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A2892 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4431. Oktober 2003
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s ist meist wie verhext:Setzt man auf den deut- schen Markt, geht der DAX auf Talfahrt, kauft man Chemiewerte, wird genau die Branche von unerwarteten Negativmeldungen betroffen, und verkauft man seine Auto- mobiltitel, setzt ausgerechnet diese Branche zum Sprint an.
Immer mehr Sparer wen- den sich daher von der direk- ten Anlage ab und setzen auf indexorientierte Produkte. In- frage kommen beispielsweise Indexaktien, deren Kursver- lauf eins zu eins dem gewähl- ten Index entspricht. Interes- sant sind aber auch indexori- entierte Investmentfonds, de- ren Manager ihre Anlageent- scheidungen zwar auf Basis der Indexzusammensetzung treffen, die aber dennoch ver- suchen, über individuelle Ge- wichtungen eine höhere Per- formance zu erzielen. Aber ein Index bildet immer nur den Durchschnitt ab, auch die in- dexorientierte Geldanlage lässt keine spektakulären Zuwachs- raten erwarten. Hingegen kön- nen mit der Einzeltitelselek- tion durchaus attrak-
tive Erträge erzielt werden.
Innerhalb der In- dizes gibt es oft be- trächtliche Unter- schiede. So hat der DAX seit Beginn der Baisse unter Berück- sichtigung der jüng- sten Erholung knapp 55 Prozent nachge- geben. Wer indes auf BMW gesetzt hat, kann sich über einen
Zuwachs von zwölf Prozent freuen. Wer die adidas-Salo- mon-Aktie erworben hatte, liegt heute rund 44 Prozent im Plus. Den stärksten Anstieg verzeichnete mit annähernd 200 Prozent die Altana-Aktie (allerdings war sie im Jahr 2000 noch nicht im DAX enthalten).
Pech hatten indes Anleger, die Papiere der Deutschen Tele- kom, von Infineon oder der Al- lianz im Depot hatten: Sie ver- loren trotz der Erholung der vergangenen Monate immer noch mehr als 75 Prozent.
Voraussehbar waren diese Unterschiede freilich kaum:
Im Jahr 2000 war auch eine DaimlerChrysler gut positio- niert, dennoch gab der Wert mehr als 50 Prozent nach. Und dass ausgerechnet ein Sportar- tikelhersteller eine Baisse gut überstehen würde, während die nicht minder „trendige“
TUI fast 70 Prozent einbüßen würde, konnte kaum jemand ahnen. Gleiches gilt für die Zuwachsraten bei Konsum- beziehungsweise Handelsti- teln wie etwa Henkel oder Metro, denen Analysten für den Fall einer Konjunkturkri- se hohe Verluste prognosti- ziert hatten.
Gefragt sind daher Selekti- onskriterien, nach denen die interessantesten Aktien aus ei-
nem vordefinierten Bestand herausgefiltert werden können – und dies möglichst einfach.
Zunehmend Freunde findet dabei die kennzahlenbasierte Analyse. Aus den 30 DAX- Titeln werden beispielsweise die fünf oder zehn Papiere mit dem niedrigsten Kurs-Gewinn- Verhältnis (KGV) ausgewählt.
Besonders gern gewählt wird auch die „Dividendenstrate- gie“, bei der die Höhe der Di- vidende ausschlaggebend für die Depotaufnahme ist.
Die Dividendenstrategie basiert auf dem einfachen Grundgedanken, dass ein Un-
ternehmen mit hoher Divi- dendenzahlung meist beson- ders aktionärsfreundlich ist und alles daransetzt, seinen Geldgebern auch künftig eine angemessene Rendite zu- kommen zu lassen. Zudem ist davon auszugehen, dass eine hohe Dividendenrendite nicht nur ein gewisses „Risikopol- ster“ für den Fall einer allge- meinen Börsenschwäche dar- stellt, sondern dem Wert in einer Aufschwungphase auch ein überdurchschnittliches Kurspotenzial nach oben gibt.
Damit hat diese Auswahlme- thode einen bedeutenden Vorteil gegenüber der KGV- Selektion: Sie berücksichtigt die Aktionärsfreundlichkeit des Unternehmens, während beim Kurs-Gewinn-Verhält- nis oftmals Bran- chen das Rennen machen, die bereits billig sind, aber auch künftig billig sein werden.
Umschichtungen in einem dividen- denorientierten De- pot werden in re- gelmäßigen Abstän- den, zum Beispiel ein-, zwei- oder viermal jährlich, vorgenom- men. Maßgeblich ist dabei im Regelfall die Dividendener- wartung für das letzte Jahr (bei Auswahl in den ersten sechs Monaten eines Kalen- derjahres) beziehungsweise für das laufende Geschäfts- jahr. Andere Aspekte, die sonst bei jeder Aktienanlage wichtig sind, bleiben bei der Dividendenstrategie indes un- beachtet:
>Der Anleger bleibt selbst dann in den gewählten Papie- ren investiert, wenn die Börse zur Schwäche neigt oder ein Crash droht.
>Er nimmt weder außeror- dentliche Käufe noch Ver- käufe vor.
> Er beachtet auch keine charttechnischen oder funda- mentalen Signale oder gar
„heiße Tipps“.
Nur wenn eine derartige Selbstdisziplin geübt wird, bleibt der Anlageerfolg nach diesem Modell sichergestellt.
Zu beachten ist auch, dass je- de Depotposition mindestens 3 000 Euro bis 5 000 Euro ausmachen sollte, da sonst die Spesen überdurchschnittlich am Ertrag zehren.
Keine Erfolgsgarantie Dass sich die Dividendenstra- tegie durchaus bezahlt macht, zeigt ein Blick in die Ver- gangenheit: Bis zum Höhe- punkt der Hausse im Früh- jahr 2000 konnte ein aus zehn Werten bestehendes Mu- sterdepot, das zweimal jähr- lich angepasst wurde, deutlich besser abschneiden als der DAX. In der Baisse wurde der DAX (minus 55 Prozent) vom dividendenbasierten De- pot (minus 38 Prozent) mar- kant „geschlagen“. Gleiches gilt in kürzeren Zeiträumen.
Seit Jahresbeginn 2003 konn- te der DAX knapp 14 Pro- zent zulegen, das Muster- depot liegt indes bereits 33 Prozent im Plus.
Eine Garantie für einen guten Wertzuwachs kann al- lerdings auch eine solche Strategie nicht bieten. Wenn eine Börse massiv einbricht, wird der Anleger ebenso Ver- luste erleiden wie in Fällen, in denen ein zunächst dividen- denstarker Wert durch einen unerwarteten Gewinnein- bruch in die Schlagzeilen gerät. Gerade bei den DAX- Unternehmen ist jedoch auf- grund der umfassenden Pu- blizitätspflichten davon aus- zugehen, dass unliebsame Überraschungen weniger häu- fig zu befürchten sind als etwa bei den TecDAX-Titeln. Zu- dem bedeutet eine Streuung auf mindestens fünf, mög- lichst aber acht bis zwölf Titel einen gewissen Schutz vor un- liebsamen Überraschungen bei Einzelwerten. Peter Jobst
Aktienmarkt
Erfolgsfilter einbauen
Nicht alle Einzeltitel steigen und fallen im Gleich- schritt mit dem DAX. Mit der richtigen Strategie können Anleger überdurchschnittlich verdienen.
Die Kursverläufe der DAX-Titel sind nicht einheitlich.
Foto:ddp
Wirtschaft