Zur Fbrtbilchne Aktuelle Medizin
KONGRESS-NACHRICHTEN
Suchtkranke:
Hohe Suizidhäufigkeit
Die Zahl der Suizide der Sucht- kranken liegt außerordentlich hoch (B. Schmidtobreick, Deut- scher Caritasverband, Freiburg):
Knapp 26 Prozent aller Mono- und 62 Prozent aller Mehrfachab- hängigen hatten einen oder meh- rere Suizidversuche gemacht.
Bei 83 Prozent dieser Gruppe wa- ren es ein oder zwei Suizidversu- che, bei 17 Prozent drei und mehr (maximal zwölf). Die Hauptursa- che bei den Frauen: Verzweif- lung, Angst, Einsamkeit (37,7 Prozent) und Partnerschaftskon- flikte (28,6 Prozent); bei den Männern die Suchtabhängigkei- ten selbst (26,1 Prozent) sowie Partnerschaftsprobleme (eben- falls 26,1 Prozent) und Verzweif- lung, Angst, Einsamkeit (21,7 Prozent). Auffallend häufig waren auch in den Familien der Kranken Sucht und Suizid(versuche) nachzuweisen. Deshalb bei der Therapie solche Konstellationen beachten und den Appellcharak- ter des Suizidversuches nicht überhören.
(3. Wissenschaftliches Symposium der Deutschen Hauptstelle gegen Suchtgefah- ren, Mai 1978, Tutzing)
Nitroglyzerin bei Postinfarkt- Herzinsuffizienz
Nitroglyzerin, sublingual verab- reicht, ist bei kardiogenem Lungenödem heute das Mittel der Wahl (Privatdozent Dr. W. D.
Bussmann, Abteilung Kardiolo- gie im Zentrum für innere Medi- zin der Universität Frankfurt). Die Medikation bewirkt eine Art „in- neren Aderlaß", dessen Effekt durchaus mit dem eines „äuße- ren Aderlasses" verglichen wer- den kann. Reihenfolge der Maß- nahmen in Praxis und Klinik:
Herzbett-Lagerung, Sauerstoff per Nasensonde, Nitroglyzerin sublingual fünf- bis sechsmal alle
5 bis 10 Minuten, bei Unruhe Morphin, Furosemid 20 bis 60 mg intravenös. Digitalis gehört erst in eine spätere Therapiephase, um ein Rezidiv des Lungen- ödems zu verhindern. — Merke:
Wenn's nach einem Herzinfarkt über den Lungen beim Abhören knistert (Lungenödem), dann so- fort Nitrolingual nehmen lassen.
— Eine anhaltende Linksherzin- suffizienz bessert sich unter 'so- sorbitdinitrat-Therapie ebenfalls erheblich (Bussmann). Der Effekt geht über das nitratbedingte ve- nöse Pooling. Die Herzarbeit wird weniger beansprucht. Der Sauer- stoffbedarf nimmt bei gleichzei- tig verbesserter endokardialer Durchblutung ab.
(13. Angiologisches Symposium des Frankfurter Arbeitskreises für Angiologie und Grenzgebiete, Mai 1978, Kitzbühel)
Lymphostatische Kardiomyopathie
Die Folgen einer Lymphstauung im Herzen sind im allgemeinen wenig dramatisch (temporäre An- hebung der ST-Strecke; T-Nega- tivierung). Im Zusammenhang mit anderen kardialen Prozessen trägt die Lymphstauung zu den komplexen Folgen dieser Störun- gen bei (Professor Dr. H. Mees- sen, Pathologisches Institut der Universität Düsseldorf). — Bei der Lymphblockade sinkt das Lymphminutenvolumen prak- tisch auf Null ab. Es entsteht ein interstitielles myokardiales Ödem, eventuell mit diffusen Fa- sernekrosen (Professor Dr. M.
Földi, Salzgitter). Diese Verände- rungen haben im allgemeinen keine fatalen Folgen. Sie führen offenbar per se auch nicht zur Endomyokardfibrose. Erst Lym- phostase plus venöse Stauung halten die „Iymphpflichtige Last"
zurück mit fatalen Folgen im Tierexperiment. WP
(13. Angiologisches Symposium des Frankfurter Arbeitskreises für Angiologie und Grenzgebiete, Mai 1978, Kitzbühel)
Urethrozystographie Hilfsmittel
zur Blasenfunktions- diagnostik
Bei der Harninkontinenz der Frau liefert die Röntgenaufnahme in zwei Ebenen dem Operateur wichtige Hinweise für die Wahl der Methode zur operativen Kor- rektur. Nach Füllung der Blase mit 60 ml Conray 30 wird eine Metallkette über einen Führungs- draht in die Harnröhre einge- bracht, und sodann werden zwei Röntgenaufnahmen angefertigt.
Zunächst eine A.-p.-Aufnahme mit und ohne Pressen, zweimal belichtet, die zweite Aufnahme im seitlichen Strahlengang er- folgt im Stehen ebenfalls mit und ohne Pressen und ebenfalls mit zweimaliger Belichtung. Die Auf- nahmen gestatten eine Aussage über das Maß der Blasensen- kung, die Deszensusform und den urethrovesikalen Winkel (Dr.
H. Hildebrandt, Universitäts- frauenklinik Kiel). Die Untertei- lung des Deszensus erfolgt nach Green in drei Graden. MS
(85. Tagung der Nordwestdeutschen Ge- sellschaft für Gynäkologie, Mai 1978, Bad Pyrmont)
Neurochirurgische Schmerzbekämpfung
Patienten mit inoperablen und in- kurablen Bronchialkarzinomen leiden häufig an unstillbaren Schmerzen. Nur der Neurochir- urg kann noch helfen (Professor Dr. W. Piotrowski, Neurochirurgi- sche Klinik der Städtischen Kran- kenanstalten Mannheim). Durch eine hohe Chordotomie werden drei von vier Patienten schmerz- frei. Der Eingriff belastet nicht sehr, entlastet aber von oft uner- träglichen Schmerzen. Die letzte Lebensspanne wird für sie wieder lebenswerter. WP
(Thoraxchirurgisches Symposium, 2. Juni 1978, Heidelberg-Rohrbach)
2262 Heft 40 vom 5. Oktober 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT