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Archiv "Medizinischer Dienst: Noch nicht das Ei des Kolumbus" (28.07.1988)

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THEMEN DER ZEIT

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Der ärztliche Sachverstand muß verankert werden

Medizinischer Dienst:

Noch nicht Helmut Piechowiak

das Ei des Kolumbus

Viel mehr, als daß der „Medizini- sche Dienst der Krankenversi- cherung" (MD) den bisherigen

„Vertrauensärztlichen Dienst"

(VäD) ersetzen und gleichzeitig mit (etwas) größeren Kompeten- zen ausgestattet werden soll, ist bisher in weiten Teilen der Ärzte- schaft nicht bekannt. Was bisher publik wurde, hat viele Ärzte zu massivem Protest veranlaßt.

Auch wurden Stimmen laut, der Medizinische Dienst müsse

„weg". Kollegen aus dem VäD, die von den gesetzlichen Ände- rungen betroffen sind, haben — vermutlich mangels durch- schlagskräftiger Verbände — bis- her nicht öffentlich Stellung be- zogen. Wenig spricht dafür, daß

W

ar der bisherige Ver- trauensärztliche Dienst weithin ein „stumpfes Schwert", da er die zahllos als „indiziert" betrachteten ärztlichen Verordnungen in 80, 90, wenn nicht gar 95 Prozent der Fälle befürwortete und so die Kassen in der Tat nicht mit ihm zufrieden sein konnten, weil er faktisch so etwas wie der verlängerte Arm der verord- nenden Ärzteschaft war, so droht der jetzt geplante Medizinische Dienst nach Maßgabe des Gesund- heits-Reformgesetzes zu einem In- strument in der Hand der Kranken- kassen zu werden. Damit würde er erneut „funktionalisiert" — wieder im Interesse einer auch „ökono- misch" im Gesundheitswesen inter- essierten „Partei". Damit ist die Unabhängigkeit des Dienstes wie die der einzelnen Gutachter gefähr- det; es ist zu befürchten, daß nicht- medizinische Gesichtspunkte wieder

man sich im Vorfeld der Bera- tungen für deren Empfehlungen auch nur interessiert hat. Offen- bar haben sich die Krankenkas- sen über politische Einflußnahme durchgesetzt, ohne Abstimmung mit den Ärzten des VäD und möglicherweise auch gegen die Landesversicherungsanstalten, von denen nicht wenige wohl gern den VäD weiter betreut hät- ten, wie es die früheren „Empfeh- lungsvereinbarungen" vorgese- hen hatten. Ob es dem VäD dage- gen unter der neuen „Vater- schaft" wesentlich anders erge- hen wird als zuvor, darf bezwei- felt werden. Eines bleibt festzu- stellen: Befriedigend war der bis- herige Zustand nicht!

einen Stellenwert beanspruchen werden, der ihnen nicht zukommen darf und der jeder professionellen Begutachtung abträglich ist.

Nach dem Kabinettsentwurf vom April 1988 werden die Aufga- ben des MD erweitert; die Formulie- rungen bleiben jedoch unbestimmt („Die Krankenkassen . . . sollen im

‚notwendigen' Umfang den MD zu Rate ziehen, insbesondere für allge- meine medizinische Fragen der ge- sundheitlichen Versorgung der Ver- sicherten, für Vertragsverhandlun- gen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsa- men Ausschüsse —, insbesondere der Prüfungsausschüsse" , § 283, Absatz 2 GRG/E).

Ebenso unbestimmt sind die Formulierungen über die Zusam- menarbeit der Kassen mit dem MD in § 284 GRG/E. Hier hält Absatz 1 fest, daß die Krankenkassen ver- pflichtet sind, „dem MD die für die Beratung und Begutachtung ‚erfor- derlichen' Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen".

Wichtiger ist der zweite Ab- schnitt, der die Organisation des MD behandelt (§§ 286-291 GRG/E). Danach handelt es sich bei dem MD um eine Arbeitsgemein- schaft der Landesverbände der ver- schiedenen Krankenkassen.

Die Arbeitsgemeinschaft „Me- dizinischer Dienst" ist eine rechts- fähige Körperschaft des öffent- lichen Rechts. Ihre Organe sind nach §§ 287 und 288 Verwaltungs- rat und Geschäftsführung. „Der Verwaltungsrat wird von den Ver- treterversammlungen der Mitglie- der gewählt. Beschäftigte des Me- dizinischen Dienstes sind nicht wählbar" (Absatz 2). Der Verwal- tungsrat soll höchstens sechzehn Mitglieder haben, und „die Mit- glieder haben sich über die Zahl der Vertreter, die auf die einzelne Kassenart entfällt, zu einigen".

„Der Geschäftsführer führt die Ge- schäfte des MD nach den Richtli- nien des Verwaltungsrates" (Ab- satz 4). Die Fachaufgaben des MD werden von Ärzten und Angehöri- gen anderer Heilberufe wahrgenom- men (Absatz 5).

Zu den Aufgaben des Verwal- tungsrates gehört es, „Richtlinien für die Erfüllung des Medizinischen Dienstes unter Berücksichtigung der Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen aufzustellen"

(§ 288, Absatz 4) sowie den Ge- schäftsführer und seinen Stellvertre- ter zu wählen und zu entlasten (Ab- satz 6). Beschlüsse des Verwaltungs- rates werden mit einfacher Mehrheit der Mitglieder gefaßt. Beschlüsse über Haushaltsangelegenheiten und über die Satzung bedürfen einer Zwei-Drittel-Mehrheit. § 291 hält fest, daß die sozialmedizinisch täti- gen Ärzte der Bundesbahn und der Bundesknappschaft von dem Medi- zinischen Dienst ausgenommen blei- ben und ihre Aufgaben wie bisher wahrnehmen.

I Die geplanten Strukturen

A-2130 (22) Dt. Ärztebl. 85, Heft 30, 28. Juli 1988

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Anfragen und drin- gende Ergänzungen

Im Kampf um Leistung und de- ren Begrenzung, der jetzt vermut- lich schärfer entbrennen wird als je- mals zuvor, hätte der Staat dafür Sorge zu tragen, daß ein Ärztlicher Gutachterdienst Wirklichkeit wür- de, dessen Unabhängigkeit und Sachverstand von allen Seiten aner- kannt, respektiert und gefördert wird. Der Status eines solchen Dien- stes kann dann eigentlich nur in Analogie zum Richterstand gedacht werden, unparteiisch und frei von den ökonomischen Interessen der verschiedenen Seiten — der Ärzte, der Patienten, der privaten, freige- meinnützigen und öffentlichen Kli- nik- und Sanatorienbetreiber, aber auch der in hartem Konkurrenz- kampf stehenden Krankenkassen.

Diese unbedingt erforderliche Un- abhängigkeit der Institution er- scheint mit dem neuen MD „der Krankenversicherung" nicht gesi- chert — und sie ist vielleicht auch für den einzelnen Gutachter nicht mehr in der bisherigen Weise gegeben, wenn sich die Dienstherrnfähigkeit des neuen MD ausschließlich darauf beschränken sollte, Beamte zu „ha- ben", er aber nicht berechtigt sein würde, die Gutachter zu Beamten zu

„ernennen". Für Angestellte in die- sem Dienst mit BAT-Verträgen scheint die Unabhängigkeit deutlich weniger abgesichert zu sein.

Darauf deutet vielleicht schon Artikel 45, Absatz 6 des Gesetzent- wurfes hin, wenn es dort (reichlich interpretationsfähig) heißt: „Die Medizinischen Dienste können bis zum 31. März 1990 ein Arbeitsver- hältnis nur aus einem in der Person des Beschäftigten liegenden wichti- gen Grund kündigen." Wo liegt da die „Betonung" — auf dem Termin, auf dem „wichtigen Grund in der Person des Beschäftigten" oder auf dem „Kündigen-Können"? Bahnt sich hier eine erste „Auslese" nach

„Kassentauglichkeit" an?

Weitere offene Fragen: Ist es wirklich demokratisch und vor allem sachdienlich, einen Medizinischen Gutachterdienst von einem Verwal- tungsorgan „kontrollieren" zu las-

sen, das ausschließlich aus Laien zu- sammengesetzt sein soll? Wenn es in diesem Dienst — in Zukunft mehr als früher — wirklich um die Frage der medizinisch indizierten Leistungs- vergabe gehen soll, kann man da wirklich auf ärztlichen Sachverstand verzichten? Wird wenigstens der Geschäftsführer ein Arzt sein, oder allenfalls dessen Stellvertreter?

Es wäre mehr als wünschens- wert, wenn die bisherigen organisa- torischen Vorgaben schon im Ge- setzestext klarer formuliert würden.

Was hier festgesetzt und festge- schrieben werden soll, wird Auswir- kungen für die gesamte Ärzteschaft haben, keineswegs nur für die Kolle- gen im VäD/MD. Es wird höchste Zeit, daß sich Ärzte auch mit diesen Detailfragen befassen. Ist es nicht längst an der Zeit, wesentlich klare- re formale und inhaltliche Kriterien für die Tätigkeit dieses Dienstes, aber auch für die Pflichten der be- handelnd tätigen Kollegen, festzule- gen, als sie bisher bestanden? Lag hier nicht für die gerade auch von den Krankenkassen immer wieder behauptete Ineffektivität des Dien- stes eine wesentliche und von ihnen selbst mitzuverantwortende Ursa- che? Aber werden solche Richtli- nien nach den Empfehlungen der Spitzenverbände der Kassen ausrei- chend medizinisch begründet sein?

Oder werden sie dann die Leistungs- wünsche der Versicherten wider- spiegeln, die auf zahlreichen Gebie- ten sicherlich nicht medizinisch be- gründbar sind?

Daß Kriterien („Richtlinien") für die Aufgabenerfüllung eines me- dizinischen Gutachterdienstes ohne ärztliche Mitwirkung erstellt werden sollen, ist beispiellos.

Kein Zweifel: Die Frage der ge- nerellen Mittelzuteilung im Gesund- heitswesen (Makroallokation) und die Frage der konkreten Leistungs- vergabe oder -begrenzung im Ein- zelfall (Mikroallokation) sind nicht nur Aufgabe der Ärzte, die einfach eine medizinische „Indikation" be- haupteten (und durchsetzten) — aber will man diese Fragen jetzt plötzlich vollständig ohne ärztlichen Sachver- stand nur noch von Arbeitnehmern und Arbeitgebern lösen lassen? Bie- tet die Neuorganisation jetzt nicht

vielmehr die einzigartige Chance, in einem politisch-medizinethischen Diskurs der verschiedenen Gruppen und Wissenschaften wirklich die Fragen der Leistungszuweisung ernsthafter zu behandeln und einen Katalog konsensfähiger Normen zu erarbeiten? Will man mit dem Text des Gesetzes ausschließlich davon sprechen, daß der Gutachter nur sei- nem (eigenen) ärztlichen „Gewis- sen” verpflichtet ist? Ist das nicht gerade für einen Gutachterdienst et- was zu wenig — auch wenn dies na- türlich auch gesichert bleiben muß?

Wer schließlich „kontrolliert" die

„Kontrolleure", und nach welchen Gesichtspunkten?

Näher

an den Idealzustand!

Ein „Ärztlicher Gutachter- dienst" sollte auf die Ergänzung

„der Krankenversicherung" ver- zichten können. Er müßte in seinem Verwaltungsrat alle relevanten Gruppen repräsentieren, um Polari- sation und Konfrontation von vorne- herein zu vermeiden oder doch zu reduzieren. Deshalb müssen unbe- dingt neben den Vertretern der Krankenkassen auch niedergelasse- ne Kollegen und Krankenhausärzte präsent sein, und genauso dürfen kompetente Vertreter aus dem Dienst selbst in diesem Gremium nicht fehlen, wenn die Institution nicht nach wenigen Jahren zu einer bloßen Administration verkommen soll. Eine solche Beteiligung von Ärzten widerspricht in keiner Weise den legitimen Ansprüchen der Kas- sen. Bestünde der Verwaltungsrat zudem ausschließlich aus Vertretern der Krankenkassen und würde sich seine Zusammensetzung an der Mit- gliederstärke orientieren, so würden diese Gremien in vielen Fällen von nur einem einzigen Verband „domi- niert" , was die Unabhängigkeit des Dienstes und der Gutachter weiter empfindlich begrenzen könnte.

Die Tatsache, daß der Dienst von den Kassen „bezahlt" würde, was schon bisher der Fall war, spricht keineswegs gegen die vorge- schlagene Änderung, da es ganz si- Dt. Ärztebl. 85, Heft 30, 28. Juli 1988 (23) A-2131

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eher auch im Interesse der Versi- cherten/Patienten liegen dürfte, wenn die Aufsicht über diesen Dienst in gemeinsamer Verantwor- tung wahrgenommen würde. Und deren Gelder sind es, die die Kassen (ob Kranken- oder Gesundheitskas- sen) verwalten.

I Anforderungen an die Strukturen

Aus der Perspektive des Ärzt- lichen Gutachters wären an die neu- en Strukturen deshalb folgende For- derungen zu stellen:

...,. Die Bezeichnung des ge- planten Dienstes wird in "Ärzt- licher (Medizinischer) (Gutachter-) Dienst" geändert. Unabhängigkeit und Sachkompetenz des Dienstes werden durch ein Verwaltungsorgan gewährleistet, in dem neben den Kassen-Vertretern auch Gutachter und andere ärztliche Kollegen ver- treten sind. Der prozentuale Anteil bleibt festzulegen; es könnte zum Beispiel eine drittelparitätische Lö- sung_ von Kassenvertretern, Gutach- ter-Arzten und der Gruppe der nie- dergelassenen/klinisch tätigen Ärzte diskutiert werden. Die Mitglieder des Verwaltungsorgans sind in ge- meinsamem Zusammenwirken für die Erstellung von Richtlinien für die Aufgabenerfüllung des Dienstes verantwortlich, ebenso für die weite- ren, bisher schon gesetzlich festge- legten Aufgaben. Gemeinsam über- wachen sie auch die Einhaltung die- ser Richtlinien. Zur internen Rege- lung etwaiger Ein- oder Widersprü- che gegen die von den Gutachtern getroffenen Entscheidungen, die durch Neuvorlage oder ein zweites (Ober-)Gutachten nicht abschlie- ßend erledigt werden, wird ein Be- rufungsausschuß gebildet, dem ne- ben Angehörigen der im Verwal- tungsrat repräsentierten Gruppen auch Vertreter der Sozialgerichts- barkeit angehören (können), um nach Möglichkeit zusätzliche Bela- stungen der Sozialgerichte durch neue Konfliktfälle zu vermeiden und um dadurch vielleicht sogar zu einer Reduktion der Rechtsstreitigkeiten beizutragen.

Die Geschäftsführung liegt grundsätzlich in den Händen eines erfahrenen Gutachter-Arztes. Ihm steht ein erfahrener Verwaltungs- fachmann zur Seite. Die Leitung der regionalen u~d lokalen Unterein- heiten des Arztlichen Gutachter- dienstes wird ebenfalls von Ärzten wahrgenommen.

Für die Praxis der Begutachtung sollte gelten:

...,. Vor der Vorladung eines Versicherten durch die Kasse ist grundsätzlich eine Information des Arztlichen Gutachterdienstes , ,nach Aktenlage" vorzusehen, um die Zahl der nicht erforderlichen Vorla- dungen so niedrig wie möglich zu halten .

...,. Der Gutachter muß das Recht auf Einsicht in alle von ihm als relevant betrachteten medizini- schen Befunde und Leistungs-Un- terlagen haben; dies gilt gegenüber den Ärzten, den Krankenhäusern, Kurkliniken/Sanatorien und gegen- über den Kassen. Solche Unterlagen müssen spontan, nicht erst auf be- sondere Anforderung, zur Verfü- gung gestellt werden. Ist das nicht der Fall, sollten Sanktionsmöglich- keiten vorgesehen werden. Sämt- liche Daten unterliegen selbstver- ständlich der ärztlichen Schweige- pflicht. Originalbefunde sind unver- züglich zurückzugeben. Für die Her- stellung von Kopien ist der Gutach- terdienst verantwortlich.

...,. Wo eigene fachärztliche Kompetenz in den Reihen des Dien- stes nicht oder noch nicht vorhanden ist, aber zur ordentlichen medizini- schen Klärung unerläßlich erscheint, ist der Gutachter, gegebenenfalls nach Rücksprache mit der betreffen- den Kasse, berechtigt, niedergelas- sene Kollegen, Klinikärzte oder fachärztliche Gutachter anderer Dienste (Versorgungsamt, Gesund- heitsamt u. a.) um ein ergänzendes Zusatzgutachten zu bitten. Die Aus- wahl solcher Zusatzgutachter ge- schieht in Abstimmung mit den Krankenkassen; es wird ein fixes Honorar vorgesehen.

...,. Die vollständigen Gutachten gehen ausschließlich an die behan- delnden Ärzte. Die Krankenkassen werden ausführlich über die Diagno- sen sowie vor allem das Ergebnis der

A-2132 (24) Dt. Ärztebl. 85, Heft 30, 28. Juli 1988

Begutachtung unterrichtet, damit sie ihre gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben wahrnehmen können. Bei Bedarf können die den Kassen zur Verfügung gestellten Informationen auch anderen Leistungsträgern zur Verfügung gestellt werden.

...,. Für Einsprüche gegen ergan- gene Entscheidungen wird ein ein- heitliches prozedurales Vorgehen vorgesehen.

...,. Die Begutachtung von Pa- tienten, die sich nicht am Ort der Dienststelle aufhalten, ist grundsätz- lich von der Gutachterstelle durch- zuführen, die dem Aufenthaltsort (Wohnung, Klinik, Sanatorium) des Patienten am nächsten liegt, damit jederzeit eine persönliche Begutach- tung erfolgen kann .

...,. Die Fort- und Weiterbildung der Gutachter wird von der Ge- schäftsführung des Ärztlichen Gut- achterdienstes koordiniert. Sie ge- schieht in Absprache mit dem Ver- waltungsrat beziehungsweise den Spitzenverbänden der Krankenkas- sen und ist gegebenenfalls bundes- weit abzustimmen. Für die Durch- führung werden überwiegend kom- petente Klinikärzte und Universi- tätsmediziner herangezogen, zusätz- lich ausgewiesene Fachleute des So- zialrechtes. Für die Erfüllung ver- schiedener Spezialaufgaben werden besonders zu schulende Gutachter ausgebildet. Für sie sind turnusge- mäß klinische oder sonstige spezielle Fortbildungen vorzusehen, die einen hohen Standard ärztlich-gutachter- liehe Berufsausübung sicherstellen sollen .

...,. Der Ärztliche Gutachter- dienst hat das Recht zur Sozialmedi- zinischen Forschung, um im Rah- men seiner Tätigkeit allein oder in Kooperation mit universitären· For- schungsinstituten zur Fortentwick- lung der Sozialmedizin als wissen- schaftlicher Disziplin beitragen zu können. Die Bestimmungen des So- zialrechtes sind so an die auch an- dernorts (Allgemeinmedizin, Klini- ken) geltenden Richtlinien anzuglei- chen, daß ein in jeder Hinsicht be- friedigender Datenschutz gewährlei- stet ist. Die Krankenkassen und Re- habilitationsträger werden aufgefor- dert, sich dieser wichtigen Aufgabe nicht zu entziehen, sondern kon-

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struktiv zu ihrem Gelingen beizutra- gen.

Ziel dieser Vorschläge ist es, den Gesetzgeber zu veranlassen, die bisherigen Regelungen für den Me- dizinischen Dienst kritisch zu über- denken und die Neuordnung so an- zulegen, daß Kompetenz, Sachver- stand und Unabhängigkeit garan- tiert sind und daß die Rahmenbedin- gungen so gestaltet werden, daß der Dienst für ärztliche Kollegen attrak- tiv wird, die bisher ein solches Wir- kungsfeld nicht in ihre Überlegun- gen miteinbezogen haben.

Ein Neuanfang

Ein solcher Medizinischer Dienst sichert die Freiheit der Be- rufsausübung vor nichtärztlichen Fremdeingriffen. Er garantiert am ehesten, daß keinem Patienten me- dizinisch tatsächlich erforderliche Leistungen vorenthalten werden, weil Ärzte in die Erstellung und Fortschreibung der Richtlinien mit- eingebunden sind und geordnete Einspruchsverfahren jeden Kollegen vor Willkürentscheidungen dieses Dienstes schützen. Ein solcher Dienst, der sich zugleich der Kon- trolle von Laien (also potentiellen Patienten) stellt, die über die Ver- treterversammlungen von Arbeitge- ber- und Arbeitnehmerseite in die Organe entsandt werden, müßte in der Lage sein, sich allseitiges Ver- trauen zu erwerben. Er wäre zu- gleich ein erster und außerordentlich wichtiger Schritt zu einer ernsthaf- ten (inner)ärztlichen Selbst- (und nicht nur medizinischen Qualitäts)- Kontrolle bei der Behandlung der Patienten. Er wäre zugleich ein wichtiger Beitrag zum verantwort- lichen Einsatz und der gerechten Verteilung der begrenzt vorhande- nen materiellen Ressourcen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Helmut Piechowiak Internist/Sozialmedizin

c/o Vertrauensärztlicher Dienst der Landesversicherungsanstalt Niederbayern—Oberpfalz Gabelsbergerstraße 7 8400 Regensburg

W

enige Wochen, bevor

die ersten Absolventen für das Praktikum an- stehen, ist aufgrund der in den einzelnen Bundesländern inzwischen durchgeführten Erhe- bungen mit Sicherheit zu erwarten, daß bundesweit die Nachfrage nach Praktikumsplätzen bei weitem nicht befriedigt werden kann. So ist zum Beispiel nach einer Erhebung des Sozialministeriums Baden-Württem- berg für Herbst dieses Jahres mit rund 850 Bewerbern zu rechnen, für die nur etwa 590 Praktikumsplätze zur Verfügung stehen. Es fragt sich, welche rechtlichen Konsequenzen sich aus dieser Situation im Hinblick auf das in Art. 12 des Grundgesetzes (GG) verankerte Grundrecht der Berufsfreiheit ergeben. Eine von mehreren Medizinstudenten gegen die Einführung des AiP bereits im Jahr 1986 erhobene Verfassungs- beschwerde hat das Bundesverfas- sungsgericht durch Beschluß vom 7.

April 1986 — 1 BvR 297/86 — nicht zur Entscheidung angenommen mit

der Begründung, daß die Antrag- steller nicht gegenwärtig in ihren Rechtspositionen betroffen seien.

Beschränkungen der Berufs- freiheit nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit

Artikel 12 Abs. 1 Satz 1 GG schützt die Freiheit der Berufswahl als eine Erscheinungsform der Be- rufsfreiheit. Dazu gehört auch der freie Zugang zu der vorgeschriebe- nen Ausbildung für einen Beruf (1).

Die Einführung der Tätigkeit als Arzt im Praktikum als Vorausset- zung für die Erteilung der Approba- tion bedeutet angesichts des Man- gels an Ausbildungsplätzen somit ei- nen Eingriff in die freie Berufswahl.

Nach der vom Bundesverfassungsge- richt entwickelten Stufentheorie (2) darf die Freiheit der Berufswahl durch eine objektive Zulassungsvo- raussetzung, wie sie die Einführung der Praxisphase darstellt, nur einge-

Arzt im Praktikum M angel an Hans-Jürgen Rieger-

Ausbildungsstellen

Rechtliche Konsequenzen für die Betroffenen Pflichten des Staates

Seit dem 1. Juli ist jene Änderung der Bundesärzteordnung vom 14. März 1985 in Kraft, mit der als weiterer Teil der ärzt- lichen Ausbildung die Tätigkeit als Arzt im Praktikum (AiP) eingeführt wurde. Sie soll nach dem Entwurf eines Gesund- heits-Reformgesetzes - nicht nur für eine Übergangszeit, wie noch im geltenden Recht vorgesehen - 18 Monate dauern. Die ersten Ärzte im Praktikum werden im Herbst dieses Jahres ih- re Stellen antreten; was aber wird aus denen, die keine Prak- tikumstelle finden? Der Verfasser ist schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des Arztrechts tätig; er gibt hier seine persön- liche Rechtsauffassung wieder.

Dt. Ärztebl. 85, Heft 30, 28. Juli 1988 (25) A-2133

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