194 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 11|
15. März 2013M E D I Z I N
DISKUSSION
Reine wissensorientierte Aufklärung zeigt eher geringe Langzeiteffekte
In der Arbeit von Stamm-Balderjahn et al. wird deut- lich aufgezeigt, wie mit ärztlicher Aufklärung ein pri- mär-präventiver Effekt erzielt werden konnte. An der Studie konnten Schüler und Berufsschüler zwischen 12 und 21 Jahren teilnehmen (Durchschnittsalter war circa 16 Jahre). Ein relativ großer Teil der nichtrauchenden Schüler hatte noch nie geraucht (circa 80 %). An dem Präventionsprogramm „Schüler in der Klinik“ sollten Jugendliche über gesundheitliche, persönliche und ge- sellschaftliche Aspekte des Tabakkonsums aufgeklärt werden. Die Aufklärung erfolgte in einer zweistündi- gen interaktiven Veranstaltung in einer Berliner Lun- genklinik. Es erfolgte eine ärztliche Aufklärung.
Die kinderpsychologische Forschung zeigt, dass ei- ne reine wissensorientierte Aufklärung eher geringe Langzeiteffekte zeigt (1) und eine Vielzahl von Risiko- faktoren bei der Suchtprävention zu beachten sind (2).
So spielen frühe Auffälligkeiten in der Emotionsregula- tion (bereits im Kindergartenalter) (3) ebenso eine er- hebliche Rolle wie die positive Einstellung zum Rau- chen (2) oder ein starkes Bedürfnis nach Unabhängig- keit und Normfreiheit.
Vor allem sozial-emotionale Aspekte der Entwick- lung im Kindesalter müssen berücksichtigt werden, um die Suchtprävention nachhaltig wirksam zu gestalten.
Die sozial-emotionale Kompetenz bezieht sich vor al-
lem auf folgende Aspekte: Fähigkeiten zum Aufbau po- sitiver Beziehungen zu Gleichaltrigen, Selbstkontrolle, kooperatives Verhalten, positive Selbstbehauptung und angemessenes Durchsetzungsvermögen. Erfolgreiche Präventionsprogramme sind zeitlich umfangreich (etwa 25 Sitzungen) und in vielen Fällen werden sie einem Kind/Schüler wiederholt im Entwicklungsverlauf ange- boten (Schulanfang, Grundschule, Pubertätsbeginn).
Zur Effektstabilisierung müssen die Inhalte der Präven- tion alters- und entwicklungsangemessen wiederholt angeboten werden. Selbstverständlich sind die Inhalte auf die Lebenswelt der Kinder maßgeschneidert auszu- arbeiten. Eine ärztliche Aufklärung von zwei Stunden in einer Lungenklinik kann dabei einen wichtigen Aus- gangspunkt bilden, jedoch müssen dann sozial-emotio- nale Kompetenzen (bezogen auf das Suchtthema) im Schulalltag vermittelt und wiederholt eingeübt werden.
DOI: 10.3238/arztebl.2013.0194
LITERATUR
1. Petermann F, Petermann U: Prävention. Kindh Entwickl 2011; 20:
197–200.
2. Webster-Stratton C, Taylor T: Nipping early risk factors in the bud:
Preventing substance abuse, delinquency, and violence in adoles - cence through interventions targeted at young children (0–8 years).
Prev Sci 2001; 2: 165–92.
3. Petermann F, Kullik A: Frühe Emotionsregulation: Ein Indikator für psychische Störungen im Kindesalter? Kindh Entwickl 2011; 20:
186–96.
4. Stamm-Balderjahn S, Groneberg DA, Kusma B, Jagota A, Schönfeld N: Smoking prevention in school students—positive effects of a hos- pital-based invervention. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(44): 746–52.
Prof. Dr. phil. Franz Petermann
Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen fpeterm@uni-bremen.de
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren des Beitrags haben auf ein Schlusswort verzichtet.
zu dem Beitrag
Prävention des Tabakkonsums bei Schülern – Positive Effekte eines klinikbasierten
Interventionsprogramms
von Dr. med. Sabine Stamm-Balderjahn, Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. David A.
Groneberg, Dipl.-Psych. Bianca Kusma, Dr. Ph. Anita Jagota, Dr. med. Nicolas Schönfeld in Heft 44/2012
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