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Archiv "Öffentlicher Gesundheitsdienst II: Instrument der NS-Rassenpolitik" (17.05.2013)

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A 976 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 20

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17. Mai 2013

ÖFFENTLICHER GESUNDHEITSDIENST II

Instrument der NS-Rassenpolitik

Zögernde Aufklärung, doch der Anfang ist gemacht: Der 63. Kongress des Gesundheitsdienstes beschäftigte sich mit dessen Rolle im Nationalsozialismus.

D

em 63. Wissenschaftlichen Kongress des Bundesverban- des der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) in Berlin ging am 24.

April eine „Vorkonferenz“ voraus.

Sie beschäftigte sich mit dem öf- fentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) in der Zeit des Nationalsozialismus.

Der Verband hatte dazu 2012 eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz von Dr.

med. Johannes Donhauser, Leiter des Gesundheitsamtes des bayeri- schen Landkreises Neuburg-Schro- benhausen, eingerichtet. Innerhalb von drei Jahren soll die Rolle des ÖGD exemplarisch erforscht wer- den. Finanziert wird das Projekt durch den Verband und das Bundes- gesundheitsministerium.

Gesundheitsamt als Erbpolizei

Der ÖGD müsse endlich „Rollen, Personen und Strukturen“ auf - decken, bemerkte bei der Vorkonfe- renz Dr. Thomas Menn MPH, stell- vertretender Vorsitzender des Ver- bandes. Er erinnerte daran, dass vie- le handelnde Personen der NS-Zeit noch bis in die 1960er Jahre in Amt und Würden waren. Aus dem Publi- kum ergänzte jemand, darunter sei auch Prof. Dr. med. Hans Harmsen gewesen, der sogar mit der Johann- Peter-Frank-Medaille des Verbandes ausgezeichnet worden sei. Harmsen galt als einer der führenden Sozial- hygieniker und Bevölkerungswis- senschaftler der Bundesrepublik.

Seine rassenhygienische Betätigung in der NS-Zeit klärte erst 1998 die Medizinhistorikerin Dr. Sabine Schleiermacher auf.

„Der öffentliche Gesundheits- dienst war eine Schöpfung des Na- tionalsozialismus“, versicherte der Historiker Dr. Johannes Vossen zum Erstaunen des Publikums der Vor- konferenz, gut 100 gespannt zuhö- renden Ärztinnen und Ärzten. Mit dem Gesetz über die Vereinheitli-

chung des Gesundheitswesens sei 1934 in Deutschland erstmals ein Netz von Gesundheitsämtern ge- schaffen worden. Aufgabe seien die angewandte Rassenhygiene und die Gesundheitsfürsorge gewesen. In praxi bedeutete das, das Erbgesund- heitsgesetz umzusetzen, Erbkranke und „Asoziale“ zu erfassen, die Ver- fahren zur Sterilisierung einzuleiten und deren Vollzug zu kontrollieren.

Gesundheitsamtsleiter Donhau- ser ging auch auf das enge Zusam- menspiel von Fürsorge und öffentli- chen Institutionen wie etwa der Schulen bei der Erstellung von Sip- penakten ein und bezeichnete das Gesundheitsamt als „Erbpolizei“.

Dr. Annemone Christians legte dar, wie schematisch bei den zur Sterili- sation vorgesehenen Probanden dia - gnostiziert wurde. Zu 50 Prozent und mehr sei „erblicher Schwachsinn“

vermerkt. Lediglich in München sei mit 49,5 Prozent der Fälle Schizo- phrenie die häufigste Diagnose ge-

wesen. Christians erklärte das da- mit, dass das Münchener Amt eng mit psychiatrischen Anstalten zu- sammengearbeitet habe.

Eine Gesamtdarstellung fehlt

Vossen sprach in Berlin insbesonde- re über die beiden „Mustergaue“

Thüringen und Warthegau. Dort sei die NS-Gesundheitspolitik beson- ders radikal umgesetzt worden, in Thüringen, weil das Personal über- durchschnittlich linientreu gewesen sei. Die Quote der Anträge zur Zwangssterilisation sei in Thüringen mit 0,87 Prozent der Bevölkerung auffallend hoch gewesen (zum Ver- gleich: Osnabrück 0,18; Düsseldorf 0,31). Im Warthegau habe sich der leitende Medizinalbeamte der Statt- halterei, Dr. med. Oskar Gunder- mann, als „Handlanger der Germa- nisierungspolitik“ hervorgetan, unter anderem, indem er die Ghettoisie- rung der Juden vorantrieb.

Die Vorkonferenz des BVÖGD beleuchtete den öffentlichen Ge- sundheitsdienst in der NS-Zeit punktuell. Eine Gesamtdarstellung ist nicht in Sicht. Auch der Verband plant mit seinem Projekt nur eine Erkundung in „mindestens zwei Regionen“, vermerkt aber, dass im- mer mehr Gesundheitsbehörden ei- ne Aufarbeitung angingen. Noch seien die Forschungen aber nicht flächendeckend, bedauerte Vossen;

aus Baden-Württemberg zum Bei- spiel sei ihm gar nichts bekannt.

Aber ein Anfang ist gemacht. Don- hauser, Leiter der Arbeitsgruppe, appellierte an seine Kollegen, in den Kellern des eigenen Gesund- heitsamtes nachzusehen. Da könne es so manche Überraschung geben.

So wie bei ihm vor 17 Jahren, als er auf eine Akte zur Zwangssterilisati- on eines Mannes stieß. Er habe da- mals gar nicht gewusst, was dahin-

tersteckte.

Norbert Jachertz NS-Propaganda

im Jahr 1940:

Auch die Gesund- heitsämter waren in die „Rassenhygie- ne“ eingebunden.

Sie mussten Erb- kranke und „Aso- ziale“ erfassen.

P O L I T I K

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