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4. Schul- und Ausbildungssituation

4.1. Die zweite Generation

Im Zeitalter von Migration und Globalisierung wächst die Zahl der Personen, die aus den unterschiedlichsten Gründen ihre Heimat hinter sich lassen. Innerhalb weniger Jahrzehnte ist die Zahl der Familien, die in der einen oder anderen Form, eine direkte Verbindung zu einem anderen Land bzw. Kulturkreis aufweisen, erheblich gestiegen.

Es gibt zum einen immer mehr Menschen die in einem Land wohnen, welches nicht ihr Geburtsland ist. Zweitens gibt es immer mehr Beziehungen, in welchen sich die Partner in Bezug auf ihre Herkunft deutlich unterscheiden (Nationalität, Religion, Hautfarbe). Drittens gibt es immer mehr Kinder, die in gemischten Familien, mit mehreren Herkunftskulturen aufwachsen. Die „zweite Generation“, Kinder die aus Migrantenfamilien oder aus binationalen Verbindungen stammen, irritieren den mononationalen, monokulturellen Blick. Man kann sie in die gewohnten Ordnungskategorien, hier wir, dort die anderen nicht einfügen, da sie beides zugleich sind und nicht nur das eine oder das andere.

77 Aufgrund dessen herrscht in Bezug auf die zweite Generation im öffentlichen Raum oft Unsicherheit. Menschen die verschiedene Herkunftskulturen aufweisen, werden oft zwischen den Kulturen stehend beschrieben. Sie haben keinen eigenen Ort und tragen deshalb das Schicksal der Heimatlosigkeit (vgl. Beck-Gernsheim, 2004, S. 74-76).

Hierzulande hat das Stichwort „Kulturkonflikt“ große Wirkung entfaltet, besonders wenn es um das Diskussionsthema Arbeitsmigration und deren Folgen geht. „Gastarbeiter“ die man ins Land holte, die nach einer begrenzten Zeit das Land wieder verlassen sollten, wurden allmählich ansässig. Man merkte, dass dieses Vorhaben anders ablief als ursprünglich geplant, denn es kam vom Gastarbeiter zur Ausländerfamilie. Als diese Entwicklung ins allgemeine Bewusstsein geriet, setzte die Diskussion um das „arme Ausländerkind“ ein. Es geriet vorranging als Opfer ins Blickfeld und als Symbol einer falschen oder fehlenden Migrationspolitik.

Migrantenfamilien waren vorranging von Missständen, Defiziten und Mängeln umzingelt und davon gezeichnet. Ohne Heimat, ohne Sprache, kurzum in einer ausweglosen Lage gefangen. Zu diesem Thema entstanden immer mehr Veröffentlichungen, die sich sehr auf einen Blickwinkel fixierten. Dies erkennt man schon in den Titeln: in denen es um ‚“Kindheit im Kulturkonflikt“, „junge Ausländer im Konflikt“, „Integrationsprobleme ausländischer Jugendlicher“ oder

„Schulprobleme von Gastarbeiterkindern“ geht.

In den Darstellungen die die Lebenslage der zweiten Generation abbilden wollen, findet man immer wieder den Kulturkonflikt der im Mittelpunkt steht. Zwischen den Kulturen zerrieben ist das Motto welches sich daraus ableiten lässt (vgl.

Beck-Gernsheim, 2004, S. 80-82).

Unter den Kindern der Arbeitsmigranten gibt es inzwischen eine wachsende Gruppe die erfolgreich das Bildungssystem absolvieren. Doch bisher nimmt die Mehrheitsgesellschaft dies viel zu wenig zur Kenntnis. Teilweise hängt dies mit alten Vorurteilen und Denkweisen zusammen. Auch weil die offizielle Statistik nur unvollständige Daten vermittelt und weil sich die Politik vorwiegend mit Problemen der Gesellschaft befasst.

78 In den Diskussionen geraten vorwiegend die „Versager“ und „Problemfälle“ ins Blickfeld, diejenigen also, die irgendwie negativ auffallen. Diejenigen die das Klischee vom armen Ausländerkind neu bestätigen (vgl. Beck-Gernsheim, 2004, S. 90-91).

Die „Identität“ der zweiten Generation geschieht in der Öffentlichkeit oft in Form einer widersprüchlichen Aufforderung. Die zweite Generation soll sich in Deutschland integrieren und gleichzeitig aber ihre „Identität“ wahren. In gesellschaftlich relevanten Handlungsfeldern also wie ein Deutscher sein, aber gleichzeitig als Ausländer erkennbar bleiben. Fast immer wird das Identitätsproblem als ein Problem des Jugendalters aufgefasst. Zum Begriff

„Identität“ gibt es in der allgemeinen sozialwissenschaftlichen Literatur eine verwirrende Vielfalt und Unübersichtlichkeit. Für Furtner-Kallmünzer beschreibt der Begriff „Identität“ eine interaktiv sich konstituierende Form der ICH-Organisation.

Diese lässt sich durch ihre Funktionen, dem je altersspezifischen Umgang mit Grundproblemen menschlicher Existenz, beschreiben (vgl. Furtner-Kallmünzer, 1988, S. 87-89).

„Diese Grundprobleme (die in der Literatur jeweils den Identitätsbegriff bestimmen) sind:

das Problem der Selbstwahrnehmung und –bewertung

das Problem der biographischen Kontinuität und der individuellen Konsistenz über die Lebensbereiche bzw. Rollen hinweg

das Problem der Individualität (der Einzigartigkeit) und der Gleichheit mit anderen bzw. der „Normalität“

das Problem von Determination und Freiheit (von relativer Anpassung und relativer Autonomie)

das Problem der Vermittlung von Bedürfnissen und Moral bzw.

gesellschaftlichen Anforderungen

das Problem von sozialer Zugehörigkeit und sozialer Anerkennung

das Problem des Sinns des Lebens“. (Furtner-Kallmünzer, 1988, S. 89).

79 4.2. Multikulturelle Schulen

Die weltweite Migration und die angestrebte Mobilität tragen dazu bei, dass Bildungsinstitutionen wie vor allem die Schule weiterhin von Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität geprägt sein werden. Eine multikulturelle Schule ist dadurch charakterisiert, dass sie von Schülern verschiedener Kulturen und Ethnien besucht wird, die zudem eine andere Erstsprache als Deutsch erworben haben.

Dies bedeutet, dass zur vorhandenen deutschen Kultur nicht nur unterschiedlich verschiedene Kulturen hinzukommen, sondern dass nun Menschen aus unterschiedlichen Räumen, mit unterschiedlichen Sprachen und unterschiedlichen kulturellen Traditionen, von denen sie in unterschiedlichster Weise geprägt sind, zur Schule gehören.

Unter den Zuwanderern findet man nur wenige die in einer Schule als Lehrer unterrichten. Dies zeigt, dass die Schule als staatliche Bildungsinstitution sich der gesellschaftlichen Multikulturalität nur zögernd öffnet. Dennoch gelten in der Schule, anders als in der Gesellschaft, dieselben Rechte für Inländer und Ausländer, doch die Schulabgangsdaten von Kindern aus Zuwanderungsfamilien belegen, dass noch keine tatsächliche Chancengleichheit gegeben ist. Begründet werden die schlechteren Ergebnisse von Kindern aus Zuwanderungsfamilien und anderen Minderheitengruppen (z.B. Sinti und Roma) meistens aufgrund der ungünstigen Voraussetzungen wie z.B. das Lernumfeld, Schicht, Elternhilfe etc.

oder auch teilweise durch die monokulturelle Ausrichtung von Schule und Lehrkräften. Jedoch wird die Begründung selten in den Strukturen der deutschen Schule, welche auf eine homogene deutschstämmige Zielgruppe zugeschnitten ist, gesucht. In der Schule werden kulturelle Unterschiede wahrscheinlich in noch stärkerem Maße registriert und bewertet, als in der Gesellschaft im Ganzen. Denn die Schule sucht eine monokulturelle Tradition zu wahren, die der gesellschaftlichen Vielfalt in keiner Weise entspricht (vgl. Luchtenberg, 1999, S.

77-79).

80 4.3. Einfluss auf den Schulerfolg

In gemischten Klassen haben Kinder eher die Möglichkeit, Solidarität und Gemeinsinn zu erlernen und zu praktizieren. Jedes Kind verfügt über einen ganz unterschiedlichen Hintergrund, aus welchem sich vielfältigere Erfahrungsmöglichkeiten ergeben.

Kinder vergleichen untereinander wie z.B., dass mache Familien in großen Einfamilienhäusern und andere in kleinen Mietwohnungen leben, oder manche Familien einen ganz anderen kulturellen Hintergrund haben usw. Solche Eindrücke helfen Kindern die Welt in all ihren Facetten besser wahrzunehmen und verstehen zu lassen. Das erleben von anderen sozialen Realitäten, hilft, das eigene Umfeld besser zu beurteilen, Vorzüge zu schätzen und Nachteile zu erkennen.

Im Vergleich dazu kann ein Kind in einer privaten Eliteschule solche Unterschiede kaum wahrnehmen, aufgrund dessen geht es davon aus, dass die meisten Menschen keine finanziellen Probleme haben und alle materiellen Wünsche erfüllt werden können, weiters misst sich das Kind nur mit seinesgleichen. Umgekehrt kommt es in einer Schule welche nur noch von

„Arbeiterkindern“ besucht wird zur Gettoisierung. Zur Gettoisierung kann es auch kommen, wenn Eltern ihre Kinder in „bessere“ Schulhäuser versetzen lassen und Angst davor haben, dass ihre Kinder nicht genügend gefördert werden. Wenn dies mehrere Eltern machen, ist die Durchmischung gefährdet. Solche Fluchttendenzen kann man nur verhindern, indem man die benachteiligten Schulen aufzuwerten versucht und den Schulwechsel verbietet.

Es gibt deutsche Untersuchungen welche belegen, dass der gemeinsame Unterricht mehr und weniger begabter Schüler/Innen zu einem allgemeinen Leistungsabfall führt. Doch solcher Unterricht hat für die Lernleistungen schwacher und durchschnittlicher Schüler/Innen Vorteile, die nicht zu Lasten der leistungsstärkeren Schüler/Innen gehen.

81 Das Versetzungssystem und die Aufgliederung in verschieden anspruchsvolle Schulzweige können bei schwächeren Schüler/Innen dazu führen, dass sie ein negatives Bild ihrer Fähigkeiten entwickeln, eventuell auch reduzierte Schulfreude zeigen und aufgrund dessen ihre Leistungsentwicklung ungünstig beeinflusst wird.

Durch den Unterricht in leistungsmäßig ungleichen Gruppen werden die Schüler/Innen auf die Realität in der vielfältigen Gesellschaft und auf soziale Interaktionen mit unterschiedlichen Menschen besser vorbereitet.

Immer wieder wird befürchtet, dass ein hoher Anteil von ausländischen Schüler/Innen in einer Klasse das Leistungsniveau aller Schüler nach unten drückt. Doch verschiedene Studien haben ergeben, dass der Anteil fremdsprachiger Schüler/Innen in einer Klasse keinen Einfluss auf die Leseleistung hat, wenn weitere Variablen mitberücksichtigt werden. Für die Leistung Einzelner ist vielmehr die sozioökonomische Zusammensetzung der Klasse von Bedeutung. Denn je höher der Anteil von Schüler/Innen aus oberen sozialen Schichten in einer Klasse, desto bessere Leistungen erzielen die Einzelnen und zwar unabhängig von ihrer eigenen sozialen Herkunft.

Dabei werden die Leistungen aller Schüler/Innen nach „oben“ gedrückt, wobei herkunftsbedingte Leistungsdifferenzen zwischen den Schülerinnen und Schülern unverändert bleiben. In einer heterogen zusammengesetzten Schulklasse erreichen Kinder aus den unteren sozialen Schichten die besten Leistungen, während die Leistungen der Schüler aus der sozialen Oberschicht in stark heterogenen Klassen schwächer ausfallen.

Doch nicht der hohe „Ausländeranteil“ drückt in einer Schulklasse das Leistungsniveau, wie von vielen Eltern und in der Politik befürchtet, sondern ein hoher Anteil von Kindern die aus eher bildungsfernen sozialen Milieus stammen (vgl. Eser Davolio, 2001, S. 30-33).

82 Aufgrund einer ganzen Reihe von Forschungsergebnissen kann man zur Muttersprache von Migrantenkindern folgende Aussage machen:

„Die Vernachlässigung der Muttersprache wirkt sich in negativer Weise auf das Niveau in der Muttersprache und das der Zweitsprache des Gastlandes sowie auf die allgemeine schulische Leistungsfähigkeit aus.

Diese Nachteile entstehen sowohl im Vergleich mit den Leistungen der Gleichaltrigen im Heimatland als auch mit jenen im Gastland.“ (Eser Davolio, 2001, S. 51).

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Migrantenkinder durch das Unterrichtsklima und den Lernstoff eingeschüchtert werden und den Anforderungen nicht gewachsen sind. Oft wird die Herkunftssprache aufgegeben, bevor sie die Zweitsprache voll erworben haben, es entsteht eine

„Halbsprachigkeit“ welche negative Auswirkungen hat (vgl. Eser Davolio, 2001, S. 51).

„Das Niveau der Zweitsprache hängt unmittelbar von dem erreichten Niveau in der Erstsprache ab und kann das Niveau der Erstsprache in der Regel nicht überschreiten, da in der Muttersprache die Sprachkompetenz herausgebildet wird, die für den Zweitsprachenerwerb grundlegend ist.“ (Eser Davolio, 2001, S. 51).

Aufgrund dessen ist eine niedrige Entwicklung der Muttersprache eine denkbar schlechte Voraussetzung für den Erwerb der Zweitsprache. Als Voraussetzung für den Schulerfolg von Migrantenkindern ist eine erfolgreiche Zweisprachigkeit wichtig.

1980 bis 1984 wurde die Genfer Schulstatistik durchgeführt. In beiden Gruppen, einheimische und ausländische Schüler und Schülerinnen, waren die verschiedensten Sozialschichten abgedeckt, von unausgebildeten Angestellten bis Spitzenführungskräften. In dieser Untersuchung kam man zum Ergebnis, dass eine soziale Ungleichheit im Bildungswesen herrscht.

83 Denn je höher die gesellschaftliche Schicht aus der ein Kind stammt, desto problemfreier durchquert es die Primarschule, wobei die nationale Herkunft dabei kaum zählt. Unter den Kindern die in der Schule versagen sind offensichtlich mehr Arbeiterkinder, seien es Schweizer oder Ausländer. Doch trotzdem wird in Zusammenhang von Schulschwierigkeiten immer wieder von „Ausländerkindern“

und nicht von „Arbeiterkindern“ gesprochen. Mögliche Gründe für das schlechte schulische Abschneiden von Kindern mit Migrationshintergrund sind:

Sprachliche Rückstände: für das schlechtere abschneiden wird oft die Zweitsprache verantwortlich gemacht. Doch die Schuld soll nicht beim einzelnen Kind, sondern bei den Umständen, welche diese Unterentwicklung begünstigen, gesucht werden.

Mangel an Kontakt mit der Mehrheitssprache: dies geschieht vor allem in gettoartigen Quartieren wo es kaum einen Austausch mit Einheimischen gibt.

Aufgrund dessen wird die Mehrheitssprache für alltägliche Angelegenheiten auch kaum oder nie verwendet.

Konfliktreiche Integration: vom Kind und seinen Eltern wird erwartet, dass sie sich der Mehrheit anpassen sollen. Doch von der Gesellschaft wird nicht erwartet, dass sie sich verschiedenen Kulturen öffnet und sich verändert.

Sozioökonomische Faktoren: Immigranten- und Flüchtlingskinder leben oft in sehr kleinen Wohnungen und mit wenig Freizeitmöglichkeiten. Ein niedriger sozioökonomischer Status kann auch zu psychologischen Problemen durch Diskriminierung und rassistische Vorurteile führen, wodurch Pessimismus und Minderwertigkeitsgefühle bewirkt werden können.

Schultyp: wie stark eine Schule die Herkunftssprache und die Zweisprachigkeit an und für sich unterstützt, können Migrantenkinder bessere oder schlechtere Schulleistungen erreichen.

Schulqualität: folgende Angebote haben Auswirkungen auf den Schulerfolg – spezieller Förderunterricht für Migrantenkinder, Prestigeunterstützung der Herkunftssprache, zweisprachige Lehrkräfte und Lehrplananpassung.

Lernschwierigkeiten: hierbei muss man zwischen wirklichen und scheinbaren Lernbehinderungen unterscheiden. Scheinbare Schwierigkeiten sind weniger durch das Kind als durch das Schulsystem verursacht.

84 Wenn z.B. von Seiten des Kindes eine alleinige Anpassung gefordert wird, bewirkt dies eine negative Schuleinstellung und wenig Schulmotivation.

Wenn Migrantenkinder schulisch schlecht abschneiden wird die Schuld dem Kind und den Eltern zugeschrieben, doch die Ursachen sind oft im Schulsystem begründet. Migrantenkinder werden häufig Spezialklassen und –schulen zugeteilt, dabei werden diese weiteren Zusammenhänge nicht einbezogen (vgl. Eser Davolio, 2001, S. 52-55).

85

5. Qualitative Forschung

Als Forschungsmethode für meine Diplomarbeit habe ich mich für das narrative Interview entschieden, eine Methode aus der qualitativen Sozialforschung. Der Unterschied zwischen den qualitativen und den quantitativen Verfahren ist, dass bei den qualitativen Methoden die Reflexionen des Forschers über seine Beobachtungen im Feld, seine Eindrücke, Gefühle etc. zu Daten werden, welche dann in die Interpretationen einfließen. Die Kommunikation des Forschers mit dem jeweiligen Feld und den Beteiligten wird zum expliziten Bestandteil der Erkenntnis. Wobei dies bei den quantitativen Methoden als Störvariable gesehen wird und versucht wird dies so weit wie möglich auszuschließen. Bei den qualitativen Methoden wird also die Subjektivität von den Untersuchten und Untersuchern zum Bestandteil des Forschungsprozesses (vgl. Flick, 2006, S. 19).

Die qualitative Forschung arbeitet vor allem mit Texten. Durch Interviews oder Beobachtungen werden Daten produziert die durch Aufzeichnung und Transkription in Texte überführt werden, an denen dann Interpretationsverfahren ansetzen (vgl. Flick, 2006, S. 27).

„Ganz knapp lässt sich der qualitative Forschungsprozess als Weg von der Theorie zum Text und als Weg vom Text zur Theorie skizzieren, deren Schnittpunkt in einem spezifischen Forschungsdesign die Erhebung verbaler oder visueller Daten und ihre Interpretation sind.“ (Flick, 2006, S. 27).

In der qualitativen Forschung arbeitet man im Wesentlichen mit zwei Gruppen von Daten: Verbale Daten und Visuelle Daten. Verbale Daten werden in Leitfaden-Interviews oder als Erzählungen erhoben. Hierzu zählen auch verschiedene Gruppenverfahren (Gruppeninterviews und -diskussionen,) gemeinsames Erzählen.

86 Visuelle Daten zählen als zweite große Gruppe welche durch Anwendung verschiedener Beobachtungsverfahren zustande kommen, die von teilnehmender und nicht-teilnehmender Beobachtung über Ethnographie bis zu Foto- und Filmanalyse reichen und sich anhand von Kriterien für ihre Auswahl und Bewertung vergleichen lassen. Um vom Text zur Theorie zu gelangen werden verbale oder visuelle Daten durch Dokumentation oder Transkription in Texte verwandelt. Wobei die Dokumentation ein wesentlicher Schritt zur Konstruktion von Wirklichkeit im qualitativen Forschungsprozess ist (vgl. Flick, 2006, S. 28-29).

5.1. Narratives-Interview

Wie bereits erwähnt verwende ich für meine Diplomarbeit das narrative Interview.

Das narrative Interview wird vor allem im Rahmen biographischer Forschung verwendet (vgl. Flick, 2006, S. 147).

„Im narrativen Interview wird der Informant gebeten, die Geschichte eines Gegenstandsbereiches, an der der Interviewte teilgenommen hat, in einer Stegreiferzählung darzustellen. (…)“ (Flick, 2006, S. 147).

Im Alltag sind wir in der Lage eine Erzählung so zu gestalten, dass diese auch wenn sie Stunden dauert, nachvollzogen und vom Zuhörer verstanden werden kann. Beim narrativen Interview geht es darum, dass sich diese Kompetenzen möglichst unbeeinflusst vom Interviewer entfalten können (vgl. Bohnsack, 2003, S. 92).

Beim narrativen Interview wird eine entsprechende Eingangsfrage gestellt, wodurch der Interviewte zum Erzählen aufgefordert (Erzählaufforderung) wird.

Danach kommt es zum Nachfrageteil, wo nicht ausgeführte Erzählansätze vervollständigt werden können. Zum Schluss können den Interviewpartner auch Fragen gestellt werden, die auf theoretische Erklärungen für das Geschehen abzielen können (Bilanzierungsphase). Dabei wird der Interviewte „als Experte und Theoretiker seiner selbst“.

87 Die Eingangsfrage muss beim narrativen Interview breit und spezifisch formuliert werden. Während der Erzählung ist es für die Qualität der Daten von Bedeutung, dass der Interviewer diese nicht durch Fragen oder bewertende Interventionen behindert. Der Interviewer ist Zuhörer und signalisiert nur durch begleitende

„Hms“, dass er sich in die erzählte Geschichte des Erzählers hineinversetzt und diese zu verstehen versucht.

Sobald der Erzähler sich in die Situation des narrativen Interviews eingelassen hat und die Erzählung begonnen hat ist er in bestimmte Zwänge verstrickt („dreifache Zugzwänge des Erzählens“). Der Gestaltschließungszwang führt dazu, dass der Erzähler eine einmal begonnene Erzählung zu Ende bringt. Der Kondensierungszwang bewirkt, dass im Erzählten nur das Notwendige enthalten ist und schon aus Gründen der begrenzten Zeit verdichtet wird.

Beim Detaillierungszwang werden zum Verständnis notwendige Hintergrundinformationen und Zusammenhänge in der Erzählung mitgeliefert.

Durch diese Zwänge beim Erzählen kommen auch „heikle“ Themen zur Sprache (vgl. Flick, 2007, S. 228-231).

Für meine Diplomarbeit sind folgende drei Forschungsfragen von Bedeutung:

Wie wird in der Gesellschaft mit dir umgegangen? Wirst du deiner Meinung nach gleich behandelt oder gibt es in manchen Bereichen Benachteiligungen für Migranten?

Wie gehen deiner Meinung nach die Medien mit dem Ausländerthema/Migration um?

Die Politik spricht immer wieder von einer „Integrationsproblematik“

vor allem von muslimischen Migranten. Sind deiner Meinung nach solche Diskussionen begründet oder sinnlos?

88 5.1.1. Interviews

Bei meinen Interviewpartnern handelt es sich ausschließlich um Personen die einen Migrationshintergrund haben. Interviewpartner Denis möchte nicht beim Namen genannt werden, aufgrund dessen wurde sein richtiger Name geändert. Die vollständigen Interviews sind im Anhang zu finden. Die Zitate aus den Interviews habe ich wie folgt gekennzeichnet z.B.: (2) Haris, dies ist im Anhang bei dem Interviewpartner Haris unter der Frage bzw. Antwort (2) zu finden.

5.2. Die Interviewpartner

Haris ist mein Bruder, er ist 33 Jahre alt und lebt in Villach. Da er sich selbst für die Integration von Migranten engagiert, erklärte er sich sofort für ein Interview bereit. Denis ist mit seinen 24 Jahren mein jüngster Interviewpartner, er lebt ebenfalls in Villach. Ibrahim ist 36 Jahre alt und lebt im Bezirk Villach Land.

Denis und Ibrahim sind Arbeitskollegen von Bekannten, die ich vorher nicht kannte, die aber sofort bereit waren ein Interview mit mir zu machen.

Interviewpartner Muhammet ist 32 Jahre alt und lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern im Bezirk Villach Land. Ihn kenne ich weil er früher unser Nachbar war und mit meinem Bruder Haris in dieselbe Schule gegangen ist.

Ich hatte somit keine Schwierigkeiten zu meinen Interviewpartnern zu finden, da alle sofort dazu bereit waren, ein Interview mit mir zu machen. Darüber freute ich mich sehr, es war aber auch deutlich spürbar, dass jeder von ihnen großes Interesse für mein Thema zeigte. Da sie im Interview die Möglichkeit hatten ihre eigene Meinung über den Umgang mit muslimischen Migranten in Österreich zu vertreten und ihre persönlichen Erfahrungen die sie in der Gesellschaft gemacht haben zu erzählen. Es war sehr interessant zu beobachten, wie jeder einzelne von ihnen mit diesem Thema auf seine eigene Art und Weise umgeht.

Ich denke die Interviewpartner konnten deshalb so offen über das Thema mit mir reden, da ich selbst einen Migrationshintergrund habe.

89 Haris und Denis sind beide in Villach geboren und aufgewachsen, ihre Eltern stammen aus dem heutigen Bosnien und Herzegowina und sind damals als Gastarbeiter nach Österreich gekommen. Interviewpartner Muhammet ist ebenfalls in Villach geboren und aufgewachsen, seine Eltern stammen aus der Türkei. Muhammets Großvater und seine Eltern kamen ebenfalls als Gastarbeiter nach Österreich. Haris, Denis und Muhammet zählen also zu den

89 Haris und Denis sind beide in Villach geboren und aufgewachsen, ihre Eltern stammen aus dem heutigen Bosnien und Herzegowina und sind damals als Gastarbeiter nach Österreich gekommen. Interviewpartner Muhammet ist ebenfalls in Villach geboren und aufgewachsen, seine Eltern stammen aus der Türkei. Muhammets Großvater und seine Eltern kamen ebenfalls als Gastarbeiter nach Österreich. Haris, Denis und Muhammet zählen also zu den