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Archiv "Die primäre binäre Zirrhose: Wann Lebertransplantation?" (30.03.1989)

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DA EDITORIAL

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Die primäre binäre Zirrhose

Wann Lebertransplantation?

Ulrich Gärtner und Rainer Engemann

ie primäre biliäre Zirrhose (PBC) ist eine chronische, cholestatische Lebererkrankung unklarer Ätiolo- gie. Sie entwickelt sich auf dem Bo- den einer „chronisch destruieren- den, nichteitrigen Cholangitis" mit Befall der intra- hepatischen Gallengänge (Durchmesser 45 bis 100 ftm). Da bisher keine gesicherte kausale Therapie zur Verfügung steht, führt die Erkrankung häufig zum Tode (1-3). Seit einigen Jahren ist es jedoch möglich, die zirrhotische Leber mit zunehmendem Erfolg durch eine Transplantation zu ersetzen, wo- durch eine Lebensverlängerung und Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden kann (4).

Für die englische Bevölkerung wird angege- ben, daß bei 0,6 bis 2 Prozent der Patienten, die an einer Leberzirrhose versterben, als Grund- krankheit eine PBC vorliegt (5). Die Prävalenz der Erkrankung beträgt zirka ein bis sechs Patienten pro 100 000 (90 Prozent Frauen, häufig zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr), die Inzidenz etwa vier Patienten pro eine Million pro Jahr (6, 7). Da- nach wäre für die Bundesrepublik Deutschland mit 600 bis 3600 PBC-Patienten zu rechnen. Etwa 240 Patienten würden pro Jahr neu an PBC er- kranken und zwischen 80 und 300 Patienten jähr- lich an der PBC versterben (5, 8).

Bisherige Therapie der PBC

Da eine gesicherte kausale Behandlung der PBC gegenwärtig noch nicht zur Verfügung steht, liegt der Schwerpunkt der Therapie darin, die klini- schen Symptome zu lindern beziehungsweise in dem Versuch, das Fortschreiten der Erkrankung zu verzögern (1, 9). Gegen Juckreiz wird Cholestyr- amin eingesetzt, in Ausnahmefällen: Antihistami- nika, Rifampicin (10), UV-Bestrahlung, Plasma- pherese; bei Steatorrhoe werden mittelkettige Tri- glyceride (MCT) gegeben, bei Osteoporose/-mala- zie (zum Teil Knochenschmerzen) Vitamin D, Kal- zium und Calcitonin. Prophylaktisch werden häufig wegen der Malabsorption von fettlöslichen Vitami- nen die Vitamine A, D, E und K parenteral (zum Beispiel einmal pro Woche i. m.) verordnet. Die Folgen der Zirrhose (Ösophagusvarizenblutung, Aszites, hepatische Enzephalopathie) werden wie

bei der Leberzirrhose anderer Ätiologie behandelt.

Über eine symptomatische Therapie hinaus wurden in jüngster Zeit mit Azathioprin (11), Colchizin (12) und Ursodeoxycholsäure (13) ansatzweise einige therapeutische Erfolge erzielt.

Asymptomatische Patienten können eine nor- male Lebenserwartung haben (14, 15). Die mittle- re Lebenserwartung von symptomatischen Patien- ten, gerechnet vom Beginn der Symptome, wird mit 11,9 Jahren angegeben (14). Die Patienten ver- sterben häufig an den Folgen der Leberzirrhose, aber auch vermehrt an Mamma-Karzinomen (16).

Therapie der PBC

durch Lebertransplantation

Zur Entwicklung: Nach der ersten Leber- transplantation am Menschen 1963 bedurfte es noch über zehn Jahre, bis nennenswerte Überle- benszeiten der Patienten erzielt wurden. Neben den Pionieren der Lebertransplantation Starzl/

USA und Calne/England hat vor allem die Ar- beitsgruppe um Pichlmayr/Hannover wesentlich zur Entwicklung der klinischen Lebertransplanta- tion beigetragen. Während bis 1983 540 von zirka 800 weltweit erfolgten Lebertransplantationen in den Zentren Denver/Pittsburgh (Starzl), Cam- bridge (Calne), Hannover (Pichlmayr), Groningen (Krom) durchgeführt wurden, gibt es derzeit in den USA allein über 50 Zentren und in Europa über 40 Zentren, in denen Lebern transplantiert werden (4, 17 bis 19).

Vor 1980 betrug die durchschnittliche Einjah- resüberlebensrate nach Lebertransplantation bei nichtalkoholischer Leberzirrhose 30 Prozent, nach 1983 etwa 60 Prozent. Die Verbesserungen der Ergebnisse sind zum einen auf den Einsatz des Immunsuppressivums Cyclosporin in der Klinik (seit 1980) zurückzuführen, zum anderen auf er- heblich verbesserte Operationstechniken ein- schließlich der Anwendung des veno-venösen By- passes, Verbesserungen der Anästhesie, sowie auf wachsende Erfahrungen der Transplantations- teams bei der Auswahl der Patienten und der Fest- legung des Operationszeitpunktes. Die Lebertrans- plantation hat den Bereich des klinischen Experi- mentes verlassen und stellt eine unbedingt zu

Dt. Ärztebl. 86, Heft 13, 30. März 1989 (37) A-867

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berücksichtigende Therapie für Lebererkrankun- gen im Endstadium dar (4, 17-19).

Der Operationszeitpunkt spielt bei den Er- gebnissen nach Lebertransplantation eine wesent- liche Rolle. Die Patienten sollten möglichst im

„Elektivstatus" operiert werden, da dann die Sechsmonate-Überlebensquote über 80 Prozent liegt. Nach der Operation im „Spätstatus" (bereits eingeschränkte Leberfunktion mit stark erhöhtem Bilirubin und zum Beispiel „hepato-renales" Syn- drom und/oder Muskelatrophie) beträgt dieser Wert nur noch zirka 50 Prozent, nach Operation im „Notfallstatus" beträgt die Überlebensquote nach nur vier Monaten zirka 20 Prozent (4). Der beste prognostische Indikator ist derzeit wohl die Bilirubinkonzentration.

Ob durch die Durchführung von Leberfunk- tionstesten bzw. die Bestimmung von Subtypen der antimitochondrialen Antikörper (20, 21) eine präzisere Planung des Operationszeitpunktes möglich sein wird, ist noch unklar. Die Bilirubin- konzentration steigt bei PBC-Patienten über meh- rere Jahre kontinuierlich an. Ab zirka 6 mgPro- zent (100 1.tmol/L) erfolgt häufig ein sprunghafter Anstieg, und der Zustand der Patienten ver- schlechtert sich rapide, die Lebenserwartung liegt dann zumeist unter zwei Jahren. Als Faustregel kann gelten, daß bei Erreichen einer Bilirubin- konzentration von 6 mg/Prozent die Lebertrans- plantation innerhalb der folgenden sechs bis zwölf Monate durchgeführt werden sollte (1).

Natürlich muß die klinische Erfahrung in die Festlegung des Operationszeitpunktes einge- bracht werden, gelegentlich kann z. B. auch bei Bilirubinkonzentrationen über 6 mg/Prozent noch ein akzeptabler klinischer Zustand und eine rela- tiv gute Lebensqualität vorliegen. Es gilt also, in der Langzeitbeobachtung den „Leistungsknick"

der Patienten zu erkennen. Bei der Wahl des Operationszeitpunktes sollte auch berücksichtigt werden, daß die Erfolge bei älteren Patienten deutlich zurückgehen (18). Lebertransplantatio- nen bei Patienten über 60 Jahren sollten die Aus- nahme sein. Und es muß bedacht werden, daß ein geeignetes Lebertransplantat oft erst nach länge- rer Wartezeit zur Verfügung steht, was durch Er- fassung aller potentiellen Organspender zu ver- bessern wäre.

Prognose der PBC-Patienten nach Leber- transplantation: Die Einjahresüberlebensquote der PBC-Patienten nach Lebertransplantation be- trug bis 1983 etwa 40 Prozent und liegt derzeit bei 80 Prozent. Damit haben diese Patienten die beste Überlebensrate aller Lebertransplantationspa- tienten. Die Dreijahresüberlebensquote wird mit 60 bis 70 Prozent angegeben. Die Rehabilitation

nach Transplantation ist gut, 80 Prozent der Pa- tienten können nach der Operation wieder ihrem Beruf nachgehen (19).

Die relativ häufigen Begleiterkrankungen bei der PBC können nach Lebertransplantation eine Rolle spielen. Wenn zum Beispiel gleichzeitig eine Kollagenose vorliegt, ist die Prognose unter Um- ständen beeinträchtigt. Eine hepatisch induzierte Knochenerkrankung verschlechtert sich zumeist durch die postoperative Kortisongabe (22).

Da es möglich ist, daß die Krankheitsursache bei der PBC außerhalb der Leber lokalisiert ist (1), wäre mit Rezidiven nach Lebertransplanta- tion zu rechnen (23). Bisher wurde allerdings kein eindeutiger Fall beschrieben. Die Schwierigkeit bei der Diagnose eines PBC-Rezidivs besteht in der Unterscheidung zu einer chronischen Absto- ßungsreaktion, die klinisch und histologisch große Ähnlichkeiten aufweist. Möglicherweise werden PBC-Rezidive von der Immunsuppressionsthera- pie nach Lebertransplantation unterdrückt. Die Konzentration der antimitochondrialen Antikör- per sinken meistens nach der Operation, sie kön- nen nach einigen Monaten jedoch wieder anstei- gen, ohne daß sich daraus klinische Konsequen- zen ergeben. Die Möglichkeiten eines PBC-Rezi- divs oder einer chronischen Transplantatabsto- ßung stellen jedoch wegen der meist guten post- operativen Lebensqualität der Patienten keine Kontraindikation gegen die Lebertransplantation dar (1, 17, 19).

Die primäre biliäre Zirrhose führt in vielen Fällen zum Tod. Für Patienten im Endstadium bietet die Lebertransplantation, wenn sie recht- zeitig durchgeführt wird, die derzeit einzige Mög- lichkeit, wieder eine gute Leberfunktion zu erlan- gen und damit ein normales Leben führen zu kön- nen. Mit einer Einjahresüberlebensrate von 80 Prozent muß die Lebertransplantation für den ge- eigneten Patienten derzeit als bestes therapeuti- sches Konzept angesehen werden.

Die Autoren danken Herrn Professor Dr. H. Hamelmann und Herrn Privatdozent Dr. H. T. Heidemann für die Durchsicht des Manuskriptes.

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Ver- fasser.

Anschriften der Verfasser

Privatdozent Dr. med. Ulrich Gärtner 1. Medizinische Klinik

der Universität Kiel

Schittenhelmstraße 12 • 2300 Kiel

Privatdozent Dr. med. Rainer Engemann Chirurgische Universitätsklinik

Arnold-Heller-Straße 7 • 2300 Kiel A-868 (38) Dt. Ärztebl. 86, Heft 13, 30. März 1989

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