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- Umgang mit muslimischen Migranten in Österreich. Eine empirische Studie zur Situation in Kärnten. -

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Academic year: 2022

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Namka Bilajbegović

- Umgang mit muslimischen Migranten in Österreich.

Eine empirische Studie zur Situation in Kärnten. -

DIPLOMARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades Magistra der Philosophie

Studium: Sozial- und Integrationspädagogik

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt Fakultät für Kulturwissenschaften

Begutachter: Univ. Prof. Dr. Erol Yildiz

Institut: Erziehungswissenschaften und Bildungsforschung Abteilung für Interkulturelle Bildung

Februar 2012

(2)

1 EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit selbstständig angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst erbracht habe. Ich erkläre weiters, dass ich keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle ausgedruckten, ungedruckten oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt übernommenen Formulierungen und Konzepte sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche Arbeiten zitiert und durch Fußnoten bzw. durch andere genaue Quellenangaben gekennzeichnet.

Die während des Arbeitsvorganges gewährte Unterstützung einschließlich signifikanter Betreuungshinweise ist vollständig angegeben.

Die wissenschaftliche Arbeit ist noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt worden. Diese Arbeit wurde in gedruckter und elektronischer Form abgegeben.

Ich bestätige, dass der Inhalt der digitalen Version vollständig mit dem der gedruckten Version übereinstimmt.

Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

__________________________ __________________________

Unterschrift Ort, Datum

(3)

2

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ... 4

1.1. Integration von Migranten ... 5

1.2. Persönlicher Zugang ... 10

2. Mediale Berichterstattungen über Migranten... 12

2.1. Veröffentlichungen über „Ausländer“ ... 15

2.2. Die Mehrheitsgesellschaft ... 17

2.3. Öffentlicher Diskurs über Migranten ... 19

2.3.1. Was uns Medien über „Ausländer/Innen vermitteln ... 19

2.3.2. „Islamischer Terrorismus“ in den Medien ... 21

2.4. Vergleich von Medienberichten ... 24

2.5. Vorfall an einer österreichischen Schule ... 31

3. Politischer und rechtlicher Umgang mit Migranten/Innen ... 35

3.1. Ausländer- und Zuwanderungspolitik ... 38

3.2. Arbeitskräfteexport aus den Ländern Jugoslawien und der Türkei ... 47

3.3. Maßnahmen der Ausländerpädagogik auf das österreichische Schulsystem ... 50

3.4. Zuwanderung und Integration ... 53

3.5. Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis in Österreich ... 58

3.6. Österreichische Parteien und deren Umgang mit Migranten ... 69

4. Schul- und Ausbildungssituation ... 72

(4)

3

4.1. Die zweite Generation ... 76

4.2. Multikulturelle Schulen ... 79

4.3. Einfluss auf den Schulerfolg ... 80

5. Qualitative Forschung ... 85

5.1. Narratives-Interview ... 86

5.1.1. Interviews ... 88

5.2. Die Interviewpartner ... 88

5.3. Auswertung der Interviews ... 89

5.3.1. Ethnic communities in Kärnten ... 93

6. Resümee ... 99

Anhang ……… 103

Literaturverzeichnis 128

(5)

4

1. Einleitung

In meiner Diplomarbeit möchte ich mich mit dem Umgang von muslimischen Migranten/Innen in Österreich befassen. Dabei werde ich auf die Situation in Kärnten näher eingehen und Interviews mit muslimischen Migranten/Innen führen. Hauptsächlich beziehe ich meine Arbeit auf muslimische Migranten/Innen aus dem ehemaligen Jugoslawien, die mittlerweile in der zweiten oder dritten Generation in Kärnten leben. Die meisten stammen aus dem heutigen Bosnien und Herzegowina, die während des Bürgerkrieges als Flüchtlinge nach Österreich gekommen sind. Ein anderer großer Teil sind die sogenannten

„Gastarbeiterkinder“ die in Österreich geboren und aufgewachsen sind.

Kaum eine andere Religion bietet so viel, meist negativen, Diskussionsstoff in der Politik und den Medien wie der Islam. Fast täglich wird über die islamischen Länder aus der ganzen Welt berichtet. Der Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 führte bei vielen Menschen zu einer feindseligen Haltung gegenüber dem Islam. Amerika wird in den Medien positiv dargestellt, denn sie kämpfen gegen den Terrorismus, glauben zumindest viele Menschen. Die Medien zeigen wenig Interesse daran, dass amerikanische Soldaten muslimische Zivilisten aus Spaß töten, wahrscheinlich ist dies für die Gesellschaft eher unwichtig. Solche Gräueltaten erscheinen kurz in den Medien und werden auch schnell wieder vergessen. Viele Menschen teilen die Ansicht, dass in den Medien mittlerweile eine rassistische Hetze gegen den Islam begangen wird.

Heftige Diskussionen löst auch immer wieder das Kopftuch tragen von muslimischen Frauen aus. Diese Frauen stoßen immer wieder auf Unverständnis und Ablehnung in der Mehrheitsgesellschaft. Sie sind und wollen sich vor allem nicht integrieren, sonst würden sie kein Kopftuch tragen, wird immer wieder behauptet. Politik und Medienberichte sprechen hauptsächlich bei muslimischen Migrant/Innen immer wieder von mangelnder Integration.

Muslimische Migranten/Innen werden in der Integrationsproblematik als Hauptproblem gesehen, denn sie sind es die kaum Deutsch sprechen können und sich überhaupt nicht anpassen wollen.

(6)

5 In meiner Diplomarbeit werde ich folgender Forschungsfrage nachgehen: Wie wird mit muslimischen Migranten in Kärnten umgegangen?

1.1. Integration von Migranten

Von der Gesellschaft und auch von den Familien wird oft vergessen welche enormen Chancen sich auch durch Migration ergeben können. Eltern sollten ermuntert werden den Kindern eine reichhaltige Sprachumwelt, in der Sprache die ihre Muttersprache ist, zu bieten. Ebenso sollten Eltern ermuntert werden ihren Kindern ihre Herkunftskultur nahezubringen. Sie sollten aber ihren Kindern auch erlauben frühzeitig über Kindergarten, Kinderspielgruppen Kontakt zur deutschen Sprache und Kultur zu erwerben. Dies bedeutet, dass Kindergärten und teilweise auch noch Grundschulen die Verantwortung für die Vermittlung der deutschen Sprache und Kultur übernehmen. Dies wäre eine wichtige Voraussetzung, dass die Kinder sowohl bilingual als auch bikulturell aufwachsen, was zum einen für eine zunehmend globalisierte Welt und die Berufsaussichten in ihr von großer Relevanz ist. Auch aktuelle Studien zeigen, dass Kinder die zweisprachig aufwachsen durch das Wechseln zwischen zwei Sprachen auch in ihrer kognitiven Entwicklung Vorteile haben können (vgl. Leyendecker, 2011, S. 247-248).

Für jede Familie bedeutet Migration eine große Herausforderung. Soziale Netzwerke brechen weg und die emotionale Unterstützung im Alltag geht verloren oder wird auf E-Mail oder Telefonkontakte reduziert. Es bedeutet ein Verlust an praktischer Unterstützung, denn niemand kann kurzfristig mehr auf die Kinder aufpassen oder einem sein Auto leihen, es kommt ebenfalls zum Verlust von alltagsrelevanten Informationen.

Es kann auch passieren, dass die Beherrschung der Muttersprache, Berufsabschlüsse, erworbenes Wissen usw. an Bedeutung verliert bzw. von der Aufnahmegesellschaft nicht entsprechend erkannt und gewürdigt wird.

(7)

6 Bei vielen Migrant/Innen steht neben Sicherheitsaspekten (z.B. politische Krisenherde) und dem Wunsch nach mehr individueller Freiheit (z.B. Ausübung einer bestimmten Religion) die Hoffnung auf eine Verbesserung der ökonomischen Situation im Mittelpunkt. Viele hoffen auf eine unmittelbare Verbesserung, andere sehen die Verbesserung in den Chancen, die sich für die nachwachsende Generation ergeben. Viele Eltern sind bereit unter schwierigen Bedingungen zu arbeiten um ihren Kindern eine bessere Schulbildung und damit die Hoffnung auf eine gesicherte ökonomische Zukunft zu ermöglichen. Und viele Eltern befinden sich in der Zwickmühle, denn ihre Kinder sollen einerseits in Kontakt mit der Aufnahmegesellschaft kommen und gleichzeitig wird in genau diesem Prozess die Gefahr gesehen, dass sich ihre Kinder an die Aufnahmegesellschaft verlieren und sich von der Familie und der Herkunftskultur entfernen (vgl. Leyendecker, 2011, S. 240-241).

Egal ob im Beruf, Einkommen oder Wohnsituation, der „Gastarbeiter“ wurde in die unterste Position gedrängt. Arbeitsplätze die man an Einheimische nicht vermitteln konnte, minimale berufliche Qualifikation im Einwanderungsland und die negative Bewertung ihrer Herkunft aus einem wenig entwickelten Kontext durch die Bevölkerung, sind Ursachen die zur Unterschichtung führen. Zum Beispiel wurde durch die Ausländergesetzgebung diese Unterschichtungstendenz gefördert und der soziale Aufstieg von Einwanderern gehemmt (vgl. Venske- Thomä, 1981, S. 26).

Hoffmann-Nowotny hielt bereits in den 70er Jahren gegen die These an, dass man die Anpassung der Einwanderer an Bräuche, Gewohnheiten und Sitten im Aufnahmeland fördert und somit Voraussetzungen für Integrationschancen schafft.

Für Hoffmann-Nowotny ist der Bedingungszusammenhang von Bedeutung, denn

„Assimilationsbereitschaft und Assimilation der Gastarbeiter (sind) primär eine Funktion der Integrationsbereitschaft des aufnehmenden Landes.“ Nach Hoffmann-Nowotnys Analyse werden Einwanderer im Aufnahmeland marginalisiert. Aufgrund dessen kann man von ihnen nicht erwarten, dass sie sich besonders anstrengen um sich an die Kultur des Einwanderungslandes anzupassen.

(8)

7 Von der Aufnahmegesellschaft werden auch zusätzlich die Assimilationsforderungen an die Einwanderer übersteigert (vgl. Venske-Thomä, 1981, S. 33-34).

Pries unterscheidet idealtypisch vier Formen der Migration. Die „klassische“

Form der Migration ist die Emigration bzw. Immigration. Dabei wird die bisherige Heimat verlassen um sich in einem neuen Land dauerhaft niederzulassen. Ziel ist es für sich oder zumindest für die Nachkommen das Aufnahmeland zur neuen Heimat zu machen und sich dauerhaft zu integrieren.

Dabei verlieren Kontakte zum Herkunftsland langsam an Bedeutung.

Die zweite Form besteht in der transitorischen vorübergehenden Form der Migration. Hier ist die Rückkehr in das Herkunftsland Teil des Migrationsvorhabens, z.B. Arbeitsmigration. Als transitorische Migration war auch die Arbeitsmigration der „Gastarbeiter“ geplant. Doch für viele Gastarbeiter kam es zur dauerhaften Migration was zeigt, dass sich Migrationsentscheidungen über die Zeit verändern können bzw. aus dem Blick verloren werden.

Die Diaspora besteht in der dritten Form der Migration. Diese Migrationsform ist auch dauerhaft angelegt. Im Gegensatz zur Immigration hat diese aber nicht die soziale und kulturelle Integration in das Aufnahmeland zum Ziel, denn der Kontakt zum Herkunftsland wird aufrechterhalten und die Kontakte zur eigenen Gruppe im Aufnahmeland bilden den sozialen Bezugspunkt.

Die vierte Form der Migration ist die Transmigration. Hier besteht ein Pendeln zwischen Herkunfts- und Aufnahmeland als dauerhafter Zustand. Dadurch entstehen „transnationale Sozialräume“ in denen Mehrfachintegrationen und Mehrfachidentitäten entstehen können.

Soziale Netzwerke am Herkunftsort wirken eher migrationshinderlich (Affinitätshypothese). Bei vorhandenen Konflikten mit der Familie oder anderen Netzwerken kann eine Migration auch forciert werden (Konflikthypothese).

Auch eine Ermutigung von Familien zu migrieren ist denkbar (Ermutigungshypothese). Wobei die Migrationsentscheidung erleichtert wird, wenn bereits Mitglieder familialer oder anderer Netzwerke im Aufnahmeland leben.

(9)

8 Einerseits können durch einen höheren Informationsfluss die Konsequenzen einer möglichen Migration besser eingeschätzt werden (Informationshypothese), andererseits kann davon ausgegangen werden, dass die bereits vorhandenen Kontakte im Aufnahmeland eine erste Orientierung und Eingewöhnung erleichtern (Erleichterungshypothese). Zur Erklärung einer Migrationsentscheidung ist davon auszugehen, dass nicht nur eine sondern mehrere der Hypothesen herangezogen werden können (vgl. Janßen, 2011, S. 296- 298).

Heute wird der Integrationsbegriff fast ausschließlich mit der Migration in Verbindung gebracht. Dies sind zwei Begriffswelten welche miteinander verbunden werden, die aber zwei unterschiedliche soziale Realitäten ansprechen und je eine eigene Begriffsgeschichte haben. Der Migrationsbegriff beschäftigt sich mit Wanderungsbewegungen größerer Gruppen über substanzielle Distanzen und Grenzen. Der Integrationsbegriff spricht jedoch Binnenverhältnisse in einer Gesellschaft an. Beides kann miteinander zu tun haben und hat auch tatsächlich miteinander zu tun, aber weder ist eine Gesellschaft ohne Migration von selbst integriert, noch muss Integration die Antwort auf Migration sein (vgl. Perchinig, 2010, S. 13).

„Die UNO definiert eine/n internationale/n MigrantIn als eine Person, die ihren Ort des gewöhnlichen Aufenthalts – verstanden als jener Ort, wo er oder sie die tägliche bzw. wöchentliche Ruhe- und Freizeit verbringt – verlässt und sich in einem anderen Ort in einem anderen Staat niederlässt, sodass dieser der neue Ort des gewöhnlichen Aufenthalts wird.“ (Perchinig, 2010, S. 13).

Die UNO-Definition spricht von einem „Internationalen Langzeitmigranten“, wenn dies für länger als ein Jahr geschieht. In der Praxis stehen meist nur Daten über das Geburtsland zur Verfügung, denn kaum ein Land registriert den vorherigen „gewöhnlichen Aufenthalt“. Alle Personen die länger als ein Jahr nicht in ihrem Geburtsland leben, zählen in den Datensätzen zur Gruppe der internationalen MigrantInnen (vgl. Perchinig, 2010, S. 13).

(10)

9 Unterschiedliche wissenschaftliche Definitionen und der Definitionsvorschlag der UNO, haben eines gemeinsam, denn:

„Sie definieren Migration als eine Einwegstraße von A nach B und MigrantInnen als Personen, die ihren gegebenen räumlichen, sozialen oder rechtlich-politischen Bezugsrahmen durch einen neuen Bezugsrahmen ersetzen.“ (Perchinig, 2010, S. 14-15).

MigrantInnen verlassen das Herkunftsland, den Herkunftsstaat (Land A) und lassen sich im Zielland, dem Zielstaat (Land B) nieder (vgl. Perchinig, 2010, S.

15).

Von der Notwendigkeit von mehr und besserer Integration wird heute in vielen Bereichen gesprochen. Jedoch spricht niemand darüber, wann es denn genug oder auch zu viel Integration gibt. In der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur findet man allerdings keinen allgemein akzeptierten Integrationsbegriff. Hartmut Esser unterscheidet zwischen:

einer strukturellen Ebene (Bildungsstand, Berufsposition, Einkommen, soziale Mobilität);

einer sozialen Ebene (Kontakte, Partnerschaften, Teilhabe an Vereinen etc.);

einer kognitiven Ebene (Spracherwerb, Wissen um die Normen und Regeln einer Gesellschaft);

und einer identifikatorischen Ebene (Zugehörigkeitsgefühl, Anerkennung).

Beim Integrationsbegriff handelt es sich offenbar um einen „Containerbegriff“ in welchen man alles Mögliche und Unmögliche hineinpacken und auch herausziehen kann (vgl. Perchinig, 2010, S. 17-18).

(11)

10 1.2. Persönlicher Zugang

Ich selbst bin muslimische Migrantin und lebe in Kärnten. Meine Eltern stammen aus Bosnien und Herzegowina, einem Staat der 1992 aus dem ehemaligen Jugoslawien hervorging. Mein Großvater väterlicherseits ging 1970 als

„Gastarbeiter“ nach Deutschland. Er arbeitete bis 1977 in Deutschland und Österreich und kehrte danach wieder in sein Heimatland, damaliges Jugoslawien, zurück. Im Gegensatz zu meinen Eltern war mein Großvater also ein richtiger

„Gastarbeiter“ denn er erfüllte die Pläne und Vorstellungen der Politik. Meine Eltern hingegen machten genau das Gegenteil, sie sind in Österreich geblieben, genauso wie viele andere „Gastarbeiter“.

1971/72 arbeitete mein Vater ebenfalls in Deutschland. Seit 1973 lebt mein Vater in Kärnten, zwei Jahre später heiratete er meine Mutter und sie zog mit ihm nach Kärnten. Damals wussten sie nicht wie lange sie tatsächlich in Österreich bleiben werden. Viele von ihnen dachten sie bleiben nur für ein paar Monate, höchstens ein bis zwei Jahre, verdienen hier (Österreich) ihr Geld und kehren dann wieder in ihr Heimatland zurück. Genauso hatte es sich auch damals die Politik vorgestellt und so wäre es zu dieser ganzen Integrationsproblematik gar nicht gekommen.

Doch die Politik und viele „Gastarbeiter“ selbst, auch meine Eltern, lagen mit ihren Vorstellungen falsch. Es kam ganz anders. Die „Gastarbeiter“ blieben doch länger, man kann sagen die meisten von ihnen ihr restliches Leben, und sie bekamen Kinder die hier geboren und hier aufgewachsen sind. Wir

„Gastarbeiterkinder“ sind sozusagen das Endprodukt auf welches man überhaupt nicht vorbereitet war. Die Politik stand also vor einem Problem mit dem man nicht gerechnet hat und versuchte erst dann nach Lösungen zu suchen.

Viele „Gastarbeiter“ müssen bis heute selbst erst lernen wie sie mit dem neuen Lebensstil ihrer Kinder, die in Österreich leben, umgehen sollen. Denn die zweite/dritte Generation, wenn auch nicht alle, tendieren eher zu dem Lebensstil der einheimischen Österreicher. Viele muslimische Kinder wollen genauso mit ihren Freunden ausgehen, in „wilder Ehe“ leben, oder was auch immer, was für manche Eltern aber unakzeptabel ist.

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11 Denn ihre Eltern sind in einem anderen Land aufgewachsen, mit anderen Bräuchen und Sitten, an denen viele noch immer festhalten. Dadurch entsteht zwischen vielen Eltern und Kindern ein Konflikt, denn beide Seiten glauben Recht in ihrer Lebensart zu haben.

In meinem Familien- und Freundeskreis, die selber alle „Gastarbeiterkinder“ sind, diskutieren wir oft über unsere Situation in Kärnten. Dabei fällt auf, dass wir uns mal mehr als „Österreicher“, mal mehr als „Ex-Jugoslawen“ oder „Jugos“, wie von der Mehrheit genannt, betrachten.

Jeder von uns musste schon mit Beleidigungen seitens der Österreicher kämpfen.

„Scheiss Jugo“, „Tschusch“ usw. hört man im Alltag leider immer wieder.

Auf der anderen Seite verstehen wir die Denkweise anderer Migranten die stark an ihrem Herkunftsland festhalten nicht. Solche Menschen sind an Österreich, dem Land in welchem sie und ihre Kinder leben, überhaupt nicht interessiert. Sie arbeiten zwar hier, verbringen aber all ihre Freizeit in ihrem Heimatland, welches für sie noch immer im Mittelpunkt ihres Lebens steht. Diese Haltung gegenüber Österreich vermitteln sie ihren Kindern schon von klein auf.

In einem Gespräch meinte mein Vater ironisch: „Am besten ist es, wenn wir alle unsere Koffer packen und wieder nach Hause fahren“. Meine Antwort darauf:

Wohin sollen wir Kinder denn fahren? Wo sind denn wir zu Hause? Ihr habt es leicht, ihr wisst woher ihr kommt, aber wir Kinder nicht. Er lachte und antwortete:

„Dann kommt einfach mit uns mit!“

Es wird oft in Politik und Medien behauptet, dass die zweite/dritte Generation das Schicksal der „Heimatlosigkeit“ trägt. Wir werden in Österreich meist aufgrund unserer Namen, viele auch wegen ihres Aussehens, weiterhin als Ausländer und im Heimatland unserer Eltern als Diaspora bezeichnet. Das klassifizieren in

„Ausländer“ und „Österreicher“ ist in den Köpfen der Gesellschaft schon vorprogrammiert. So werden auch waschechte Österreicher deren Äußeres von der „Norm“ abweicht, z.B.: dunkle Haare, auch sofort gefragt woher sie denn kommen.

Man steht zwischen zwei Ländern und wird in keinem Land zu hundert Prozent angenommen. Obwohl man gut integriert ist, die Vorurteile in der Gesellschaft bleiben dennoch erhalten.

(13)

12

2. Mediale Berichterstattungen über Migranten

„Die Migration“ bzw. „die Zuwanderer“ und „die Massenmedien“ die über jene einheitlich oder ähnlich berichten gibt es nicht. Auch die vielen Tageszeitungen kann man inhaltlich oder stilistisch nicht gleichsetzen. Dasselbe gilt auch im Hinblick auf die Medienmacher/innen, Journalist(Inn)en und Redakteure, die stark voneinander abweichende gesellschafts- wie migrationspolitische Überzeugungen haben, was sich auf ihre Tätigkeit und die einschlägige Berichterstattung natürlich auswirkt. Und als Beobachter kann man nie die ganze Medienlandschaft, sondern immer nur Ausschnitte zur Kenntnis nehmen und nach eigenen Maßstäben bewerten.

Butterwegge versucht in seinem Beitrag zu analysieren, wie Migrant(Inn)en bzw.

ihre Kinder und Kindeskinder zu „Fremden“ gemacht werden. Wie deutsche Journalist(Inn)en uns das (Zerr-)Bild der „multikulturellen Gesellschaft“

vermitteln und wie sie über organisierten Rechtsextremismus, Rassismus und Nationalismus als Erscheinungen berichten, die das friedliche Zusammenleben von Einheimischen und Minderheiten in Frage stellen (vgl. Butterwegge, 2006, S.

185-186).

Zuwanderer werden mit Unordnung, Chaos und Gewalt in Verbindung gebracht.

Über die Ausländer/innen berichten Massemedien oft nur in Ausnahmefällen welche möglichst spektakulär sein sollen (vgl. Butterwegge, 2006, S. 188).

Kronen Zeitung am 18.05.2010:

„Ein Villacher verlor teilweise sein Augenlicht Die Polizei bestätigt die Probleme

Ausländer – Terror in Großdisco!“ Erich Londer

Stadtpolizeikommandant bestätigt den Vorfall: „Das waren ein Kroate und ein Bosnier (…) Jedes Wochenende gibt es in und vor dieser Großdisco Schlägereien, die von Ausländern ausgelöst werden.“

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13 Der „Fremde“ ist überflüssig oder gefährlich, zu bedauern oder zu fürchten, meistens aber beides zu gleich. In Deutschland gilt das vor allem im Hinblick auf die Musliminnen und Muslime aus der Türkei. In deutschen Medien werden Migrant/Innen vorwiegend als „Ausländer/Innen“ bezeichnet (vgl. Butterwegge, 2006, S. 188).

Schon in diesem Sprachgebrauch manifestiert sich der Trend zu Aus- bzw.

Abgrenzung von Menschen, die den Einheimischen „fremd“ erscheinen. Durch die Art wie Medien über Ausländer/Innen, Flüchtlinge und Zuwanderer berichten wird im Bewusstsein der Bürger/Innen eine Hierarchie herausgebildet.

Deshalb werden bestimmte Gruppen von „Ausländer/Innen“ als „Fremde“

betrachtet, während andere z.B. prominente Sportler/Innen, Künstler/Innen hochwillkommene Gäste sind. In der Lokal- und der Boulevardpresse ist dies besonders stark ausgeprägt, denn beide bringen das „Ausländerproblem“ oft mit einer drohenden „Überfremdung“ sowie einer Gefährdung der inneren Sicherheit in Verbindung (vgl. Butterwegge, 2006, S. 188).

Daniel Müller über die überwiegend negative Darstellung von Migranten/Innen:

„Sie kommen tendenziell selten vor; und wenn, dann häufig in negativ besetzten Zusammenhängen, insbesondere als Kriminelle und überhaupt als Personen, die Geld kosten und/oder gefährlich sind, kurz: als Belastung für die Gesellschaft.“ (Butterwegge, 2006, S. 188).

Medien liefern uns (Zerr-)Bilder von Zuwanderern und beeinflussen das Denken und Handeln der Einheimischen. Somit wird auch die Haltung im Hinblick auf die Modelle eines friedlichen Zusammenlebens zwischen Menschen unterschiedlicher Religion, Nationalität, und Herkunft geprägt. Denn sie loten Möglichkeiten und Grenzen der Integration aus und führen öffentliche Debatten darüber (vgl.

Butterwegge, 2006, S. 197).

Aufgrund der Konkurrenz auf dem privatwirtschaftlich dominierten Medienmarktes, haben JournalistInnen immer weniger Gelegenheit sich sachlich weiterzubilden, sorgfältig zu recherchieren und über ein Thema umfassend und attraktiv zu berichten.

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14 Deshalb neigt man immer mehr dazu, Themen zu vereinfachen und Klischeevorstellungen über AusländerInnen zu transportieren. Eine Weiterbildung sollte für JournalistInnen in der multikulturellen Einwanderungsgesellschaft die Aufgabe haben, sachlich, faktenreich und nüchtern über Wanderungsbewegungen aufzuklären. Außerdem muss sie JournalistInnen befähigen, über das aktuelle Migrationsgeschehen zu berichten, ohne dabei rassistischen Vorurteilen neuen Stoff zu geben.

Hierbei wäre der Anfang mit genauen Begrifflichkeiten wichtig, die möglichst wenige Vorbehalte gegenüber Menschen anderer Nationalität, Hautfarbe oder Religion übermitteln. Butterwegge geht es darum, Migranten/Innen und Minderheitenangehörige durch die Medien, weder zu verletzten noch auszugrenzen. JornalistInnen sind sich nicht immer bewusst, dass sie einen großen Teil für das migrationspolitische und gesellschaftliche Klima beitragen (vgl.

Butterwegge, 2006, S. 221).

JournalistInnen müssten sich stärker den sozialen Problemen (z.B.

Massenarbeitslosigkeit, Armut) zuwenden und Benachteiligte mehr zu Wort kommen lassen. Diskriminierende Berichterstattungen über Zuwanderer und ethnische Minderheiten sollten verhindert werden. Dies würde am besten gelingen, wenn Medienmacher/Innen mit der Situation von Flüchtlingen und Arbeitsmigrant/Innen und deren Motiven und Lebensbedingungen vertraut wären.

Statt über Probleme zu berichten, die Asylsuchende machen, könnte man über Probleme berichten, die sie haben wie z.B. Furcht vor Abschiebung und Anschlägen, Diskriminierung und Ausgrenzung usw. Migrant/Innen bleiben oft, wenn sie Deutsche geworden sind, trotzdem Bürger/Innen zweiter Klasse.

Rassistische Verhaltensweisen im Alltag werden auch selten thematisiert (vgl.

Butterwegge, 2006, S. 224-225).

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15

„Statt über Ausländer/innen sollte häufiger mit Ausländer(inne)n gesprochen werden, auch Radio- und Fernsehsendungen. Einwanderer bzw. deren Kinder und Kindeskinder würden als Mitarbeiter/innen der Massenmedien aufgrund ihrer Kenntnis unterschiedlicher Kulturen ein genaueres und umfassenderes Bild der „Ausländerwirklichkeit“ zeichnen und das verbreitete Vorurteil, „Gastarbeiter“ und Flüchtlinge seien größtenteils Kriminelle bzw. „Asoziale“, die „uns Deutschen auf der Tasche liegen“, sichtbar widerlegen.“ (Butterwegge, 2006, S. 227).

2.1. Veröffentlichungen über „Ausländer“

„Die Veröffentlichungen im Themenbereich „Ausländer“ kann man vier Formen zuordnen: 1. Monographien, Sammelbände und Themenhefte von Zeitschriften sowie Forschungsberichte oder wissenschaftliche bzw.

politische Veröffentlichungen von Institutionen; 2. Spezialbelletristik; 3.

Spezialzeitschriften und Zeitschriftenaufsätze und 4. Materialien für die Lehrerfortbildung bzw. für die Fortbildung des pädagogischen Personals für ausländische Kinder und Jugendliche.“ (Boos-Nünning, 1992, S. 3).

Die veröffentlichten Studien und Berichte konzentrieren sich hauptsächlich auf die Lebensbedingungen der ausländischen Arbeitnehmer und die familiäre und außerfamiliäre Sozialisation ihrer Kinder auf die schulischen Bedingungen. Seit 1980 stieg die Zahl der Veröffentlichungen, jedoch mit Schwankungen, an. Der größte Teil der Veröffentlichungen widmet sich der Situation der Kinder und Jugendlichen oder der sozialen Situation der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien. Wobei die „zweite Generation“ weitaus mehr Aufmerksamkeit findet als die Elterngeneration.

Wenn man die Bücher nach der Nationalität differenziert so wird in den Untersuchungen und Aussagen schnell deutlich, dass die türkische Bevölkerungsgruppe und vor allem die türkischen Kinder im Mittelpunkt stehen.

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16 Im Jahre 1987 sind zum Beispiel 21 von 84 Studien auf diese Nationalität ausgerichtet. Es ist häufig die türkische Nationalität die in den Darstellungen oder Untersuchungen besonders berücksichtigt wird. Wobei Studien und Darstellungen über jugoslawische Familien eher selten sind. Wesentlich für eine Beurteilung der Literatur ist welches Ziel die Buchpublikation verfolgt bzw. welche Zielgruppe sie primär anspricht. Nünning-Boos unterscheidet diese grob in vier Kategorien, wobei die Belletristik außer Acht bleibt:

• Veröffentlichungen welche auf die Weiterentwicklung der Theorie und/oder die Wiedergabe empirischer Untersuchungen ausgerichtet sind, diese dienen der Grundlagenforschung;

• Arbeiten die auf Politikberatung zielen und Hilfen für die politische Planung bieten wollen;

• Ausbildungs- oder fortbildungsorientierte Arbeiten welche speziell für das Studium oder zur Verwendung von Aus- und Fortbildung entwickelt wurden z.B. Handbücher usw.;

• Sammelbände die unterschiedliche Zielgruppen ansprechen die keiner der drei Kategorien zuzuordnen sind.

Viele Arbeiten entstehen aus Projekten oder Modellversuchen die von Bundes- und Landesministerien in Auftrag gegeben wurden. In pädagogischen Bereichen ist vor allem der Anteil an Grundlagenforschung gering. Nünning-Boos vermutet, dass dies auf die Art der Finanzierung der Projekte zurückzuführen ist. Nur wenige Arbeiten sind auf der Grundlage von Forschungsförderung (Einzelprojekte) durch die traditionellen forschungsfördernden Institutionen entstanden. Auch die Europäische Gemeinschaft, die OECD und der Europarat haben viele Modellversuche und Gutachten in Auftrag gegeben.

Sie stoßen auch weniger an die Grundlagenforschung an, vielmehr ermitteln sie Planungsdaten und Grundlagen für politische Entscheidungen. Aufgrund dessen beschränken sich die Erhebungen auf Daten die für eine politische Planung notwendig erscheinen.

(18)

17 Selten werden Mittel für die aufwendige Grundlagenforschung und für empirische Untersuchungen, deren Daten nicht unmittelbar für politische Zwecke benötigt werden, von solchen Stellen zur Verfügung gestellt (vgl. Boos-Nünning, 1992, S.

4-10).

Viele Bücher enthalten wenig Neues, denn es werden immer wieder dieselben Darstellungen und Studien zitiert, selbst wenn sich die Daten und die Bedingungen völlig verändert haben.

Kaum einbezogen werden veröffentlichte Arbeiten von den Wissenschaftlern der Herkunftsländer. Dabei macht es keinen Unterschied ob sie in der Herkunftssprache oder in englischer Sprache erschienen sind, es sind nur wenige ausländische Wissenschaftler von dieser Ignorierung ausgenommen.

Aufgenommen werden diese Arbeiten erst in vielen Fällen nur dann, wenn sie in Teilen übersetzt wurden oder von einem Autor / einer Autorin ausführlich referiert wurden. Ausländische Wissenschaftler sind häufig, aber längst nicht immer in Forschungsprojekten angestellt, aber eine nach außen dokumentierte Zusammenarbeit (Herausgabe, gemeinsamen Verfassens) findet nur in Ausnahmefällen statt. Gar nicht so selten werden die ausländischen Mitarbeiter in die Rolle der Interviewer oder Übersetzer verwiesen oder in dieser Funktion angestellt (vgl. Boos-Nünning, 1992, S. 13-15).

2.2. Die Mehrheitsgesellschaft

Die geografische Mobilität hat auf der ganzen Welt stark zugenommen. Zu den Ursachen zählen vor allem Flucht und Vertreibung, die durch ethnische und nationale Konflikte ausgelöst wurden. Die Bevölkerung vieler Länder ist demographisch bunter gemischt, dies kann man an den Migrationsstatistiken ablesen. Durch die Medien, öffentliche Diskussionen und in vielen wissenschaftlichen Publikationen wurde über Jahrzehnte hinweg ein Bild über

„die Ausländer“ transportiert, welches sich mittlerweile in den Köpfen festgesetzt hat. Besonders beliebt ist hier das Bild der türkischen Frau mit einem Kopftuch, welches zum „Symbol“ für die Ausländerin geworden ist.

(19)

18 Die Migranten machen inzwischen eine beachtliche Gruppe der Bevölkerung aus.

Dennoch werden sie in den Sozialwissenschaften nicht als Teil der Aufnahmegesellschaft betrachtet und in allgemeinen Darstellungen nicht erwähnt.

Man findet sie oft als Spezialgruppe, in der Spezialschublade „Ausländerthema“

sortiert. Für viele Studien steht immer wieder das „Ausländerproblem“ bzw. die

„Integrationsproblematik“ im Mittelpunkt. Diese Studien sind stark praxisbezogen und problemorientiert.

Wenn man hauptsächlich auf Darstellungen in denen Migranten sehr fremd, sehr exotisch oder sehr anders erscheinen trifft, wird man umso eher ein Gefühl der Bedrohung entwickeln. Wer solche Bilder im Kopf hat, fühlt sich bedrängt und wird Zuwanderung und Zuwanderer ablehnen (vgl. Beck-Gernsheim, 2004, S. 9- 12).

Heute leben in vielen westlichen Ländern, grob gesagt, zwei Bevölkerungsgruppen nebeneinander. Zu der Mehrheitsgesellschaft zählen Menschen die in einem Land geboren und aufgewachsen sind, ihre Lebenswelt ist mononational, monokulturell. Sie sind verwachsen mit einer Sprache (Muttersprache) und einen Kulturraum (Heimat). Gleichzeitig gibt es eine schnell wachsende Gruppe, die zwischen mehreren Ländern, Kulturen und Zentren aufgespannt ist.

Es sind Menschen die selbst oder ihre Eltern eine Migration durchgemacht haben, aus binationalen Familien sind oder zu einer Minderheitengruppe gehören. Ihr Leben ist geprägt vom Nebeneinander mehrerer Sprachen, Heimaten und Weltbilder. Das Koordinatensystem dieser Gruppe ist transnational, daher gewinnen viele Symbole bzw. Begriffe für sie eine besondere Bedeutung, welche von der Mehrheitsgesellschaft abweichen. Typischerweise sind es immer wieder Vertreter der Mehrheitsgesellschaft die die „Anderen“ aus ihrem eigenen Blickwinkel sortieren und klassifizieren. Das was transnational angelegt ist, wird aus dem mononationalen, monokulturellen Blickwinkel betrachtet (vgl. Beck- Gernsheim, 2004, S. 16-17).

(20)

19

„Der Grundgedanke lautet ganz schlicht: Nur wer bereit ist, einen bewußt transnationalen Blick zu entwickeln, kann die Lebenswelt jener Gruppen verstehen, die sich außerhalb der Mehrheitsgesellschaft befinden. Nur wer aus den Gewohnheiten und Gewißheiten des mononationalen, monokulturellen Blicks sich herauslöst, kann den Mißverständnissen und Mythen entkommen, die die Migrationsdebatten in Deutschland kennzeichnen“. (Beck-Gernsheim, 2004, S. 17).

2.3. Öffentlicher Diskurs über Migranten

In der öffentlichen Wahrnehmung hat das Bild der Migranten einen deutlichen Kontrast zur Mehrheitsgesellschaft. Man sagt, dass die Migranten sich die Werte der Heimat bewahrt haben. Sie sind eng familienverbunden, traditionsorientiert und stark religiös orientiert. In den Massenmedien dominiert das was

„Fremdländisches“ signalisiert. So werden religiöse und kulturelle Riten, Kleidungsformen usw. aufgenommen und bestätig, das was auch in der Alltagswahrnehmung den Blick auf sich zieht. Deshalb heißt es, dass die Migranten traditionsorientiert sind und die Sitten von ihrer Herkunft und Heimat bewahren.

Viele Studien sind auch zu dem Ergebnis gekommen, dass in der Tat Migranten eine starke Traditionsbindung haben (vgl. Beck-Gernsheim, 2004, S. 19-21).

2.3.1. Was uns Medien über „Ausländer/Innen vermitteln

Selten ist etwas Positives aus den Medien über Ausländer/Innen zu erfahren.

Mord und Totschlag, Diebstahl, (Banden-)Raub usw. sind Delikte, über die im Zusammenhang mit ethnischen Minderheiten häufig berichtet wird. Butterwegge wandelt eine angelsächsische Äußerung „Only bad news are good news“, in: „Nur böse Ausländer sind für deutsche Medien gute Ausländer!“ um.

(21)

20 Georg Ruhrmann spricht von einem „Negativsyndrom“ das die Berichterstattungen kennzeichne, denn auch die vorhandenen und zukünftigen sozialen Veränderungen werden als katastrophal und schicksalhaft dargestellt. So wird die Ausbreitung des Rassismus in der Mehrheitsgesellschaft, andererseits die Zunahme desintegrativer Tendenzen bei ethnischen Minderheiten gefördert. Seit der Asyldiskussion, zu Beginn der 90er-Jahre, wird die Kriminalitätsfurcht der Mehrheitsgesellschaft auf die ethnischen Minderheiten übertragen (vgl.

Butterwegge, 2006, S. 188-189).

Für Rainer Geißler repräsentieren die Medien im Hinblick auf Migration folgendes:

„Es knüpft an bestehende Vorurteile gegenüber ethnischen Minderheiten an, verstärkt diese gleichzeitig und bereitet damit sozialpsychologisch den Boden für Aktionen gegen ethnische Minderheiten – im harmloseren Fall für politische Beschränkungen, im schlimmeren Fall für Fremdenhaß und brutale Gewaltausbrüche gegen ethnische Minderheiten.“ (Butterwegge, 2006, S. 189-190).

Migranten/Innen tauchen in den Medien als „Gruppe“ auf, auch wenn nicht immer von „ausländischen Banden“ die Rede ist, Einheimische hingegen werden als Einzeltäter dargestellt. Durch die Nennung der nichtdeutschen Herkunft von Straftätern wird in den medialen Berichten der Eindruck vermittelt bzw. bestärkt, dass die Straftaten mit dessen Abstammung oder ethnischer Herkunft zusammenhängen. Hinweise auf Nationalität, Sprache, Hautfarbe sind in den Medien nur dann rechtzufertigen, wenn es die Fahndung erfordert. Selbst eine Polizeistatistik zur Ausländerkriminalität, wenn sie weder kommentiert noch richtig interpretiert wird vermittelt die Botschaft, dass Menschen anderer Nationalität bzw. Herkunft aufgrund ihrer biologischen und/oder kulturellen Disposition für Straftaten anfälliger sind. Zu Beginn der 90er-Jahre wurden Flüchtlinge als „Betrüger“, „Sozialschmarotzer“ und „Störenfriede“ abgestempelt.

(22)

21 Die Flüchtlinge gefährden durch ihr Hiersein oder ihr Verhalten das friedliche Zusammenleben und den Wohlstand des Landes berichteten die Medien. Die mediale Darstellung hat maßgeblich dazu beigetragen, dass ein Bild eines von Ausländern bedrohten Deutschlands in den Köpfen der Gesellschaft entstehen konnte (vgl. Butterwegge, 2006, S. 190-1992).

2.3.2. „Islamischer Terrorismus“ in den Medien

„Islamismus“ und „islamischer Terrorismus“ werden häufiger als andere Themen medial vermittelt. Unser Wissen über diese Themen beziehen wir aus den Massenmedien. Vom „Terrorismus“ sind zahlenmäßig im Unterschied zu anderen Formen kriminellen Verhaltens, z.B. Verkehrs- und Körperverletzung, nur wenige Menschen betroffen. Der islamische Terrorismus wurde schon in seiner Geburtsstunde medial inszeniert und damit erhielt er in gewisser Weise auch die Bedeutung die er heute hat. Die Anschläge auf das World Trade Center und die dauernden (Live-)Berichterstattungen, haben einen nachhaltigen Eindruck im Hinblick auf die Wertigkeit der Ereignisse im kollektiven und persönlichen Erleben hinterlassen.

Heute, nach dem 11. September, wissen wir über den islamischen Terrorismus fast ausschließlich alles nur von den Medien. Die Berichterstattung der Medien strukturiert unser Bild und gibt uns bestimmte Vorgaben (vgl. Trautmann, 2006, S. 139).

Die Anschläge haben die gesamte Migrationsfrage unter den Aspekt der Sicherheit gestellt. Seit dem 11. September 2001 wird Zuwanderung medial in erster Linie als Sicherheitsproblem und Bedrohung thematisiert. Doch die Zeit nach den Anschlägen stellt eine verschärfte Form der schon länger beobachtbaren Tendenz insbesondere der medialen Berichterstattung dar, welche Migration zunehmend als Bedrohung für die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Gesellschaft gleichsetzt (vgl. Trautmann, 2006, S. 148).

(23)

22

„Die Meta-Erzählung hinter der Berichterstattung und den Reaktionen der Politik lautet: Zuwanderer und insbesondere Menschen aus dem islamischen Raum sind zu fürchten. Man sollte aber nicht übersehen, dass der Diskurs durchaus einen dialektischen Charakter hat, weil der Ausschluss des Fremden den Einschluss des Eigenen unterstützt und zugleich das Vertrauen diesem gegenüber notwendig von dem Misstrauen gegenüber dem Anderen abhängt.“(Trautmann, 2006, S.

149).

Khaled El Masri ein gebürtiger Libanese mit deutschem Pass, Murat Kurnaz, ein in Bremen geborener und aufgewachsener Türke und Mohammed Haydar, ein Deutscher syrischer Abstammung wurden vom US-Geheimdienst verschleppt und zum Teil jahrelang in Afghanistan, auf dem Militärstützpunkt Guantánamo Bay, festgehalten und gefoltert. Die Journalisten interessierten sich aber nicht groß für sie.

Wenn es sich aber nicht um Migranten, sondern um Deutsche gehandelt hätte, dann wären diese Fälle nicht erst durch die „CIA-Affäre“ (November/Dezember 2005) aufgedeckt und schon viel früher zu einem Topthema der Medien geworden (vgl. Butterwegge, 2006, S. 225).

Das Bild der Muslime ist immer noch durch kommunikativ vermittelte Informationen geprägt. Das was man weiß, wird oft nur durch Berichte und Erzählungen über den Islam bzw. Gläubige geprägt, denn direkte Kontakte mit Muslimen sind immer noch selten. Die Medien beeinflussen stark unsere Wahrnehmung, dennoch werden sie immer wichtiger (vgl. Ateş, 2006, S. 151).

Der Leser kann sich kein unmittelbares und eigenes Urteil zur internationalen Politik bilden. Deshalb bieten Kommentare und Meinungen der Experten bestimmte Deutungsmuster für die Ereignisse an. Man muss bedenken, dass die Leser der Boulevardpresse nur sehr geringe Kenntnisse über Außenpolitik, Terror, Propaganda und Krieg haben. Dies unterstreicht noch einmal die Bedeutung der Medien für die Meinungsbildung und bei der Entstehung von Vorurteilen.

(24)

23 Medial erzeugte Wirklichkeitskonzepte prägen zunehmend unsere Wahrnehmung vom „Anderen“ und spielen eine nicht unwesentliche Rolle bei der öffentlichen Meinungsbildung. Besonders wie die „Realität“ medial konstruiert wird ist von Bedeutung. Nach den Anschlägen am 11. September 2001 wurde der Islam in gewissermaßen von den Medien neu entdeckt. Um den Islam als eine weltliche Bedrohung darstellen zu können, werden sie dem Verdacht ausgesetzt, die westliche Kultur und das christliche Abendland vernichten zu wollen. In den Medien wird besonders dass islamisch-orientalische Fremde hervorgehoben und das Öffentlichkeitsbild des Islam wurde auf Negativ- und Fremdbilder reduziert.

Insbesondere Muslime mit ihren äußerlichen Erscheinungsformen als „Andere“

stellten für die westliche Gesellschaft eine große Herausforderung dar.

Man brauchte nur das schlummernd vorhandene Feindbild aus dem kulturellen Gedächtnis hervorzuholen. In den Medien wurde muslimische Religiosität mit der Bereitschaft zur Gewaltanwendung gleichgesetzt.

Dies zeigte sowohl auf den wissenschaftlichen Diskurs als auch auf die öffentliche Meinung Wirkungen (vgl. Ateş, 2006, S. 153-156).

Im Gegensatz zu sprachlichen Ausdrücken haben Bilder in den Medien einen höheren Effekt. Sowohl Text und Bild sind Teile einer allgemeinen Zusammenordnung. Erst das Bild und der Text zusammen ergeben eine vollständige Zusammenordnung. Wie Bilder gelesen werden, hängt auch ab von dem Punkt, den das Auge auf einem Bild erfasst, den daraus entsprechenden Assoziationen und der weiteren Betrachtungsweise.

In der Öffentlichkeitsarbeit wird versucht diesen Aufnahmevorgang zu steuern, um die Aufmerksamkeit in die gewünschten Bahnen zu leiten wird das Auge gelenkt. Zum Aufbau von Feindbildern benötigt man die Verknüpfung von Bild und Wort (vgl. Ateş, 2006, S. 162).

(25)

24 Bilder und Texte erzeugen eine eindeutige Polarisierung im Denken. Der Feind wird in den Bildern „hässlich“ gezeigt und die eigene Seite wird in ein besseres Licht gerückt. Negative Eigenschaften des Feindes und die positiven der eigenen Seite sollen sichtbar in Erscheinung treten, Berichte zum Thema „Islam“, konzentrierten sich eher auf die Muslime in den arabischen Ländern, dabei blieb die tolerante muslimische Tradition und Kultur in den europäischen Ländern unerwähnt (vgl. Ateş, 2006, S. 164-165).

Ateş zufolge lautet der Grundtenor in den Medien:

„Die Muslime seien essenziell gewaltbereit und sie könnten sich von Gewalt nicht distanzieren, wohingegen der Dialog nur eine Verschleierung sei. Kurz, was immer die Muslime täten, sie seien nicht dazu in der Lage, sich von der Gewaltdimension des Islam zu befreien, da dieser keine Aufklärung im westlichen Sinne erlebt habe. Wenn die Angehörigen einer Weltreligion auf diese Weise medial diffamiert und verdächtigt werden, können die Fotos eines leidenden oder erschlagenen Irakers bzw. eines misshandelten Gefangenen in Guantánamo oder Bagdad schwerlich Mitgefühl bei den Zuschauern erregen.“ (Ateş, 2006, S. 165).

2.4. Vergleich von Medienberichten

Um zu zeigen wie in den Medien mit dem Thema Migration umgegangen wird, habe ich Berichte seit dem Jahr 2009 für meine Arbeit gesammelt. Hauptsächlich habe ich mich auf Berichte aus der Kronen Zeitung fokussiert.

Die Kronen Zeitung, kurz Krone genannt, erscheint täglich und ist zurzeit die auflagenstärkste österreichische Boulevardtageszeitung. Stil der Kronen Zeitung ist die einfache Sprache und kurze Artikel, deshalb kann man sie am ehesten als massenfokussiert beschreiben.

(26)

25 Für jedes österreichische Bundesland gibt es eine eigene Ausgabe der Krone, bei denen jeweils der Lokalteil variiert. Laut Österreichischer Media-Analyse erreichte die Kronen Zeitung im Jahr 2006 täglich 2,764 Millionen Menschen, eine Reichweite von 38,9 %. Wenn man die Leser (knapp drei Millionen) an der Einwohnerzahl (etwa acht Millionen) misst, ist die Krone eine der stärksten, erfolgreichsten und einflussreichsten Zeitungen der Welt.

Der Krone wird vorgeworfen tendenziös und subjektiv zu berichten. Ein Beispiel:

angesichts der steigenden Anzahl an Asylwerbern und Migranten wird regelmäßig vor „Überfremdung“ gewarnt, die Krone fordert „Die Grenzen dicht!“ (vgl.

www.wikipedia.com).

Zitat über die Kronen Zeitung von Heide Schmidt, Gründerin des Liberalen Forums:

„Für mich ist sehr symptomatisch, wie die Kronenzeitung in der Sache Omofuma umgegangen ist. Das ist der Name eines Nigerianers, der ein Schubhäftling war und der gestorben ist dadurch, dass die Polizisten ihm bei der Abschiebung den Mund verklebt haben und er erstickt ist. Und in der Debatte über solche Methoden schreibt die Kronenzeitung – unter dem Pseudonym „cato“ ist das immer der Herausgeber Dichand höchstpersönlich: „Polizei, das bedeutet Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Dieser Aufgabe sind die begleitenden Sicherheitswachebeamten gerecht geworden.“ Das heißt eine Reinwaschung dieser Methoden. (…) Das sind Botschaften, die ausgesendet werden und die dann unterstützt werden durch andere Redakteure in der Zeitung.“ (www.wikipedia.com).

Der Fall Marcus Omofuma erregte großes innenpolitisches Aufsehen in Österreich. Dem damaligen Innenminister Karl Schlögl (SPÖ) wurde vorgeworfen, von der gesetzwidrigen Praxis des Verklebens von abzuschiebenden Personen gewusst und nichts dagegen unternommen zu haben. Schlögl bekam damals Rückendeckung von der FPÖ und der Kronen Zeitung.

(27)

26 Das Vorgehen wurde durch die Kronen Zeitung mit Schlagzeilen wie „So tobte der Schubhäftling!“ gerechtfertigt. In dem Artikel wurde Omofuma als wild beißender Randalierer dargestellt, der nur mit Fesselung und Verklebung zu bändigen war. Einen Monat später wurde die Kronen Zeitung wegen diesem Bericht vom Österreichischen Presserat verurteilt.

Als Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit schuf die Künstlerin Ulrike Truger auf eigene Kosten einen Gedenkstein für den verstorbenen Asylwerber, der vor dem Museumsquartier an der Mariahilfer Straße aufgestellt wurde. In Zusammenhang mit der Aufstellung des Gedenksteins für Omofuma wurde dieser mehrfach von der Kronen Zeitung und Jörg Haider als Drogendealer bezeichnet (vgl. www.wikipedia.com).

Folgende Schlagzeilen schreibt die Kärntner Kronen Zeitung über

„Tschetschenen“:

(Quelle: Kronen Zeitung, 28.11.2009).

Bürgermeister der Stadt Villach Helmut Manzenreiter glaubt die Ursache für das Problem zu kennen. Er macht die Asylpolitik verantwortlich, weil der Großteil der Täter Ausländer seien. Bürgermeister Helmut Manzenreiter:

„Wir bekommen sicherlich mehr schwierige Asylwerber zugeteilt als andere Gemeinden. Denn beim Land weiß man: Mehr Ausländer bedeuten mehr Probleme.“ (Kronen Zeitung, 28.11.2009).

Durch solche Aussagen werden „Ausländer“ alle in die gleiche Schublande gesteckt und ihr Dasein sofort mit Problemen verbunden.

(28)

27 (Quelle: Kronen Zeitung, 21.07.2010).

(Quelle: Kronen Zeitung, 31.05.2010).

(Quelle: Kronen Zeitung, 27.05.2010).

Welchen Eindruck bekommt man durch solche Schlagzeilen über

„Tschetschenen“? Bestimmt keinen positiven. Die Mehrheitsgesellschaft weiß nicht viel über „Tschetschenen“, denn nur wenige stehen im realen Leben in Kontakt mit ihnen. Die Informationen die man über „Tschetschenen“ weiß, werden von der Gesellschaft aus den Zeitungen oder anderen Medien bezogen.

Dadurch entstehen Vorurteile und Meinungen über „Tschetschenen“ die sich auf die Schlagzeilen in den Zeitungen beziehen.

Unbewusst assoziiert man somit mit „Tschetschenen“ gleich Prügelattacken und Schutzgeld-Erpressungen. Es entsteht das Vorurteil, dass alle „Tschetschenen“

kriminell sind.

(29)

28 Nun möchte ich zeigen wie die Medien vorgehen, wenn Menschen mit Migrationshintergrund positiv in unserer Gesellschaft auffallen. Als Beispiel nehme ich Berichte von meinem Bruder Dr. Mag. Haris Bilajbegović. Er ist Filmemacher, Mitbegründer der Akademie für Gewaltprävention (Securus GmbH) und setzt sich für Migration ein. Schlagzeilen in der Kronen Zeitung sehen dann folgendermaßen aus:

(Quelle: Kronen Zeitung, 22.04.2011).

(Quelle: Kronen Zeitung, 31.08.2007).

(30)

29 (Quelle: Kronen Zeitung, 24.01.2009).

(Quelle: Kronen Zeitung, 04.10.209).

Egal ob Schauspieler, Sportler, Politiker usw. mit Migrationshintergrund – wenn es um etwas Positives geht, dann wird die „Herkunft“ des Migranten oft auf die Stadt/Land bezogen wo er lebt. Geht es um negative Themen, so wird nur die tatsächliche Herkunft der Person herangezogen. So wie bei diesen Berichten aus der Kronen Zeitung über meinen Bruder der als Villacher/Kärntner bezeichnet wird. Auch wenn in manchen Berichten erwähnt wird, dass er einen Migrationshintergrund hat, muss man sich fragen wie viele Menschen überhaupt den gesamten Text lesen. Denn von den meisten Menschen werden oft nur die Überschrift und der Untertext gelesen.

Würde der „Villacher“ Haris Bilajbegović aber negativ auffallen, wie in den vorigen Berichten die „Tschetschenen“, dann würde in den Schlagzeilen nicht

„Villacher“ sondern „Bosnier“ stehen.

(31)

30 Somit entsteht das Bild in den Köpfen: „Ausländer“ sind schlecht, „Inländer“ sind gut.

In diesem Bericht aus der Kronen Zeitung geht es um das Thema Migration. Hier steht wiederum seine Herkunft im Mittelpunkt.

(Quelle: Kronen Zeitung, 24.06.2010).

„Die Mama hat geputzt, der Papa war ein typischer „Hackler“, der als Gastarbeiter von Bosnien nach Villach gekommen ist. Sohn Haris Bilajbegovic hat zunächst Maurer gelernt – und ist nun mit 31 Akademiker, prämierter Filmregisseur sowie ein passionierter Kämpfer für eine gewaltlose Integration.“ (Kronen Zeitung, 24.06.2010).

Schon allein in der Überschrift „Bosnischer Maurer als Doktor“ wird deutlich gemacht, dass hier jemand über Migration spricht, der selbst einen Migrationshintergrund hat. Jemand der selbst ein Gastarbeiterkind ist spricht das aus was die Mehrheit hören will.

Haris Bilajbegović über Migration:

„ (…) Ich halte verpflichtende Deutschkurse für gut. (…) Daher sollten Ausländer, die hier leben wollen, Deutsch lernen.“

„(…) Aber viele Asylanten und Einwanderer führen sich so auf, als wären sie hier auf Urlaub. Sie haben auch Pflichten.“ (Kronen Zeitung, 24.06.2010).

(32)

31 Ein Migrant spricht hier etwas aus was sich die Mehrheit der österreichischen Gesellschaft denkt und auch gerne hört. In diesem Bericht wird, im Gegensatz zu den anderen, immer wieder deutlich gemacht, dass er selbst kein „Österreicher“

ist. Denn wenn man als Migrant das ausspricht, was die österreichische Gesellschaft gerne hört, dann wird auch die Herkunft erwähnt.

2.5. Vorfall an einer österreichischen Schule

Hier möchte ich kurz deutlich machen, wie damit umgegangen wird, wenn der Spieß umgedreht wird, wenn Migranten „Opfer“ und nicht „Täter“ in der österreichischen Gesellschaft werden.

An der Fachschule für wirtschaftliche Berufe der Caritas der Diözese Graz- Seckau wurde 2009 einer 15-jährigen muslimischen Schülerin ihr Kopftuch, von zwei österreichischen Mitschülerinnen, während eines Ausfluges angezündet. Ein

„religiöses Motiv“ wird hierbei ausgeschlossen, es handle sich um „persönliche Differenzen“ laut der Direktorin der Schule. Die Schulleitung forderte eine Entschuldigung vor der ganzen Klasse, was die beiden Täterinnen verweigerten.

Beide Mädchen wurden von der Schule verwiesen. Wenn es nur ein Schulstreich oder was auch immer war, frage ich mich, warum es den beiden Mädchen so schwer gefallen ist sich zu entschuldigen? (vgl. www.diepressse.com).

Wenn man sich die Kommentare über diesen Zeitungsartikel auf der Homepage von Die Presse anschaut, kann man leider unter den meisten eine Fremdenangst, Islamfeindlichkeit und ein hohes Aggressionspotenzial gegenüber dem Islam herauslesen.

(33)

32 Kommentar eines anonymen Gastes über diesen Zeitungsartikel:

„Negative Religionsfreiheit

Eine Schülerin auf einer österreichischen Schule muss auch vor religiösen Fanatikerinnen geschützt werden. Die Vermummung mittels Kopftuch ist Symbol eines fanatischen Islamismus, denn die Muslima könnte ihrer Religion eben auch ohne Kopftuch nachgehen. Somit gehörte diese Muslima längst der Schule verwiesen. Solange sie auf dem Tragen des religiösen Symbols des Kopftuches besteht. Dann wäre das Ganze auch nicht passiert.“ (www.diepresse.com).

Ein anderer anonymer Gast schreibt folgendes:

„schon so kalt?

Ist es schon so kalt dass die arme Schülerin ein Kopftuch tragen muss?

Kreuze dürfen in unseren Klassen keine mehr hängen, aber die "armen"

Moslems dürfen weiterhin ihr Kopftuch tragen. Wenn ich in einem moslimischen Land bin muss (und tue ich es selbstverständlich auch) ich mich auch anpassen. Also sollen sich diese Leute bei uns gefälligst auch anpassen!“ (www.diepresse.com).

Ein weiterer anonymer Beitrag:

„sg caritas-vertreter, sg herr schmied!

warum wird moslems der zutritt zu einer katholischen bildungseinrichtung gewährt? mit meinem kirchenbeitrag möchte ich keine moslems sondern andere katholiken - egal woher - unterstützen!

mfg s.“ (www.diepresse.com).

(34)

33 Die Kommentare auf der Homepage „die Presse“ zeigen deutlich, dass der Vorfall lächerlich gemacht und niedergespielt wird. Hier geht es darum, dass zwei Österreicherinnen „Täterinnen“ sind und nicht „Ausländer“, so wie es die Gesellschaft gerne sieht. Dabei wird die Schuld dem türkischen Mädchen zugesprochen, denn wenn sie kein Kopftuch getragen hätte, dann wäre es zu dem Vorfall gar nicht erst gekommen. Die tatsächlichen „Täterinnen“ werden hierbei in Schutz genommen, denn sie gehören der Mehrheitsgesellschaft an. Da die Kommentare anonym sind, trauen sich auch bestimmt mehr Menschen ihre tatsächliche Meinung über den Islam zu äußern.

Ich stelle mir die Frage warum das muslimische Kopftuch in einem Land wo Religionsfreiheit herrscht immer wieder angegriffen und nicht akzeptiert wird?

Was ist mit dem Ordensgewand der Nonnen, sie haben genauso eine Kopfbedeckung, diese wird aber mit ihrem Beruf und mit ihrer freien Wahl erklärt. Wobei man bei einer muslimischen Frau mit Kopftuch sofort an Unterdrückung und Zwang denkt. Ich denke in der heutigen Zeit sollte die Gesellschaft akzeptieren und respektieren können, dass jeder Mensch selbst entscheidet was er tragen und anziehen möchte. Punker, Rapper usw. haben auch ihren eigenen Stil mit welchem sie sich von der restlichen Gesellschaft hervorheben. Genauso ist es bei einer Muslimin, sie möchte mit ihrem Kopftuch zeigen, welcher Religion sie angehört, nicht mehr und nicht weniger.

Das Kopftuch ist nicht nur ein Tuch für eine Muslimin, es hat einen hohen Stellenwert in der Religion. Es ist ein religiöses Gebot, welches im Koran offenbart wurde:

„(…) Sage deinen Frauen und deinen Töchtern und den Frauen der Gläubigen, daß sie etwas von ihrem Übergewand über sich ziehen sollen.

So werden sie eher erkannt und (daher) nicht belästigt. (…).“ (Koran, Vers 33/59).

Es ist nicht ein Zeichen des nicht integrieren wollen, so wie viele behaupten, diese Frauen halten sich nur an die Pflichten ihrer Religion.

(35)

34 Und dazu braucht man bestimmt auch eine große Portion Mut, weil sie anders sind, sich von der restlichen Gesellschaft abheben und immer wieder auf die Intoleranz der Mehrheit stoßen. Wie dem auch sei, wenn ich mich im Alltag umsehe, bin ich persönlich in Kärnten noch nie einer Frau mit Kopftuch in einem Dienstleistungsunternehmen begegnet. Woran das wohl liegt? Viele behaupten, dass Frauen die ein Kopftuch tragen nicht arbeiten dürfen weil ihr Mann es nicht zulässt und sie nur für die Erziehung der Kinder zuständig sind.

Mag schon sein, dass dies tatsächlich in manchen Familien auch so ist, aber bestimmt nicht in allen. Ich glaube das liegt wohl eher daran, dass solche Frauen wegen ihres äußerlichen Erscheinungsbildes in unserer Gesellschaft nicht gerne gesehen werden. Ich schätzte sie üben meist eine Arbeit aus bei der sie von den Kunden nicht gesehen werden.

Wie man in einem fremden Land mit einem Kopftuch behandelt wird, kann ich selbst nicht wissen, dennoch wage ich zu behaupten, dass es bestimmt nicht immer einfach für diese Frauen ist. Für meine Arbeit überlegte ich mir für ein paar Wochen ein Kopftuch zu tragen, aber dazu fehlte mir der Mut.

Mir fällt da eine Geschichte ein, die mir eine Bekannte erzählte, deren Mutter Brustkrebs hatte. Aufgrund der Chemotherapie sind ihr die Haare ausgefallen, deshalb trug sie ein Kopftuch. Obwohl sie Österreicherin ist, wurde sie oft verbal von Passaten auf der Straße angegriffen und beschimpft. „Scheiss Moslem“ und ähnliche Schimpfwörter musste sie sich anhören. Dass es solche Abneigungen gegenüber dem Islam in Kärnten gibt, war mir bis dahin unbekannt. Wir können es auch nicht wissen, wie es in der Realität aussieht, da wir kein Kopftuch tragen.

(36)

35

3. Politischer und rechtlicher Umgang mit Migranten/Innen

In den 60er Jahren betrug die durchschnittliche Beschäftigungsdauer von ausländischen Arbeitskräften ein bis eineinhalb Jahr(e), 1978 lag sie bereits bei fünf und acht Jahren. Die längere Beschäftigung auf dem österreichischen Arbeitsmarkt hängt damit zusammen, dass immer mehr Ausländer einen Befreiungsschein besaßen, der sie teilweise von der außerökonomischen und politischen Domination befreite (vgl. Parnreiter, Wien, 1994, S. 172).

Zwischen 1988 und 1993 gab es mehrere Novellierungen bestehender und zur Schaffung neuer Sondergesetze für bzw. gegen AusländerInnen. Willibald Pahr - Flüchtlingsbeauftragter des Innenministeriums beschrieb das Ziel der österreichischen Migrationspolitik folgendermaßen: „Um Österreich sollen Mauern mit kleinen Toren errichtet werden.“

Die auffälligste Neuerung betrifft die militärische Flüchtlingsabwehr, wobei das Bundesheer seit September 1990 an der Grenze zu Ungarn die illegale Einwanderung abwehrt. In den Jahren 1988/1990/1991/1992 wurden weitere Novellierungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes durchgeführt. Durch die Novellierungen wollte man eine schärfere Trennung zwischen schon lange in Österreich lebenden MigrantInnen und erst kürzlich eingereisten AusländerInnen ziehen. Der Zugang zum Befreiungsschein sollte für MigrantInnen die schon länger in Österreich leben erleichtert werden, wobei für neue ArbeitsmigrantInnen der Zutritt zum Arbeitsmarkt erschwert wurde.

Das Aufenthaltsgesetz trat am 1. Juli 1993 in Kraft, welches eine jährliche Zuwanderungsquote festlegt. Durch das Aufenthaltsgesetz brauchen alle AusländerInnen (mit wenigen Ausnahmen), die sich länger als sechs Monate und/oder zur Ausübung einer selbstständigen oder unselbstständigen Tätigkeit in Österreich aufhalten wollen, eine Bewilligung.

Dieses Gesetz übernahm auch die Bestimmungen über Bundes- und Landeshöchstzahlen (1994: 26.300) und es wurden erstmals Kriterien wie Sprachkenntnisse festgelegt.

(37)

36 Um eine Aufenthaltsbewilligung erteilt zu bekommen wird folgendes vorausgesetzt: gesicherter Lebensunterhalt, ortsübliche Unterkunft und die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes. Um erstmalige Aufenthaltsgenehmigung kann grundsätzlich nur vom Ausland aus angesucht werden, somit sind im Vergleich zu früher alle illegal oder als TouristInnen Eingereisten von einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen. Diese Regelung sollte vor allem Flüchtlinge abschrecken, denn nach einem abgelehnten Asylantrag kann kein Antrag mehr auf Aufenthaltsbewilligung, auch umgekehrt, mehr gestellt werden.

Für Flüchtlinge ist Österreich somit als Asylland ausgeschieden. Das Asylgesetz wurde auch vom Flüchtlingshochkommissariat der UNO mehrmals kritisiert, denn es ist nicht mehr in der Lage, ein gerechtes, geschweige denn ein großzügiges Verfahren zu gewährleisten. Manfred Matzkas (Innenministerium) sieht das Asylgesetz als erfolgreich an, denn: „Die Situation für Flüchtlinge muß so unerträglich gemacht werden, daß niemand mehr nach Österreich flüchtet.“

Auch für ArbeitsmigrantInnen wurde der Zutritt erschwert bis unmöglich gemacht (vgl. Parnreiter, 1994, S. 175-178).

Viele rechtliche Regulierungen dienen dazu, ArbeitsmigrantInnen an Integration und Proletarisierung zu hindern. Ausländische Arbeitskräfte sind eine begehrte Arbeitskraft, weil sie aus halbproletarischen Haushalten entstammen und ihnen ein größerer Teil der unmittelbaren Reproduktionskosten und des sozialen Lohnes vorenthalten werden kann. Allein im Jahre 1973 wurde in Österreich die Arbeitskraft von über 200.000 Menschen verwendet, ohne dass in das Entstehen dieses ArbeiterInnenheeres investiert wurde. 200.000 Menschen welche ein ausländisches Gesundheitssystem benützten, welche von ausländischen Ärzten behandelt wurden und ausländische Schulen besuchten. Diese unbezahlten Leistungen kann man nicht zahlenmäßig erfassen.

Doch im ganz groben Überschlag hat allein Jugoslawien und die Türkei bis 1973 mindestens 17 Milliarden Schilling an investiertem Kapital in Form von ArbeitsmigrantInnen nach Österreich exportiert. Wenn diese Zahlen stimmen, dann hätten ArbeitsmigrantInnen mehr Kapital nach Österreich gebracht, als sie an Rimessen rücküberweisen konnten (bis 1973 etwas mehr als 11 Milliarden Schilling).

(38)

37 ArbeitsmigrantInnen wurde ein Teil des ortsüblichen Lohnes in Form von Sozialleistungen nicht gewährleistet und der Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung bestand teilweise nur auf dem Papier. Gänzlich vorenthalten wurde den AusländerInnen die Notstands- und Sozialhilfe. Damit Industrieländer das sehr profitable System aufrecht erhalten, sollten die Arbeitskräfte laufend ausgewechselt werden. Die Unternehmer wollten sich den alten Traum von Arbeitskräften erfüllen, die weder geboren noch großgezogen werden, die nicht altern und nicht schwach werden. Doch dazu waren Gesetze wichtig, die eine Niederlassung verhinderten oder erschwerten.

ArbeitsmigrantInnen konnte man rechtlich gesehen nicht als Einwanderer begreifen, denn sie waren nur auf Durchreise.

Die politisch-rechtliche Benachteiligung ermöglichte ArbeitsmigrantInnen nicht, sich auf einen längeren Aufenthalt einzustellen. Es war ihnen also nicht möglich sich zu integrieren und um eine Verbesserung ihrer Position zu kämpfen. In diesem Zwischenstatus mussten sie jene Arbeitsbedingungen akzeptieren, welche InländerInnen abgelehnt hätten. Felix Butschek vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung fasst zusammen: „Die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte dürfte überwiegend positive wirtschaftliche Auswirkungen für Österreich gehabt haben.“

AusländerInnen nahmen die schlechten Arbeitsplätze ein. Somit konnten InländerInnen in bessere Jobs in der Industrie und im Dienstleistungssektor wechseln, denn durch die AusländerInnenbeschäftigung bekamen sie die Chance zu sozialer Aufwärtsmobilität.

Aufgrund dessen erklärt sich auch das Interesse der Gewerkschaften an einer streng regulierten AusländerInnenbeschäftigung und einer verankerten Spaltung des Arbeitsmarktes. Rechtliche, politische und soziale Diskriminierung sollte AusländerInnen hindern sesshaft zu werden (vgl. Parnreiter, 1994, S. 135-142).

(39)

38 3.1. Ausländer- und Zuwanderungspolitik

Die internationalen Wanderungsbewegungen der sechziger und siebziger Jahre haben eine besondere Prägung der Ausländerpolitik erforderlich gemacht.

Deshalb muss die Ausländerpolitik im Vergleich zur Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik als relativ innovatives und dynamisches Phänomen gesehen werden.

Die Politik wird in demokratischen Staaten selten und nur in wenigen Bereichen planmäßig und langfristig betrieben. Die Politik richtet sich zum Großteil meist auf augenblicksbezogene Reaktionen, die durch soziale Probleme entstehen und sich in der Öffentlichkeit zu politischen Fragen formuliert haben. Die Aufgabe ist es, politische Lösungen zu finden um auftretende Schwierigkeiten zu meistern.

Man kann sagen, dass sich die Staaten hauptsächlich mit den Tagesnöten und Tagesfragen befassen und nur selten kann eine grundsätzliche Entscheidung von großer Reichweite getroffen werden. Hier haben die reichen Nationen gegenüber den ärmeren Nationen mehr Spielraum. Reiche Nationen können eine große Linie verfolgen, ärmere hingegen sind auf politische Optionen angewiesen die innerhalb ihrer Möglichkeiten liegen (vgl. Gehmacher/Kubat/Mehrländer, 1978, S. 9).

„Die Ausländerpolitik besteht dann zumeist aus einer Serie von Maßnahmen, die unter dem Druck eines angespannten Arbeitsmarktes und ungenügender Bevölkerungsreserven einerseits, und chronischer Arbeitslosigkeit sowie wachsender Bevölkerung andererseits getroffen werden.“ (Gehmacher/Kubat/Mehrländer, 1978, S. 9).

In der Ausländerpolitik werden erst neue Fragen behandelt wenn neue Probleme auftauchen. Wie damals als viele Aufnahmeländer bemerkten, dass sie keine zusätzlichen ausländischen Arbeitskräfte mehr benötigen, die Zuwanderung aber weiterhin angehalten hat. Denn in der augenblicklichen wirtschaftlichen Lage werden die ausländischen Arbeitskräfte nicht mehr unbedingt benötigt.

(40)

39 Dennoch müssen die Industriestaaten einsehen, dass die ausländischen Arbeitnehmer die einst willkommen waren, keine Neigung zur Rückkehr in ihr Heimatland zeigen. Für eine solche Situation gab es kein langfristiges Konzept, deshalb entstand die Ausländerpolitik. Alle Aufnahmeländer sind hoch entwickelte Industriestaaten und behandeln gewisse Probleme in ähnlicher Art.

Die in Gang gesetzten Wanderungsprozesse konnte man nicht mehr so leicht aufhalten. Es kam zu Familienzusammenführungen gegen die man wegen des humanitären Prinzips und wegen bindender Verträge nicht einschreiten konnte.

Denn 1973 wurde vom Internationalen Arbeitsamt (ILO) das Recht auf Nachzug der Familienmitglieder als Grundrecht eingeführt. Dieses wurde auch immer wieder auf internationalen Konferenzen betont und musste überall als weitgehend unverletzbar anerkannt werden. Durch den Zuzug ganzer Familien ist es unwahrscheinlich, dass der Anteil der ausländischen Bevölkerung geringer werden könnte (vgl. Gehmacher/Kubat/Mehrländer, 1978, S. 9-10).

Am Anfang der Wanderungsbewegung gingen vor allem Arbeitskräfte mit industrieller Erfahrung aus eigener Initiative ins Ausland. Später wurden die Abwanderungen organisiert und die Arbeitskräfte kamen vorwiegend aus der Landbevölkerung. Die Entsendeländer sahen im verstärkten Maße ein, dass die meisten Probleme durch die Abwanderung von Arbeitskräften nicht gelindert worden sind. In manchen ländlichen Regionen hat die Abwanderung das natürliche Bevölkerungswachstum überstiegen und es kam zu echten Verödungserscheinungen. Die Entsendeländer nahmen an, dass die Abwanderer nach einiger Zeit als gut ausgebildete Industriearbeiter in ihre Heimat zurückkehren würden. Diese Annahme wurde jedoch nur in geringem Maß erfüllt, denn die meisten Abwanderer wurden im Aufnahmeland ansässig.

Deshalb kamen viele Entsendeländer zu der Ansicht, dass die europäischen Aufnahmestaaten nur noch Arbeitskräfte anwerben sollten die zu Hause keinesfalls eine Beschäftigung finden können. Jugoslawien hat zum Beispiel nur noch die Abwanderung unqualifizierter Arbeitskräfte ermutigt und Österreich benötigte fast nur ungelernte Hilfskräfte (vgl. Gehmacher/Kubat/Mehrländer, 1978, S. 13-14).

(41)

40 Österreich war nach dem zweiten Weltkrieg bis Anfang der sechziger Jahre kein Zuwanderungsland, sondern hatte eher den Charakter eines

„Durchwanderungslandes“. In den sechziger Jahren folgte eine Phase in der Österreich weiterhin Arbeitskräfte an die westlichen Nachbarstaaten abgab, andererseits aber vermehrt „Gastarbeiter“ vorwiegend aus Jugoslawien und später auch aus der Türkei aufnahm. Wobei viele von ihnen Österreich nur als Zwischenstation auf dem Weg nach Deutschland benutzten. Von 1968 und nach 1970 wurde Österreich vorwiegend zum Aufnahmeland. Durch die rasche Entwicklung der Ausländerbeschäftigung wurde Österreich mitten in die Gastarbeiterproblematik gezogen und die Realisierung der Ausländerpolitik wurde dadurch erzwungen (vgl. Gehmacher/Kubat/Mehrländer, 1978, S. 153).

Da es in Österreich einen Mangel an Arbeitskräften gab, wurden Türken (1964), Jugoslawen (1965) und Spanier (1966) als Hilfs- und Anlernarbeiter angeworben.

Dadurch entstand die „Ausländerpädagogik“, die sich im Laufe der Zeit in ihren Inhalten, aber nicht in ihren Zielsetzungen gewandelt hat.

In Österreich bestimmen die Sozialpartner (Gewerkschaft, Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Präsidentenkonferenz) die Ausländerpolitik. Sie bestimmen über die Ausländerbeschäftigung welche Lücken auf dem Arbeitsmarkt rasch schließt und eine Lohnsteigerung in diesen unqualifizierten Tätigkeiten verhindert. Dadurch konnte die Politik flexibel und selektiv auf die Bedürfnisse der Wirtschaft eingehen.

Durch die Koppelung der Aufenthaltsgenehmigung an die Beschäftigungsbewilligung, die beide auf ein Jahr begrenzt sind, kann die Zulassung der Ausländer zum Arbeitsmarkt, wie auch ihr Abbau gezielt gesteuert werden. Die Aufenthaltsgenehmigung kann frühestens nach vier bis fünf Jahren auf eine unbestimmte Zeit ausgeweitet werden.

Bei der Beschäftigungsbewilligung kann diese Flexibilität nach acht Jahren ununterbrochener Beschäftigung in Österreich durch eine Erweiterung auf zwei Jahre (Befreiungsschein) verringert werden.

Die einseitige Politik hat durch die Entstehung einer wirtschaftlichen Krise somit die soziale Situation der ausländischen Arbeitnehmer verändert, dadurch aber auch neue Probleme geschaffen.

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