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Archiv "Niederlande: Reform mit Fallstricken" (23.09.2005)

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heitsbild wichtigen Fachrichtungen und Wissenschaftler zusammenarbeiten. Die- se Gruppen knüpfen die Kontakte zu Patienten-Selbsthilfegruppen, nieder- gelassenen Fachkollegen und zuweisen- den Krankenhäusern. Sie erarbeiten und kontrollieren

>die Leitpfade der Patienten,

>die für alle behandelnden Ärzte verbindlichen Leitlinien für Diagno- stik, Therapie und Nachsorge (SOPs),

>die Vorgaben für die Durchfüh- rung klinischer Studien und

>die Aus- und Fortbildung auf dem jeweiligen Gebiet.

Die NCT-Studienzentrale wird den Mitarbeitern der beteiligten Fachabtei- lungen die Planung und Durchführung von klinischen Studien erleichtern. Ziel ist, eine möglichst hohe Zahl von Patien- ten in klinische Studien einzubinden, um eine Verbesserung von Diagnostik und/

oder Therapie zu erzielen und so die Pro- gnose der Patienten zu verbessern.

Angeschlossen sind außerdem unter anderem ein klinisches Krebsregister, ein zentrales digitales Archiv und eine Tumor- und Serumbank für Forschungs- fragen. Die Forschung wird eng mit dem DKFZ koordiniert, das einen wesentli- chen Anteil der Kosten trägt. Für die Er- füllung dieser translationalen Aufgaben werden zwei neue Programmschwer- punkte eingerichtet, die mit jeweils ei- nem W-3-Lehrstuhl besetzt werden:

>Experimentelle Diagnostik und Therapie, mit dem Ziel, Forschungser- gebnisse in neue Diagnose- und Thera- pieverfahren umzusetzen. Die beste- henden klinischen Kooperationseinhei- ten zwischen DKFZ und Universitäts- klinikum werden hier assoziiert.

>Präventive Onkologie mit dem Auf- trag, neue Strategien für Früherkennung und Prävention zu entwickeln und in kli- nischen Studien zu überprüfen.

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Volker Diehl1 Prof. Dr. med. Claus R. Bartram2 Prof. Dr. med. Peter Drings3 Prof. Dr. med. Eike Martin4 Gerd Nettekoven5

Dr. med. Julia Rautenstrauch6 Prof. Dr. med. Otmar D. Wiestler6

1Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg

2Medizinische Fakultät Heidelberg

3Thoraxklinik-Heidelberg

4Universitätsklinikum Heidelberg

5Deutsche Krebshilfe

6Deutsches Krebsforschungszentrum

T H E M E N D E R Z E I T

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A2542 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 38⏐⏐23. September 2005

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b Januar 2006 wird es in den Nie- derlanden keine Krankenkassen mehr geben. Vor einigen Wochen hat die rechts-liberale Regierung ein Gesetz durchgebracht, dass die voll- ständige Privatisierung des Versiche-

rungssystems vorsieht. Für die 16 Mil- lionen Einwohner gilt dann eine allge- meine Versicherungspflicht für medizi- nische Grundleistungen bei freier Wahl eines Unternehmens.

Um eine Risikoselektion zu vermei- den, müssen die Versicherungen jeden Antragsteller aufnehmen, unabhängig von seinem Alter, Geschlecht oder Krankheitsrisiko. Auch müssen sowohl bereits bestehende Versicherungen als auch die neuen Gesellschaften gleicher- maßen den von der Regierung vorge- schriebenen Katalog an Grundleistun- gen anbieten.

Der Direktor für Gesetzgebung und Rechtsangelegenheiten im niederländi-

schen Gesundheitsministerium begrün- det die Reform: „Das neue System soll den Versicherungen mehr Handlungs- spielraum und Steuerungsmöglichkei- ten einräumen und die Eigenverant- wortung der Versicherten stärken.“

Außerdem will die Regierung unter Premier Jan Peter Balkenende mit der Abschaffung der gesetzlichen Kranken- kassen einen Schritt zur Entkopplung der Beiträge vom Faktor Arbeit vollzie- hen. Deutsche Gesundheitspolitiker werden daher vermutlich mit Interesse darauf schauen, inwieweit sich der neue Finanzierungsmix der niederländischen Bürgerversicherung bewährt.

Bislang fließen acht Prozent des Ein- kommens an die Krankenkassen (den Hauptanteil von 6,75 Prozent trägt der Arbeitgeber). Hinzu kommt eine jährli- che Prämie je Versicherten von 356 Eu- ro. Die neu berechnete Kopfprämie für Erwachsene hingegen liegt bei durch- schnittlich 1 100 Euro im Jahr. Die ein- zelnen Versicherungen dürfen die exak- te Höhe ihrer jeweiligen Prämien jedoch selbst bestimmen. Damit sowie über pri- vate Zusatzleistungen will der Gesetzge- ber den Wettbewerb ankurbeln.

Zudem müssen künftig alle selbststän- dig und angestellt Tätigen 6,25 Prozent ihres Einkommens für die Finanzierung der Bürgerversicherung aufwenden.

Derzeit gilt noch eine Einkommens- grenze von rund 29 500 Euro (Arbeit- nehmer) beziehungsweise knapp 21 000 Euro (Selbstständige) für die Gesetzli- che Krankenversicherung. Niederlän- der mit einem höheren Einkommen sind automatisch privat versichert.

Rund sechs Millionen Einwohner ver- fügen somit bereits über eine private Vollversicherung.

Diese Trennung fällt im Zuge der neuen allgemeinen Versicherungspflicht Gesundheitsminister Hans Hoogervorst

will langfristig die Kassenbeiträge vom Faktor Arbeit abkoppeln.

Foto:Niederländisches Außenministerium

Niederlande

Reform mit Fallstricken

Die Niederländer wagen den Schritt in die

Privatisierung des Versicherungssystems.

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zwangsläufig weg. Um eine soziale Schieflage zulasten kinderreicher Famili- en oder finanziell schlechter gestellter Bürger zu vermeiden, schießt der Staat jährlich 2,5 Milliarden Euro aus Steuer- geldern hinzu. Die Regierung schätzt, dass etwa sechs Millionen Niederländer Anspruch auf Transferzahlungen haben.

Den Versicherten soll das neue Sy- stem mit mehr Wahlmöglichkeiten schmackhaft gemacht werden. So kön- nen die Niederländer beispielsweise künftig zwischen Kostenerstattung und Sachleistungsprinzip wählen. Darüber hinaus soll es Tarife mit oder ohne Selbstbehalt geben sowie Angebote, bei denen die Versicherten nur zu einem ausgewählten Kreis von Ärzten Zugang erhalten. Im Rahmen des Sachlei- stungssystems erhalten die Versiche- rungsgesellschaften daher die Möglich- keit, in allen Versorgungsbereichen se- lektiv Verträge mit Leistungserbringern abzuschließen.

Nicht nur die politische Linke sowie viele Niederländer selbst sehen der Re- form mit gemischten Gefühlen entge- gen. Auch Juristen und Gesundheits- ökonomen haben Bedenken. Problema- tisch sind aus Sicht von Dr. rer. pol. Ste- fan Greß, wissenschaftlichem Assistenten am Lehrstuhl für Medizin-Management der Universität Duisburg-Essen, unter anderem die steuerfinanzierten Aus- gleichszahlungen. „Je größer der Kreis der Anspruchsberechtigten – beispiels- weise aufgrund einer konjunkturell schwachen Lage –, desto schwieriger wird es für die Regierung, die Stetigkeit der Transferzahlungen zu garantieren.

Sie hat dann nur die Möglichkeit, die Steuern zu erhöhen oder Leistungen zu kürzen.“

Als Fallstrick könnte sich auch das Europarecht entpuppen. Noch ist un- klar, ob die Spielregeln der Kranken- versicherung auch für private Unter- nehmen gelten dürfen, ohne dabei ge- gen EU-Recht beziehungsweise die eu- ropäischen Grundfreiheiten zu ver- stoßen. „Was ist, wenn zum Beispiel ei- ne ausländische Krankenversicherung die niederländische Regierung vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt, weil er die gesetzlichen Vorgaben für die medizinische Grundversicherung nicht erfüllen kann und ihm somit der Marktzugang erschwert oder gar un-

möglich gemacht wird?“ fragt Greß.

Bislang erlaubt die europäische Rechtsprechung keinen konkreten Aufschluss darüber, wie die Luxembur- ger Richter in einem solchen Fall ent- scheiden würden. Für den Erfolg der

Reform sei allerdings nicht die Rechts- form der Krankenversicherung ent- scheidend, so Greß. Wichtig sei viel- mehr, dass für alle Krankenversiche- rungen die gleichen Spielregeln im Wettbewerb gelten. Petra Spielberg T H E M E N D E R Z E I T

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A2544 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 38⏐⏐23. September 2005

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n Zeiten knapper Mittel und bösartig wuchernden Ausgaben im Gesund- heitswesen wird alles im Namen der Kosten-Nutzen-Relation auf den Prüfstand gestellt. Denn nicht alles, was Heilung verspricht, wirkt wirklich, sondern tut nur so. Sagt die Wissenschaft und nennt es Placebo. Nachdem ebendieser Effekt unsere weißen Kittel und viele Medikamente entzaubert hat, setzt man sogar tiefe Schnitte in das Vertrauen, das der Chirurgie entge- gengebracht wird. Ein amerikanischer Orthopäde hat nun nachgewiesen, dass seine arthroskopischen Operationen bei maladen Kniegelenken ge- nauso wirksam sind wie ein simulierter Eingriff. Da diese Ergebnisse in ei- nem rotgeränderten Wochenmagazin als sinnlose Therapie kundgetan wur- den, ist auch die Laienwelt aufgerüttelt.

„Kann ich denn überhaupt noch sicher sein, dass mein Blinddarm entfernt wird, wenn ich mich hierfür in ein Krankenhaus begebe?“ fragt mich eine be- sorgte Patientin. Ich versuche zu erläutern, dass nur der Doppelblindversuch höchste Weihen der Evidenz genießt,und auch althergebrachte Methoden sind diesem hochkarätigen Nachweis durch statistische . . . „Und wenn zwei Wo-

chen später mein nicht entfernter Blinddarm zur Bauchfellvereiterung führt, was dann?“ Ich winde mich wie eine Verhütungsspirale und versuche sie damit zu trösten, dass ein solches Ereignis bei den Qualitätsinstituten sicher mit be- sonders hoher statistischer Power gewürdigt werden würde . . . „Wenn wir demnächst die Medikamente von den Krankenkassen bekommen, müssen wir damit rechnen, dass wir Scheinmedikamente bekommen? Um herauszufin- den, ob Bluthochdruck und Zucker einen tatsächlich früher sterben lässt?“

Verzweifelt wie ein Asthmatiker nach Luft ringend, lege ich ihr dar, dass infol- ge der Gutgläubigkeit von Arzt und Patient sich zu viele sinnlose und überteu- erte Therapien in die Medizin eingeschlichen haben, man denke nur an die Frischzellen oder den Verzehr von Zwergseidenhühnern zwecks Steigerung der Potenz. Meine Patientin guckt mich böse an. „Damit habe ich nichts am Hut.Aber wäre es denkbar, dass demnächst auch eine Wiederbelebung als Pla- cebo durchgeführt wird? Ich meine, damit man weiß, ob sich das volkswirt- schaftlich wirklich rechnet?“ Mein Ringen nach wissenschaftlich evidenten Er- klärungen stoppt abrupt wie eine terminierte Kammertachykardie. Mit fester Stimme und voller Überzeugung erkläre ich ihr, dass sie es in einem solchen Fall mit einem verantwortungsbewussten Arzt zu tun habe,dessen Streben allein auf das Wohl seines Patienten gerichtet sei . . . „Das wollte ich hören, Herr Doktor, dann bin ich wieder etwas beruhigt.“

Puh! Wissenschaftliche Untersuchungen können ganz schön teuer sein. Insbesondere wenn es um das Vertrauen unserer Patienten geht. Das ist nämlich unbe-

zahlbar. Dr. med. Thomas Böhmeke

Test

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