M E D I Z I N
Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 40½½5. Oktober 2001 AA2593
anamnestischen Bedingungen (frühere Abstinenzversuche, Dauer der Drogen- anamnese) sind vor allem der gleichzei- tige und fortgesetzte Gebrauch anderer Drogen (Kokain, Amphetamin und Ma- rihuana), aber auch eine Alkoholab- hängigkeit (nicht dagegen der Alkohol- genuss), Behandlungsbedingungen, Ko- morbidität, Kriminalität und soziale Ein- gliederung bedeutsam (7). Auch nach ei- ner Alkoholentzugsbehandlung erweist sich die Intensität des Zigarettenrau- chens neben wenigen anderen Variablen, zum Beispiel dem sozialen Status, als prädiktiv für einen Rückfall (11).
Raucherentwöhnung – eine Chance für Suchtkranke?
Die Notwendigkeit, aber auch die Chan- ce einer Raucherentwöhnung für Patien- ten in Suchttherapieeinrichtungen wer- den noch immer kontrovers diskutiert.
Gegen eine Raucherentwöhnung spre- chen in den Augen vieler Therapeuten Argumente wie die geringe Erfolgsaus- sicht der Raucherentwöhnungsbehand- lung, die Sorge, eine Tabakabstinenz könne Rückfälle in die Drogenabhängig- keit begünstigen, oder die in den Augen der Therapeuten geringere Dringlichkeit einer Raucherentwöhnungsbehandlung.
Vernachlässigt werden dabei synergi- stische Effekte in der Suchttherapie. Ei- nige Studien belegen, dass die Tabakab- stinenz die Drogenabstinenz eher fördert und auch die Rauchfreiheit auf Station sowie Angebote einer Raucherentwöh- nungstherapie die Abstinenz für Alkohol und Drogen eher unterstützen (5, 19).
Ein nicht unerheblicher Teil der Drogen- abhängigen selbst wünscht eine Tabak- abstinenz (36).
Natürlich müssen Angebote zur Rau- cherentwöhnung auf die Bedürfnisse und das besondere Abhängigkeitsprofil der Klientel abgestimmt werden. Vorstellbar ist beispielsweise eine Hochdosisniko- tinersatztherapie, die Kombination von Nikotin und Bupropion, Langzeitniko- tinsubstitution oder die Integrationen der psychotherapeutischen Anteile in die Angebote einer Einrichtung für Sucht- therapie, eventuell ergänzt durch nach- stationäre Angebote, um zumindest der Klientel der dissonanten Raucher eine wirksame Unterstützung anzubieten.
Bei Patienten mit refraktärem Vor- hofflimmern, das auf medikamentöse Therapie nicht anspricht, wird bei ent- sprechender Symptomatik als Ultima ratio zur Frequenzsenkung eine Abla- tion des AV-Knotens mit nachfolgen- der Implantation eines Herzschrittma- chers durchgeführt. Hierdurch wird zwar das Vorhofflimmern mit seinen Risiken nicht beseitigt, es kommt je- doch zu einer Besserung der Sympto- matik mit Steigerung der Lebensqua- lität, der körperlichen Belastbarkeit und der linksventrikulären Funktion.
In einer retrospektiven Nachbeob- achtung von 350 Patienten, die zwi- schen 1990 und 1998 an der Mayo-Kli- nik entsprechend behandelt worden waren, wurde nun auch der Einfluss dieser Therapie auf das Langzeitüber-
leben untersucht. Dabei zeigte sich bei Patienten mit Vorhofflimmern ohne kardiovaskuläre Begleiterkrankungen eine Überlebensrate entsprechend der der Normalbevölkerung. Nur bei zu- sätzlichen Risikofaktoren wie voraus- gegangenem Herzinfarkt, zurücklie- gender dekompensierter Herzinsuffi- zienz oder der Notwendigkeit, weiter- hin herzwirksame Medikamente nach AV-Knoten-Ablation einzunehmen, war die Sterblichkeit der betroffenen
Patienten erhöht. acc
Ozcan C et al.: Long-term survival after ablation of the atrioventricular node and implantation of a permanent pacemaker in patients with atrial fibrillation. N Eng J Med 2001; 344: 1043–1051.
Dr. Shen, Mayo Clinic, 200 First St. SW; Rochester, MN 55905, USA.
AV-Knoten-Ablation und
Schrittmacherimplantation bei Patienten mit Vorhofflimmern
Fazit
Epidemiologische Zahlen, die Konsum- muster Abhängiger und Modelle der Ab- hängigkeit sprechen dafür, eine Suchter- krankung nicht isoliert zu betrachten. Ei- ne Abhängigkeit von einer weiteren Sub- stanz, zumindest von Nikotin bezie- hungsweise Tabak ist fast die Regel. An- gesichts der schwerwiegenden gesund- heitlichen Konsequenzen scheint es an- gebracht, die Therapie Abhängiger auf die Mehrfachabhängigkeit inklusive der Tabakabhängigkeit abzustimmen.
❚Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 2001; 98: A 2590–2593 [Heft 40]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift des Verfassers:
Priv.-Doz. Dr. med. Anil Batra
Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Osianderstraße 24
72076 Tübingen
E-Mail: albatra@med.uni-tuebingen.de
In der Serie Alkoholismus sind bisher erschienen:
Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit Prof. Dr. med. Rainer Tölle
Dt Ärztebl 2001; 98: A 1957 [Heft 30]
Das Alkoholproblem in der Medizingeschichte Prof. Dr. med. Dr. phil. Heinz Schott
Dt Ärztebl 2001; 98: A 1958–1962 [Heft 30]
Alkoholassoziierte Organschäden Befunde in der Inneren Medizin, Neurologie und Geburtshilfe/Neonatologie
Prof. Dr. med. Manfred V. Singer, Priv.-Doz. Dr. med. Stephan Teyssen Dt Ärztebl 2001; 98: A 2109–2120 [Heft 33]
Neurobiologie der Alkoholabhängigkeit Prof. Dr. med. Karl Mann
Dt Ärztebl 2001; 98: A 2279–2283 [Heft 36]
Missbrauch oder Abhängigkeit von Alkohol Frühdiagnostik und Frühintervention in der Praxis Prof. Dr. phil. Ulrich John
Dt Ärztebl 2001; 98: A 2438–2442 [Heft 38]
Referiert