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S Quantenphasen, aber dynamisch

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B R E N N P U N K T

22 Physik Journal 16 (2017) Nr. 12 © 2017 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

sternsystem einzugrenzen [20]. Der fehlgeschlagene Nachweis hoch- energetischer Neutrinos lässt sich durch den Winkel zwischen Jet und Sichtachse erklären [21].

Die Beobachtungen rund um das Gravitationswellensignal GW170817 haben eine neue Ära so genannter Multi-Messenger-Ereignisse einge- läutet. In Zukunft sollte die höhere Empfindlichkeit der Gravitations- wellendetektoren dazu führen, dass solche Ereignisse mehrmals pro Jahr oder gar wöchentlich zu beob- achten sind, falls die Häufigkeit der Merger etwa einem Hundertstel der Supernova-Rate entspricht. Dann lassen sich z. B. Variationen in den Massen von Neutronensternen, in der Ausrichtung der polaren Jets, für den Zeitpunkt der Bildung des Schwarzen Lochs und bei den Verhältnissen der Komponenten in der ausgeworfenen Materie un- tersuchen. Um damit die Nukleo- synthese im r-Prozess zu verstehen, bedarf es allgemein-relativistischer Simulationen mit hoher Auflösung sowie ein detailliertes Verständnis der Kern- und Teilchenphysik. Da- zu gehört beispielsweise die Kern- struktur fernab der Stabilität, die

S

chlägt man ein unmagnetisches Stück Eisen mit einem Ham- mer an, kann es magnetisiert wer- den – diesen Versuch hat bestimmt jeder schon (un)freiwillig beim Einschlagen eines Nagels gemacht.

Wie verhält sich aber allgemein die Magnetisierung eines Systems bei einer extrem schnellen Änderung äußerer Parameter? An hervorra- gend kontrollierbaren und nahezu perfekt beobachtbaren Modellsys- temen aus Atomen und Ionen ließ sich diese komplexe Frage aus der Festkörperphysik kürzlich nach- stellen – eine weitere exemplarische Anwendung von so genannten Quantensimulatoren. Experimente mit ultrakalten Quantengasen und gefangenen Ionen erlaubten bereits in den vergangenen Jahren völlig

neue Einblicke in die Dynamik von Quantenphasenübergängen. Neues- te Untersuchungen dringen nun erstmals in den Bereich der „dyna- mischen“ Quantenphasenübergänge vor und bestätigen dabei Theorien

zur Beschreibung von Nichtgleich- gewichtssystemen [1 − 3].

Phasenübergänge charakteri- sieren das Verhalten von Vielteil- chensystemen, wenn sich äußere Parameter ändern. Bekanntestes

Quantenphasen, aber dynamisch

Erstmals ließen sich dynamische Quantenphasenübergänge experimentell beobachten.

Abb. 1 Bei einem thermodynamischen Phasenübergang verschwindet die Ordnung, wenn ein externer Kontroll­

parameter wie die Temperatur einen kritischen Wert Tc erreicht (links). Bei

einem dynamischen Phasenübergang hingegen antwortet das System nach einer kritischen Zeit tc1 bzw. tc2 auf die plötzliche Änderung eines Kontrollpara­

meters (rechts).

Ordnungsparameter

0

Tc T

Temperatur

Ordnungsparameter

0

tc1

Zeit tc2 t

unter anderem an der zukünftigen Beschleunigeranlage FAIR unter- sucht werden soll.

Gabriel Martínez-Pinedo, Brian D.

Metzger und Friedrich-Karl Thielemann [1] F. Özel und P. Freire, Annu. Rev.

Astron. Astrophys. 54, 401 (2016) [2] J. M. Weisberg und Y. Huang, ApJ 829,

55 (2016)

[3] B. P. Abbott et al., Phys. Rev. Lett. 119, 141101 (2017)

[4] B. P. Abbott et al., Phys. Rev. Lett. 119, 161101 (2017)

[5] E. Nakar, Phys. Rep. 442, 166 (2007) [6] B. P. Abbott et al., ApJ 848, L12 (2017) [7] M. Soares-Santos et al., ApJ 848,

L16 (2017)

[8] B. P. Abbott et al., ApJ 848, L13 (2017) [9] D. Haggard et al., ApJ 848, L25 (2017) [10] K. D. Alexander et al., ApJ 848,

L21 (2017)

[11] L. Baiotti und L. Rezzolla, Rep. Prog.

Phys. 80, 096901 (2017)

[12] F.-K. Thielemann et al., Annu. Rev.

Nucl. Part. Sci. 67, 253 (2017) [13] B. D. Metzger et al., Mon. Not. R.

Astron. Soc. 406, 2650 (2010) [14] B. P. Abbott et al., Nature 551, 85 (2017) [15] B. D. Metzger, arXiv:1710.05931 [16] D. Martin et al., ApJ 813, 2 (2015) [17] B. P. Abbott et al., arXiv:1710.05836 [18] M.-R. Wu et al., Mon. Not. R. Astron.

Soc. 463, 2323 (2016)

[19] B. P. Abbott et al., arXiv:1710.05837 [20] B. P. Abbott et al., arXiv:1710.05838 [21] A. Albert et al., arXiv:1710.05839 Abb. 4 Die Übersicht zeigt die Zusammensetzung, Richtung

und den Zeitpunkt der erwarteten Auswürfe des Mergers.

Nach dem Verschmelzen der Neutronensterne (NS) entsteht zunächst ein „hypermassiver“ Neutronenstern (HMNS). Die Richtung ist durch den Jet des Gamma­Blitzes definiert. Der schwarze Pfeil markiert die Sichtachse für GW170817 bzw.

GRB170817A.

NS HMNS

Jet

Γ >>1

rote Kilonova Winde

leichte r-Kerne, z. B. Xe, Ag

schwere r-Kerne, z. B. Au, U v ~ 0,1 c

v ~ 0,25 c

Röntgenstrahlung, Nachglühen im Radiobereich t ~ 2 Wochen

t ~ Tag

t ~ Woche blaue

Kilonova Achse Gamma-Blitz (nicht beobachtet)

Gamma-Blitz Θobs ~ 3-32°

Schwarzes Loch

Sichtachse

NS

Metzer

nach [15]

(2)

B R E N N P U N K T

© 2017 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 16 (2017) Nr. 12 23 Beispiel ist der Übergang zwischen

Aggregatzuständen, z. B. von Eis zu flüssigem Wasser und weiter zu Wasserdampf bei entsprechen- der Temperaturerhöhung. Die Eigenschaften des Systems än- dern sich dramatisch. Ähnlich lässt sich in einem Festkörper die Magnetisierung durch äußere Kontrollparameter manipulieren.

Diese Vielteilchensysteme und ihre Anwendungsmöglichkeiten sind hochinteressant. Zur Mo- dellbildung und Klassifizierung der Übergänge sucht man nach funktionalen Abhängigkeiten von Ordnungsparametern – beispiels- weise den typischen Abständen der Teilchen oder der Magnetisierung.

Bisherige experimentelle Studien von Phasenübergängen haben sich vorrangig mit Gleichgewichtssys- temen beschäftigt.

Ändert man diesen externen Parameter sehr schnell, laufen Zu- standsänderungen nicht mehr im Gleichgewicht mit der Umgebung ab. In der Regel sind Vielteilchen- systeme in Festkörpern an ihre Umgebung gekoppelt und damit im Gleichgewicht. Bei künstlich erzeugter Quantenmaterie aus ultrakalten Atomen oder gefan- genen Ionen lassen sich jedoch Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt erzeugen und die Kopp- lung zur Umgebung ist unter voller experimenteller Kontrolle.

Daher helfen moderne Tech- niken zur Vermessung, Kontrolle und Manipulation von Quanten- systemen, Nichtgleichgewichts- dynamik so zu studieren wie theoretisch vorgeschlagen [4]: Die Verteilungsfunktion, die statistische Eigenschaften im thermischen Gleichgewicht charakterisiert, und der quantenmechanische Operator, welcher die zeitliche Entwicklung eines Quantensystems beschreibt, sind einander mathematisch ana- log. Das war schon lange bekannt, neu ist der daraus folgende Schluss:

Die Zeit übernimmt die Rolle des externen Kontrollparameters. Da- her erwartet man, in der zeitlichen Entwicklung eines Quantensystems Phasenübergänge außerhalb des Gleichgewichts zu studieren – ein

„dynamischer“ Quantenphasen-

übergang (Abb. 1). In experimentel- len Studien an unterschiedlichen Systemen ist es nun erstmals gelun- gen, solche dynamischen Phasen- übergänge zu beobachten und zu charakterisieren.

Klaus Sengstock und sein Team vom Institut für Laserphysik der Universität Hamburg verwendeten ein ultrakaltes Quantengas [1]. Mit ausgefeilten Manipulationstech- niken präparierten sie den Anfangs- zustand neutraler fermionischer

40Kalium-Atome in einem hexa- gonalen Gitter aus Laserstrahlen.

Dann wurden diese optischen Gitter blitzschnell in eine andere Konfigu- ration geschaltet. Dadurch änderten sich schlagartig die Tunnelampli- tu den für Atome zwischen benach- barten Gitterplätzen. Die Forscher be obachteten die daraus resultie- renden topologischen Eigenschaf- ten des Systems nach dem Sprung – gemessen in der Anzahl von Wir- beln. Sie konnten nachweisen, dass sich erst nach einer kritischen Zeit Vortex-Antivortex-Paare bilden, die nach einer weiteren kritischen Zeit wieder verschwinden.

Die Arbeitsgruppe von Chris- tian Roos und Rainer Blatt vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation in Innsbruck konnte ebenfalls einen Nichtgleich- gewichts-Phasenübergang nach- weisen. Für lineare Ketten mit bis zu zehn Ionen stellten die Forscher die Kopplungen der Spins unterein- ander durch Laserlichtfelder ein.

Beim plötzlichen Ausschalten dieser Wechselwirkungen zeigt sich ein spezielles Verhalten in der Wahrscheinlichkeit der Spinflips:

Diese folgt einer nichtanalytischen Funktion, ist also nicht lokal durch eine konvergente Potenzreihe ge- geben. Dies ist ein vorausgesagtes, sehr charakteristisches Zeichen. Zu- dem gilt: Je mehr Ionen in der Kette beteiligt sind, desto schärfer fällt die Zustandsänderung beim Durchfah- ren des Phasenübergangs aus.

Bei einem Quantensimulator mit einer Kette von gefangenen Io- nen konnte die Arbeitsgruppe von Christopher Monroe von der Uni- versity Maryland den dyna mischen Phasen übergang für ein Ising-Spin- modell mit transversaler Magneti-

Prof. Dr. Patrick Windpassinger und Prof. Dr. Ferdinand Schmidt-Kaler, QUANTUM, Universität Mainz, Staudingerweg 7, 55128 Mainz

sierung zeigen [2]. Dabei ließen sich die erwarteten Phänomene am Pha- senübergang demonstrieren, wie das Auftreten von kritischen Expo- nenten oder Domänenstrukturen.

Die besonders interessante Ver- bindung zwischen dynamischen Quantenphasenübergängen und der quantenmechanischen Verschrän- kung von Ionen konnte die Gruppe um Christian Roos demonstrieren [3]. Eine tomographische Messung der Spins zeigt einen Anstieg der Verschränkung S genau bei den Zeitpunkten der dynamischen Pha- senübergänge (Abb. 2). Eine solche Charakterisierung der Verschrän- kungsdynamik wechselwirkender Vielteilchensysteme ist nur in Quantensimulatoren mit einzelnen Atomen und Ionen möglich.

Quantensimulatoren aus ultra- kalten Atomen bzw. aus Ketten von Ionen haben grundlegende statis tische Eigenschaften von Fest- körpersystemen in unerreichter Weise ausgeleuchtet. Dabei ließen sich die erwarteten Phänomene am Phasen übergang demonstrieren.

Darüber hinaus wurden neuartige Untersuchungen zur Quantenver- schränkung am Phasenübergang möglich. Im Zusammenspiel mit theoretischen Vorhersagen eröffnet dies für Quantensimulatoren ein weites Forschungsfeld.

Patrick Windpassinger und Ferdinand Schmidt-Kaler [1] N. Fläschner et al., arxiv:1608.05616

(2016)

[2] J. Zhang et al., arxiv:1708.01044 (2017) [3] P. Jurcevic et al., Phys. Rev. Lett. 119,

080501 (2017)

[4] M. Heyl, A. Polkovnikov und S. Kehrein, Phys. Rev. Lett. 110, 135704 (2013)

Abb. 2 Der Verschränkungsgrad S in einer Kette von Ionen steigt bei jedem dynamischen Phasenübergang. Die Daten­

punkte passen besser zu einer theoretischen Vorhersage, die geringe Fehler in der Spin­Präparation berücksichtigt (blau), als zum perfekten Zustand (rot).

0,4

0,2

0

S

0 1 2 3 τ/τcrit

nach [1]

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