Spektrum der Woche Aufsätze Notizen Feuilleton
die Arbeit mit dem Besen und gab ihrem Sozialempfinden mit den Worten Ausdruck:
„Den Frauen auch noch die letzte Arbeit wegnehmen!"
Anamnesevermerk
zu einem Virusbegleitschein
„Elender Patient, der angeblich zwei Monate ohne Schuhe in Indien war."
Es war einmal ...
Es gab einmal eine Zeit, in der Ar- beitnehmer und Arbeitgeber nur Be- griffe waren und nicht Geschäftsver- teilungspläne überschneidende Ar beiten einschränkten oder verboten.
Ein Medizinalrat, verheiratet, mit Kind, verdiente damals 850 Mark.
Und das tägliche Dienstende war kein „Massenaufbruch", sondern klang mit einem Tee auf der Veranda aus.
Es war einmal ein geachteter und liebenswerter Chef, der in allen Le- benslagen das Ungewöhnliche schätzte. So war bei ihm zum Bei- spiel eine Magen-Darm-Verstim- mung eine „leichte Pankreatitis"; ei- ne Erkältung sicher „ein veritabler Virusinfekt" — ganz gleich, wen es betraf.
Der Hang zum Besonderen hätte si- cher keinen gestört, wenn nicht die- se Neigung ihren deutlichen Nieder- schlag auch im Mikrobiologisch- Diagnostischen gefunden hätte.
Furchterregend und despotisch war er, wenn es uns einmal nicht gelang, ihn von der täglichen Routinearbeit fernzuhalten. Dann gab es für ihn kein Halten mehr:
„Hier bitte umfärben, Tuschepräpa- rat, hängender Tropfen, Beweglich- keit prüfen, neu überimpfen, anae- rob fraktionieren ... ", und was das Handwerkszeug sonst noch alles hergab!
Heute, am Heiligen Abend ...
Am Heiligen Abend mußte von mir eine dringende Arbeit erledigt wer- den. Insgesamt lagen 20 klinisch- bakteriologische Aufträge vor (heute sind es täglich bis zu 200!). Gut zwei Drittel der Fälle waren aufgearbeitet, als ich mich vorübergehend abmel- den mußte. Der Chef stürzte wie im- mer viel zu schnell und viel zu be- reitwillig auf die Variastation. Und die arme MTA schaute mich vor- wurfsvoll an.
Als ich nach eineinhalb Stunden zu- rückkam — es ging inzwischen auf 13 Uhr —, empfing mich ein geharnisch- ter Kampf zwischen „Olymp" und
„Niederen" um die rare Diagnose
„Listeria monocytogenes". Mein flüchtiger und sicher nicht sehr sachkundiger Blick auf die Platten
Arzt — und Poet dazu
Rochus Turmann
Rochus Turmann wurde schon in der Kolumne „Arzt — und Poet dazu"
in Heft 11/1970 ausführlich vorge- stellt. Seine Anschrift: Haintor 7, 3437 Bad Sooden-Allendorf.
Zum Jahr des Kindes, zu dem das Jahr 1979 von den Vereinten Natio- nen proklamiert wurde, hat Rochus Turmann folgendes Gedicht verfaßt:
Kinder und unsere Welt
Unsere Kinder leben und spielen Auf Straßen und Plätzen.
Bläuliche Auspuffahnen weht der Wind In ihre geöffneten Münder.
Schaufenster reflektieren Ihre grotesken Dekorationen.
Plattgedrückte Nasen und gerötete Augen Betrachten durch Glas unsere Welt.
und dann die lautstarke Aussage:
„Heute, am Heiligen Abend, sind das sicher keine Listerien", beendeten umgehend den Disput. Meine Mei- nung fand allseitige Zustimmung, und man trennte sich eiligst mit be- sten Festtagswünschen
Auch Gereimtes kam zu uns
„Ihr Leute im Labor verliert nicht den Humor. Das Röhrchen war etwas schwach, der Korken war zu stark."
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Bernhard Henze Breitenbachplatz 13 1000 Berlin 33
Sie springen durch Stein- und Blechgewirr, Hocken vor Fernsehschirmen, Schauen flimmernde irreale Welten, Schwarzweiße und bunte Maßstäbe, Die keine sind.
In den Flipperzentren stehen sie, Lassen rote und grüne Lichter auf-
blitzen, Die buntes Feuerwerk in ihren Au- gen entzünden.
Metallisch ist die Sprache der Münzen In ihren Taschen und Händen.
Die Gesichter sind blaß und gerötet, Voller Hoffnung und Resignation zu-
gleich.
Die Angst eines Wissenden vor dem, was diesen Kindern droht.
Edith Engelke
1524 Heft 25 vom 22. Juni 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT