vorkommender medizinnaher Sachverhalte, die klini- sche Relevanz erkennen lassen, zu begrenzen. Hier- unter litten die Gegenstandskataloge anderer medizi- nischer Fächer in vergleichbarer Weise. Das Q1-Fach sollte und könnte weit mehr klinische Sachverhalte (z.B. diagnostische Tests, Evaluation der Prognose von Erkrankungen, Prinzipien der Therapiestudien, Lesen medizinischer Publikationen, häufig benutzte medizinische Klassifikationen) behandeln und komple- xe statistische Sachverhalte (z.B. Proportional Hazards Regression, Varianzanalysen etc.) und andere kom- plexe Methoden, die bei den wenigen Vorlesungsstun- den und Übungsstunden dem Medizinstudierenden ohnehin verborgen bleiben, einschränken. Es ist eine Fehlvorstellung, dass Medizinstudierende eine Über- sicht zu den epidemiologischen, biometrischen und medizin-informatischen Verfahren im Rahmen des Q1- Fachs erlangen könnten. Wünschenswert ist es aus unserer Sicht, dass ein Medizinstudierender in die Lage versetzt wird, eine ordentliche deskriptive Statis- tik zu erstellen bzw. zu interpretieren (z.B. Mittelwert, Median, Streumaße, Proportionen etc.) und wissen- schaftlich-medizinische Publikationen mit Hilfe von Grundlagenkenntnissen der Fächer Epidemiologie, medizinische Biometrie und medizinische Informatik kritisch zu lesen. Das Beherrschen komplizierter sta- tistischer Schätz- oder Testverfahren ist ähnlich wie die Anwendung komplizierter molekulargenetischer Verfahren für das Medizinstudium nicht essentiell.

Derjenige Studierende, der im Rahmen der medizini- schen Dissertation aufwendigere biometrische, epide- miologische und medizin-informatische Verfahren an- wenden möchte, oder der per se ein verstärktes Inter- esse an diesen Fächern hat, kann und sollte sich an das Institut seiner medizinischen Fakultät wenden, welches diese Fächer vertritt. In der Regel gibt es dort Beratungsmöglichkeiten für Doktoranden und zusätz- liche vertiefende Veranstaltungen, die von Studieren- den besucht werden können. Aus unserer Sicht ließen sich die Lehrinhalte des Q1-Fachs in drei Gruppen unterteilen: a) Grundlagenwissen, welches auch in der Anwendung beherrscht werden muss (z.B. epidemio- logische Krankheits-Häufigkeitsmaße, Mittelwert, Me- dian, TNM-Klassifikation etc.), b) Verständnis von Prinzipien, die nicht notwendigerweise in der Anwen-

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dung beherrscht werden müssen (z.B. Verständnis für Sensitivität, Spezifität, positiven & negativen prädikti- ven Wert) und c) Wissen zu komplexen Verfahren, welches die Einordnung dieser Verfahren erlaubt (In- dikation, Aussagekraft und Limitation). Diese Art des Wissens findet sich implizit auch in klinischen Fächern wider. Beispielsweise gibt es Ärzte, die nicht (mehr) die einzelnen physikalischen Prinzipien des Ultra- schalls im Detail wissenschaftlich erläutern können, die aber dennoch hervorragende Ultraschall-Diagnos- tiker sind.

Unsere Vorschläge beruhen auf persönlichen Ansich- ten und Lehrerfahrungen. Wir können nicht anhand empirischer Studien darlegen, welche unserer Emp- fehlungen zu einer Stärkung in der Reputation und Anwendung der Fächer Epidemiologie, Medizinischen Biometrie und Medizinischen Informatik führen. Fest steht aus unserer Sicht aber, dass insbesondere auf- grund der immer stärker zunehmenden Bedeutung dieser Fächer in der klinischen Medizin ein noch stär- keres Nachdenken über Lehrkonzepte in diesen Fä- chern erforderlich ist, um dem gegenwärtigen Desin- teresse der Medizinstudierenden entgegenzuwirken.

Korrespondenzadresse:

• Prof. Dr. med. Andreas Stang, Sektion Klinische Epidemiologie, Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Magdeburger Str. 27, 06110 Halle (Saale), Tel +49-345-557-3596, Fax:

+49-345-557-3565

andreas.stang@medizin.uni-halle.de

Literatur:

[1] Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002.

Bundesgesetzblatt Jahrgang 2002 Teil I Nr. 44; Available from: http://www.bmgs.bund.de/download/gesetze/...

.../gesundheitsberufe/approbation.pdf

[2] Approbationsordnung für Ärzte -ÄAppO in der Fassung vom 21. Dezember 1989. BGBI I. Available from:

http://www.approbationsordnung.de/AO/ao-alt.pdf [3] Pabst R, Nave H, Rothkötter HJ, Tschernig T.

Lehrevaluation in der Medizin. Dt Aerzteblatt 2001;98(12):

A747-749.

[4] Paul D. Vorsicht Mathematik. Vom Umgang mit einem Fach im PISA-Zeitalter. Forschung & Lehre 2004;8:442-445.

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Referenzen

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