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Archiv "Kardiovaskuläre Prävention: Ist HDL-Cholesterin überhaupt protektiv wirksam?" (15.06.2012)

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A 1234 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 24

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15. Juni 2012

KARDIOVASKULÄRE PRÄVENTION

Ist HDL-Cholesterin überhaupt protektiv wirksam?

Einige genetische Mechanismen, die HDL-Cholesterin im Plasma erhöhen, scheinen das Risiko für einen Herzinfarkt nicht zu senken. Damit steht das Konzept der medikamentösen Anhebung dieses Parameters infrage.

D

er Ruf des „guten“ High- density-Lipoproteins (HDL), das Cholesterin zur Leber zuführt, hat in den letzten Jahren Schaden genommen. Zuerst ist es nicht ge- lungen, mit Medikamenten, die das HDL-Cholesterin deutlich stei- gern, Herzinfarkte zu verhindern.

Jetzt stellte eine sogenannte Men- del-Randomisierung-Studie (Lancet 2012; doi:10.1016/S0140–6736[12]

60312–2) auch die Rationale der Therapie infrage.

Der Dualismus von „schlechtem“

Low-density-Lipoprotein (LDL) und „gutem“ High-density-Lipo- protein basiert auf den Aufgaben der beiden Transportvehikel im Cholesterintransport im Blut. LDL schafft das Cholesterin zum Gewe- be. Es wird dort als Baustein von Membranen benötigt, es kann sich aber auch in den Gefäßwänden ab- lagern und die Bildung athero - sklerotischer Plaques fördern. Ein hoher LDL-Cholesterinwert gilt deshalb als kardiovaskulärer Risi- kofaktor. Epidemiologische Studien erbrachten hierfür zahlreiche Hin- weise. Den Beweis für diese Hypo- these lieferten die Statine, die mit der Senkung des LDL-Cholesterins auch die Herzinfarktrate signifikant reduzierten.

CEPT-Inhibitoren sollten endgültigen Beweis liefern

Das HDL ist für den Rücktransport von Cholesterin an die Leber zustän- dig. Dort wird es metabolisiert und als Gallensäure ausgeschieden. Ein hoher HDL-Cholesterinwert gilt des- halb als kardioprotektiv. Epi demio - logische Studien erbrachten hierfür zahlreiche Hinweise. Den endgülti- gen Beweis sollten die Choleste -

rinester-Transferprotein(CETP)-In- hibitoren liefern. Diese Wirkstoffe können den HDL-Wert deutlich stei- gern.

Doch der erste CETP-Inhibitor Torcetrapib (von Pfizer) scheiterte vor fünf Jahren in einer großen ran- domisierten Studie. Statt die Pa - tienten vor Herzinfarkten zu schüt- zen, kam es zu einem Anstieg der kardiovaskulären Ereignisse und der Todesfälle (NEJM 2007; 357:

2109–22). Der Hersteller gab dar- aufhin die Entwicklung auf. Vor wenigen Tagen ereilte einen wei - teren CETP-Inhibitor das gleiche Schicksal. Nach einem enttäuschen- den Zwischenergebnis einer Phase- III-Studie beendete der Hersteller Roche die klinische Entwicklung von Dalcetrapib.

Jetzt stellt eine Mendel-Rando- misierung-Studie die Grundlage für die protektive Wirkung von HDL infrage – nämlich die Annahme, dass hohe HDL-Werte vor Herz- Kreislauf-Erkrankungen schützen.

Die Mendel-Randomisierung-Stu- die ist ein Äquivalent zu einer ran- domisierten klinischen Studie.

Bei der randomisierten klini- schen Studie wird untersucht, ob die Änderung eines Parameters (Steige- rung des HDL-Wertes durch einen CETP-Inhibitor) ein gewünschtes Ereignis (weniger Herzinfarkte) er- zielt. Dabei werden die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip auf die beiden Therapiearme randomisiert.

Dies soll verhindern, dass die The- rapie (mit einem CETP-Inhibitor) nur deshalb ein günstiges Ergebnis erzielt, weil in der Gruppe Nicht- raucher und andere Personen mit geringem kardialem Risiko über - repräsentiert sind.

In der Mendel-Randomisierung wird untersucht, ob bestimmte Ge- ne, die den Parameter (HDL) stei- gern, mit einer geringeren Rate von klinischen Ereignissen (Herzinfark- te) einhergehen. Die Randomisie- rung übernimmt dabei die Natur.

Bei der Meiose werden die Gene nach dem Zufallsprinzip verteilt. Es ist unwahrscheinlich, dass Patien- ten mit dem Parameter aus anderen Gründen ein geringeres oder höhe- res Ereignisrisiko haben. Die Me- thode wurde bereits erfolgreich ein- gesetzt. Vor zwei Jahren bestätigten britische Forscher die Hypothese, dass hohe Triglyzeridwerte ein kar- dialer Risikofaktor sind (Lancet 2010; 375: 1634–9).

Daten aus 20 Studien: Kein Hinweis auf Risikominderung

Jetzt prüfte die Gruppe um Se- kar Kathiresan vom Massachusetts General Hospital in Boston/USA, ob eine Genvariante, die den HDL- Wert ansteigen lässt, mit einem niedrigen Herzinfarktrisiko einher- geht. Bei der Genvariante (SNP, für single nucleotide polymor- phism) handelte es sich um LIPG Asn396Ser. Diese „loss-of-func - tion“ schaltet die endotheliale Li- pase aus. Die Folge ist ein Anstieg der HDL-Werte.

Etwa 2,6 Prozent der Bevölke- rung sind Träger des SNPs LIPG Asn396Ser. Ihr HDL-Cholesterin steigt dadurch um 0,14 mmol/l an, während andere Lipide (die eben- falls das Herzinfarktrisiko beein- flussen könnten) gleich bleiben.

Nach den Berechnungen von Kathi- resan müssten die höheren HDL- Werte das Herzinfarktrisiko um 13 Prozent vermindern. Dafür lie-

M E D I Z I N R E P O R T

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Epidemiologische Studien haben wesentlich zu unserem pathophysiologischen Verständnis der koronaren Herzkrankheit beigetragen. Ri- sikofaktoren wurden identifiziert und deren Behandlung steht – im Fall der Hypertonie und Hypercholesterinämie – heutzutage im Zentrum der kardiovaskulären Prävention.

Diese wissenschaftlichen Erfolge lassen ver- gessen, dass epidemiologische Studien bei

signifikanter Beziehung zwischen Risikomar- ker und Erkrankung die Frage nach Henne und Ei offenlassen (1). So setzt jedwede the- rapeutische Intervention eine klare Direktio- nalität in der Beziehung voraus: Der Risiko- faktor muss aktiv die Manifestation der Er- krankung begünstigen.

Es kann aber auch umgekehrt sein. So ist vorstellbar, dass eine inflammatorische Er- krankung wie die Arteriosklerose das C-reak- tive Protein (CRP) erhöht – die Kausalkette also in entgegengesetzter Richtung verläuft (1). Schließlich können Erkrankung und Risikomarker unabhängig von dritter Seite beeinflusst werden. Auch in diesem Fall macht die „Behandlung“ des Risikomarkers keinen Sinn.

Genetische Studien können die Richtung der Kausalkette aufklären. Dem liegt folgen-

der Gedanke zugrunde: Wenn eine genetisch getriggerte Erhöhung eines Risikomarkers (gemessen durch ein Allel, welches den Risi- komarker erhöht) auch das Erkrankungsrisiko erhöht, so verläuft die Kette von der Genvari- ante über den Risikomarker zum Erkran- kungsrisiko. Dies ist in der Regel unabhängig von exogenen Faktoren. Kathiresan et al., wie andere zuvor, konnten in diesem Sinne de-

monstrieren, dass praktisch jede Genvariante, die LDL erhöht, auch das Herzinfarktrisiko steigen lässt (2, 3). Umgekehrt ging für HDL in der aktuellen Studie diese Rechnung aber nicht auf (2).

Bei HDL kommt die Besonderheit hinzu, dass von diesem Partikel protektive Eigen- schaften erwartet werden. Hier ist der Beweis der Kausalität noch schwerer zu führen. So ist noch unklar, welcher HDL-Bestandteil (sofern es einen solchen gibt) die Protektion vermittelt.

Jetzt steht für HDL, welches durch eine geneti- sche Variante im LIPG Gen (Asn396Ser) erhöht wird, fest, dass es keinen Effekt auf das Herz- infarktrisiko hat (2). Auch die bislang durchge- führten Versuche, eine HDL-Erhöhung durch CETP-Inhibition therapeutisch nutzbar zu ma- chen, sind überwiegend frustran verlaufen.

Dies schließt nicht aus, dass es HDL-Bestand-

teile gibt, die protektiv wirken können. Aber wenn es brennt, reicht der Feuerwehrwagen (HDL) allein nicht aus, er muss auch mit Was- ser und Schläuchen bestückt sein.

Welche Implikationen haben die Ergebnis- se der Mendelschen Randomisierung zum HDL (2)? Zunächst ist infrage gestellt, ob ein hohes HDL die LDL-vermittelten Risiken neu- tralisieren kann. Damit ist auch die Bestim- mung des LDL/HDL-Quotienten von sehr frag- lichem Nutzen. Die therapeutische Absenkung von LDL sollte also im Kontext des kardiovas- kulären Gesamtrisikos gesehen werden – und weniger in Relation zum HDL. Weiterhin sollte die wissenschaftliche Aufmerksamkeit vom Surrogatparameter HDL auf den Kern des Problems gelenkt werden: den reversen Chol- esterintransport (4).

Sollten die augenblicklich an vielen Tau- send Patienten laufenden Studien mit Anace- trapib und Evacetrapib – also Medikamenten, die HDL erhöhen – aufgrund der neuen Daten gestoppt werden? Außer den enormen Kosten und Mühen gibt es hierfür kein hartes Argu- ment, aber die Erwartungshaltung bezüglich des Nutzens dieser Substanzen ist nachhaltig gedämpft worden.

Prof. Dr. med. Heribert Schunkert ist Koautor der Studie:

„Plasma HDL cholesterol and risk of myocardial infarction:

a mendelian randomisation study“, Lancet 2012, doi:10.1016/S0140–6736(12)60312–2

@

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit2412

KOMMENTAR

Prof. Dr. med. Heribert Schunkert, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck

THERAPIE EINES RISIKOMARKERS

Erwartungen gedämpft

ferten aber die Daten aus 20 Studi- en mit mehr als 100 000 Teilneh- mern keine Hinweise. Die Träger des Asn396Ser-Allels erlitten nicht häufiger und nicht seltener als an- dere Personen einen Herzinfarkt (Odds Ratio 0,99; 0,88–1,11).

Eine zweite Analyse bestätigte die Ergebnisse: Ein genetischer Ri- sikoscore aus 14 SNP, die mit ei- nem erhöhten HDL-Cholesterin- wert assoziiert sind, hatte keinen Einfluss auf das Herzinfarktrisiko.

Für Kathiresan steht deshalb fest, dass der Anstieg des HDL-Chol - esterins allein keine kardioprotekti- ve Wirkung verspricht.

Dieser Ansicht ist auch Steve Humphries vom University College London, der im Editorial auf zwei weitere Mendel-Randomisierung- Studien hinweist, die ebenfalls die Annahme vom „guten“ HDL- Cholesterin nicht stützen konnten.

Die aktuelle Studie dürfte vor al- lem bei den Herstellern Merck (MSD) und Eli-Lilly aufmerksame Leser finden. Merck führt gerade eine Studie mit 30 000 Patienten zu dem CETP-Inhibitor Anacetra- pib durch, der in früheren Studien den HDL-Wert kräftig ansteigen ließ. Ob dies aber auch zur einer niedrigeren Rate von Herzinfarkten

führt, wird spätestens 2017 nach Abschluss der Studie feststehen.

Eli-Lilly plant derzeit eine kli - nische Phase-III-Studie zu Evace- trapib, das ebenfalls den HDL- Wert steigert. Gegenstand der Stu- die soll sein, ob das Mittel die Rate von Herzinfarkten senkt. Dies wä- re wie bei Anacetrapib Vorausset- zung für eine Zulassung als Me -

dikament.

Rüdiger Meyer

Die Studie wurde finanziert von den US National Institutes of Health, dem Wellcome Trust, der Europäischen Union, der British Heart Foundation und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung.

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