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Archiv "Beschleunigte Frührehabilitation in der operativen Medizin – “Fast-track“-Rehabilitation: Schneller ist nicht immer besser" (26.12.2005)

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Schneller ist nicht immer besser

Die zunehmende Propagierung des Fast- track-Prinzips in der Abdominalchirur- gie unterstellt, dass die bisher gültigen Standards eher den Stellenwert rituel- ler Handlungen haben, deren Sinn nicht mehr hinterfragt wird.

Magensonden, intraabdominale Drai- nagen und Nahrungskarenz sind also nach Eingriffen am Intestinum, nach Ansicht der Autoren, im Normalfall entbehrlich. Besser gesagt, solche Maß- nahmen verhindern nicht die potenziel- len Komplikationen zu deren Vermei- dung sie bislang angewandt wurden.

Dennoch fragt man, wie sich solche Vorgehensweisen als Standard, zum Beispiel in der Kolonchirurgie, etablie- ren konnten. Selbstverständlich auf Empfehlung namhafter Vertreter des chirurgischen Faches; und was die Darmvorbereitung vor Kolonresektio- nen betrifft, auch durch entsprechende Studien, die offensichtlich so bewei- send waren, dass sich das Verfahren allgemein durchgesetzt hat. Eine sol- che Rückbesinnung erscheint ratsam, um die Ausführungen der Autoren mit dem gebotenen kritischen Abstand zu betrachten.

Mit Verwunderung nimmt man die Aussage zur Kenntnis, jeder Patient, der sich einer Elektivoperation unter- zieht, sei unabhängig von seinem Alter

und seiner physischen Kondition ein Kandidat für die beschleunigte Frühre- habilitation. In der Tat ist allein das Al- ter nicht ausschlaggebend, was die physische Kondition angeht, scheint aber doch ein großes Fragezeichen an- gebracht, ob diese im weiteren Verlauf keine Rolle spielt.

Die Ausführungen über den posto- perativen Kostaufbau hören sich für Arzt und Patient erfreulich an. Den- noch ist es, überspitzt formuliert, kein Beweis für brillante Operationskünste, wenn der Patient einen Tag nach Ko- lonresektion ein Schnitzel vertilgt. Es macht keinen Sinn, einem Patienten, dem es übel ist, Getränke und Speisen aufzunötigen; genauso falsch ist es, ei- nen Operierten, der gesunden Appetit äußert, hungern zu lassen. Der Patient selbst sagt es seinem Arzt, wenn er be- reit ist, Nahrung zu sich zu nehmen, ei- ne schematische Vorgabe ist dabei we- nig hilfreich.

Aufschlussreich wäre es gewesen, wenn die Autoren zwischen lapara- skopisch und konventionell operierten Patienten getrennt hätten. Denn es ist nahe liegend, dass sich „fast track“

bei laparaskopisch Operierten leichter durchführen lässt, da durch Reduktion des Operationstraumas ohnedies eine Verkürzung der Hospitalisationsdauer eintritt, wie es auch bei anderen lapa- raskopischen Operationsverfahren in der Vergangenheit deutlich wurde.

Die Autoren geben detaillierte An- weisungen, wie sich das neue Prinzip in der Praxis umsetzen lässt. Es entsteht dabei der Eindruck, man habe ein Re- gelwerk zur Hand, welches bei genauer Anwendung garantiert, jeden Patien- ten spätestens nach einer Woche kom- plikationslosen Verlaufs bei subjekti- vem Wohlbefinden nach Hause entlas- sen zu können. Dass dem leider nicht so ist, insbesondere bei konventionell operierten, alten Menschen in schlech- tem physischen Zustand, davon kann man sich leider allzu oft überzeugen und muss erkennen, dass auch „fast track“ teilweise ein chirurgisches Ri- tual ist, das eine individuelle Betrach- tungsweise des Patienten und seiner Krankheit nicht ersetzt.

Die Erkenntnis, dass unter Berück- sichtigung der Besonderheiten im Ein- zelfall, vieles anders, schneller und ein-

facher geht, als sich frühere Chirurgen- generationen haben träumen lassen, wird sich aber im chirurgischen Alltag dauerhaft durchsetzen, wenn entspre- chend selektierte Patientengruppen davon profitieren.

Dr. med. Ulrich Rumschik Haldenstraße 96

75417 Mühlacker

Schlusswort

Für den Diskussionsbeitrag von Herrn Dr. med. Rumschik bedanken wir uns, da er einige Bedenken der Befürwor- ter „traditioneller“ perioperativer Be- handlungskonzepte gegen die periope- rative multimodale Frührehabilitation („Fast-track“-Rehabilitation) artiku- liert.

Wie bei jeder ärztlichen Maßnahme müssen auch die Behandlungsziele bei der „Fast-track“-Rehabilitation den individuellen Gegebenheiten der Pati- enten angepasst werden. Alte und mehrfach vorerkrankte Patienten dür- fen durch unflexibles Beharren auf Mobilisationsziele (zum Beispiel am Operationstag zwei Stunden im Stuhl sitzen) nicht überfordert werden. Al- lerdings sind gerade die multimorbi- den, alten und schwachen Patienten für postoperative allgemeine Kompli- kationen anfällig. Daher bedürfen die- se Risikopatienten einer besonders in- tensiven perioperativen Frührehabili- tation.

Unsere eigenen Erfahrungen mit Risikopatienten (American Associati- on of Anesthesiologist – Klassifikation III und IV, 97 von 224 Patienten) sind bislang sehr positiv. Nur 18 ASA-III/IV- Patienten erlitten allgemeine Kompli- kationen. Die weiteren Parameter der postoperativen Rekonvaleszenz dieser Hochrisikogruppe (Lungenfunktion 1.

postoperativen Tag 72 Prozent des präoperativen Ausgangswertes, Ato- niedauer zwei Tage, feste Kost am er- sten Tag, Entlassung am sechsten Tag) war nur geringfügig schlechter, als die der ASA-I/II-Patienten (Lungenfunk- tion 78 Prozent, Atoniedauer einen Tag, feste Kost am ersten Tag, Entlas- sung am vierten Tag).

Auf den Vergleich laparoskopisch und konventionell operierter Patien- M E D I Z I N

A

A3594 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 51–52⏐⏐26. Dezember 2005

zu dem Beitrag

Beschleunigte

Frührehabilitation in der operativen Medizin

“Fast-track“-Rehabilitation von

Prof. Dr. med. Wolfgang Schwenk

Prof. Dr. med. Claudia Spies Prof. Dr. med. Joachim M.

Müller

in Heft 21/2005

DISKUSSION

(2)

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 51–52⏐⏐26. Dezember 2005 AA3595

ten hatten wir in unserem Beitrag ver- zichtet, da bei uns laparoskopische Eingriffe immer noch auf spezielle In- dikationen beschränkt werden. Von derzeit 224 Patienten wurden daher 136 konventionell und nur 88 laparo- skopisch operiert. Die laparoskopi- schen Patienten waren jünger, hatten häufiger benigne Erkrankungen und wurden häufiger sigmareseziert als konventionelle Patienten. Die Quote allgemeiner Komplikationen betrug bei laparoskopischer Resektion 5 Pro- zent und bei konventioneller Operati- on 12 Prozent. Die postoperative Ver- weildauer war mit vier Tagen nach la- paroskopischen Resektionen allerdings etwas kürzer (konventionell fünf Ta- ge). Die bislang einzige randomisierte- kontrollierte, geblindete Studie zum Vergleich von 30 laparoskopischen und 30 konventionellen „Fast-track“- Kolonresektionen hatte im Gegensatz zu unseren Ergebnissen keine Unter- schiede in der funktionellen Erholung zwischen beiden Gruppen nachgewie- sen (1).

Die überspitzt formulierten Bei- spiele des Kollegen Rumschik demon- strieren die verständliche emotionale Verbundenheit mit vertrauten Thera- pieformen und die Zurückhaltung bei der Einführung neuer Behandlungs- konzepte, auch wenn sie durch metho- dologisch hochwertige Studien belegt wurden. Die Tatsache, „dass sich ein Verfahren allgemein durchgesetzt hat“ kann aber heute als alleinige Be- gründung für seine Durchführung nicht mehr ausreichend sein. Ziele der

„Fast-track“-Rehabilitation sind we- der der Beweis brillianter Operations- künste, noch dass ein Patient einen Tag nach der Kolonresektion ein Schnitzel vertilgt oder dem Patienten Getränke und Speisen aufgenötigt werden.

Selbstverständlich haben wir auch nie- mals behauptet, jeden Patienten nach einer Woche komplikationslosen Ver- laufs bei subjektivem Wohlbefinden entlassen zu können. Bei emotions- freier, rationaler Betrachtung stellt die

„Fast-track“-Rehabilitation eine logi- sche Fortsetzung der Bemühungen vorhergehender Chirurgengeneratio- nen dar.

Erst die heute erreichte geringe lo- kale Komplikationsrate mittlerer und

großer Eingriffe erlaubt die konse- quente Anpassung vielfach noch tradi- tions- und nicht evidenzbasierter pe- rioperativer Behandlungskonzepte an die Möglichkeiten der modernen ope- rativen Medizin.

Nur die Kombination einer mög- lichst atraumatischen Operationstech- nik mit einer optimalen (das heißt auf der besten verfügbaren Evidenz be- ruhenden) perioperativen Therapie kann die Resultate in der operativen Medizin weiter verbessern. Die Reak- tion des Lesers demonstriert erneut die bekannten Schwierigkeiten wider, Evidenz und klinische Guidelines in die tägliche Routine einzuführen. Er- gebnisse aus den USA und den Nie- derlanden zeigen, dass 30 bis 40 Pro- zent der Patienten nicht die Behand- lung erhalten, die der wissenschaftli- chen Evidenz entspricht, und 20 bis 25 Prozent der Patienten eine Behand- lung, die nicht erforderlich oder po- tenziell schädlich ist (3). Die Imple- mentierung der „Fast-track“-Rehabi- litation bedeutet die Bereitschaft, sich dieser Herausforderung zu stellen.

Die von uns dargestellten Konzepte zur Fast-track“-Rehabilitation werden ständig modifiziert und auf ihre Gül- tigkeit überprüft. Daher können und sollen sie als klinischer Behandlungs- pfad kein fixiertes Regelwerk sein, sondern müssen immer wieder den neusten Erkenntnissen aus wissen- schaftlichen Studien und den Gege- benheiten jedes einzelnen Patienten angepasst werden (2).

Literatur

1. Basse L, Jakobsen D, Bardram L, Billesbolle P et al.:

Functional recovery after open versus laparoscopic co- lonic resection. A randomized, blinded study. Ann Surg 2005; 241: 416–23.

2. Carli F, Kehlet H: Continuous epidural analgesia for co- lonic surgery-but what about the future? Regional Anesthesia and Pain Medicine 2005; 30: 140–2.

3. Grol R, Grimshaw J: From best evidence to best prac- tice: effective implementation of change in patients´

care. Lancet 2003; 362: 1225–30.

Prof. Dr. med. Wolfgang Schwenk Prof. Dr. med. Claudia Spies Prof. Dr. med. Joachim M. Müller

Universitätsmedizin Berlin – Charité Campus Mitte 10098 Berlin

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Internatio- nal Committee of Medical Journal Editors besteht.

Interdisziplinärer Ansatz oberste Priorität

Der Empfehlung interdisziplinärer Behandlungskonzepte kann ich aus Sicht des psychotherapeutischen Fach- gebietes nur zustimmen. Das Prob- lem besteht jedoch nicht mehr darin, psychosoziale Aspekte zu beachten und als krankheitsaufrechterhalten- des, oft auch mitauslösendes Agens anzuerkennen, sondern das Problem ist der Zeitpunkt der Überweisung zum „Psycho“-Arzt beziehungsweise Therapeuten.

Es ist leider immer noch die Aus- nahme, dass Patienten frühzeitig zu einer differenziellen Diagnostik (und, was vor allem aufgrund motivatio- naler Aspekte schwieriger ist, The- rapie) überwiesen werden. Die schon in der Weizsäckerschen Tradition geforderte „Simultandiagnostik“ ist zwar ein beliebtes Schlagwort bei entsprechenden Weiterbildungen, die Realität sieht anders aus: Der typische Schmerzpatient, der meine Praxis zum ersten Mal betritt, hat entweder be- reits „seine Morphinpumpe“ und löste zu diesem Zeitpunkt beim Schmerz- spezialisten wahrscheinlich all die Ge- fühle aus, die im Vorfeld durch soma- tisch orientierten Aktionismus abge- federt oder vertagt werden konnten, oder er gerät während schwebender Gerichts- oder Rentenverfahren im Rahmen von Empfehlungen seines Be- raters (eine Psychotherapie, die nicht genutzt hat, bringt Vorteile), bestenfalls durch Ultima-Ratio-Empfehlungen des Medizinischen Dienstes der Kran-

zu dem Beitrag

Prophylaxe chronischer Schmerzen

von

Dr. med. Wolfgang Niesert Prof. Dr. med. Michael Zenz in Heft 22/2005

DISKUSSION

Referenzen

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