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Archiv "Epidemiologie und Datenschutz: Was bei der Planung von Studien zu beachten ist" (23.04.1999)

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pidemiologen stehen traditio- nell im Spannungsfeld zwi- schen Forschung und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte. Ihre Ergebnisse sagen zwar nichts über Einzelpersonen, sondern über Kol- lektive oder Populationen aus, den- noch benötigen epidemiologische Studien Daten von einzelnen Perso- nen als Rohmaterial. Der Konflikt mit dem Datenschutz ist also program- miert.

Am einfachsten ist es bei Quer- schnittserhebungen, einer epidemio- logisch wenig aufwendigen Studien- form. Mit einem Fragebogen wird et- wa die Häufigkeit von Krankheiten ermittelt (zum Beispiel Atemwegser- krankungen an stark befahrenen Straßen). Der Datenschutz verlangt hier wie auch bei den anderen Studi- enformen eine schriftliche Einwil- ligungserklärung der Betroffenen.

Dies ist bei dieser Art von Untersu- chung keine unüberwindbare Hürde.

Adressen müssen aktualisiert werden

Schwieriger wird es bei der Ko- hortenstudie. In diesem Studientyp werden – zum Beispiel ausgehend von einer Querschnittsstudie – wiederholt Befragungen derselben Probanden durchgeführt. Damit ließe sich etwa klären, ob sich innerhalb von zehn Jahren nach Bau eines Flughafens ge- sundheitliche Probleme durch die Fluglärmbelastung ergeben. Diese Studie ist nur möglich, wenn perso- nenbezogene Daten gespeichert und Anschriften regelmäßig aktualisiert werden. Hierzu werden gegebenen- falls Einwohnermeldeämter und Ge- sundheitsämter einbezogen. Die da-

tenrechtlichen Hürden sind hier be- reits höher. Als Rechtsgrundlage kommen die gesetzlichen Forschungs- regelungen oder die Einwilligung der Betroffenen in Betracht.

Ein Spezialfall sind retrospektive Kohortenstudien. Sie kommen etwa in Frage, wenn für ein Kernkraftwerk, das seit 25 Jahren betrieben wird, das mögliche Krebsrisiko der Mitarbeiter untersucht werden soll. Oft können die betroffenen Personen nicht be- fragt werden. Krebsregister, Einwoh- nermeldeamt und Gesundheitsamt sind wichtige Quellen, wenn der Da- tenschutz dies erlaubt. Als Rechts- grundlage für die Verarbeitung perso- nenbezogener Daten kommen die gesetzlichen Forschungsregelungen oder die Einwilligung der Betroffenen in Betracht.

Ein weiterer epidemiologischer Studientyp ist die Fall-Kontroll-Stu- die. Hier wird etwa bei Patienten, die an einer Leukämie erkrankt sind, sowie bei gesunden Kontrollperso- nen untersucht, ob die Erkrankungs- häufigkeit mit dem Abstand zu ei- nem Kernkraftwerk zunimmt. Beide Gruppen, Fälle und Kontrollen, soll- ten sich in möglichst vielen Merk- malen (Alter, Geschlecht, Bildung, Beruf et cetera) gleichen, da sonst falsche Ergebnisse programmiert sind.

Auch hier kann es Konflikte mit Datenschützern geben. Als Rechts- grundlage kommen die gesetzlichen Forschungsregelungen, zum Beispiel in Krebsregistergesetzen, oder die Einwilligung der Betroffenen in Be- tracht.

Die Hürden, die der Datenschutz stellt, sind nicht gering, und so man- cher Epidemiologe dürfte darüber schon verzweifelt sein (wenn er nicht gleich in die Marktforschung abge-

wandert ist). Viele Probleme lassen sich jedoch im Vorfeld vermeiden, vorausgesetzt, der Epidemiologe ist mit den einschlägigen Vorschriften vertraut. Die Deutsche Arbeitsge- meinschaft für Epidemiologie (DAE) und der Arbeitskreis Wissenschaft der Konferenz der Datenschutzbeauf- tragten des Bundes und der Länder haben deshalb ein Papier entworfen, in dem der rechtliche Rahmen für epi- demiologische Forschung umrissen wird und Lösungsansätze für häufige Probleme formuliert werden.

Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, daß die datenschutzrechtli- chen Probleme am kleinsten sind, wenn es möglich ist, mit anonymisier- ten Daten zu arbeiten. Eine gesetzli- che Definition des Anonymisierens findet sich im § 3 Abs. 7 des Bundes- datenschutzgesetzes (BDSG). Da- nach dürfen die gesammelten Daten später nicht mehr oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft ei- nem einzelnen Patienten zugeordnet werden können. Diese faktische An- onymisierung läßt einen gewissen Er- messensraum. Allzu leicht machen darf es sich der Forscher allerdings nicht. Es reicht nicht aus, lediglich Na- men und Adressen der Betroffenen wegzulassen, wenn die Betroffenen anhand der weiteren Angaben noch identifizierbar sind.

Im Einzelfall muß geprüft wer- den, über welche Möglichkeiten der Epidemiologe durch Zusatzwissen verfügen könnte, um die Daten wie- der einzelnen Personen zuzuordnen.

Eine Unsicherheit bleibt für den For- scher. Das BDSG ist unterschiedlich auslegbar. In einigen wenigen Bun- desländern wird die Anonymisierung im Sinne einer absoluten Anonymi- A-1042 (26) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 16, 23. April 1999

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Epidemiologie und Datenschutz

Was bei der Planung von Studien zu beachten ist

Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie und die Datenschutzbeauftragten der Länder geben Hilfestellung.

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sierung verstanden. Dann dürfen die Einzelangaben unter keinen Umstän- den mehr zuzuordnen sein.

Sobald eine Anonymisierung nicht möglich ist, benötigt der Forscher in der Regel eine schriftliche Einwilli- gung der Betroffenen. Die Teilnehmer der Studie sollen darüber informiert werden, wer Träger und Leiter des Forschungsprojekts ist, welcher Zweck verfolgt wird, wie die Daten verarbei- tet werden und wer von den personen- bezogenen Daten Kenntnis erhält.

Selbst der Zeitpunkt, wann die Daten gelöscht werden, soll erwähnt werden.

Darüber hinaus muß sichergestellt werden, daß der Betroffene die Trag- weite seiner Entscheidung versteht. Ist dies nicht der Fall, ist die Einwilligung nicht rechtswirksam. Eine Einwilligung ist auch dann notwendig, wenn die For- schungsstelle Namen und Adressen der Personen nicht kennt oder sich diese Daten aufgrund der rechtlichen Rege- lungen (zum Beispiel Meldegesetz) nicht beschaffen kann. In diesem Fall kann die Forschungsstelle die Anschrei- ben, Merkblätter und Einwilligungser- klärung in verschlossenen Umschlägen an die Meldebehörde weitergeben, wo sie dann mit Namen und Adressen ver- sehen und verschickt werden.

Das klingt aufwendig, und es könnte der Eindruck entstehen, daß der Datenschutz ein Hemmschuh der epidemiologischen Forschung ist. Es gab in der Vergangenheit des öfteren Anlaß für Klagen, doch zunehmend setzt sich – erfreulicherweise – bei Da- tenschützern eine forschungsfreundli- che Haltung durch, denn die eigentli- chen und schwerwiegenden Daten- schutzprobleme unserer Gesellschaft liegen gewiß nicht in der medizini- schen und epidemiologischen For- schung. Andererseits können durch restriktiven Datenschutz wichtige Er- kenntnisse verhindert werden. So sieht es auch das Grundgesetz. Dort ist nicht nur das Recht auf informatio- nelle Selbstbestimmung gewährleistet (Artikel 1 und 2), sondern auch die Freiheit von Wissenschaft und For- schung (Artikel 5) als Grundrecht ga- rantiert.

Die Autoren des Positionspa- piers weisen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hin, wonach eine Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbe- stimmung zulässig ist, allerdings nur, wenn ein überwiegendes Allgemein- interesse nachgewiesen werden kann und der Grundsatz der Verhältnis-

mäßigkeit beachtet wird. Der Epide- miologe muß also die Datenschützer davon überzeugen, daß die Verarbei- tung der personenbezogenen Daten für den angestrebten Zweck geeignet und notwendig ist und daß es keine Alternative gibt, die die Betroffenen (und nicht etwa den Epidemiologen) weniger belaste. Im Einzelfall wird er erklären müssen, warum Anonymisie- rungs- beziehungsweise Pseudonymi- sierungsverfahren oder Einwilligung der Betroffenen nicht möglich sind.

Positionspapier

Bei seiner Argumentation wird er die Gesetze beachten müssen, welche hierzulande das Recht auf informatio- nelle Selbstbestimmung und die Frei- heit von Wissenschaft und Forschung regeln. Dies sind zum Beispiel die Lan- deskrankenhausgesetze, Meldegeset- ze, das Sozialgesetzbuch X, die Krebs- registergesetze, das Bundesdaten- schutzgesetz und die Landesdaten- schutzgesetze. Das Positionspapier zählt hier einzelne Problemfelder auf und versucht Lösungsansätze zu geben.

Die deutschen Epidemiologen sind sehr froh über dieses Papier und erhoffen sich davon eine Erleichterung ihrer Arbeit und auch eine Versachli- chung des Umgangs mit Behörden und amtlichen Datenherren, die häufig in vorauseilendem Gehorsam vor allem ihre Daten schützen und dabei über den berechtigten Schutz der Betroffe- nen hinausgehen. So wird Forschung oft erschwert oder gar unmöglich ge- macht, nicht weil die Datenschutzrege- lungen zu restriktiv sind, sondern weil sie – auch aus Sicht der Datenschützer des Bundes und der Länder – im Voll- zug zu restriktiv gehandhabt werden.

Es ist zu wünschen, daß das Papier hier hilfreich ist. Rüdiger Meyer

Literatur

1. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epide- miologie (DAE), Arbeitskreis Wissenschaft der Konferenz der Datenschutzbeauftrag- ten des Bundes und der Länder: Epidemio- logie und Datenschutz. (Redaktion: Wich- mann HE, Raspe HH, Jöckel KH, Hamm R, Wellbrock R). Datenschutz und Datensi- cherheit 22 (1998).

2. Wichmann HE: Epidemiologie und Daten- schutz – Wege zur partnerschaftlichen Zu- sammenarbeit. In: Hamm R, Möller KP (Hrsg.): 7. Wiesbadener Forum „Daten- schutz und Forschung“, Nomos Verlag Ba- den-Baden (1999).

A-1043

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 16, 23. April 1999 (27) Nehmen Leukämien mit der Nähe zu einem Kernkraftwerk zu? Die Beantwortung dieser Frage im Rahmen ei-

ner Fall-Kontroll-Studie kann Konflikte mit Datenschützern ergeben. Denn beide Gruppen, Patienten und Ge- sunde, sollten sich in möglichst vielen persönlichen Merkmalen (wie Alter, Geschlecht, Bildung, Beruf) gleichen, da sonst falsche Ergebnisse programmiert sind. Das Bild zeigt das Atomkraftwerk Unterweser. Foto: dpa

Referenzen

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