A110 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 4⏐⏐23. Januar 2009
A K T U E L L
SCHWANGERSCHAFT UND GEBURT
Hohe Sterblichkeit in Entwicklungsländern
Frauen in den ärmsten Ländern der Welt haben ein dreihundert Mal höheres Risiko, an den Folgen von Schwangerschaft und Geburt zu sterben als die in Industrieländern.
In keinem Bereich der Gesundheits- versorgung sei die Kluft zwischen reichen und armen Weltregionen so groß wie bei der medizinischen Ver- sorgung von werdenden Müttern, erklärte das UN-Kinderhilfswerk UNICEF bei der Vorstellung seines Jahresberichts „Zur Situation der Kinder in der Welt 2009“.
Demnach sterben jährlich etwa 530 000 Frauen an Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt. 99 Prozent dieser Todesfäl- le entfallen laut UNICEF auf die Ent-
wicklungsländer, zwei Drittel allein auf nur zehn Länder. Am höchsten ist das Risiko für Frauen in Afrika (265 000 Todesfälle) und Südasien (187 000 Todesfälle). Vier Fünftel der Todesfälle könnten verhindert werden, wenn Schwangere Zugang zu einer medizinischen Grundver- sorgung hätten. Todesursachen sind etwa Blutungen, Infektionen und unsachgemäße Abtreibungen.
Weil es zu wenig Geburtsstatio- nen, Hebammen oder medizinisches Personal gibt, bringen UNICEF zu- folge mehr als 60 Prozent der Frau- en in Afrika und in Asien ihre Kin- der zu Hause unter oft unhygieni- schen Bedingungen zur Welt. afp
ORGANSPENDE
Pharmahersteller fördert neues Modellprojekt
Um Organspenden in Nordrhein- Westfalen effektiver realisieren zu können, hat das Universitätsklini- kum Münster (UKM) das „Modell- projekt Organspende“ initiiert. Es stellt den von der Deutschen Stif- tung Organtransplantation (DSO) beauftragten explantierenden Chir- urgen, die Organentnahmen häufig in einem für sie fremden Kranken-
haus der Region vornehmen, auf Wunsch zusätzlich Pflegekräfte zur Verfügung. Deren Einsätze werden über Fördermittel des Unterneh- mens Wyeth-Pharma finanziert, das auch Immunsuppressiva herstellt.
Das Projekt solle Kliniken bei der Organentnahme unterstützen und damit die Organspende fördern, er- läutert der Transplantationsbeauf- tragte des UKM, Prof. Dr. med.
Hartmut Schmidt. Die Zusatzpfle- gekräfte hätten weiterreichende Fä- higkeiten als die von der DSO zur Verfügung gestellten Perfusions- pflegekräfte. „Sie assistieren am OP-Tisch, stellen die Perfusionslö- sungen bereit, erledigen aber auch viel Organisatorisches rund um die Explantation“, sagte Schmidt gegen- über dem Deutschen Ärzteblatt. Aus dem Topf mit 240 000 Euro, die Wyeth auf drei Jahre verteilt zur Verfügung stellt, wird außerdem eine Organspendebeauftragte finanziert.
Schmidt habe zunächst bei den Krankenkassen und der Landesre- gierung um eine Finanzierung des Projekts gebeten – ohne Erfolg. Die DSO, Koordinierungsstelle für die postmortale Organspende, teilte mit, sie begrüße grundsätzlich jede In- itiative, die die Organspende förde- re, wäre aber gern rechtzeitig in das Vorhaben eingebunden worden. nsi
GEZIELTE STENTIMPLANTATION NACH DRUCKDRAHTMESSUNG
Unnötige Stentbehandlungen können vermie- den werden, wenn bei der Herzkatheterunter- suchung zusätzlich eine Druckdrahtmessung durchgeführt wird, um Stenosen mit gestörtem Blutfluss zu finden. Zu diesem Ergebnis gelangt die FAME*-Studie (NEJM 2009, 360: 213–24), bei der 1 005 Patienten aus 20 Kliniken in Eu- ropa und den USA untersucht und bis zu einem Jahr nach dem Eingriff beobachtet worden sind. Bei der Druckdrahtmessung wird während einer Herzkatheteruntersuchung ein sehr dün- ner und flexibler Draht ins Herzkranzgefäß ein- geführt, um die sogenannte fraktionale Fluss- reserve (FFR) zu bestimmen.
Im Rahmen der Studie behandelten die Me- diziner eine Gruppe von KHK-Patienten mit me- dikamentenbeschichteten Stents, wobei die re- levanten Engstellen per Angiografie festgestellt wurden. Die Vergleichsgruppe erhielt zusätzlich
zur Angiografie eine Druckdrahtmessung. Die KHK-Patienten dieser Gruppe wurden nur dann mit einem Stent versorgt, wenn der Blutfluss eingeschränkt war. Als primärer Endpunkt zur Beurteilung des Behandlungserfolgs wurde das Auftreten eines schwerwiegenden kardialen Er- eignisses (Tod, Herzinfarkt und erneute korona- re Eingriffe) definiert.
Stents bei nicht relevanten Stenosen sind für die Patienten ohne Vorteil
In der rein angiografisch beurteilten Gruppe wurden durchschnittlich pro Patient 2,7 Stents eingesetzt, in der FFR-Gruppe lediglich 1,9 Stents. Ein schwerwiegendes Ereignis trat in der Angiografie-Gruppe bei 18,3 Prozent der Patienten auf, in der FFR-Gruppe nur bei 13,2 Prozent (p = 0,02). Die Kosten der Behandlung waren trotz des Messdrahts in der FFR-Gruppedeutlich niedriger als in der Angiografie-Grup- pe. „Die Frage ist heutzutage nicht mehr, ob wir Engstellen mit einem Stent versorgen können, sondern ob wir die richtigen Engstellen identifi- zieren, die wirklich einen Stent benötigen“, er- klärt Prof. Dr. med. Volker Klauss (Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München) als deutscher Koautor der Studie. „Wir wissen, dass nur die Versorgung von Engstellen, die den Blutfluss beeinträchtigen, die Symptome und die Prognose der Patienten verbessert, dass aber die Stentbehandlung von nicht rele- vanten Engstellen keine Vorteile bringt. Mit der Messung der FFR, die in jedem Herzkatheter- labor einfach einsetzbar ist, können bei nicht relevanten Engstellen unnötige Stentbehand- lungen vermieden werden“. zyl
* FAME = Fractional Flow Reserve versus Angiography for Multivessel Evaluation
80 Prozent der Todesfälle wären vermeidbar, wenn Schwangere Zu- gang zu einer me- dizinischen Grund- versorgung hätten.
Foto:dpa