Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 31–32⏐⏐4. August 2008 A1705
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ute Fachkräfte – ob in Klinik oder Praxis – können sich immer wieder auch zu Problemfäl- len entwickeln. Die Mitarbeiter las- sen dann in ihrer Leistung nach, sie behindern die reibungslose Zusam- menarbeit, entwickeln eine höhere Fehlerquote, machen „Dienst nach Vorschrift“, stören das Betriebskli- ma oder sind einfach häufiger krank. Wegen ihrer Qualifikation und Erfahrung sind sie aber nicht mal eben schnell ersetzbar. Wie soll man mit solchen „Problemmitarbei- tern“ umgehen?Möglich sind disziplinarische und arbeitsrechtliche Maßnahmen. Die wenden zuallererst Gefahren für das Unternehmen ab. Man muss zudem deutlich machen, wo der Arbeitneh- mer an Grenzen stößt und was er zu tun oder zu unterlassen hat, und auf notwendige Veränderungen auf- merksam machen und diese einfor- dern. Aber auf keinen Fall sind es Mittel, die die Motivation, das En-
gagement, die Loyalität und die Leistungskraft wiederherstellen. Sie setzen also nicht (oder nur unter größtem Druck) in Gang, was der Arbeitgeber eigentlich vom Arbeit- nehmer will, und können daher nur als Ultima Ratio im Umgang mit Pro- blemmitarbeitern gesehen werden.
Personalverantwortliche und Chefs brauchen also auch weitere Optio- nen und Strategien, wenn ihnen die Leistungsfähigkeit und die Bindung ihrer Mitarbeiter wichtig sind. Drei Schritte können dann weiterhelfen:
Schritt 1 – die genauere Be- trachtung des konkreten Arbeits- kontexts. Menschen verhalten sich nicht einfach autonom, sondern im- mer in Beziehung zu etwas. Deshalb kann problematisches Verhalten nicht unabhängig vom Arbeitskon- text betrachtet werden. Es kommt darauf an, genau hinzuschauen, sich quasi im Einzelfall kundig zu ma- chen, um dann Ideen für passgenaue und nachhaltige Lösungen ent-
wickeln zu können. Leitfaden hierfür können folgende Überlegungen sein:
a) Der Arbeitskontext einer Kli- nik oder einer Praxis ist eine Art Markt. Hier werden keine Waren im herkömmlichen Sinn gehandelt. Es sind vor allen Dingen Verhaltens- weisen (neben Material, Arbeitskraft und Geld), die mit anderen Mitarbei- tern, Vorgesetzten und Patienten ge- tauscht werden. Angebot, Nachfrage und Marktwert werden ganz indivi- duell verhandelt. Mitarbeiter sind dabei gute und ökonomisch vernünf- tige Geschäftsleute. Sie wollen nicht nur Geld verdienen. Sie wollen auch Aufmerksamkeit, Unterstüt- zung, Wertschätzung, Förderung und Beteiligung. Stimmt das Konto oder die Bilanz dessen nicht, was zurück- kommt beziehungsweise zurücker- wartet wird, gelingt auf Dauer kein Geschäft mit einem Mitarbeiter.
b) Problemverhalten muss nicht immer ein Hinweis auf individuelle Defizite sein. Bei genauerem Hinse- hen steht es nicht selten in anderen Zusammenhängen: Dass Mitarbeiter einen „Leidensdruck“ entwickeln, kann auch heißen, dass ihnen Aufga- ben übertragen wurden, für die ei- gentlich der Vorgesetzte (Motivati- on, Stressmanagement, konstruktive Kritik, Vorschlagswesen), manch- mal sogar das Unternehmen (Perso- nalschlüssel, Veränderung der Struk- turen) an sich zuständig sind. Chef und Unternehmen haben sich dann lediglich vom eigenen Verände- rungsdruck entlastet und die eigenen Entwicklungschancen nicht in die Hand genommen.
c) Was für das System Unterneh- men (Klinik oder Praxis) gut ist, muss für die anderen Lebensbereiche (Familie, persönliche Interessen) des PROBLEMMITARBEITER
Wenn gute Fachkräfte Probleme machen . . .
Disziplinarische und arbeitsrechtliche Maß- nahmen sollten immer die letzte Option sein.
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DAS MITARBEITERGESPRÄCH
Inhalte des strukturierten Mitarbeitergesprächs sollten vor allem sein:
>deutlich benennen, was aufgefallen ist
>offen ansprechen, wenn ein persönliches Problem, ein Zielkonflikt oder ein anderes Problem vermutet wird
>Hinweise für mögliche Hilfen (Coach, externe Mitarbeiterberatung, psychologische oder ärztliche Hilfe . . .) geben
>Ziele formulieren, notwendige Veränderungsschritte benennen
>eine konkrete Vereinbarung treffen
Wird die Vereinbarung nicht oder nur unzureichend umgesetzt, dann sind weitere Gespräche mit dem betreffenden Mitarbeiter zu führen:
>auf das vorangegangene Gespräch Bezug nehmen
>gegebenenfalls den Betriebsrat und die Personalabteilung einbinden
>klar benennen, was aufgefallen ist
>wiederum offen ansprechen, wenn ein persönliches Problem, ein Konflikt oder ein anderes Problem vermutet wird
>den Mitarbeiter auffordern, sich dem Problem zu stellen, selbst aktiv an der Lösung zu arbeiten und Hilfemöglichkeiten zu nutzen
>erneut eine konkrete Vereinbarung treffen
>bei Nichtveränderung (je nach Situation und Problem) Einschalten des Betriebsarztes, Umbesetzung oder arbeitsrechtliche Maßnah- men
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Mitarbeiters noch lange nicht nütz- lich sein. Eventuell gibt es Zielkon- flikte im Leben des Mitarbeiters, die er bisher nicht offengelegt hat.
Schritt 2 – die Reflexion des Führungsverhaltens (das eigene beziehungsweise das des nächsten Vorgesetzten). Folgende Aspekte sind dabei in Betracht zu ziehen:
a) Übernimmt jemand die Füh- rung, aber weniger die damit ver- bundene Mitarbeiterverantwortung, ist damit zu rechnen, dass Mitarbei- ter rebellieren oder einen Teil der Verantwortung heimlich überneh- men beziehungsweise sich damit überfordern und dann persönlich und gesundheitlich ausscheren. Das heißt, viele Mitarbeiterprobleme in Kliniken und Praxen sind hausge- macht. Sie haben ihre Wurzeln in zu geringer Führungskompetenz bezie- hungsweise in der Höherstellung medizinischer Kompetenz über eine tatsächliche Übernahme von Mitar- beiterführung- und Verantwortung.
b) Zu führen bedeutet in erster Linie, nicht einzuengen oder zu er- weitern – das fördert die Passivi- tät –, sondern den Mitarbeiter als autonomes Wesen zu sehen und ihm etwas anzubieten, das attraktiv, wert- und lustvoll ist. Persönliche Wertschätzung und „Verführung“
fördern die Aktivität des Mitarbei-
ters und bringen ihn eher dazu, sich den (Unternehmens-)Erwartun- gen anzupassen.
c) Ein Chef muss bei einem Mit- arbeiter nicht jede anstehende Ver- änderung selbst in die Hand neh- men. Vielmehr soll er solche Be- dingungen schaffen, die ein Mitar- beiter für die autonome Lösung sei- ner Schwierigkeiten braucht. Dazu muss er nur einen klaren Rahmen vorgeben, also die kurze Definition dessen, was auf jeden Fall passie- ren muss (welche Aufgaben unbe- dingt erfüllt und welche Ziele er- reicht werden müssen), und eine unmissverständliche Auskunft dar-
über, was (in Zukunft) auf jeden Fall unterlassen werden soll (schädliche Auswirkungen).
Der Mitarbeiter wird innerhalb dieser Rahmenvorgaben gebeten, die entsprechenden Veränderungen selbst zu erarbeiten und umzuset- zen. Er muss selbst (und zwar termi- niert und unaufgefordert) Auskunft darüber geben, wie er die Vorgaben umsetzen wird.
Schritt 3 – klar strukturier- te Mitarbeitergespräche. Zuletzt rückt dann auch der betroffene Mit- arbeiter als selbstverantwortliche Person in das Blickfeld. Personal- verantwortliche sehen bereits, be- vor überhaupt ein Gespräch not- wendig wird, genauer hin. Sie ach- ten auf Veränderungen und nach- lassende Leistungen und dokumen- tieren diese. Sie suchen zeitnah das Gespräch mit Problemmitarbeitern.
Darin werden konkrete Vereinba- rungen getroffen. Gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Coachs oder einer externen Mitarbeiterbe-
ratung. I
Torsten Klatt-Braxein E-Mail: praxisentwicklung@freenet.de
GOÄ-RATGEBER
Individuelle Gesundheitsleistungen – Rechnung nach GOÄ
Die Definition des Begriffs IGeL (Individuelle Gesundheitsleistung) und die Vertragsgestal- tung wurden in den beiden letzten GOÄ-Ratge- bern erläutert. Dort wurde auch dargelegt, war- um sich aus § 1 Absatz (Abs.) 1 der Amtlichen Gebührenordnung (GOÄ) ergibt, dass ärztliche IGeL-Leistungen nach der GOÄ berechnet und alle Regeln der GOÄ beachtet werden müssen.
Demnach muss dem Patienten eine GOÄ-kon- forme Rechnung ausgestellt werden. Eine Ab- rechnung mittels Pauschalen ist ebenso wenig zulässig, wie eine regelhafte Berechnung der Leistungen unter dem 1,0-fachen Gebührensatz (§ 5 GOÄ „Bemessung der Gebühren“).
Wenn die Punktzahl der Leistung des Ge- bührenverzeichnisses mit dem Punktwert (5,82873 Cent) multipliziert wird, ergibt sich der Einfachsatz der GOÄ. Innerhalb des jeweiligen Gebührenrahmens (ärztlich, medizinisch-tech- nisch, Labor) sind die Gebühren unter Beach- tung der in § 5 GOÄ genannten Kriterien nach
„billigem Ermessen“ zu gestalten. Diese Formu-
lierung bietet die Möglichkeit, den Gebührensatz (Faktor) so auszuwählen, dass ein glatter Euro- betrag resultiert. Beispiel: Nummer 415 GOÄ
„Ultraschalluntersuchung im Rahmen der Mut- terschaftsvorsorge“ (300 Punkte = 17,49 ).
Multipliziert man den Einfachsatz mit dem Fak- tor 2,28705, so ergibt dies 40,00 . Es wäre nicht korrekt, den 2,3-fachen Satz in Rechnung zu stellen (ergibt 40,22 ) und auf 22 Cent zu verzichten. Klingt kompliziert, lässt sich aber für die IGeL-Leistungen, die eine Praxis anbietet, problemlos errechnen. Ergibt sich aus dem indi- viduellen Einzelfall die Notwendigkeit, die er- brachte Leistung oberhalb des Schwellenwerts (2,3-fach bei ärztlichen Leistungen) zu berech- nen, müssen die Kriterien des § 5 Abs. 2 ff. GOÄ beachtet und eine für den Patienten nachvoll- ziehbare Begründung auf der Rechnung auf- geführt werden. Eine Abrechnung oberhalb des Höchstwertes (3,5-fach bei ärztlichen Leistungen) muss wiederum den Kriterien des
§ 2 GOÄ „Abweichende (Honorar-)Vereinba- rung“ genügen.
Die Darstellung der IGeL-Leistung auf der Rechnung regelt § 12 GOÄ. Eine schlichte Auf-
listung des zu zahlenden Betrags ist nicht zulässig. Entspricht die Darstellung einer Leis- tung auf der Rechnung den Kriterien nach
§ 12 GOÄ nicht, ist (mindestens) diese Leis- tung nicht fällig.
Eine analoge Bewertung darf nach § 6 Abs. 2 GOÄ für eine selbstständige ärztliche Leistung vorgenommen werden, wenn diese nicht Be- standteil (oder besondere Ausführung) des Ge- bührenverzeichnisses ist. Die gewählte Leistung muss nach Art, Kosten und Zeitaufwand mög- lichst gleichwertig sein und „erbt“ alle Ein- schränkungen (Ausschlüsse, Begrenzung der Anzahl im Behandlungsfall, Zeitdauer, Gruppen- oder Einzelbehandlung etc.) der originären Leis- tung. Für die Fälligkeit der Leistung ist die kor- rekte Darstellung auf der Rechnung nach § 12 Abs. 4 GOÄ ausschlaggebend. Ausführliches zu diesem Thema siehe „Korrekte Darstellung ei- ner Analogen Bewertung“ (DÄ, Heft 36/2007) und „Analoge Bewertung – künstliche Gebühren- nummer?“ (DÄ, Heft 12/2008).
In den nächsten Ratgebern zu diesem The- ma werden zusätzlich einige Einzelfragen be- antwortet. Dr. med. Anja Pieritz