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Das Himmelsjahr
als Grundelement der altorientalischen Chronologie.
Von Eduard Mahler.
Vor kurzem erst') hatte ich Gelegenheit, mich mit dem im
Felsengrabe des Chnumhotep zu Benihassan verzeichneten t'est-
kalender zu beschäftigen und aus diesem Anlasse für die vier ge¬
nannten Peste : Fest des Jahresanfanges, Pest des Neu¬
jahrs, Pest des großen Jahres und Fest des kleinen
Jahres eine entsprechende Deutung zu suchen. Ich wies da
nach, daß das .Fest des Jahresanfanges' auf das bewegliche Jahr
der Ägypter, das ,Fest des Neujahrs' auf das Sirius- oder Sothis -
jähr Bezug habe. Dementsprechend ist das .große Jahr' jener
Zeitkreis, welcher zum Ausgleich des beweglichen Jahres mit
dem Himmel dient, also die Sothisperiode, die 1461 beweg¬
liche Jahre = 1460 Siriusjahre oder feste Sonnenjahre zählt; da¬
gegen ist das „kleine Jahr' das Quadriennium, welches
das Siriusjahr mit dem Himmel ausgleicht. Ich zeigte aber auch
zugleich, welche hohe Bedeutung dieser Definition im Kulturleben der Völker zukommt.
Es ist: 1460 = 1440-1-20
oder: 1460 = 12 . 120 -|- 5 . 4 somit: 1460 = 12 . (30 . 4) -f 5 . 4 Es sind somit:
1460 Jahre oder 1 Sothisperiode = 12 . 30 Quadriennien
+ 5
■So wie das Kalenderjahr also aus 12 Monaten 80 Tage -|-
5 Tage besteht, zählt die Sothisperiode oder das „große Jahr'
12 Teile ä 30 Quadriennien -|- 5 Quadriennien.
Da nun nach altorientalischer Auffassung den Erscheinungen
auf Erden gleiche Erscheinungen im Himmel entsprechen und alles
irdische Tun und Treiben nur ein Abbild von allen jenen Er¬
scheinungen ist, die sich im Himmel abspielen (so ist der König
ein Vertreter Gottes auf Erden ; die irdische Geographie eine treue 1) Orient. Litteraturzeitung, November- und Dezemberheft 1905, Januar¬
heft 190G.
Kopie der Himmelsgeographie etc.), so gilt dies in noch viel höherem
Maße von der Zeitteilung und dem Kalender, dessen Elemente und
Grundprinzipien ohnehin den Himmelserscheinungen entnommen
vverden. Es entspricht also dem irdischen Kalender ein Himmelsr
kalender, in welchem das Jahr gleichfalls 12 Monate ä 30 Tage -|-
5 Tage zahlt. Der , Himmelstag" ist das Quadriennium,
und'somit ist die Sothisperiode die wahre Dauer des
.Himmels jahres".
Und genau so, wie man im praktischen Leben (bei verschiedenen
Rechnungen etc.), nicht nur im grauen Altertume, sondem auch
heute noch das Jahr zu rund 360 Tagen (nämlich das Jahr zu
12 Monaten, den Monat zu 30 Tagen) zählt, so wird auch bei den
himmlischen Erscheinungen und zwar dort, wo das Himmelsjahr
als Grundlage der Rechnung dient , dieses mit Hinweg¬
lassung der 5 Zusatztage als aus 12 Monaten ä 80 Tagen bestehend
angenommen.
Aber noch mehr! Eine ganze Reihe von Zeitkreisen im
Kalender der Ägypter und der Babylonier, so auch gewisse zyklische
Zahlen, die in der Bibel in so auffallender Weise wiederkehren
(so beispielsweise die Zahl 40), finden durch die Theorie des Himmels¬
kalenders ihre natürliche tmd einfache Erklärung.
* *
*
Da der »große Monat" oder auch , Himmelsmonat*
30 Quadriennien zählte, so war die Triakontaöteride als
Periode von 30 Siriusjahren nichts anderes, als ein Quadrant des
Monatskreises oder ein Monatsquadrant, denn: 80 Quadriennien =
30 4
30.4 Jahre, ein Viertel davon ist sonach = —= 30 Jahre
4
oder auch = 7^/^ Quadriennien. Dieselbe Relation zeigt der
irdische Monat; dieser zählt 30 Tage, ein Quadrant desselben hat
30
«omit ^- = 7'/j Tage. Der Kalender jedoch kennt keine Bruch¬
teile von Tagen, und so wird statt der Tj^ Tage, die einen Mo¬
natsquadranten ausmachen und zur Bildung der idealen oder
wahren Woche führten, als neue Zeiteinheit ein Zeitkreis von
7 Tagen angenommen: die mittlere Woche. Genau dasselbe
gilt natürlich von der .Himmelswoche ' oder großen Woche.
Ihre wahre Dauer beträgt 7*/, Quadriennien oder eine Triakon-
taSteride. Statt der 7^^^ Quadriennien aber, welche die Dauer der
wahren Himmelswoche ausmachen , wird analog dem irdischen Ka¬
lender auch im Himmelskalender eine .mittlere Woche" in
-der Dauer von 7 Himmelstagen (d. h. 7 Quadriennien) angenommen.
Dadui-ch gelangen wir aber zm- Erklärung eines neuen Zeit-
kreises. 7 Quadriennien zählen 7 X 4 = 28 Jahre. Die mittlere
Himmelswoche als chronologischer Zeitkreis in der Dauer von
7 Quadriennien oder 7 Himmelstagen ist also der 28jährige
Mahler, Das Himmelsjahr als Grundelement etc. 827
Zeit kr eis, den wir sonst als Sonnenzirkel kennen. Nun ist
aber die Bedeutung dieses Sonnenzirkels in einfacher Weise ei'¬
klärt: er bildet nicht nur im Himmelskalender ein Analogon zur
Woche des irdischen Kalenders, sondern steht noch in der Beziehung
zu derselben, daß nach Ablauf einer jeden solchen Himmelswoche
die einzelnen Kalendertage des Sii-iusjahres (und so auch des julia¬
nischen Jahres) auf denselben Tag der Woche wiederkehren.
Die Zahl 30 war aber auch sonst von großer Bedeutimg im
Leben der alten Kulturvölker. Nicht nur bei der Dauer des Mo¬
nats (des irdischen mit 30 Tagen, des himmlischen mit 30 Qua¬
driennien) und bei der Länge der TriakontaSteride war sie be¬
stimmend, auch die Dauer einer Generation wurde mit der Zahl 30
bemessen, denn sowohl bei den Babyloniern wie bei den Ägyptern
betrug die mittlere Dauer einer Generation 30 Jahre, und zwar
nicht nur deshalb, weil 30 die Hälfte der so bedeutungsvollen
Zahl 60 war, sondern vielmehr deshalb, weil 30 Jahre einen Qua¬
dranten des himmlischen Monatskreises ausmachten. So wie heut¬
zutage 25jährige Jubiläen begangen werden, weil 25 Jahre ein
ganzes Viertel eines Centenniums ausmachen, so wurden im alten
Orient 30jährige Jubiläen gefeiert, weil 30 Jahre ein Viertel des
großen Monats oder Himmelsmonats ausmachten. Damit wird aber
eine Frage gelöst, die so oft schon die Gelehrten beschäftigte^),
aber niemals befriedigend beantwortet werden konnte. Ich meine
die Angabe des Berosus, nach welcher die gesamte Regierungs¬
zeit der 10 babylonischen Urkönige von der Schöpfung bis zur
Sintflut 432 000 Jahre betrug. Die 10 Urkönige repräsentieren
wie die 10 biblischen Urväter 10 Urgenerationen oder Himmels¬
generationen. Eine Generation zählt 30 Jahre, also hat die himm¬
lische Generation oder Urgeneration 30 Himmelsjahre; da nun ein
Himmelsjahr 12 Himmelsmonate und dieser 30 Himmelstage, d. i.
30 Quadriennien zählt, so beträgt die mittlere Dauer einer Ur¬
generation oder Himmelsgeneration :
30 .12 . 30 Quadriennien
d. i. 30 .12 . 30 . 4 Jahre = 43 200 Jahre
10 solche Generationen haben somit 432 000 Jahre!
Aber noch andere wichtige Relationen kommen der Zahl 30
zu; insbesondere lassen sich diese im Kalender der Babylonier noch
nachweisen. Hier war das Lunisolarjahr die Grundlage des Ka¬
lenders. Dem ist aber ganz gewiß die Anwendung des reinen
Mondjahres vorangegangen. Ein reines Mondjahr zählt 354 Tage
(12 Monate von abwechselnd 29 und 30 Tagen, also 6 X 29 -f
6 X 30 Tage); das wahre Mondjahr hat jedoch 12 X 29,53059 =
354,36 708 Tage, wir haben somit:
1) Siehe auch: Zimmern, „Biblische und babylonische Urgeschichte', AO. U, 3, S. 29.
1 Wahres Mondjahr = 1 Reines Mondjahr -|- 0,36 708 Tage
daher:30WahreMondjahre = 30ReineMondjahre-f 30 X 0,36 708 T.
oder: 30 , , =30 , , +11,01240 T.
d. h. 30 Wahre Mondj. =30 Reine Mondj. +11 Tage.
Also schon die Anwendung des reinen Mondjahres machte
es notwendig, daß von Zeit zu Zeit — u. zw. innerhalb eines Zeit¬
raumes von 30 Jahren llmal — die Länge des Jahres nicht 354
sondem 355 Tage betrag, daß also (wie noch heute im Kalender
der Türken und Araber) einer der sonst 29 Tage zählenden Monate
an 11 festgesetzten Stollen eines SOjährigen Zyklus 30 Tage hatte.
Genau dieselben Zahlen 30 und 11 kommen zum Vorschein,
wenn wir das Verhältnis des reinen Mondjahres (854 Tage) zum
reinen Sonnenjahre (365 Tage) suchen, denn :
1 Reines Sonnenjahr = 1 Reines Mondjahr + 11 Tage
daher: 80 Reine Sonnenjahre = 30 Reine Mondjahre + 11 .30 Tage
d. h. 30 Reine Sonnenj. = 30 Reine Mondj. +11 Monate.
ünd diese Gleichung war es auch, welche sozusagen den Aus¬
gangspunkt oder ersten Antrieb zur Schaffung eines Lunisolarjahres
büdete. Der Aufbau des so zu Stande gekommenen 30jährigen
Lunisolarzykluses war gar nicht schwer : sobald die durch Anwendung
des reinen Mondjahrs von Jahr zu Jahr in Bezug auf das Sonnen¬
jahr erübrigten oder vemachlässigten 11 Tage der Dauer eines
Monates gleichkamen, wurde zu den 12 Monaten des Mondjahres
ein 13. Monat in der Dauer von 30 Tagen hinzugefügt, wodurch
dann das Jahr eine Länge von 384 Tagen hatte. Folgende Tabelle
zeigt dies in übersichtlicher Weise:
Tabelle A.
Länge Fehler in Bezug LtDge Fehler in Bezug
Jabr des auf das reiue Jahr del auf das reine
Jahres. Sonnenjahr. Jahres. Sonnenjahr.
354 Tage + 11 Tage »XVL 884 Tage — 4 Tage
II. 354 » + 22 1» XVII. 854 n + 7 ,
»III. 384 1) + 3 n XVIU. 354 « + 18 ff
IV. 354 n + 14 n »XIX. 384 n - 1 ff
V. 354 » + 25 n XX. 354 » + 10 ,
*VI. 384 » + 6 n XXL 354 II + 21 ff
VII. 354 B + 17 1» ♦XXIL 384 » + 2 ,
»VIII. 384 J) — 2 » XXIII. 354 II + 13 ff
IX. 354 Jt + 9 n XXIV. 354 » + 24 ,
X. 354 n + 20 » »XXV. 384 » + 5 ,
»XI. 384 Tl + 1 n XXVI. 354 II + 16 ,
Xll. 354 tt + 12 ff ♦XXVII. 384 ff - 3 :
XIII. 354 n + 23 ff XXVIII. 354 ff + 8 ,
»XIV. 384 n + 4 ff XXIX. 354 ff + 19 ff
XV. 354 Ä + 15 II »xxx. 384 ff 0 .
ifahler, Das Himmelsjahr als Grundelement etc. 829
Man sieht aus dieser Tabelle — deutlicher als dies die be¬
redtsten Worte zn schUdem vermöchten —, daß dnrch Hinzufügen
von 11 Monaten innerhalb eines Zeitraumes von 30 Jahren das
reine Mondjahr mit dem reinen Sonnenjahr ausgeglichen wird. Die
in diesem Zyklus auftretenden Schaltjahre sind:
in., VI., VIII., XI., XIV., XVI., XIX., xxn., xxv..
xxvn. und xxx.
Solcher Art war also sicherhch der Schaltzyklus, welcher die
Grundlage oder sagen wir den Ausgangspunkt zur Bildung eines
Lunisolarjahres anbahnte, wodurch das reine Mondjahr (= 354 Tage)
mit dem reinen Sonnenjahre (= 365 Tage) ausgeghchen werden
sollte. Sobald man jedoch erkannt hatte, daß das wahre Sonnen¬
jahr nicht 365, sondem 365^ 4 (= 365,25) Tage habe und die
mittlere Dauer des Mondmonats nicht 29^'^ (= 29,5), sondem
29,63059 Tage, das wahre Mondjahr also nicht 354, sondem
354,36 708 Tage zähle , da hatte man auch die Unzulänglichkeit
des obigen Kalenders erkannt und diese nach MögUchkeit zu be¬
heben gesncht. Das Verfahren, das hierbei berücksichtigt werden
mußte, war ein verhältnismäßig leichtes. Das Jahr hatte auch
femerhin im allgemeinen 354 Tage ; nur dann, wenn die Differenz
zwischen dem reinen imd wahren Mondjahre zu einem vollen Tage
anwuchs, da wurde — wie friiher im reinen Mondjahre — die
Dauer des Jahres um 1 Tag vergrößert, so daß in diesem Falle
das Gemeinjahr nicht 354, sondem 355 Tage zählte. Ebenso wurde,
wenn die Differenz zwischen der Dauer des Sonnenjahres und dem
Mondjahre (also die Zahl 365.25 — 354 = 11,25) zn einem vollen
Monate anwuchs , das Jahr in ein Schaltjahr umgewandelt und
zählte dann nicht .354, sondem 3S4 Tage. Die hier mitgeteilte
Tabelle B zeigt den Mechanismus, der gar nicht viel Bechenkunst
erfordert, in übersichtlichster Weise. Das erste Jahr hatte 354 Tage:
dadurch entstand in bezug auf die Sonne ein Fehler von 11,25 T.,
in bezug auf den Mond ein Fehler von 0,36 708 Tagen. Am
Ende des zweiten Jahres wuchsen diese Fehler zu 22,50 Tagen,
beziehungsweise 0,73416 Tagen an, und am Ende des dritten
Jahres war der Fehler in bezug auf die Sonne bereits zu 33.75 Tagen,
der in bezug auf den Mond auf 1,10124 Tagen angewachsen.
Die Folge davon war, daß man diesem Jahre einen 13. Monat in
der Dauer von 30 Tagen hinzufugte und auf diese Weise die Dauer
dieses Jahres auf 384 Tage erhöhte. Dadurch wurde der Fehler
in bezug auf die Sonne auf nur mehr 3,75 Tage herabgedrückt,
aber auch der in bezug auf den Mond wurde dadurch herabgedrückt.
Denn indem man einen 30 tägigen Monat hinzufügte . wo die
wahre Dauer eines Mondraonats aber nur 29.53 059 Tage beträgt,
hatte man den früheren Überschuß in bezug auf den Mond, der
1,10124 Tage ausmachte, um 30 — 29,53059 = 0.46941 Tage
vermindert, und so war am Ende des dritten Jahres, das in der
geschilderten Weise zu einem Schaltjahre von 384 Tagen gemacht
wurde, der Fehler in bezug auf den Mond nur mehr 0,63183 Tage.
Am Ende des nächsten, also des 4. Jahres, wuchs der Fehler in
bezug auf die Sonne wieder zu 15,00 Tagen an, der in bezug auf
den Mond auf 0,99891, d. i. auf fast 1 Tag an. Die Folge da¬
von war, daß dieses 4. Jahr, um mit dem Monde in Übereinstim¬
mung zu bleiben, um 1 Tag vergrößert wurde, also 355 Tage
zählte , wodurch die Differenz in bezug auf den Mond auf
-— 0,00109 Tage herabgedrückt wurde, aber auch die in bezug
auf die Sonne um 1 Tag kleiner wurde. Indem man dies so fort¬
setzte, gelangte man zum Aufbau der hier beigegebenen Tabelle B,
welche den Aufbau des 30jährigen Zyklus in klarer Weise ver¬
anschaulicht.
Tabelle B.
Jabr Linge Fehler Fehler
des Zyklus des Jahres besügUoh der Sonne bezüglicb des Mondes
I. 354 Tage -f 11,25 Tage + 0,36708 Tage
II. 354 II + 22,50 fl + 0,73416 ,
(354) (-1- 33,75) (-1- 1,10124)
•III. 384 H + 3,75 fl + 0,63183 ,
(354) (-r 15,00) (-1- 0,99891)
IV. 355 II + 14,00 fl — 0,00109 ,
V. 354 " -f 25,25 11 + 0,36599 ,
(354) (-1- 36,50) (-1- 0,73307)
•VI. 384 II + 6,50 fl + 0,26366 ,
VII. 354 fl + 17,75 fl + 0,63074 ,
(354) (+ 29,00) (-1- 0,99782)
•Vlll. , 384 fl - 1,00 fl + 0,52841 ,
IX. ; 354 fl + 10,25 , + 0,89549 ,
i (354) (-f- 21,50) (-1- 1,S6257)
X. 355 , + 20,50 , + 0,26257 ,
(354) (-t- 31,75) (-1- 0,62965)
♦XI. 384 fl + 1,75 fl + 0,16024 ,
XIL 1 354
1 fl + 13,00 fl + 0,52732 ,
XIII. ! 354 fl + 24,25 » + 0,89440 ,
: (354) (-r 35,50) (-^ 1,26148)
♦XIV. 384 fl + 5,50 » + 0,79207 ,
(354) " (+ 1C,75) (-f- 1,15915)
XV. 1 355 fl + 15,75 » + 0,15915 .
: (354) (-t- 27,00) (-f 0,52623)
♦XVl. \ 384 fl — 3,00 fl + 0,05682 ,
XVII. ; 354 fl + 8,25 fl + 0,42390 ,
XVIII. 1 354 + 19,.50 « + 0,79098 .
Mahler, Das Himmelsjahr als Grundelement etc. 831
Jahr Länge 1 Fehler Fehler
deg Zyklus des Jahres 1 bezüglich der Soune 1
becüglich des Monde»
(354) 1 (+ 30,75) (+ 1,15806)
♦XIX. 384 Tage 1 + 0,75 Tage + 0,68865 Tage
(354) (+ 12,00) {+ 1,05573)
XX. 355 n + 11,00 » + 0,05573 n
XXI. 354 n + 22,25 " + 0,42281 fl
(354) (+ 33,60) (+ 0,78989)
♦XXII. 384 m + 3,50 m + 0,32048 II
XXIII. 354 « + 14,75 lt + 0,68756 lt
f354) (+ 20,00) i-r 1,05464)
XXIV. 355 n + 25,00 n + 0,05464 lt
(354) (+ 3G,25) (+ 0,42172)
♦XXV. 384 » + 6,25 n — 0,04769 «
XXVI. 354 » + 17,50 n + 0,31939 II
(354) (+ 28,75) 1
(+ 0,68647)
♦XXVII. 384 » — 1,25 lt + 0,21706 9
XXVIII. 354 " + 10,00 1
B + 0,58414 n
(354^ (+ 21,25) ( r 0,95122)
XXIX. 355 n + 20,25 » — 0,04808 »
(354) (+ 31,50) (+ 0,31900)
♦XXX. 384 J» + 1,50 » - 0,15041 »
Vergleicht man diese Tabelle mit der auf p. 828 mitgeteilten
Tabelle A, so sehen wir, daß die Anordnung der Gemeinjahre und
Schaltjahre dieselbe ist wie früher, nur haben jetzt einige der Ge¬
meinjahre, die früher 354 Tage zählten, jetzt 355 Tage, wodurch
der Ausgleich zwischen Mond und Sonne wesentlich verbessert er¬
scheint. Im früheren Zyklus betrug die Gesamtsumme der Tage
10950, und da 30 Sonnenjahre = 30 X 365,25 = 10957,50 T.
ausmachen, so beging man einen Fehler von 7i 'jj Tagen. Im neuen
Zyklus haben 6 der Gemeinjahre je 355 Tage, wodurch die Ge¬
samtsumme der Tage des 30 jährigen Zyklus um 6 erhöht erscheint
und der Fehler gegenüber dem wahren Stande der Sonne nicht
mehr l^i^ Tage, sondem nur mehr 1V< Tag beträgt. Es ist dies
scheinbar ein noch immer großer Fehler. Wenn wir jedoch be¬
denken, daß auch der julianische Kalender nicht frei von jedem
Fehler ist und daß die Differenz gegenüber dem tropischen Jabre
bereits 10 Tage ausmachte, als Papst Gregor XIII. darau ging,
denselben zu beheben; bedenken wir ferner, daß es trotz der Be¬
mühungen des Papstes Gregor XIII. noch fast Pj, Jalu-hunderte
dauerte, bis das protestantische Deutschland sich bewogen fühlte
den neuen Kalender anzunehmen (in Deutschland 1700, in England
sogar erst 1752 und in Schweden 1753), und erwägen wir, daß
ein großer Teil Europas (Russen und Griechen) noch immer bei
dem alten Kalender beharrt, wiewohl die Abweichung heute bereits
13 Tage ausmacht, so wird der Fehler von 1^/, Tagen, welchen
der 30jährige Zyklus in bezug auf die Sonne aufweist, uns gar
nicht mehr so bedenklich erscheinen.
Allerdings muß dieser Fehler im Laufe der Zeit zu einer
solchen Größe angewachsen sein , daß er der Aufmerksamkeit der
Babylonier nicht mehr entgehen konnte und mit zwingender Not¬
wendigkeit eine Reformation erforderte, ünd diese Reforma¬
tion ins Leben gerufen zu haben, mag das große Ver¬
dienst Nabonassar's gewesen sein.
Ich hatte bei früheren Gelegenheiten *) den Nachweis erbracht,
daß die Babylonier wenigstens in der spätem Zeit ihrer Reichs -
geschichte und zwar seit 747 v. Chr., dem 1. Jahre Nabonassar's
einen 19jährigen Schaltzyklus hatten, dessen 1. Jahr mit dem am
1. Nisan d. J. 747 v. Chr. beginnenden bürgerlichen Jahre, also mit
dem Jahre I des Königs Nabonassar zusammenfiel. Die Einführung
dieses 19 jährigen Zyklus ist — wie wir heute wissen — mit dem
Namen Nabonassar's aufs innigste verknüpft. Wie der julianische
Kalender auf Julius Caesar und die Kalenderreformation auf
Papst Gregor XUI. hinweist , so bleibt es ein ungewöhnliches
Verdienst Nabonassar's, den 19 jährigen Schaltzyklus ins Leben ge¬
rufen zu haben, einen Zyklus, den nicht nur später die Griechen
und Juden für ihren Kalender entlehnten , der vielmehr noch da¬
durch an kulturhistorischer Bedeutung gewonnen , daß er noch
heute die Grundlage der Festkalender der gesamten Christenheit
bildet.
Worin bestand aber die große Reformation Nabonassar's? Die
soeben vorgetragenen Erörtemngen geben uns über diese Frage
Aufschluß. Daß der Kalender der Babylonier anch schon vor
Nabonassar auf einem Lunisolarjahr basierte, ist sicher, denn in
vielen Inschriften aus der Zeit vor Nabonassar und auch in denen
aus der älteren Epoche der babylonischen Geschichte finden wir
eiuen II. Adara, also einen Schaltmonat, angeführt. Sollte diese
Schaltung eine .ganz willkürliche gewesen sein? Dies ist wohl
kaum vorauszusetzen von einem Volke, das schon in der frühesten
Zeit der Geschichte die wichtigsten Gesetze von den Bewegungen
der Himmelskörper (wie der Sonne, des Mondes, der Planeten vmd
Tierkreisbilder) sich zu eigen gemacht hat. Ein Volk^ das
solehe astronomische Kenntnisse besaß, daß es wich¬
tige Ste mkon steil a tionen und Eklipsen im Vor¬
hinein bestimmen konnte und schon in frühester
Zeit über die Länge des Sonnenjahres nnd Mond-
1') Tranuctioiu of the IS. Congress ol' the Orientalists. London 1892;
^iuungsberichte der Küs. Akademie der Wissensch.. Wien, 1892: Denkschriften der Kais. Akad. d. Wiss.. Wien 1895: ZDMG. 52, 2i7.
Mahler, Das Himmelsjahr als Grundelement etc. 833
jahres aufs genaueste unterrichtet war, kann un¬
möglich ein so wichtiges Kulturelement, wie es die
Zeitteilung und Zeitrechnung ist, der bloßen Will¬
kürlichkeit überlassen haben. Also auch vor Nabonassar
war der Kalender an Normen und Gesetze gebunden. Diese modi¬
fiziert und die aus der Inkommensurabilität des Sonnenjahrs und
Mondjahrs entstandenen merkbaren Pehler beseitigt zu haben , ist
das Verdienst Nabonassar's. Eine Schaltregel hat es aber
auch schon früher gegeben. Sie basierte allerdings nicht
auf einem 19jährigen Zyklus, wohl aber diente ihr die Tria-
kontaöteride als Gmndlage, d. i. jener Zyklus von 30 Jahren,
der als Quadrant des großen Himmelsmonats die Basis für die
große Himmelswoche bildete, gleichsam als Analogon für den Qua¬
dranten des Kalendermonats, der den Ausgangspunkt zur Kon¬
struierung der Kalenderwoche bildete. Dieser 30jährige Zyklus
hatte aber, wie schon bemerkt wurde, im Laufe der Zeit den Aus¬
gleich zwischen Sonne und Mond eben wegen der Inkommensura¬
bilität der Bewegungen dieser beiden Weltkörper in nicht ganz
einwandfreier Weise hergestellt. Wenn auch ira Anfange die Ab¬
weichung vom wahren Sonnenlaufe nur 1,.5 Tage (also eine
kalendarisch kaum wahrnehmbare Größe) betrug, so wuchs diese
endlich dennoch zu einer solchen Zahl an, daß der Kalender einer
durchgreifenden Eefonnation bedurfte. So wie aber der Fehler
des julianischen Jahres lange Zeit unbeachtet blieb und erst ara
Ende des XVI. Jahrhunderts durch den Papst Gregor XIII. in ent¬
sprechender Weise reformiert wurde, so wurde auch der 30 jährige
Zyklus selbst dann noch aufrecht erhalten, als seine Mängel klar
zu Tage traten. Erst Nabonassar wagte die durchgreifende Modi¬
fikation des babylonischen Schaltzyklus, ünd es war dies in der
Tat kein leichtes Wagnis, denn die 30jährige Periode war rait den
astralen Begriffen und Theorien der Babylonier viel zu sehr ver¬
knüpft, als daß es leichterdings möglich gewesen wäre, diese ohne
schwertriftige Gründe aufzugeben. Und sie wurde auch nicht
fallen gelassen, denn als Nabonassar an die Reorganisation des
nationalen Kalenders schritt, da war es eben der bis nun den Ka¬
lender regulierte 30jährige Zyklus, der ihra als Ausgangspunkt
diente. Die Zahl 30 ist mit dem Mondjahre innig verknüpft:
30 wahre Mondjahre = 30 mittlere Mondjahre + 11 Tage
30 Sonnenjahre = 30 , , +11 Monate
Die Zahlen 30 und 11 mußten also auch bei der Eeorgani-
sation des Kalenders, dem ja auch femerhin der Mondraonat als
grundlegendes Prinzip bleiben mußte, irgendwie in Belation ge¬
bracht werden. Der bisherige Schaltzyklus zählte 30 Jahre; da
man nun nach einem kleinem Zyklus suchte , der das Verhältnis ■
zur Sonne besser reguheren sollte als der bisherige, suchte man
eine Zahl, die auch mit den Zahlen 30 und 11 in irgendwelcher
S 8
Beziehung steht. Und da ergab sich von selbst die Zahl 19, da
die nächste Relation am besten wohl durch die Gleichung 30 —11
= 19 gegeben war. Ein Blick auf die Tafel B lehrt aber auch,
daß bei keinem andern Jahre der Fehler in bezug auf die Sonne
so klein ist, als eben beim Jabre 19 des SOjährigen Zyklus, und
dabei ist auch der Fehler in bezug auf den Mond kaum größer
als Tag. Nabonassar schloß also den Zyklus beim Jahre 19
ab und gab überdies dem letzten Jahre eine Dauer von 385 Tagen,
wodurch der Fehler auch in bezug auf den Mond statt 0,68865 Tagen
nur mehr — 0,31135 Tage betrug und der in bezug auf die Sonne
nur — 0,25 Tage, also eine solche kleine Größe ausmachte, daß
erst nach Ablauf von etwa 120 Jahren (oder der Dauer eines
Himmelsmonates) der Fehler nur so viel betrug, wie früher nach
30 Jahren. Zur Zeit, da das babylonische Reich der Wucht der
Perser erlag (also 538 v. Chr.), betrug der Fehler des so ver¬
besserten Zyklus gegenüber der Sonne 2^/^ Tage; im Jahre
432 V. Chr., als Meton den babylonischen Zyklus zur Grundlage des
von ihm den Griechen empfohlenen Kalenders adoptierte, wich der
von Nabonassar verbesserte Kalender erst um 4 Tage von der Sonne
ab, also um genau so viel, als der Fehler des julianischen Kalenders bereits im VIII. Jahrhundert n. Chr. (800 Jahre vor der gregoria¬
nischen Kalenderreformation) betrug.
So hatte Nabonassar, indem er von dem 30jährigen Zyklus
ausgehend den 19 jährigen Schaltzyklus ins Leben rief, im Rahmen
des babylonischen Kalendei-s eine Reformation durchgeführt, an
deren Ursprung und Bedeutung heute wohl schon jede Rüek¬
erinncrung erloschen ist, die aber um so durchgreifender war, da
sie auch heute noch nach mehr denn dritthalb Jahrtausenden in
den Festkalendern der größten Kulturvölker fortlebt. Der Vor¬
gänger dieses 19 jährigen Zykluses war aber die Tri akon fa¬
ßte ride, der Zyklus von 30 Jahren, dem 371 synodische und
401 periodische Monate entsprechen, der in seiner Urbedeutung aber
einen Quadranten des großen Himmelsmonats repräsentiert und
darum auch als die mittlere Dauer einer Generation aufgefaßt
wurde.
* *
*
Doch nicht nur der Zahl 30 kommt astrale Bedeutung zu;
auch die, namentlich im biblischen Schrifttum, so bäufig auftretende
Zahl 40 findet durch die hier definierten großen himmlischen Zeit¬
kreise ihre Erklärung. In einem Vortrage anläßlich des Baseler
intemationalen religionshistorischen Kongresses habe ich auf die
vielen babylonischen und ägyptischen Elemente hingewiesen, denen
wir in der Bibel begegnen und die insbesondere in den Festen
Israels zum Ausdruck gelangen. Auch in der so häufig vor¬
kommenden Zahl 40 tritt uns ein solches Element entgegen. Es
ist gewiß nicht neckischer Zufall, wenn wir lesen:
S S
Mahler, Dae Himmelsjahr alt Grrundelement etc. 835
Judicum, III, 11: Vatiskot ha' ares ''arba'im äanah vajjamat
'Atni'el ben K'naz Das Land hatte Ruhe 40 Jahre, da starb
Atniel, Sohn des Kenas.
Ibd. III, 30 sagt uns, daß nach der Heldentat des Ehud das
Land 80 = 2 X 40 Jahre die Segnungen des Friedens genießen
konnte : VatiSkot hcHares ¥monim sanah.
Ibd. V, 31 erzählt von einer 40jährigen Ruhe nach der Tat
der Deborah: Vatiskot ha'ares ^arba'im äanah.
Ibd. VIII, 28 berichtet dasselbe aus den Tagen Gideon's:
Vatiskot ha^are§ ^arba'im sanah bißme gid"on.
Ibd. XIII, 1 tut uns kund, daß Israel nach dem Tode Ab¬
do n's 40 Jahre das Joch der Phihster erdulden mußte: Vajjttnem
Jahve b'jad p'listim ^arba'im sanah.
I. Samuelis, IV, 18 berichtet die 40 jährige Richterzeit E 1 i ' s : F*äm' §afat ^et Jisra^el 'arba'im sanah.
II. Samuelis, V, 4: Ben s'loSim äanah David b'malko 'ar¬
ba'im äanah malak Im Alter von 30 Jahren wurde David
König, 40 Jahre regierte er als solcher.
I. Regum, VI, 1 erzählt, daß im Jahre 480 (= 12 X 40) nach
dem Auszuge Israel's aus Ägypten der Tempelbau begonnen wurde:
Vajhi bismonim äanah v'arba' me^ot äanah l'se't h'ne JisroHel
mferes misräjim .... vajiben habajit l'jahve.
Ibd. XI, 42: V^hajamim ''aäer malak Salomoh biruäalaim 'al
kal Jisra'el 'arba'im äanah Die Zeit, die Salomo zu Jerusalem
über ganz Israel als König regierte, betrug 40 Jahre.
Mose war auf dem Berge 40 Tage; Exodus, XXIV, 18: vajhi
moäeh bahar 'arba'im jom v^'arba'im lajlah. Vgl. ibd. XXXIV, 28
und Deuteron. IX, 9 und 11. — Nach Numeri, XIII, 25 dauerte
das Auskundschaften des heiligen Landes 40 Tage: vajaäuiu mitur
ha'ares mikes 'arba'im jom. — Mose war 80 = 2 X 40 Jahre
alt, als er zum ersten Male vor Pharao erschien (Exod., VII, 7). —
Die Wüstenwanderung dauerte 40 Jahre (Numeri, XIV, 33—34;
Deuteronom., XXIX, 4). — Mose erreichte ein Alter von 120 =
3 X 40 Jahren (Deuteron., XXXIV, 7).
Da ist Zufall oder Tendenzdichtung ausgeschlossen , nur ein
systematisch durchdachtes und in sich begründetes Prinzip kann
diesen Zahlen zu gründe liegen.
Wir wissen, daß die alten Ägypter das Jahr nicht in 4, sondem in 3 Jahreszeiten teilten, deren jeder 4 Monate angehörten, die sie dann entsprechend als 1., 2., 3., 4. Monat der betreffenden Jahres¬
zeit bezeichneten. Entsprechend dieser Dreiteilung des Jahres
teilten sie auch den Monat in 3 Dekaden und jeder derselben ent¬
sprach ein besonderes Dekangestirn. Natürlich teilten sie dann
auch das große Jahr oder Himmelsjahr in 3 Jahreszeiten, deren
jeder 4 Himmelsmonate angehörten , und ebenso teilten sie dann
den Himmelsmonat in 3 Hünmelsdekaden , jede 10 Quadriennien:
(d. h. 10 Himmelstage): oder 40 Jahre zählend.
Zeitschrift der P. M. G. Bd. LX.
Da haben wir also die Erklärung für die Zahl 40, die uns
so hänfig im biblischen Schrifttum entgegentritt; und ward sie
einmal für das Jahr angewendet, so war es nicht mehr schwer, sie
auch' auf andere Zeitkreise (wie Monat und Tag) zu übertragen.
Interessant gestaltet sich dabei die Angabe über die Lebens¬
dauer Mose's. Bekanntlich war Mose der Führer Israel's; dieses
gliederte sich in 12 Stämme, sämtUch Söhne des letzten der 3 Ur¬
väter und dessen 4 Weiber. Die Dreizahl der Urväter entspricht
der Dreiteilung des Jahres in 3 Jahreszeiten (ein ägyptisches
Motiv). Jede Jahreszeit und somit auch die letzte hatte 4 Mo¬
nate; auch Jakob, der letzte der 3 Urväter, hatte 4 Frauen. Zu
jedem Monate der Ägypter gehörten, entsprechend den 3 Dekaden,
3 Dekangestime, zu den 4 Monaten einer Jahreszeit also 12 Dekan¬
gestime; auch Jacob zeugte mit seinen 4 Frauen 12 Söhne, ent¬
sprechend den zu 4 Monaten gehörenden 12 Dekangestirnen. In
jeder Dekade hatte ein anderes Dekangestim die Führung; auch
in Israel blieb die Führerrolle nicht immer bei einem Stamme.
Zur Zeit der Wüstenwanderang war es der Stamm Levi, dem
diese Rolle in der Person Mose's zu Teil ward. Diese Herrschaft
eines Dekangestirnes dauerte bloß eine Dekade," dann übernahm ein
anderes die FührerroUe ; auch Mose konnte nur während der Dauer
einer Dekade (nämlich einer Himmelsdekade = 10 Quadriennien
= 40 Jahre) der Führer Israel's sein; nach Ablauf dieser Dekade
übergab er die Führang an Josua und starb. Mit 80 Jahren stand
er zum ersten Male vor Pharao und mit 120 Jahren starb er.
Seine ganze Lebensdauer betrug 120 Jahre, d. i. die Dauer eines
Himmelsmonats oder die dreier Himmelsdekaden.
Man hatte die 12 Stämme Israel's auch mit den 12 Stern-
bildem des Tierkreises verglichen. Auch diese Annahme kann, in
Verbindung mit der Angabe über die Lebensdauer des Mose, durch
die hier entwickelten Zahlenangaben und die ihnen hier zu Grande
gelegten Bedeutungen begründet werden. Sind die 12 Stämme
Repräsentanten der 12 Tierkreisbilder, dann repräsentieren die
3 Urväter und 4 Urmütter die Siebenzahl der Planeten (3 äußere :
Saturn, Jupiter und Mars ; 4 innere : Sonne , Venus , Merkur und
Mond). Die Tierkreisbilder stehen mit den Planeten in innigster
Verbindung, denn auch sie kreisen stets in nächster Nähe der
Ekliptik und bilden daher die Kinderschar der Planeten. Jedem
der 12 Tierkreisbilder entspricht ein Monat des Jahres; somit
konnte auch Mose, der Repräsentant des Stammes Levi, nicht länger
leben als einen Himmelsmonat, d. i. 30 Quadriennien = 120 Jahre.
Welche der beiden hier gegebenen Erklärungen als die plau¬
siblere erscheint, mag dem Ermessen der Leser überlassen bleiben.
Mir dünkt die erstere als wahrscheinlicher, weil damit zugleich
auch die 40jährigen Regierungen der verschiedenen Richter: Ath¬
niel, Ehud, Deborah, Gideon, Eli und auch die der Könige David
und Salomo ihre Erkläi-ung finden
Mahler, Das Himmelsjahr als Grundelement etc. 837
Aber auch die Zahl 480 (die Zeit vom Exodus bis zum
Tempelbau) findet ihre Erklärnng. 480 Jahre sind = 4 Himmels¬
monate (nämlich = 4 mal 30 Quadriennien = 4 mal 30 Himmels¬
tage) ; dies ist aber genau die Dauer einer Jahreszeit im ägypti¬
schen Sinne. Da mit dem Tempelbau die erste wichtige Epoche
in der Geschichte des Volkes Israel seit dem Exodus ihren Ab¬
schluß findet , indem damit ihre definitive Niederlassung in
Palästina gleichsam auch nach außen hin bekräftigt erscheint, so
ist damit im großen jener Abschnitt abgeschlossen, der für das
femere Gedeihen des staatlichen Lebens des Volkes Israel von
höchster Bedeutung sein sollte, gleichsam wie es die in der Natur
sich darbietende Jahreszeit der Nilschwelle für das Wohl Ägyptens
war. Mit dem Beginne dieser Jahreszeit trat die Nilschwelle ein,
die Ägypten von der großen Dürre befreite und die HofFnung auf
ein gedeihliches Wohlergehen erweckte; auch der Exodus war der
Anbruch einer auf eine gedeihliche Entwickelung des Volkes Israel's
HofFnung erweckenden Epoche. So wie jene 4 Monate zählte , so
mußte auch die erste Epoche in der staatlichen Entwickelung
Israel's 4 Monate, nämlich 4 Himmelsmonate, zählen, und daher die
480 Jahre!
Und tatsächlich sondert sich auch die Geschichte Israel's, inso¬
fern sie die Geschichte des israelitischen Staates ausmacht, in
3 Epochen : die erste Epoche umfaßt die Zeit vom Exodus bis zum
salomonischen Tempelbau; die zweite Epoche dauerte bis zur Zer¬
störung dieses Tempels durch Nebukadnesar; die dritte Epoche er¬
streckt sich bis zur Zerstörang des zweiten Tempels. Da haben
wir deutlich die Dreiteilung des „großen Jahres" vor uns, welches
die Geschichte Israel's als Geschichte eines Staates umfaßt. Pür
die erste Epoche gibt die Bibel deuthch die Zahl 480 Jahre an,
d. i. die Dauer eines himmlischen Jahresdrittels. Welche Zeit gibt
dieselbe Quelle für die zweite Epoche an? Die zweite Epoche
wurde inauguriert mit dem Tempelbau und endigte mit der baby¬
lonischen Deportation. Beim Tempelbau war Sadok der Priester
in Jerusalem. Im Buche I. Reg., Kap. IV, 1—4 lesen wir:
•h "1U5N D-i-iffin nbsi bs-iffi-' ba b? ^bw rrnb« ^bwri inii
aDiaiiii 01*100 nöiiu 1:3 ninNi wjinibN pan pna p iniir»
-iniaNT pni£i Niasn br yiiini p mi:ai -iiaran nbin« p
.Dims
, König Salomo ward König über ganz Israel. Und dies
sind die Pürsten, die er um sich hatte : 'Äzarjahu, Sohn Sadok's,
des Priesters, sowie 'Eliharef und 'Ahijah, Söhne SiSa's, waren
Schreiber; JehoSafat, Sohn des 'Aljilud, war Kanzler; B'najahu,
Sohn des J«hojada', war Peldhauptmann ; und §adok und 'Ebjatar
waren Priester."
54*
5 8 *
Dem Buche I. Chron., Kap. V., 29—40 entnehmen wir folgende Priestergenealogie :
1. dti:» 'Amram (als Stamm- 13.
yswnN 'Ahima'as
2. ■)nr:N 'Aharon [vater) 14. !Ti-!T3> 'Azarjah
3. ITSbN 'El'azar 15. pmi Johanan
4. OnJiD Pinhas 16. ni"iTy 'Azarjah
5. SiizJiaN 'Abisua 17. tnilWN 'Amarjah
6. ipa Buki 18. aiUin« 'Aliitub
7. iTy Uzi 19. pnis §adok
8. niniT Z'rahjah 20. mbia äalum
9. miT)2 M*rajot 21. nipbn Hilkijah
10. ni-iMN 'Amarjah 22. ni17» 'Azarjah
11. aiüinn 'Ahitub 23. nilffl S'rajah
12. pns Sadok 24. pniSini J^hosadak
Und zum letzteren heißt es (I. Chron., V, 41):
iKNnsa; iia obüjnii nmni mni mbana ^bn pnismii
,J*hosadak ging in die Deportation, die Jahve über Juda und
Jerusalem verhängt hatte."
Sadok war also der Priester, unter dem die erste Epoche der
Urgeschichte Israel's ihren Abschluß fand. J^hosadak, der 12. Nach¬
folger in der Priesterreihe seit Sadok, war der Priester, unter dem
das babylonische Exil erfolgte. — Für die erste Epoche der israe¬
litischen Geschichte nennt uns die Bibel 480 Jahre, d. i. =
12.40 Jahre = 12.10 Quadriennien = 12.10 Himmelstage =
12 Himmelsdekaden; die zweite Epoche wird durch 12 aufeinander¬
folgende Priester repräsentiert: 'Ahima'as, 'Azarjah J'ho-
sadak. ünd diese Zwölfzahl ist gewiß nicht Zufall ; mit dieser
sollen vielmehr jene 12 Dekangestirne versinnbildlicht werden,
welche den 12 Dekaden des zweiten Drittels des himmlischen
Jahres entsprechen.
So sehen wir das „Himmelsjahr" oder „große Jahr", das wir
schon im Felsengrabe des Chnumhotep zu Benihassan verzeichnet
finden, als Gmndlage verschiedener Zeitkreise; und vielleicht ge-
Ungt es, auch für andere Probleme der altorientalischen Chronologie,
die noch immer ihrer Lösung harren , auf diese Weise ein« be¬
friedigende Erklärung zu finden.
5 8«
839
Das Geschlecht der Infinitive im Arabischen.
Von A. Fischer.
Unter die zahlreichen wertvollen Zusätze, mit denen De Goeje
bei seiner Bearbeitung der 3. Aufl. von W. Wright's „Grammar of
the Arabie Language" dieses in seiner Art so vorzügliche, an den
Forderungen der modemen Sprachwissenschaft gemessen freilich in
mehrfacher Hinsicht recht unzulängliche ') Buch bereichert hat, sind, wie bei der Schwierigkeit der Materie nicht weiter verwunderlich,
auch einige wenige geraten, die vor der Kritik kaum werden Stand
halten können. Ich rechne hiemnter den Absatz vol. I, § 292, d:
, [Masculine or feminine are : —] The nomina verbi (mahdar). One
«Jü. ...c£ , ^ tj ^ ^
may say ii5o^ ^^jJk*>ji and i45oyi5 ^^^JLÄjis-jt your striking c^iused
me pain", mit der Fußnote: ,This seems to be the explanation of
o - _ > & * I
cyyo being used as a fern, noun , Hamäsa 78, vs. 1, cyy»aJi tös>
this crying", wozu noch vol. II, § 152, d rem. folgender Passus zu
vergleichen ist: ,In the words of the tradition (Zamahsarl, Fäik,
O Ü ^ ^ m } O,
II. 490*)) •j.i^t !>->»/> jJÜ! J-J«-" i5 (.yosi! death on the path of God
is purifying {from the filth of sin), the predicate is according to
&, -
some interpreters fem., because JJCüit has the meaning of sjL^-iiJt 1) Sein Hauptfehler ist, daß es sich im Bllgemeinen, statt ein tieferes Ver¬
ständnis der vorgeführten SpracherscheinuDgen anzustreben, an einer ziemlich äafiorlichen Beschreibung derselben genügen ISfit. Vollstündig vermißt man in ihm das Kapitel „Lautlehre", das natürlich die Grundlage jedes grammatischen Lehrgebäudes bilden sollte. Die gebuchten Regeln beruhen z. T. nicht auf gesichertem empirischen Sprachgut, sondern auf allerlei Spitzfindigkeiten der alten einheimischen Grammatiker (das gilt besonders von den Kapiteln über dio Adjectiva relativa und die Diminutiva). Soweit ihnen empirisches Sprachgut zu Gruude liegt, ist dieses im Großen und Ganzen unterschiedslos aus Werken der verschiedensten Literaturgattungen (alter und neuerer Poesie, Koran, Hadit, Adab, Unterbaltungsliteratur , Historiographie, Geographie etc.) und der ver¬
schiedensten Zeitalter entlehnt, obschon die arabische Literatur «uch in sprach- Ucher Hinsicht keineswegs eine geschlossene Einheit bildet (vgl. hierzu scbon meine Bemerkungen diese Zeitschr. Bd. 56, 580f) u. a. m.
2) Steht auch Ihn al-Atlr, Nihäia s. ^ja*jaA, Lisän u. T3A. s. |_^3*a/0.