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Zu Mythologie und Cultus des Veda.
Von U. Oldenberg.
Meinem Buch „die Religion des Veda" (1894) hat A. Hille -
brandt eine Besprechung gewidmet (Deutsche Litteratm-zeitung
1895, Sp. 72—74), die ich nicht ohne einige Gegenbemerkungen
lassen möchte.
Das Bild, welches ich von der vedischen Götterwelt entworfen
habe, erscheint H. als wenig geglückt. Zuvörderst nimmt er an
jenen abstracten Wesenheiten Anstoss wie dem Gott Erreger (Savitar),
dem Gebetsherm ') (Bfhaspati) , dem ersten Opferer (Vivasvant).
„Nicht vrie der Olymp eines sinnlichen und realistischen Volkes"
nehmen sich solche Götter aus; sie muthen H. an „als ob die
Inder jener Zeiten im Studirzimmer und nicht mit der Natur ge¬
lebt hätten". Steigen alte, vergessen geglaubte Schatten auf? Das Bild der vedischen Welt wie vrir sie einst träumten: unverkünstelte
Natur, einfacher , von der Reflexion unangekränkelter , rein auf die
Wirklichkeit hingewandter Sinn ^) ? Sind alle jene Forschungen,
welche die poetische Illusion dieses Bildes zerstört haben , für H.
eindruckslos geblieben? Gewiss werden vrir die mannichfachen
Strömungen, die in der Welt des Rgveda einander kreuzten, nicht
in einer Formel umfassen können. Dass viele der alten Hymnen
eine Sprache reden, „aus welcher der Hauch frischer, einfacher
Natur noch nicht entwichen ist", glaube auch ich und habe ich
in meinem Buch (S. 4) ausgesprochen. Aber die vorherrschende
Atmosphäre ist doch eine andere. Die Stimme volksmässiger Poesie
wird übertönt von der Kunstsprache priesterlicher Schulweisheit,
die auf eine lange Vergangenheit zurücksieht und in nicht weiter
Entfemung jene Zukunft vor sich hat, deren tristes Bild die
Brähmanatexte mit den endlosen Labyrinthen ihrer Spitzfindigkeiten aufrollen. Dass die Kreise dieser Priester, welche mit ausgeprägtester Vorliebe sich in Speculationen über den Ursprung und die kosmische
Bedeutung des Opfers zu ergehen liebten, in jenem uralten, von
1) Den man Übrigens, beiläufig bemerkt, genauer als ,3erm der heiligen Formel" anzusehen haben wird; das Wort „Gebet" ist zu eng. Vgl. Pischel, Gött. Gel. Anz. 1894, 420.
2) Auch keusche Zartheit, die allem Obscönen, ja anch dem nur „fast Obscönen" abhold ist, mUsste bei der Characteristik dieses goldnen Zeitalters nicht vergessen werden (vgl. Hillebrandt, Ved. Myth. I, 250).
Oldenberg, Zu Mythologie und CuUua des Veda. X73
der Ethnologie an so vielen Orten nachgewiesenen ') Tjrpns des
ersten Ahnen ganz besonders die speciellen Züge eines ersten
Opferers (Vivasvant) aceentuirt haben, ist doch, wenn nun einmal
die Zeugnisse der Texte darauf hinzuführen scheinen , glaublich
genug. Und ebenso natürlich ist, dass diese professionellen Techniker
des Gebets und Zauberspruchs ihr eigenes Büd in die Götterwelt
projicirten , dass sie das Götterreich mit einem himmlischen Beter
tmd Zauberer ausstatteten, wie ihn die irdischen Reiche nicht ent¬
behren konnten: welchen Gott, den „Herrn des Brähman", es daim
selbstverständlich nahe lag als den Patron seiner menschlichen Gegen¬
bilder, als Verleiher irdischer Brahmanenkunst zu betrachten. End¬
lich ein Gott, der „Erreger" heisst, soll kein Gott Erreger sein dürfen, weil ein solcher in die vedische Gedankenwelt als zu abstract,
zu schemenhaft nicht hineinpasse ? Aber man lese doch die Hymnen
an diesen Gott. Eben die Idee der Erregung vmd ihr Gegenstück,
die des Zurruhebringens ist es, welche das nach allen Richtvmgen
durchgeführte Grundthema dieser Hyirmen abgiebt. In allen solchen
Fällen sollen wir die Gestalt derartiger Götter so lange drehen
und wenden, bis wir Naturwesenheiten entdeckt haben, welche wohl
oder übel durcb jene repräsentirt sein könnten — bis der erste
Opferer sich als Soimengott , der Herr des heiligen Worts als
Mondgott entpuppt hat ^) ? Ich kann in diesem Verfahren nur die
einseitig schematische Durchführung eines, wie ich meine , von der
Wissenschaft ^) längst überwundenen Princips erkennen , welches
die Mannichfaltigkeit der in der lebendigen Wirklichkeit thätigen
Factoren mit dem allzu dürftigen Rüstzeug einer einzigen Pormel
bewältigen will*).
1) Vgl. etwa E. H. Meyer, Indogerm. Mythen I, 232.
2) Oder, wie Hill. (Myth. 408) sagt, Brhaspati „sich auf einem festeren Sockel aufgebaut hat als 'die Macht des Gebetes' ist". War für die vedischen Rshis dieser Sockel nicht fest genug?
3) Von der französischen und englischen scheint mir übrigens energischer als von der deutschen.
4) Es ist übrigens der MUhe werth, die Argumentationen, deren sich die hier von mir characterisirte mythologische Forschungsweise bedient, etwas mehr im Einzelnen auf ihre Technik hin zu betrachten. Wie fuhrt Hill, den Nach¬
weis für seine Auffassung des Brhaspati als Mondgott? Er stellt beispielsweise den Satz auf (Ved. Myth. I, 40'r ff., vgl. meine Rel. des Veda 66, A. 1): „Nur von einem Lichtgott wird man mit Recht sagen können, dass er das Dunkel vertreibe, den Himmel ersteige oder aus dem Licht geboren sei". Ist H. nie der Erscheinung begegnet, dass einem Gott früher oder später Attribute bei¬
gelegt werden, die in seinem ursprünglichen Wesen nicht enthalten sind, ihm aber von andern Göttern her, oder von irgend welchen sonstigen Vorstellungs¬
kreisen her anfliegen? (Ich erinnere hier z. B. an die sehr klaren Aus¬
einandersetzungen V. Bradke's, Dyäus Asura S. 15 ff.). Und ist die Hin¬
neigung zum Licht, die Feindschaft gegen das Dunkel nicht eben ein Zug, der im vedischen Vorstellungskreise einem Gott besonders leicht anfliegen konnte?
Die hinzugekommenen Züge in der complicirten Vorstellungsmasse, aus welcher sich das Bild eines Gottes zusammensetzt, von den wesentlichen zu scheiden, ist eben eine Hauptaufgabe der methodischen Kunst des Mythologen: wer meint, dass nur ein Lichtgott Vertreiber des Dunkels heissen könne, verkennt
174 Oldenberg, Zv, Mythologie vnd Cvlius des Veda.
Weiter wendet sich Hill, gegen meine Ansicht, dass der Versuch
einzelne vedische Götter auf ihre indogermanische Form ziuück-
zufiihren kein aussichtsloses üntemehmen sei. ,Der etwas kritische Leser", meint er, werde diese Hoffmmg nicht für erfüllt halten,
denn die Beweiskraft meiner Argumente sei, wo ich über bisher
schon Bekanntes, wie die Gleichsetzung von Aävins und Dioskuren,
hinausgehe, zu boch von mir veranschlagt worden. Also die Aävins
und Dioskm-en stellen doch eine auch von H. acceptirte Gleichung
dar ? Damit wäre , gleichviel ob diese Gleichung schon bekannt
war oder nicht in jedem Fall das Princip, dass indogerm. Götter-
vergleichungen nicht aussichtslos sind, gerettet. Aber wie steht
es nun mit jenen Vergleichungen, in welchen ich über das Bekannte
hinausgehe? Das thue ich nach H. ,z. B. in der Zurückführung
Indras auf einen blondbärtigen oder rothbärtigen idg. Gewittergott".
Ich bin erfreut, wenn auch etwas überrascht, hier das Verdienst
der Neuheit zu haben. Mir war, als hätte ich schon an einigen
Stellen von einem solchen idg. Gewittergott, dessen vedischer Nach¬
komme Indra, dessen germanischer Nachkomme Thor-Donar ist,
gelesen, als gäbe es z. B. ein Buch von Mannhardt, „Germanische
Mythen", in welchem ein derartiger Gott vorkommt. Die betreffende Theorie soll aber den Fehler haben, dass Indras Natur als Gewitter¬
gott unbewiesen ist; lässt der vedische Indra es doch fast nie
regnen. Derselbe Gegensatz der Methode , den ich schon oben
(S. 173, Anm. 4) berühi-t habe. Fehlt dem vedischen Indra ein
Zug, der zu einem Gewittergott gehört, so schliesst H. oder der
diese Aufgabe principiell und bemiiht sich so zu sagen Gleichungen auszurechnen, von denen er gar nicht sieht, wie viele Unbekannte sie enthalten. — Weiter führt Hill, für die Mondnatur des Brhaspati eiue lange Reihe von Ueber¬
einstimmungen in's Feld, welche er zwischen diesem Gott und Soma zu be¬
merken glaubt. Ich lasse es hier auf sich beruhen, dass Mond und Soma mir nach wie vor zwei recht verschiedene Dinge zu sein scheinen (vgl. S. 599 ff.
meines Buchs), und beschränke mich darauf, gleich die erste Kummer in H.'s Liste jener Uebereinstimmungen zu prüfen. „Soma heisst virudhäm patih; die Pfianzen sind Rv. X, 97, 15 brhaspatiprasütäh" (Ved. Myth. I, 409). Wess¬
halb sie wohl dort so genannt werden? Der Zusammenhang des Liedes X, 97 giebt auf diese Frage eine sehr bestimmte Antwort, die doch berücksichtigen sollte, wer aus jener Stelle Schlüsse zieht. Der ganze Hymnus hat es durchweg mit Zauber — Krankheitsvertreibung u. dgl. — zu thun, bei dem die Pfianzen verwandt werden: zu diesem Zauber werden sie in Thätigkeit gesetzt durch den Brahmanen, auf dessen Zauberwort sie hören (V. 22 yasmai krnoti bräh¬
manäh; V. 21 yäs cedam vpaäpivanti), d. h. mythologisch ausgedrückt durch den Gott Brhaspati (man vergleiche , wie Atharvav. VIII , 8, 19 die Feinde,
welche nuttä brdhmanä sind, brhaspatipranuttäh heissen). Die Ueber¬
eiustimmung zwischen Soma und Brhaspati reducirt sich also in diesem Fall darauf, dass Soma (natürlich als die vornehmste unter allen Pflanzen; anders freilich Hill. 391) König der Pflanzen heisst, und dass andererseits die Pflanzen, welche durch die Macht des Brähman zu Zauberwirkungen angeregt werden, angeregt von Brhaspati (= Brahmanaspati) heissen. Beweist das nun irgend etwas für das Nahestehen von Brhaspati und Soma?
1) Bekannt war sie allerdings, aber entfemt nicht allgemein anerkannt, so dass es kein Uberflüssiges Unternehmen war, auf sie zurückzukommen.
Oldenherg, Zu Mythologie und Cultus des Veda. 175
von ihm eingeführte etwas kritische Leser, dass Indra eben kein
Gewittergott gewesen ist : ich meinerseits ziehe, ehe ich so schliesse,
die Veränderungen in Betracht, welche die Gestalt des Gottes auf
ihrem langen Wege bis zur vedischen Zeit erlitten haben kann;
der in seiner zunächst zu erwartenden Gestalt fehlende Zug könnte
sich in verdunkelter Gestalt doch erhalten haben. Mit dem Vor¬
gang der Verdunklung mythischer Conceptionen habe ich mich in
meinem Buche (S. 48 ff.) eingehend beschäftigt. Oft wird es im
einzelnen Fall unmöglich sein, diesen Vorgang seinen näheren
Modalitäten nach aufzudecken. Wo aber verwandte Gestalten
anderer Völker den Weg zeigen, werden die Chancen oft günstiger
liegen; so wie wir zur Herstellimg eines durch lautgeschichtliche
Vorgänge verdunkelten Worts eine gewisse Aussicht haben werden,
sobald es gelingt, dessen Aequivalent auf verwandten Sprachgebieten
nachzuweisen. Auf diesem Wege ergiebt sich, meine ich, wahr¬
scheinlich genug, dass der Mythus vom Vajra, welcher die Wasser —
für den vedischen Dichter die irdischen — aus dem irdischen
Felsen befreit, der verdunkelte indische Kepräsentant des Mythus
von der Blitzwaffe ist, welche die himmlischen Wasser aus dem
Wolkenfelsen befreit: der Mythus des Thor-Donar zeigt den Weg
der Erklärung, die freilich in diesem Fall wohl auch aus indischen
Quellen allein mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gewonnen werden
könnte. Dies die Grundzüge meiner Auffassung des Indra oder
doch des Haupt- und Grundbestandtheils dieser Göttergestalt: wenn
hier H. bemerkt, ich hätte die Unvereinbarkeit mancher Thatsachen
mit der herkömmlichen Erklärung ') selbst eingesehen und nur die
Folgerungen hieraus zu ziehen nicht gewagt, so muss ich entgegnen,
dass eben mein ganzes Bemühen gerade darauf gerichtet gewesen
ist, jene herkömmliche Erklärung — vermittelst der Einschaltung
des Verdunklungsvorganges — so zu modificiren, dass sie mit den
Thatsachen in Einklang kommt. In welcher Beziehung dieser
Einklang nicht erreicht ist, bekenne ich nicht zu sehen, und auch
Hillebrandt's Kritik öffnet mir zu dieser Erkenntniss keinen Weg.
Ich schiebe, ehe ich zu weiteren wesentlichen Punkten komme,
ein paar Einzelheiten ein , die nur fiüchtig hier berührt werden
mögen. Der Name Divodäsa könne nicht , Himmelsknecht" oder
„Sciave des Himmels" heissen (Eel. des Veda 155), „weil Däsa
selbst im Ev. noch, wie auch 0. annimmt, Volksstämme bezeichnet*.
Aber es heisst doch dort ausserdem / auch „Knecht"^ oder
„Sciave". — „Wenn Cumuri, Dhuni, Sambara etc. historische
1) D. h. offenbKr mit der Auffassung des Indra als eines Oewittergottes.
Es ist übrigens nocb nicht lange her, dass uns unter den Anhängern derselben auch Hillebrandt begegnete. „Indra , der kriegerische Gott , kämpft gegen den Dämon der Gluth, ()er Dttrre und fuhrt der Erde das erfrischende Wasser der Wolken zu". H., Sonnwendfeste in Alt-Indien (1889), 16. Koch in seiner Ved. Mythologie (I, 517. 1891) versteht Hillebrandt die Waffe Indras als den Donnerkeil.
176 Oldenberg, Zu Mythologie und Cultus des Veda.
Namen sind, muss auch Pani ein Nom. propr. sein". Ich verstehe
nicht, inwiefern das folgt. — Ich soll Unrecht haben diksä von
daJ'') herzuleiten, weil ,die Intensiva (vielmehr handelt es sich
um ein Desiderativum) dieser i-Wurzeln anders gebildet werden".
Ich muss gegen diese Behandlimg der grammatischen Prage durch¬
aus Verwahrung einlegen. Zunächst: bilden denn „diese Wurzeln"
eine eigene, vom Sprachbewusstsein als solche empfundene Gruppe
von so gleichartigen und eng unter einander associirten Verben,
dass bei ihnen allen dieselbe Desiderativbüdung erwartet werden
müsste')? Mir scheint, statt die Wurzeln etwa den Ä-Wurzeln
gegenüberzustellen, sollten wir vielmehr Wurzeln , die einen festen
sonantischen Coefficienten wie t, u, r zwischen einem Anfangs- und
einem Endconsonanten enthalten, von solchen scheiden, die nur ein
a in gleicher Stellung aufweisen ^). Die Wurzeln der ersten Art
bilden einen Desiderativstamm nach dem zweisylbigen Typus *); bei
denen der zweiten erseheint sehr häufig — ursprünglich vielleicht
ausschliesslich ? — der einsylbige Typus. Also von sah , dah :
siks- , dhilcs-^); aber von guh, ruh, druh: juguks- , ruruks-,
dudruks-. So denn auch von dys didrks- — der einsylbige Typus
wäre hier überhaupt nicht denkbar —: dagegen von dai^ vrird
diks- eben das zu Erwartende sein. Was die vorgeschlagene Ab¬
leitung von dah anlangt, so giebt bekanntlich der Rgvedatext
neben einander die lautgesetzlichen Pormen dhaJcsi, dhaksat und
die durch den Anlaut von dahati etc. beeinfiussten daksi, daksat:
es wäre eigenthümlich — entscheidendes Gewicht will ich übrigens
auf diese Betrachtung nicht legen — wenn *dhik§ä , dhiksate ß)
gerade in einer Verwendung, welche der Grundbedeutung gegenüber
sich immer mehr isolirte und dämm dem Systemzwang mehr ent¬
zogen war, die betreffende Umgestaltung erfahren hätte. Zur Be¬
deutung sei noch bemerkt, dass ich allerdings der diksä, als unter
die Kategorie des Tapas fallend, das Moment der inneren Erhitzung
vindicire: damit glaube ich aber noch nicht in den Bannkreis der
Wurzel ddh zu gerathen. Es ist eben ein Unterscliied zwischen
Selbsterhitzung und Selbstverbrennung; es war das Ritual des
freiwilligen Feuertodes, dem Hill. (Mythol. I, 482 f.) die Diksä
zugeschrieben und dabei an Kalanos erinnert hatte. Mir scheint
kein irgend haltbares Indicium auf die Existenz eines freiwilligen 1) Ich hatte vielmehr geschrieben dTiii, indem ich (wie Fick, Vergl.
Wörter!).^ I, 66) däs und das unterschied: wohl mit Unrecht; vgl. Bartho¬
lomae, Idg. F. III, 50; Streitberg, das. 402; Bechtel, Hauptprobleme 163.
2) Wie anders verhalten sich „diese »'-Wurzeln" doch bei anderen Gelegen¬
heiten! Man vergleiche vit und dile, um gar nicht vou Fällen wie prdnak und abhinat zu sprechen.
3) Damit sage ich nichts Neues; vgl. Brugmann, Grundriss II, S. 1028.
4) moks- neben mumuks- kommt hier nicht in Betracht.
5) Später allerdings didhaks-.
6) Dieses Desid. von dah ist bekanntlich Satap. Br. III, 2, 2, 30 in wortspielerischer Gleichsetzung mit diksate thatsächlich überliefert.
Oldenberg, Zu Mythologie und Cultus des Veda. III
rituellen Feuertodes in vedischer Zeit zu fuhren "); und wenn es
solche Indicien gäbe, würde die Frage immer noch unbeantwortbar bleiben , wie ein solcher Feuertod resp. sein harmloseres rituelles
Abbild dazu gelangt ist, die normale Vorbereitimg des Opferers
und seiner Gattin für die Somafeier zu bilden. Ich denke , der
mit den ethnologischen Materialien Vertraute wird mir vielmehr
darin beistimmen, dass die Diksä — zusammen mit einem grossen
Theil der Tapasgebräuche, zusammen mit einem ganzen Kreise ver¬
wandter Vorbereitungsacte für Opfer und sonstige Riten, unter
welchen die Diksä eben nur das vollständigst entwickelte Exemplar
ist — sich zu den Zauberriten wilder und halbwilder Völker stellt,
durch welche man sich , theils in besonders sorgfältiger Vorsicht
bösen Geistern gegenüber, theils in der Erzeugung ecstatischer Er¬
regung, zur Vornahme feierlicher Acte , insonderheit zum Verkehr
mit Göttern oder Geistern geschickt maehte und noch heutzutage
geschickt macht
Ich kehre von diesem den Cultus betreffenden Punkt zu der
Sphäre der Götterwelt zurück. Ich hatte die Hypothese aufgestellt,
dass der Götterkreis von Mitra - Mithra , Varuna-Ahura und den
Äditya-Amesaspenta seitens des indoiranischen Volks von aussen —
vermuthlich von Semiten resp. Akkadiern — entlehnt worden ist.
Die von mir vorgetragenen Gründe waren kurz zusammengefasst
die folgendenDie in Indien wie in Iran sehr hervortretenden,
auf beiden Seiten in besonders zahlreichen Details übereinstimmenden
Götter scheinen den übrigen Indogermanen zu fehlen , also der
Wahrscheinlichkeit naeh speciell indoiraniseh zu sein. Sollen die
Indoiranier sie neu geschaffen haben? Einen neuen Sonnengott
und Mondgott — letzteren mit sehr stark verdunkelter Wesen¬
heit — wo sie doch von altersher einen immer verständlich ge¬
bliebenen Gott „Sonne" und einen Gott „Mond" hatten? Und
Götter der Planeten, um welche sich das vedische Volk wie das
avestische kaum kümmerte? Ist da nicht Entlehnung von einem
benachbarten , in der Kenntniss des gestirnten Himmels weiter
vorgeschrittenen Volk wahrseheinlich? Und hebt sich nicbt ein
Gott wie Varuna auch seinem Character nach von einem solchen
echten Indogermanengott wie Indra fühlbar ab? Neben jenem
durstigen Dreinschläger der in nihiger Herrlichkeit waltende Souverän,
der Vertreter ethischer Mächte: kann er nicht der Cultur eines
1) Ich sehe natürlich von den Riten des Gottesurtheils und der Wittwen¬
verbrennung ab.
2) H. wendet ein, dass im vedischen Ritual n-'cht der Priester sich der D. unterzieht, sondern der Opferer, und demnach die Parallele mit dem ecstatischen Zauberpriester der Wilden nicht passt. Mir hatte, als ich diese Parallele formulirte, natürlich jeder Gedanke an den Unterschied der Kategorien von rtvij und yajamäna fern gelegen. Wer sich die Mühe geben will, die bezügliche ethnologische Literatur zu vergleichen, kann sich leicht überzeugen, dass dieser Unterschied in der That irrelevant ist.
3) Vgl. ReUgion des Veda S. 193 fr.
Bd. XLIX. 12
"178 Oldenberg, Zu Mythologie und Cultus des Veda.
Volkes entstammt scheinen , das früher als die idg. Nationen zum
Emst ethischer Lebensbetrachtung herangereift war — der Cultur
der Akkadier resp. Babylonier , die wir in ganz ähnlichem Ton zu
ihrem Mondgott sprechen sehen, wie die Inder zu Varana redeten? —
Dies war meine Argumentation. Man urtheile nun , wie sich zu
derselben das Bild verhält, welches Hill, von ihr giebt. Nach dem
Referat dieses Berichterstatters wage ich ,die kühne Hypothese
der Herleitung Mitra-Varanas aus einem semitischen Ideenkreise,
aus keinem anderen Grunde') als dem 'früheren Heran¬
reifen der Semiten zum Ernst ethischer Lebensbetrachtung' und der
Uebereinstimmung des 'Tones' akkadisch-babylonischer Hymnen an
den Mondgott mit dem der Varunalieder". Bei dem Leser H.'s,
der mein Buch nicht vergleicht, wird der Eindrack erweckt, dass
er es in mir mit einem leichtfertigen Hypothesenschmiede zu thun
hat, der ndt völlig vagen Gründen operirt. Vielleicht würde dieser
Leser nicht ganz ohne Verwunderung sehen, dass die wesentlichsten
Hauptpunkte meiner Argumentation weggelassen sind, und dass
Momente, die ich nur äls bestätigend hinzufügte, nachdem ich ander¬
weitig meine These wahrscheinlich gemacht zu haben glaubte,"
allein aufgeführt worden sind mit der ausdrücklichen Versicherang, dass sie die einzigen seien.
Das bei der Ädityafrage zu beobachtende Verhältniss zwischen
Hillebrandt's Wiedergabe meiner Beweisführang vmd dieser selbst
kehrt übrigens auf das Genaueste bei der Untersuchung über die
Bedeutung des Gandharva an einigen Stellen der buddhistischen
Literatur wieder. Hillebrandt (Ved. Mythol. I, 427) hatte früher
dem G. in dem betreffenden Zusammenhang die Rolle eines Genius
der Prachtbarkeit beigelegt. „Das scheitert", hielt ich zunäcbst
entgegen (S. 249, A. 1), „an Milindapanha p. 129, zerstört aber
auch die Pointe der Argumentation im Assaläyanasutta p. 20".
Betrachten wir hier kurz diese beiden Stellen. Die erste spricht
von der Unterscheidung der Wesensciassen in andaja {„ei&r-
gebürtige") , yafe&iy'a („mutterleibgebürtige") u. s. w. „Wenn da
der Gandharva woher auch immer kommend in einem eiergebürtigen
(Jesehlecht erzeugt wird , so vrird er da eiergebürtig. Wenn in
einem mutterleibgebürtigen, so wird er mutterleibgebürtig, u. s. w. ...
Wie , 0 grosser König , das Wild und Geflügel , das im Himavat
zum Berg Mera kommt, alles seine eigne Farbe verliert und gold¬
farbig wird, so verliert auch, o grosser König, ein jeder Gandharva,
woher er auch immer kommt, wenn er in einen eiergebürtigen
Mutterschooss gelangt., sein eigenes Wesen -) und wird selbst eier¬
gebürtig' u. s. w. Man sieht, dass der Gandharva hier nicht ein
Genius ist , welcher zum Werk der Zeugung seinen Segen giebt,
1) Die Spermni; dieser Worte rührt von mir her.
2) Wörtlieh: die Farbe seines eigenen Wesens — wegeu der Vergleichung mit den Thieren des Himavat.
Oldenberg, Zu Mythologie und Cultus des Veda. 179
sondern — wie aucb Sp. Hardy (resp. sein singhalesischer Gewährs¬
mann) Manxtal of Budhism ^ p. 458 ganz richtig verstanden hat —
dasjenige Wesen, welches aus einem andern Dasein kommend selbst
in einen Mutterschooss eingeht um zu einer neuen Existenz zu
gelangen, und welches, wenn es beispielsweise Vogel gewesen war
und jetzt als Mensch erzeugt wird, fortan unter Aufgabe seiner
Vogelnatur Menschennatur annimmt. Ganz damit im Einklang
steht die zweite Stelle , die des Assaläyanasutta. Dort handelt es
sich darum zu beweisen , ^ dass zwischen einem Brahmanen und
einem Ksatriya, Vaisya, Südra kein wirklicher Wesensunterschied
besteht. Das zeigt sich bei der Zeugung. Dazu dass diese zu
Stande kommt , gehört Vereinigung von Vater und Mutter , der
rtu der Mutter , und dass „der Gandharva bereit steht' {paccu-
-patthito hoti). „Wisst ihr nun, ob dieser Gandharva ein Ksatriya
oder ein Brahmane oder ein Vaisya oder ein Südra ist?" Die
Brahmanen erwidern: „Nein, Herr, wir wissen nicht, ob dieser
Gandharva" u. s. w. „Wisst ihr denn was ihr selbst seid?" „Da es sich so verhält, Hei-r, wissen wir nicht was wir selbst sind".
Auch hier sieht man , ■dass der Gandharva , welcher bei der Er¬
zeugung z. B. eines Brahmanen im Spiel ist , eben das Wesen ist,
welches später dieser Brahmane selbst sein wird.^ Dass dieses
Wesen in seinem vorigen Dasein ebenso gut ein Südra gewesen
sein kann wie ein Brahmane, muss den Glauben der Brahmanen an
die besondere Dignität ihrer eigenen Wesenheit zerstören. Den
Faden dieser ganzen Argumentation würde dig Auffassung des
Gandharva als Genius der Fruchtbarkeit total zerschneiden. —
Dafür nun was die beiden besprochenen Stellen lehren , brachte
ich weiter — hierin Pischel (Ved. Stud. I, 78) folgend — eine
Bestätigung aus dem Amarakosa bei. Dies Lexieon erklärt den
Gandharva als antarübhavasattoa „Wesen zwischen (zwei) Existenzen"
— Pischel umschreibt ganz richtig: „das Wesen nach dem Tode,
ehe es einen neuen Körper anlegt". Dem Citat des Amarakosa
fügte ich das des zugehörigen Commentars bei : marunujanmanor
antarCde sthitah präni, „das zwischen Tod und Geburt in der
Mitte stehende Lebewesen". So bemht, wie man .sieht, meine
.\rcrumeno tation zuvörderst auf einer Stelle des buddhistischen Päli-
canon und einer Stelle eines jüngeren Pälidialogs; das Ergebniss
wird gestützt durch das Zeugniss eines Lexicons , dessen für .sich
allein durchaus klare Bedeutung zum Ueberfluss durch die zugehörige
Conimentatorenerklärung bestätigt wird. Wie springt nun mit dieser
Beweisfährung Hillebrandt um ? Wenn meine Auffassung des
Gandhiirva richtig wäre — doch es lohnt wörtlich zu citiren —
„müssten wir ganz andere und zahlreichere Beweise für eine solche
etwas verdächtige Anschauung erwarten als einen Kommentar".
So kurz und bündig sich von seinem Kritiker widerlegt zu sehen —
armer Verfasser !
Kiel, im .Januar 1895.
12*
1 (
180
Referat über die Transcriptionsfrage.
Von Albert Socin.
Wie au.s dem ProtocoUarischen Bericht über die General¬
versammlung zu Bonn (ZDMG. 47, XXIII ff.) ersichtlich ist, wurde
damals auf meinen Antrag hin eine Commission gewählt, die über
die Regelung der Transcriptionsfrage Bericht erstatten sollte. Da
die in meinem Brief an Prym auseinandergesetzten Gründe, welche
mich zu der Stellung des Antrags bewogen, in dem genannten
Bericht nicht wiedergegeben sind , so muss ich mir erlauben , hier
etwas weiter auszuholen und die Veranlassung zu jenem Schritte
in kurzen Worten darzulegen.
Es ist im Grunde höchst gleichgiltig, in welcher Weise die
semitischen Lautzeichen umschrieben werden, ob griechische Buch¬
staben, Zusätze wie h oder Striche und Punkte zur Unterscheidung
. . ^
der Laute , welche unsere Sprache nicht besitzt , gewählt werden.
Im Allgemeinen hat sich jedoch in unserer Zeitschrift früh ein
bestimmtes System, das auf dem letztgenannten Princip beruhte,
herausgebildet, so dass von einem Transcriptionsalphabet der DMG.
in der That seit langer Zeit gesprochen werden konnte. Die Haupt¬
sache war dabei die einheitliche Durchführung dieser Transcription ;
wenn der eine ^ mit kh oder k'^, der andere mit q, der dritte
mit k bezeichnete, so lag die Gefahr nahe, dass wie z. B. in Ritter's
Asien dieselben Namen im Register an verschiedenen Stellen auf¬
geführt wurden. Aus diesem Grunde musste die Redaetion oder
wenigstens der Corrector, wie dies in jeder anderen Zeitschrift
geschieht , dafür sorgen , dass das adoptirte System durchgeführt
werde. Es ist wohl keine Indiscretion , wenn hier berichtet wird,
dass diese Durchführung in den letzten Jahi-en häufig mit grossen
Schwierigkeiten zu kämpfen hatte; bisweilen bestand der Autor
eines Artikels bei der zweiten Correctur hartnäckig auf seiner
Transcriptionsmethode, woraus der Casse der Gesellschaft bedeutende
Satzkosten erwuchsen. Alle diese Gi'ünde bewogen mieh , den er¬
wähnten Antrag zu stellen.
Es handelt sich hierbei zunächst und wesentlich um Schrift¬
transcription. Bei der Umschreibung der Laute moderner
1 i