• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "„Geliebtes Leben“: Die Angst und der Tod" (27.05.2011)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "„Geliebtes Leben“: Die Angst und der Tod" (27.05.2011)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 108

|

Heft 21

|

27. Mai 2011 A 1185

C

handas Mutter geht es nicht gut. Die Kopfschmerzen las- sen nicht mehr nach, zum Gehen braucht sie einen Stock. Die Kraft, sich um ihre Kinder Iris, Jonah und die neugeborene Sarah zu küm- mern, hat sie nicht mehr, Chanda muss einspringen. Für die Schule bleibt dem zwölfjährigen Mädchen keine Zeit mehr.

In die Schule geht auch ihre bes- te Freundin Esther nicht mehr. Seit ihre Eltern gestorben sind, ver- bringt sie ihre Tage auf einem stau- bigen Rastplatz, bietet für ein we- nig Geld Fernfahrern ihren Körper an und wird dafür von den Men- schen des Dorfs geächtet.

Eines Morgens wacht die kleine Sarah nicht mehr auf. Ihr Vater gibt Chandas Mutter die Schuld, schreit, vom Alkohol enthemmt, durch das Dorf: „Du Hexe, du hast sie mit deiner Milch vergiftet.“ Eine Hei - lerin untersucht sie, diagnostiziert den Teufel in ihrem Leib und schickt die kranke Frau in das Dorf ihrer Geburt, weil nur dort ihre See- le gerettet werden könne. Chanda glaubt nicht an Hexen und den Teu- fel, sie glaubt an die Bedrohung

durch einen Virus, von dem sie in der Schule gehört und der ihre Freundin Esther zur Waise gemacht hat. Doch wenn sie sich bei der bes- ten Freundin ihrer Mutter erkun- digt, bekommt sie nur zu hören:

„Wenn du gefragt wirst, sagst du, dass alles in Ordnung ist. Du willst doch nicht, dass sich die Nachbarn das Maul zerreißen.“

Halbwissen und Furcht

Im südlichen Afrika leiden und ster- ben mehr Menschen an den Folgen der Immunschwächekrankheit Aids als irgendwo sonst auf der Welt.

Besonders schlimm ist es in Süd- afrika: Der Weltgesundheitsorgani- sation (WHO) zufolge sind 5,7 Mil- lionen der 48,6 Millionen Einwoh- ner mit dem Immunschwächevirus (HIV) infiziert (Stand 2007); 18,1 Prozent der 15- bis 49-jährigen Südafrikaner tragen das Virus in sich.

350 000 Menschen sterben pro Jahr an den Folgen der Krankheit. Die WHO schätzt, dass 1,4 Millionen Waisen in dem Land leben, die ihre Eltern durch Aids verloren haben.

In Deutschland ist es gelungen, durch kontinuierliche Aufklärung

der Öffentlichkeit die Zahl der HIV- Neuerkrankungen über die Jahre zu senken. Eine solche Aufklärung gibt es im südlichen Teil Afrikas nicht. Nach wie vor ranken sich zahllose Mythen um die Krankheit, und Halbwissen verbindet sich mit Furcht. Noch im Jahr 2005 hat die damalige Gesundheitsministe- rin Südafrikas, Manto Tshabalala- Msimang, der Bevölkerung erklärt, antiretrovirale Medikamente wür- den der Gesundheit schaden. Viel besser helfe Olivenöl.

Plädoyer für Zivilcourage

Der deutsche Regisseur Oliver Schmitz zeigt in seinem Film „Ge- liebtes Leben“ den Alltag in einem Township auf dem Land, in dem die Furcht vor der tödlichen Krankheit so allgegenwärtig ist wie das feh- lende Wissen über ihre Ursachen.

Damit wird jeder Kranke zur Ziel- scheibe des gesellschaftlichen Arg- wohns, und die Furcht um das eige- ne Leben bringt die Gesunden zu- sammen, um die Kranken aus der Gemeinschaft hinauszudrängen.

Der kanadische Autor Allan Strat- ton, auf dessen Buch „Worüber kei- ner spricht“ der Film basiert, stellt der kollektiven Unsicherheit die jun- ge Protagonistin Chanda gegenüber, ein gelehriges, mutiges Mädchen, das den Teufelskreis aus Unwissen- heit, Ansteckung und Ausgrenzung zu durchbrechen versucht. Oliver Schmitz machte aus Strattons Best- seller ein ruhiges, eindringliches Drama, das ohne hollywoodesque Effekte auskommt, weil es auf die Kraft seiner Geschichte vertraut. Der Film zeigt ein Südafrika jenseits der großen Slums am Rande ausufernder Städte, die in Deutschland häufig mit Townships assoziiert werden. In Chandas Dorf lebt die südafrikani- sche Mittelschicht in Einfamilien- häusern mit kleinen Gärten. Die Menschen hier sind gut gekleidet, haben eine Arbeit. Doch auch hier ist das Wissen um Aids nahezu nicht vorhanden. „Geliebtes Leben“ ist ein Plädoyer für die Nächstenliebe, für Zivilcourage und ein universeller Appell, miteinander zu reden und die Furcht nicht zum Antrieb des ei- genen Handelns werden zu lassen. ■ Falk Osterloh Ausgezeichneter

Film: „Geliebtes Leben“ erhielt 2010 den „Prix François Chalais“ in Cannes und den Preis als

„Bester südafrikani- scher Film“ beim International Film Festival in Durban.

„GELIEBTES LEBEN“

Die Angst und der Tod

Nirgendwo auf der Welt ist das Wissen um Aids so gering wie im südlichen Afrika . Ein deutscher Kinofilm zeigt den Kampf eines Mädchens für seine erkrankte Mutter – und für die Wahrheit.

Fotos: Centralfilm

K U L T U R

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Ich hatte nur diese eine Sprache, die ungarische, und es war mir klar, dass ich keine neue Sprache finden werde, in der ich mich ausdrücken kann.. Standard: Sie haben ein freies

Patienten können allerdings von einem Koma-Zustand in einen an- deren hinüberwechseln, so, dass die Hirnscans nicht immer aussagekräf- tig sind.. Was und wie viel der Be-

Auf der anderen Seite geht es in unserer Gesellschaft nicht um Krankheit oder Behinderung und gar Sterben, sondern es wird nicht zuletzt durch die Hochleistungsmedi- zin

te Koob: Über Leben und Tod nachdenken hrerfachverlage GmbH, Donauwörth.. ■

ert Berens/Marguerite Koob: Über Leben und Tod nachdenken uer Verlag – AAP Lehrerfachverlage GmbH, Donauwörth?. Unterrichtseinheit 3: Gedanken über

ab, die Note ist ihm egal, er macht erstmal Zivildienst, aus- gerechnet in einem Kloster, wo die Mönche nicht viel mit ihm anzufangen wissen: Meist steht er im Keller und druckt

Auch wenn Jugend- liche zu Beginn des 21. Jahrhunderts das Sterben eines Menschen in der eigenen Familie nur noch selten erleben, bringen sie vielfältige, durchaus am-

am nächsten Vormittag sollten sie kommen, denn Frau neffe wollte nur noch diese eine nacht mit ihrem verstorbenen mann verbringen.. ich versprach ihr, vor dem Fuhrunternehmen um