A 160 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 112|
Heft 5|
30. Januar 2015 Im Rahmen der 11. Revisionder Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Kommentierung der Betaver - sion aufgerufen und den wissen- schaftlichen Review-Prozess eröff- net. Die ICD dient weltweit zur Verschlüsselung von Diagnosen, derzeit gilt die ICD-10.
Mit der Überarbeitung der ICD sollen eine international kohärente Klassifikation und eine einfache In- tegration in IT-Systemumgebungen sichergestellt werden. In Deutsch- 11. REVISION DER ICD
WHO will starke deutsche Beteiligung
land ist das DIMDI als offiziel- les Kooperationszentrum der WHO an der Weiterentwicklung beteiligt.
WHO und DIMDI empfehlen deut- schen Experten, sich am Review- Prozess zu beteiligen, um sicherzu- stellen, dass nationale Anforderun- gen berücksichtigt werden. Dazu ist eine einmalige Registrierung auf der WHO-Website notwendig (Links unter www.dimdi.de). Die Verab- schiedung durch die Weltgesund- heitsversammlung ist für 2017 vor- gesehen. Wann die ICD-11 in Deutschland eingeführt wird, ist
noch offen. KBr
Gute Herstellungs- praxis: Universitäre
Produktionsstätten für Antikörper klagen über zu hohe Hürden für Pilotprojekte.
Ein Arzt hat keinen Anspruch darauf, dass über ihn veröffentlichte Daten in einem Arztbewer- tungsportal gelöscht werden. Das hat der Bun- desgerichtshof (BGH) entschieden. Der Kläger, ein niedergelassener Gynäkologe, wird im Portal www.jameda.de mit akademischem Grad, Na- men, Fachrichtung und Praxisanschrift geführt und dort auch mehrfach bewertet. Er hatte von dem Unternehmen vergeblich verlangt, diese Daten zu löschen. Nachdem der Gynäkologe mit seiner Klage in den Vorinstanzen gescheitert war, wies auch der BGH eine Revision ab.
Der Kläger habe weder einen Anspruch auf die Löschung, noch auf die Unterlassung der Veröffentlichung seiner Daten, entschied der BGH. Ein Bewertungsportal wie jameda ermögli- che nicht persönlich miteinander bekannten Per-
sonen den Austausch über Behandlungserfah- rungen bei konkreten Ärzten. Die Beklagte sei als Portalbetreiberin Mittelsperson. Eine Pflicht zur Löschung von Eintragungen in ihrem Bewer- tungsportal würde sie in der Ausübung ihres Ge- werbes und damit in der ihr zustehenden Be- rufsausübungsfreiheit beschränken. Dagegen berührten die von der Beklagten gespeicherten Informationen den Arzt nur in seiner Sozialsphä- re. Die Bewertungen beträfen die berufliche Tä- tigkeit des Klägers, also einen Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollziehe. Zwar schütze das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung von persönlichen Lebenssachver- halten auch die Sozialsphäre. Der Schutz von
Daten, die die Sozialsphäre beträfen, sei aber geringer zu bewerten als der von Daten, die der Intim- oder Geheimsphäre zuzuordnen seien.
Im Bereich der Sozialsphäre müsse sich der Einzelne wegen der Wirkungen seiner Tätigkeit auf andere von vornherein darauf einstellen, dass sein Verhalten durch eine breite Öffent- lichkeit beobachtet und seine Leistungen kriti- siert würden. Das gelte auch für freiberuflich tätige Ärzte, die ihre Leistungen in Konkurrenz zu anderen Ärzten anböten. Äußerungen zur Sozialsphäre dürfen nach Ansicht des BGH nur dann verboten werden, wenn sie schwerwie- gende Auswirkungen auf das Persönlichkeits- recht haben, etwa wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung droht. Das sei hier nicht der Fall.
BGH, Urteil vom 23. September 2014, Az.:
VI ZR 358/13 RAin Barbara Berner
RECHTSREPORT
Datenschutz bei Arztsuche- und Arztbewertungsportalen Die frühe klinische Entwick- lung von neuen Krebsmedi - ka menten sollte nicht allein der Pharmaindustrie überlassen, sondern auch akademischen In- stitutionen ermöglicht werden.
Dazu müssten zum Beispiel neue Antikörper gegen Tumo- ren an Universitätsinstituten hergestellt und bei einer kleinen Zahl von Patienten mit akut le- bensbedrohlichen Krebserkran- kungen angewendet werden dürfen, forderte Prof. Dr. med.
Helmut R. Salih vom Universi- tätsklinikum Tübingen bei ei- ner Veranstaltung des Deut- schen Krebsforschungszen- trums Heidelberg.
Das Arzneimittelgesetz fordere die strikte Einhaltung der GMP (Good Manifacturing Practice)- Richtlinien auch für die Herstellung von Antikörpern oder ande- ren Prote inen an akademischen In- stitutionen und mache damit Stu - dien un möglich. Selbstverständ- lich sollten Substanzen, die am Pa- tienten angewendet würden, unter sicheren Bedingungen hergestellt werden, sagte Salih. Dies sei auch
FORSCHUNG AN NEUEN KREBSMEDIKAMENTEN
Entwicklung darf nicht nur kommerziell erfolgen
an einer universitären Produkti- onsstätte möglich. Dass aber die komplette Produktion eines Anti- körpers für die Anwendung bei einzelnen Kranken GMP-zertifi- ziert sein müsse, führe zu einer in- adäquaten Nutzen-Risiko-Relation und zu Kostensteigerungen. Das verhindere, dass neue Strategien
unabhängig von kommerziellen Interessen in eine frühe klinische Entwicklung gelangen könnten.
„Viele Strategien finden nicht den Weg in die weitere klinische Ent- wicklung, wenn sie nicht im Rah- men von Pilotprojekten an Univer- sitäten untersucht werden dürf-
ten“, so Salih. nsi
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