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Freihandelsabkommen: Nutzen Firmen die Vorteile? | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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FREIHANDEL

Die Volkswirtschaft  3 / 2020 57

Freihandelsabkommen:

Nutzen Firmen die Vorteile?

Eine umfassende Datenanalyse zeigt, in welchem Umfang Schweizer Firmen die Freihandels- abkommen der Schweiz in Anspruch nehmen, um Zölle zu sparen. Kaum genutzt wird das Sparpotenzial beim Import von Autos aus Deutschland und Kleidern aus China.  Stefan Legge, Piotr Lukaszuk

D

ie ökonomische Literatur ist sich un- eins, ob Freihandelsabkommen (FHA) positiv oder negativ zu bewerten sind.1 Zwar wird der Handel durch den Abbau von Zöllen erleichtert, allerdings nur zwischen den beiden Freihandelspartnern. Bezie- hen Firmen ineffiziente Vorprodukte aus einem FHA-Partnerland nur deshalb, weil diese zollbegünstigt sind, dann kann dies den internationalen Handel verzerren. Der Grund für die Verzerrungen ist, dass dann zwar die billigste, aber nicht unbedingt die am effizientesten produzierte Ware im- portiert wird. Ausserdem haben FHA den Nachteil, dass Behörden präferenzielle Zölle nur dann gewähren, wenn Firmen bei der Einfuhr nachweisen können, dass die Güter den Ursprungsregeln genügen. Diese Regeln stellen sicher, dass das Produkt zu einem massgeblichen Teil im Partnerland hergestellt wurde. So auch beispielsweise beim Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China: Produziert eine Firma Maschinen in der Schweiz, kann sie diese nur dann zollbegünstigt nach China expor- tieren, falls ein hinreichend grosser Teil der Wertschöpfung in der Schweiz stattgefun- den hat. Um diesen Nachweis zu erbringen, müssen die Firmen den Herstellungsprozess

1 Siehe Dani Rodrik (2018). What Do Trade Agreements Really Do? In: Journal of Economic Perspectives, 23(2), S.73–90.

Abstract  Für eine kleine, hoch entwickelte Volkswirtschaft wie die Schweiz ist der internationale Handel zentral. Seit Jahrzehnten ist die schweizerische Politik darum bemüht, diesen Handel durch den Abschluss von Freihandelsabkommen (FHA) zu er- leichtern. Beim Import verbilligen sich dadurch die ausländischen Waren für Konsu- menten und Firmen. Beim Export verbessern FHA die Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer Firmen im Ausland. Zentraler Bestandteil von FHA sind die präferenziellen Zölle. Diese sind tiefer als reguläre Einfuhrzölle. Allerdings kommen sie nur zur An- wendung, wenn die präferenziellen Ursprungsregeln erfüllt sind. Eine Studie zeigt nun, wie stark Firmen beim Im- und Export von präferenziellen Zöllen profitieren.

Dabei wird klar, dass die Nutzungsrate von FHA stark über Länder und Produkte hin- weg variiert. Insgesamt werden mehrere Milliarden Franken Zollabgaben eingespart, wobei einzelne Industrien besonders profitieren.

entsprechend dokumentieren und gege- benenfalls anpassen. Das kostet. Firmen wägen daher ab: Sollen sie das Abkommen nutzen und die Kosten für den Ursprungs- nachweis in Kauf nehmen? Oder sollen sie darauf verzichten und stattdessen die üb- lichen Einfuhrzölle entrichten?

Unvollständige Exportdaten

Für die Schweizer Handelspolitik sind Frei- handelsabkommen von zentraler Bedeutung.

Denn die Schweiz ist klein und hoch ent- wickelt und stark in die Weltwirtschaft ein- gebunden. Entsprechend wichtig ist es, zu verstehen, in welchem Ausmass heimische und ausländische Firmen die bestehenden Abkommen nutzen. Im Auftrag des Staats- sekretariats für Wirtschaft (Seco) hat die Universität St. Gallen diese Frage untersucht.2

Um zu berechnen, wie stark die FHA beim Import genutzt werden, haben wir sämtliche Einfuhrdaten der Eidgenössischen Zollverwaltung aufgearbeitet. Schwieriger war es, die Nutzung der FHA für Exporte zu berechnen. Denn diese kann nur mit den Zolldaten der Freihandelspartner kalkuliert werden. Das Seco hat diese Partner angefragt und die nötigen Daten teilweise erhalten.

2 Siehe Legge, Stefan und Piotr Lukaszuk (2019). Analyse zur Nutzung von Freihandelsabkommen im Auftrag des Seco. Universität St. Gallen.

Allerdings braucht es für eine genaue Aus- wertung sehr detaillierte Daten, welche nicht alle Handelspartner bereitgestellt haben.

Gemäss Seco soll deshalb künftig ein regel- mässiger und standardisierter Datenaus- tausch zwischen den FHA-Partnerländern erfolgen.

Dennoch: Insgesamt deckt unsere Aus- wertung den Grossteil des schweizerischen Aussenhandels ab. Die Zahlen zeigen, dass beim Import in die Schweiz rund 85 Prozent der Waren aus FHA-Partnerländer kommen.

Beim Export gehen über 75 Prozent in die FHA-Partnerländer, von denen Daten vor- liegen.3 Von der Analyse ausgeschlossen sind Güter, für die Einfuhrquoten gelten.

Der Grund ist, dass keine detaillierten Daten zur Ausschöpfung der Quoten vor- liegen. Die analysierten Importe belaufen sich insgesamt auf 175 Milliarden Franken, die Exporte auf 214 Milliarden Franken.

3 Enthalten sind die Daten der EU, von Albanien, Bosnien und Herzegowina, China, Hongkong, Japan, Kanada, Korea, Mexiko, Serbien, Südafrika, der Türkei, der Ukraine.

Abb. 1: Zolleinsparungen in Freihandels- abkommen der Schweiz (2018)

  nicht realisierte Zolleinsparungen         realisierte Zolleinsparungen

Importe 0

1000 2000 3000

Exporte

EIGENE DARSTELLUNG DER AUTOREN / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

in Mio. Franken

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FREIHANDEL

58 Die Volkswirtschaft  3 / 2020

einer grossen Präferenzmarge, d. h. Güter, bei denen der Unterschied zwischen MFN- Zoll und Zollpräferenz tendenziell höher war. Dass die Einsparquote mit knapp 86 Prozent über der Nutzungsrate liegt, ver- deutlicht, dass die Präferenzen häufiger bei Produkten mit überdurchschnittlichem Einsparpotenzial genutzt wurden. Konkret wurden 2018 dank den Freihandelsab- kommen bei den Importen 2,5 von theore- tisch möglichen 3 Milliarden Franken Zoll eingespart (siehe Abbildung 1 auf Seite 57).

Deutlich höher als bei den Importen ist die Nutzungsrate bei den Exporten in die untersuchten Partnerländer. 2018 betrug sie rund 80 Prozent.5 Gleichzeitig wurden 80,4 Prozent der theoretisch möglichen

5 Allerdings hat die Nutzungsrate gegenüber dem Vorjahr um rund 3 Prozentpunkte abgenommen.

Zolleinsparungen auch realisiert. Das heisst: 1,8 von möglichen 2,3 Milliarden Franken wurden eingespart.

Abkommen mit China weniger genutzt

Die Nutzungsrate variiert allerdings stark über die Herkunfts- und Zielländer sowie über die Branchen hinweg. Und zwar sowohl auf Import- als auch auf Exportseite. Das zeigt unsere detaillierte Analyse. So ist etwa die FHA-Nutzungsrate bei EU- und Efta-Part- nern deutlich höher als in anderen Ländern.

Verbesserungspotenzial gibt es vor allem bei Importen aus Deutschland und beim Handel mit China. Allerdings muss die Nutzungs- rate relativiert werden: Da es bei einigen Gütern schwieriger ist, die Zollpräferenzen zu nutzen, ist auch die Komposition der Beim Import von Gütern aus dem Aus-

land kommen verschiedene Zollsätze zur Anwendung. Der Standardzoll ist der so- genannte MFN-Tarif (Most Favoured Nation oder Meistbegünstigungszollsatz). Jedes Mitgliedsland der Welthandelsorganisation (WTO) hat für alle Produktgruppen einen MFN-Zollsatz festgelegt. Beträgt dieser null, so bietet ein FHA keinen Zollvorteil.

Verbilligte Anoraks aus China

In der Schweiz ist mehr als ein Drittel der Importe bereits zollfrei. Und auch die übri- gen Tarife sind niedrig. Trotzdem könnte die Mehrheit der Schweizer Importe von einem FHA zusätzlich profitieren, wenn Firmen von den darin gewährten Zollpräferenzen Ge- brauch machen. Dieser Zoll liegt tiefer als der MFN-Zollsatz und kommt dann zur An- wendung, wenn beim Import die im FHA fest- gelegten Ursprungsregeln erfüllt werden. So würden etwa Anoraks aus China normaler- weise einem regulären Zollsatz von 575 Franken pro 100 kg unterliegen. Ist hingegen nachgewiesen, dass die Wertschöpfung zu mindestens 40 Prozent in China erfolgte, ent- fällt dieser Zoll vollständig.

Um die Nutzung von Freihandelsab- kommen zu analysieren, werden zwei zen- trale Kennziffern verwendet: einerseits die Nutzungsrate. Sie zeigt den Anteil der tat- sächlich über das Freihandelsabkommen ein- geführten Importe gemessen an all den Gü- tern, die potenziell unter dem FHA günstiger hätten importiert werden können. Dabei aus- geschlossen sind zollfreie sowie anderweitig begünstigte Waren, für die ein FHA keinen tieferen Zollsatz bietet.4 Die andere wichtige Kennzahl ist die Einsparquote. Sie misst den Anteil der realisierten Zolleinsparungen im FHA gemessen an den potenziell möglichen Einsparungen.

Hohe Nutzungsrate bei Exporten

Wo Unternehmen von einem FHA profi- tieren können, tun sie das mehrheitlich.

Das zeigen unsere Berechnungen der Nutzungsrate. Diese beträgt importseitig rund 73 Prozent und blieb von 2016 bis 2018 stabil. Mit anderen Worten: Etwa drei Vier- tel aller Importe, bei denen Unternehmen von einem FHA-Präferenzzoll profitieren können, gelangten in diesem Zeitraum tatsächlich präferenziell in die Schweiz.

Allerdings betraf dies vor allem Güter mit

4 Anderweitig begünstigte Waren umfassen etwa Rücksendungen oder zollbegünstigte, zweck- gebundene Einfuhren.

Abb. 2: Erwartete und tatsächliche Nutzungsrate von Freihandelsabkommen nach Ländern (2018)

EIGENE BERECHNUNG UND DARSTELLUNG DER AUTOREN / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Gezeigt sind jeweils die Top-10-Partnerländer nach Handelsvolumen.

  Tatsächliche Nutzungsrate         Erwartete Nutzungsrate auf Basis des Produktmixes Deutschland

100 in %

75

50

25

0

Italien Frankreich

China

Grossbritannien

Österreich Niederlande

Spanien Tschechien

Japan Import

  Tatsächliche Nutzungsrate         Erwartete Nutzungsrate auf Basis des Produktmixes Deutschland

100 in %

75

50

25

0

Frankreich China

Italien Grossbritannien

Japan Belgien

Österreich Nieder

lande Spanien Export

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Piotr Lukaszuk

Forschungsassistent und PhD-Kandidat, Schweizerisches Institut für Aussenwirt- schaft und Angewandte Wirtschafts- forschung (Siaw), Universität St. Gallen Stefan Legge

Dozent und Projektleiter, Schweizerisches Institut für Aussenwirtschaft und Angewandte Wirtschaftsforschung (Siaw), Universität St. Gallen

FHA-Monitor

Zusätzlich zur Auswertung der Zolldaten, die von den Freihandelspartnern zur Verfügung gestellt wurden, wurde für jedes Partnerland ein sogenannter FHA-Monitor konzipiert und erstellt. Dieser stellt auf einer Seite kompakt alle wichtigen Kennzahlen zum Freihandels- abkommen des jeweiligen Partnerlandes mit der Schweiz dar. Hierzu zählen Informationen zum bilateralen Handel, der Umfang von präferenziellen Zollmargen, Nutzungsraten für die wichtigsten Sektoren sowie potenzielle und realisierte Zolleinsparungen. Der FHA-Monitor ist demnächst online erhältlich auf Seco.admin.ch.

importierten Produkte aus dem jeweiligen Land entscheidend. Anhand des Produkt- mixes haben wir deshalb für jedes Land eine erwartete Nutzungsrate geschätzt. So er- warten wir beispielsweise für die Importe aus China eine im Vergleich zu den anderen Ländern tiefe Nutzungsrate, da die Schweiz viele Textilien aus China importiert (siehe Abbildung 2). Beim Import von Textilien ist die Nutzung von Freihandelsabkommen auf- grund der restriktiven Ursprungsregeln und fragmentierten Wertschöpfungsketten ge- nerell schwieriger als bei anderen Industrie- produkten. Tiefe Nutzungsraten aufgrund des Produktmixes erwarten wir ferner auch bei Importen aus Grossbritannien oder bei Exporten nach Japan.

Unterschiede gibt es auch zwischen den Branchen. Ein bedeutender Teil der realisierten Zolleinsparungen konzent- riert sich auf einige Sektoren. So haben Schweizer Firmen vor allem beim Import von Kunststoffen, Molkereiprodukten und Papierwaren von den Freihandelsabkommen

profitiert. Allein 55 Millionen Franken wur- den bei Werbedrucken, Verkaufskatalogen und dergleichen aus Deutschland ein- gespart. Auf der Exportseite profitieren die Handelspartner insbesondere im Uhrensek- tor mit Einsparungen von über 300 Millio- nen Franken. Dennoch könnten noch deut- lich mehr Zollabgaben eingespart werden, wenn die möglichen Einsparungen auch tatsächlich realisiert würden. Am grössten ist das ungenutzte Sparpotenzial beim Im- port von Kleidung oder Verkehrsmitteln sowie beim Export von Maschinen.

Sparpotenzial bei Autoimporten

Unsere Studie zeigt auch auf, bei welchen Handelsbeziehungen und Produktgruppen die Nutzungsrate von Freihandels- abkommen noch relativ niedrig ist.

Beispielsweise könnte bei Autoimporten aus Deutschland oder Kleiderimporten aus China deutlich mehr gespart werden. Was der Grund dafür ist, bleibt zu klären. Mög- lich ist, dass die Nutzung von FHA aufgrund globaler Wertschöpfungsketten schwierig ist. Deshalb müsste man untersuchen, ob die Nutzung von FHA in diesen und ande- ren Branchen aufgrund von restriktiven Ursprungsregeln eingeschränkt wird. Bei globalen Wertschöpfungsketten müssen auch Möglichkeiten zur Kumulation des Ursprungs berücksichtigt werden. In wei- teren Untersuchungen wäre es interessant, zu erfahren, welche Determinanten (Trans- aktionsvolumen, Einsparpotenzial oder Prä- ferenzmarge) wie stark beeinflussen, ob eine Firma ein FHA nutzt oder nicht.

Aus der Beantwortung dieser Fragen lassen sich dann Massnahmen ableiten, welche die Schweizer Handelspolitik um- setzen kann, etwa um die Nutzung von FHA vor allem bei Produkten mit hohem Zollersparnispotenzial zu erhöhen. Ganz allgemein bleibt jedoch die Frage offen, ob Freihandelsabkommen handelsschaffend oder verzerrend sind. Auch hier könnte wei- tere Forschung wichtige Erkenntnisse für die Politik liefern.

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