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Beschluss. 1. Vergabekammer des Bundes VK 1-37/19. In dem Nachprüfungsverfahren. - Antragstellerin - Verfahrensbevollmächtigte: gegen

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1. Vergabekammer des Bundes VK 1 - 37/19

Beschluss

In dem Nachprüfungsverfahren […]

- Antragstellerin - Verfahrensbevollmächtigte:

[…]

gegen

[…]

- Antragsgegnerin -

[…]

Verfahrensbevollmächtigte:

[…]

- Beigeladene -

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- 2 -

wegen der Vergabe „Ausbildung für behinderte Menschen mit Förderbedarf nach § 117 SGB III - Integratives Modell", Los […], Vergabe-Nr. […] hat die 1. Vergabekammer des Bundes durch den Vorsitzenden Direktor beim Bundeskartellamt Behrens, die hauptamtliche Beisitzerin Leitende Regierungsdirektorin Brauer und den ehrenamtlichen Beisitzer Dr. Bayer auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2019 am 3. Juli 2019 beschlossen:

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin sowie der Beigeladenen.

3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene war notwendig.

Gründe:

I.

1. Die Antragsgegnerin (Ag) führt derzeit ein europaweites offenes Verfahren zur Vergabe

„Ausbildung für behinderte Menschen mit Förderbedarf nach § 117 SGB III - Integratives Modell", Lose […] bis […], Vergabe-Nr. […], durch.

Lose […] und […] betreffen die Leistungsausführung in der Stadt […] Im streitgegenständlichen Los […] sind laut Losblatt vier Ausbildungsberufe (Fachpraktiker/in für … Bürokommunikation/… Küche (Beikoch)/… Hauswirtschaft/… Gastgewerbe) anzubieten. Der Personalschlüssel beträgt nach der Leistungsbeschreibung B.2.4 (Seite 10 f.):

 Sozialpädagoge : Teilnehmer 1 : 20

 Lehrkraft : Teilnehmer 1 : 24

 Ausbilder : Teilnehmer 1 : 10.

Weiter heißt es dort (Seite 13):

„Die Personalschlüssel bleiben bei einer Erweiterung bzw. einem Austausch eines Ausbildungsberufes gemäß § 25 der Vertragsbedingungen unberührt, soweit von den

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zuständigen Stellen oder in den Ausbildungsordnungen bzw. Ausbildungsregelungen darüber hinaus keine höheren Anforderungen an den Personalschlüssel gestellt werden.

Das Personal ist jedoch hinsichtlich der Qualifikation entsprechend des neuen Ausbildungsberufes anzupassen. Soweit von den zuständigen Stellen oder in den Ausbildungsordnungen bzw. Ausbildungsregelungen darüber hinaus höhere Anforderungen an die Qualifikation oder den Personalschlüssel gestellt werden, sind diese zu erfüllen.“

In „A Wertungshinweise“ wird Folgendes ausgeführt:

„Der Bieter hat die erfolgs- und qualitätsorientierte Umsetzung der Vertragsinhalte auf Grundlage der Leistungsbeschreibung und des Konzeptes durch sein Personal sicherzustellen. Anhand der Erkenntnisse der Vergabestelle zu bereits erbrachten und vergleichbaren Leistungen im unten stehenden Sinn werden daher die in der Datei A_Bewertungsmatrix im Wertungsbereich „V Bisherige Erfolge und Qualität“

aufgeführten Kriterien (Ausführungen im Konzept sind dazu weder gefordert, noch werden sie gewertet) wie folgt bewertet:

Als vergleichbar betrachtet werden die Maßnahmen nach §§ 117 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b SGB III (Rehabilitationsspezifische Ausbildung für Menschen mit Behinderung), § 102 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b SGB III a.F. (Ausbildungen für behinderte Menschen mit Förderbedarf) – jeweils integratives Modell – des Bieters im Bundesgebiet.

(…)

Für die Bepunktung innerhalb der Wertungskriterien gilt Folgendes:

1. Eingliederungsquote in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (Wertungskriterium V.1)

Die Eingliederungsquote wird für die Maßnahmen des Bieters auf Ebene von Vergleichstypen ermittelt. Damit die regionalen Arbeitsmarktdisparitäten beachtet werden, hat das Institut für Arbeitsmarktforschung (IAB) im Sinne eines Benchmarkings 12 regionale Vergleichstypen nach AA-Bezirken entwickelt. Die Bildung und Verteilung der Vergleichstypen ist in den folgenden Publikationen des IAB beschrieben, die im Internet veröffentlich sind unter:

(…)

2. Eingliederungsquote in sozialversicherungspflichtige Ausbildung (Wertungskriterium V.2)

Die Eingliederungsquote wird für die Maßnahmen des Bieters auf Ebene von Vergleichstypen ermittelt. Damit die regionalen Ausbildungsmarktdisparitäten beachtet werden, hat das Institut für Arbeitsmarktforschung (IAB) im Sinne eines Benchmarkings 14 regionale Ausbildungsmarkttypen nach AA-Bezirken entwickelt.

Die Neufassung der Typisierung für den Ausbildungsmarkt ist im Internet veröffentlich unter:

(…)“

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- 4 -

Die Antragstellerin (ASt) gab Angebote zu den Losen […] und […] ab.

Mit Schreiben vom 23. Mai 2019 informierte die Ag die ASt darüber, dass ihr Angebot in Los […] den Zuschlag erhalte. Mit weiterem Schreiben vom selben Tag wurde sie darüber informiert, dass ihr Angebot in Los […] nicht berücksichtigt werden könne, da es nicht das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot sei. Die für ihr Angebot ermittelte Kennzahl liege zwar innerhalb des Kennzahlkorridors, habe aber in der Summe der Entscheidungskriterien nicht die höchste Punktzahl erreicht. Darüber hinaus liege der Wertungspreis über dem Zuschlagspreis. Der Zuschlag solle auf das Angebot der Beigeladenen (Bg) erteilt werden.

Mit Schreiben vom 28. Mai 2019 rügte die ASt gegenüber der Ag die Vergabeentscheidung im Hinblick auf Los […] als vergaberechtswidrig. Die Ag half der Rüge mit Antwort vom 29.

Mai 2019 nicht ab.

2. Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 31. Mai 2019 beantragte die ASt bei der Vergabekammer des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag am selben Tag an die Ag übermittelt.

a) Der Nachprüfungsantrag sei begründet. Es seien Verstöße gegen materielles Vergaberecht feststellbar. Die ASt werde in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt.

Den Ausführungen der Ag in ihrem Rügeantwortschreiben seien verschiedene Fehleinschätzungen und Rechtsfehler zu entnehmen. So habe die Ag bereits deswegen rechtswidrig gehandelt, weil sie eine starre Aufgreifschwelle von 20% zwischen Niedrigstangebot und dem nächsten Angebot sowie zwischen dem niedrigsten Angebot und der Auftragswertschätzung der Ag annehme. Sie habe nur schematisch geprüft.

Eine solche Betrachtungsweise sei nicht angebracht und per se rechtswidrig. Es müsse vielmehr auf den Einzelfall geschaut werden und eine einzelfallbezogene Betrachtung der Relation zwischen Leistung und angebotenen Preis, sogar bei Einzelpositionen, erfolgen. Da die Bg die Leistung in […] bisher nicht erbracht habe, sei es zudem wahrscheinlich, dass sie den in […] geltenden – von der Vorgabe 1:10 abweichenden – Personalschlüssel (1:8 bei Fachpraktikern, zusätzlich 1:6 bei Fachpraktikern im Gastgewerbe) nicht kenne.

Ferner sei die Bg nicht für die ausgeschriebenen Leistungen bekannt. Dies lasse einen schweren Rechtsanwendungsfehler erkennen. Die Ag habe unter Ausübung

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sogenannten pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden. Eine Pflicht zur Zulassung eines Newcomers gebe es keinesfalls.

Zur Bewertung des Konzepts im Wertungskriterium V.2 trägt sie vor, die Berücksichtigung von Leistungen aus anderen Städten führe zu einem verzerrten Bild.

Eine Vergleichbarkeit über die jeweiligen Stadtgrenzen hinaus sei nicht gegeben. Dies müsse im Auswertungsverfahren angemessen berücksichtigt werden, was hier offenbar nicht geschehen sei. Ferner seien nach Kenntnis der ASt bei der Bg in […] zuletzt mehrere Optionen, mutmaßlich aufgrund von Qualitätsmängeln in der Leistungserbringung, durch die örtliche Arbeitsagentur nicht gezogen worden. Die fehlende Berücksichtigung der Ergebnisse des Lieferantenmanagements (Durchführungsqualität der Maßnahme) und der AMDL-Prüfungen wirkten sich hier nachteilig für Bieter mit einem hohen Qualitätsstandard aus.

Die ASt beantragt über ihre Verfahrensbevollmächtigten,

1. ein Vergabenachprüfungsverfahren einzuleiten und der Ag aufzugeben, das Vergabeverfahren in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen,

2. der ASt Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren,

3. Der Ag die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendung aufzuerlegen,

4. festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der ASt notwendig war.

b) Die Ag beantragt:

1. Der Antrag auf Nachprüfung wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die ASt trägt die Kosten für das Nachprüfungsverfahren.

Nach Auffassung der Ag ist der Nachprüfungsantrag nicht begründet.

In jedem Los werde von der Ag in einem eigenen Prüfungsschritt eine individuelle Preisprüfung vorgenommen, so auch in Los […]. Die eingereichten Angebotspreise der Bieter hätten unterhalb des Schätzwerts der Ag gelegen, jedoch sehr nah beieinander, und seien nicht ungewöhnlich niedrig gewesen. Der Preisabstand zwischen den Angeboten der Bg und der ASt liege sehr deutlich unter 10%. Lediglich der Preisabstand des Angebots der Bg zur Auftragswertschätzung liege höher, aber jedenfalls auch unter 20%. Von einem unangemessen niedrigen Angebotspreis der Bg nach § 60 VgV könne

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nicht ausgegangen werden. Vertragsstörungen seien der Ag und ihren fünf bundesweit tätigen Regionalen Einkaufzentren bezüglich der Bg nicht bekannt.

Hinsichtlich der geltend gemachten mangelnden Eignung der Bg verweist die Ag darauf, dass die ASt selbst über Erfahrungen in nur zwei Arbeitsmarkt- und Ausbildungsmarkt- Vergleichstypen verfüge. Im Gegensatz dazu verfüge die Bg über Erfahrungen in acht Markt-Vergleichstypen. Ob und inwieweit es in anderen Verfahren zur „Nichtziehung“

von Optionsmaßnahmen gekommen sei, hänge von vielerlei Faktoren ab (z.B.

veränderte Bedarfe), die für dieses Vergabeverfahren nicht von Bedeutung seien.

Bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots stelle die Ag in den neuen Ausschreibungen erstmals im Wertungsbereich V. auf bisherige Erfolge und Qualität und nicht mehr allein nur auf die Bewertung des Konzepts ab. Dies sei in den Vergabeunterlagen beschrieben worden. Der ASt seien die Ergebnisse der Eingliederungsquote bei der Vorgängermaßnahme mitgeteilt worden. Sie hätten sich seitdem weiter verschlechtert. Die ASt habe dies in der Antragsbegründung nicht aufgegriffen. Dies mache deutlich, dass sie sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Steigerung der Quote bemüht und sich mit der vorliegenden Wertungsmethode auseinandergesetzt habe. Sie habe mit dem § 134 GWB-Schreiben im vorliegenden Los sämtliche Quoten, Vergleichs- und Punktwerte des Wertungsbereichs V. erhalten, zusammen mit einer Auflistung der Maßnahmen, die berücksichtigt worden seien.

c) Mit Beschluss vom 5. Juni 2019 ist die Bg zum Verfahren hinzugezogen worden. Diese hat über ihren Verfahrensbevollmächtigten zum Verfahren Stellung genommen. Zweifel an der Eignung der Bg seien zurückzuweisen. Etwaige Vorwürfe einer fehlerhaften Kalkulation des Angebots der Bg in Bezug auf die Personalschlüssel seien angesichts der Ausgestaltung der Vergabeunterlagen nicht zutreffend.

Die Kammer hat der ASt Akteneinsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit diese keine Geschäftsgeheimnisse enthielten.

In der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2019 hatten die Beteiligten Gelegenheit, ihre Standpunkte darzulegen und mit der Vergabekammer umfassend zu erörtern.

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- 7 -

Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Der zulässige Nachprüfungsantrag ist unbegründet.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

Die ASt ist antragsbefugt i.S.d. § 160 Abs. 2 GWB. Ihr Interesse am Auftrag hat sie durch Abgabe eines Angebots dokumentiert. Sie hat Vergaberechtsverstöße geltend gemacht, die bei Vorliegen ihre Zuschlagschancen beeinträchtigt haben können.

Die ASt hat gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB rechtzeitig innerhalb von zehn Kalendertagen gerügt. Ferner ist die Frist für die Einreichung des Nachprüfungsantrags nach

§ 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB gewahrt.

2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet. Die Angebotswertung der Ag ist vergabefehlerfrei erfolgt, insbesondere hat sie nicht gegen ihre Aufklärungspflicht gemäß § 60 VgV verstoßen (unter a). Die Ag ist ferner zu Recht von der Eignung der Bg für die hier ausgeschriebene Leistung ausgegangen (b). Die fachliche Wertung der Angebote durch die Ag begegnet keinen Bedenken (c).

a) Die Ag hat nicht gegen ihre Aufklärungspflicht gemäß § 60 Abs. 1 VgV verstoßen.

Danach ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, vom Bieter Aufklärung zu verlangen, wenn der Preis oder die Kosten des Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen. Dem öffentlichen Auftraggeber ist ein Entscheidungsspielraum für die Einleitung einer Prüfung nach § 60 Abs. 1 VgV zuzuerkennen. Dieser ist lediglich darauf zu kontrollieren, ob der Prüfung auf der Basis eines zutreffenden Sachverhalts ein nachvollziehbarer, vertretbarer und nicht willkürlicher Ermittlungsansatz zugrunde gelegt worden ist. Der Preis oder die Kosten eines Angebots erscheinen im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung dann ungewöhnlich niedrig, wenn sie erheblich unterhalb der eingegangenen Konkurrenzangebote, einer qualifizierten Kostenschätzung oder Erfahrungswerten des Auftraggebers mit wettbewerblicher Preisbildung aus anderen Ausschreibungen liegen

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(vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018, VII-Verg 19/18). Ein Anhaltspunkt für den Eintritt in die Prüfung der Preisbildung kann vorliegen, wenn der Abstand zwischen dem Angebot des bestplatzierten und dem Angebot des zweitplatzierten Bieters mehr als 20 % beträgt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018, VII-Verg 19/18, unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 31.01.2017, X ZB 10/16).

Die Ag war hier nicht verpflichtet gemäß § 60 Abs. 1 VgV die Preiskalkulation der Bg aufzuklären. Sie hat ihren Entscheidungsspielraum für die Einleitung einer Prüfung des Angebotspreises nicht überschritten. Die Bewertung der Preise und Kosten der beiden in Los […] abgegebenen Angebote bewegt sich im Rahmen eines nachvollziehbaren, vertretbaren und nicht willkürlichen Ermittlungsansatzes.

So hat sich die Ag zu Recht zunächst in einer ersten Stufe abstrakt im Rahmen eines Grundsatzvermerks mit der Kalkulationsprüfung bei Niedrigpreisangeboten nach

§ 60 VgV beschäftigt (vgl. Vergabeakte, Vermerk vom 6. Dezember 2017, Register H).

Hier legt sie anhand von Beispielsrechnungen fiktiver Angebote fest, welche Prüfungsschritte sie wann einleitet. Sie prüft zunächst den Preisabstand des Zuschlagskandidaten zum nächst höheren Bieter und legt hier die in der Rechtsprechung erörterte Prüfschwelle von 20% an. In einer weiteren Stufe der Prüfung prüft sie außerdem die Abweichung des Zuschlagskandidaten vom eigenen Schätzwert der Vergabestelle. Auch hier legt sie eine 20%-Schwelle an, um zu entscheiden, ob sie in die Preisprüfung eintritt. Dies ist für sich genommen ein sachgerechtes Vorgehen, um ein einheitliches Vorgehen bei der Preisprüfung in den regelmäßig komplexen, viele Lose umfassenden, Vergabeverfahren zu gewährleisten.

In Anwendung der Prüfschritte auf den konkreten Fall stellte die Ag fest, dass der Abstand zwischen dem Preisangebot der Bg und dem Angebot der ASt im direkten Vergleich der Angebote sehr deutlich unter 10% liegt. Damit bestand schon nach ständiger Rechtsprechung kein Anlass für eine Preisprüfung. Weiter prüfte die ASt den Abstand zu ihrer eigenen Kostenschätzung. Der Abstand der Bg zur Kostenschätzung lag bei unter 20%. Die Ag hatte hierfür einen durchschnittlichen Zuschlagspreis standardisierter Neuvergaben für die Lose […] bis […] ermittelt und diesen entsprechend um zusätzlich gewünschte Psychologenstunden erhöht (vgl. Vergabeakte, Schätzpreisübersicht für alle Lose, Register B). Das Angebot der Bg weicht von dieser qualifizierten Kostenschätzung ab, bewegt sich aber – wie festgestellt – unterhalb einer Abweichung von 20%. Festzustellen ist darüber hinaus, dass in den übrigen Losen der Ausschreibung, auf die der Zuschlag erteilt werden soll, nur in einem Fall ein Angebot

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den Schätzpreis überschritten hat, in allen übrigen Fällen aber die Angebote günstiger waren. Dies spricht insgesamt dafür, dass der Schätzpreis der Ag in diesem Fall offenbar recht hoch angesetzt war und relativiert somit die von der Ag gesetzte Aufgreifschwelle.

Die Abweichung von noch unter 20% des Angebots der Bg ist daher im Rahmen dieser Vergabe zumindest nicht als ungewöhnlich anzusehen.

Auch aus der Tatsache, dass die Bg die hier ausgeschriebene Leistung („Ausbildung für behinderte Menschen mit Förderbedarf nach § 117 SGB III - Integratives Modell") in […]

bisher noch nicht erbracht hat, ist nicht – wie die ASt meint – generell abzuleiten, dass sie möglicherweise zu niedrig kalkuliert hat. Den in […] geltenden – von der allgemeinen Vorgabe 1:10 in der Leistungsbeschreibung abweichenden – Ausbilder- Personalschlüssel (1:8 bei Fachpraktikern, zusätzlich 1:6 bei Fachpraktikern im Gastgewerbe), muss jeder Bieter nach den Vorgaben der Leistungsbeschreibung B.2.4 einhalten („Soweit von den zuständigen Stellen oder in den Ausbildungsordnungen bzw.

Ausbildungsregelungen darüber hinaus höhere Anforderungen an die Qualifikation oder den Personalschlüssel gestellt werden, sind diese zu erfüllen“). Die Bg ist – nach Auskunft der Ag – in […] bereits in anderen Maßnahmen tätig und dürfte damit auch mit den Gegebenheiten der Kammern vor Ort vertraut sein. Sie ist laut ihrem Angebot auch entsprechend vernetzt und weist Kontakte zu den zuständigen Stellen nach. Es ist daher nicht pauschal davon auszugehen, dass die Bg sich über den in Los […] zu kalkulierenden Ausbilder-Personalschlüssel nicht informiert und diesen nicht kalkuliert hat. Wegen des engen preislichen Abstands der Angebote von ASt und Bg liegt dies auch nicht auf der Hand. Auch aus der Tatsache, dass die Bg als Vorauftragnehmerin in Los […] und […] möglicherweise über Standortvorteile verfügt und damit generell günstiger kalkulieren kann, lässt sich kein Indiz für eine Fehlkalkulation der Bg ableiten.

Die Bg ist vielmehr auch schon in […] tätig und dürfte daher grundsätzlich bereits über taugliche Räumlichkeiten verfügen.

Es liegen aus Sicht der Vergabekammer somit keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Entscheidung der Vergabestelle vor.

b) Die Ag hat die Eignung der Bg für die hier ausgeschriebene Leistung zu Recht gemäß

§ 122 GWB angenommen.

Die Nicht-Inanspruchnahme von Optionen durch die Ag in der Vergangenheit in Verträgen mit der Bg führt – entgegen der Auffassung der ASt – nicht dazu, die Eignung

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der Bg generell in Frage zu stellen. Anhaltspunkte, die für eine Schlechtleistung der Bg gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB sprechen, liegen nicht vor. Vertragsstörungen sind der Ag und ihren fünf bundesweit tätigen Regionalen Einkaufzentren bezüglich der Bg nicht bekannt. Die Ag hat darüber hinaus nachvollziehbar vorgetragen, dass es verschiedene Gründe dafür geben kann, dass Optionen in einem Vergabeverfahren wie dem vorliegenden nicht ausgeübt werden. Diese Gründe stünden regelmäßig nicht in Zusammenhang mit der Qualität der Leistungserbringung durch den Vertragspartner. So seien Bedarfe über den gesamten Vertragszeitraum Schwankungen unterworfen, weshalb man Optionen seitens der Ag dann nicht ausübe und entsprechend neu ausschreibe. Gründe könnten zudem in einer veränderten Haushaltslage liegen. Auch ändere sich aufgrund geänderter gesetzlicher Anforderungen zum Teil die Ausgestaltung der von der Ag nachgefragten Produkte. Der Einkauf von Leistungen durch die Ag sei im Gegenzug regelmäßig sehr langwierig, Bedarfe müssten sehr früh definiert werden, so dass eine Nicht-Inanspruchnahme von Verlängerungsoptionen in keinem notwendigen Zusammenhang mit der Eignung des Anbieters stehe. Dies sei hier der Fall.

Diese Einschätzung der Ag ist nachvollziehbar. Die von der ASt vorgetragenen Zweifel an der Eignung der Bg sind zudem wenig substantiiert und von ihr im Laufe des Nachprüfungsverfahrens auch nicht weiter unterlegt worden. Für die Vergabekammer sind keine Gründe ersichtlich, die einen Ausschluss der Bg wegen mangelnder Eignung zu begründen vermögen.

c) Auch die fachliche Wertung der Angebote von ASt und Bg durch die Ag – hier insbesondere das Wertungskriterium V.2 (Eingliederungsquote in sozialversicherungspflichtige Ausbildung) – begegnet keinen Bedenken. Die Bg hatte in diesem Wertungskriterium eine höhere Punktzahl als die ASt erhalten, was zu einer höheren Punktzahl in den entscheidenden Wertungskriterien (II.1, II.2, III.1, III.2, III.3 und V.2) geführt hat. Sie hat die Einzelheiten zur Bepunktung des Wertungsbereichs V.

von der Ag bereits mit dem Informationsschreiben gemäß § 134 GWB erhalten.

Einwände gegen die zugrunde gelegten Eingliederungsquoten der Ag hat die ASt nicht vorgetragen, sie hat vielmehr die Eingliederungserfolge der Bg im regionalen Kontext in Frage gestellt.

In ihren Wertungshinweisen (vgl. Vergabeakte, „A Wertungshinweise“, Seite 1) hat die Ag mitgeteilt, dass sie im Wertungsbereich „V Bisherige Erfolge und Qualität“

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Maßnahmen der Bieter nach §§ 117 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b SGB III (Rehabilitationsspezifische Ausbildung für Menschen mit Behinderung), § 102 Abs. 1 S.

1 Nr. 1 b SGB III a.F. (Ausbildungen für behinderte Menschen mit Förderbedarf) – jeweils integratives Modell – im Bundesgebiet als vergleichbar betrachte. Die Ag hat damit der Rechtsprechung Rechnung getragen, die Vorgaben im Bewertungssystem als wettbewerbswidrig und diskriminierend ansieht, wenn diese ausschließlich Eingliederungserfolge im Bezirk des Bedarfsträgers berücksichtigen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Februar 2017, VII-Verg 29/16). Die Ag stellt somit zu Recht auf bundesweite Maßnahmen der Bieter ab. Sie macht dies aber nicht pauschal, sondern beachtet regionale Ausbildungsmarktbesonderheiten insofern, als sie die Eingliederungsquoten für die Maßnahmen des Bieters auf Ebene von Vergleichstypen ermittelt. Damit die regionalen Ausbildungsmarktdisparitäten beachtet werden, legt die Ag ein Benchmarking von 14 regionalen Ausbildungsmarkttypen nach AA-Bezirken zugrunde, das vom Institut für Arbeitsmarktforschung (IAB) entwickelt wurde (vgl.

Vergabeakte, „A Wertungshinweise“, Seite 3).

Diese Vorgehensweise der Ag ist von der ASt im Vergabeverfahren nicht gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB vor Angebotsabgabe als vergaberechtswidrig gerügt worden. Soweit sie im Nachprüfungsverfahren meint, die Berücksichtigung von Leistungen aus anderen Städten führe zu einem verzerrten Bild und eine Vergleichbarkeit über die jeweiligen Stadtgrenzen hinaus sei nicht gegeben, ist ihr Vorbringen bereits unzulässig. Selbst wenn man aber hier nicht von einer vergaberechtlichen Unzulässigkeit dieses Vortrags ausginge, ist die Berücksichtigung der überregionalen Ausbildungsmarkterfolge eines Bieters aus Sicht der Vergabekammer vergaberechtskonform und setzt die rechtlichen Bedenken gegen frühere Vergabebedingungen der Ag, in der ausschließlich Eingliederungserfolge im Bezirk des Bedarfsträgers berücksichtigt wurden, um (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Februar 2017, VII-Verg 29/16). Ortsfremde Bieterunternehmen dürfen durch die Ausschreibungsbedingungen nicht benachteiligt werden. Das Bestimmungsrecht des Auftraggebers steht unter dem gesetzlichen Vorbehalt der Diskriminierungsfreiheit der Vergabebedingungen und wird durch diesen begrenzt. Integrationserfolge können zwar von regionalen Gegebenheiten und Besonderheiten des jeweiligen Arbeitsmarktes abhängig sein, dies wird aber von der Ag in zulässiger Weise durch eine Typisierung der Arbeitsmärkte nach Vergleichsmärkten und Bezirken ihrer Arbeitsagenturen durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vorgenommen (vgl. OLG Düsseldorf, aaO.). Der Vergleich regionaler

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Erfolge mit bundesweiten Durchschnittswerten der Vergleichstypen stellt sich aus Sicht der Vergabe ermessensfehlerfrei dar. Die Ag hat daher vorliegend zu Recht bei Bg auch Eingliederungsquoten in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse und Ausbildungen berücksichtigt, die nicht in […] oder im umliegenden Bezirk erzielt wurden.

Soweit die ASt meint, es seien weitere Wertungskriterien zu berücksichtigen, sie nennt konkret die Punkte „Lieferantenmanagement“ und „AMDL-Prüfungen“, kann dem nicht gefolgt werden. Dieser Vergabeverstoß wurde ebenfalls nicht gerügt, so dass die ASt insoweit gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert ist. Der Nachprüfungsantrag wäre zudem unbegründet, da dem öffentlichen Auftraggeber hinsichtlich Auswahl und Gestaltung der Zuschlagskriterien ein weiter Entscheidungsspielraum zusteht, für dessen Überschreitung hier keinerlei Anhaltspunkte vorliegen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 VwVfG.

Die ASt hat sich mit ihrem Nachprüfungsantrag ausdrücklich, bewusst und gewollt in einen Interessengegensatz zur Bg gestellt, da sie ihren Antrag darauf stützt, dass das Angebot der Bg nicht den Zuschlag erhalten dürfe. In einem solchen Fall entspricht es der Billigkeit i.S.d. § 182 Abs. 4 S. 2 GWB, der unterliegenden ASt die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen der Bg aufzuerlegen, weil sich diese durch das Einreichen von Schriftsätzen am Nachprüfungsverfahren aktiv beteiligt und damit ein Kostenrisiko auf sich genommen hat (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Juni 2014, VII-Verg 41/13).

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Bg war notwendig. In dem Nachprüfungsverfahren stellten sich Rechtsfragen zur Eignung der Bg und Wertung ihres Angebots, deren Umfang und Komplexität schon aus Gründen der Waffengleichheit im Hinblick auf die anwaltlich vertretene ASt eine anwaltliche Vertretung der Bg notwendig gemacht haben (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06).

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IV.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Oberlandesgericht Düsseldorf - Vergabesenat -, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.

Behrens Brauer

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