Einheit 6:
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR, Teil 5/8)
Gesellschaftsrecht im Überblick
Univ.-Professor Dr. Timo Fest, LL.M. (Pennsylvania)
Übersicht zur heutigen Veranstaltung Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
Persönliche Haftung der Gesellschafter I. Einführung
II. Innenverhältnis
III. Außenverhältnis
I. Einführung
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
• Eine Regelung betreffend die Haftung der Gesellschafter einer GbR enthält nur § 708 BGB.
• Die Vorschrift ist keine Anspruchsgrundlage, sondern modifiziert lediglich den Maßstab des Vertretenmüssens nach § 276 I 1 BGB.
• Der Vorschrift liegt folgender Gedanke zugrunde:
„Parteien, die miteinander einen Gesellschaftsvertrag einzugehen beabsichtigen, … sich gegenseitig so
nehmen wollen, wie sie einmal seien, dass jeder Teil von vornherein die Individualität des anderen ins Auge fasse und daher nur verlange, das er in den gemein- schaftlichen Angelegenheiten die Sorgfalt wie in den eigenen Angelegenheiten übe“ (Mugdan, Mot. II
S. 985).
I. Einführung
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
• Eine Regelung betreffend die Haftung der Gesellschafter einer GbR enthält nur § 708 BGB.
• Die Vorschrift ist keine Anspruchsgrundlage, sondern modifiziert lediglich den Maßstab des Vertretenmüssens nach § 276 I 1 BGB.
• Der Vorschrift liegt folgender Gedanke zugrunde:
„Parteien, die miteinander einen Gesellschaftsvertrag einzugehen beabsichtigen, … sich gegenseitig so
nehmen wollen, wie sie einmal seien, dass jeder Teil von vornherein die Individualität des anderen ins Auge fasse und daher nur verlange, das er in den gemein- schaftlichen Angelegenheiten die Sorgfalt wie in den eigenen Angelegenheiten übe“ (Mugdan, Mot. II
S. 985).
Diese Motive lassen erkennen, dass § 708 BGB nur das Innenverhältnis zwischen den Gesell- schaftern betrifft. Eine Regelung der persönlichen
Haftung der GbR-Gesellschafter im Außenver-
hältnis enthalten die §§ 705 ff. BGB nicht.
I. Einführung
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
Zur Illustration:
Außen-GbR
Gesellschafter sind A, B und C
Gläubiger der GbR
Innenverhältnis
Anwendung von § 708 BGB
Verbindlich- keit der GbR z. B. § 433 II
BGB
Eröffnet den Zugriff aber nur auf das Gesellschaftsvermögen
Persönliche (Außen-)Haftung
auch der Gesellschafter?
Mit dem gesamten Privatvermögen
II. Innenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
1. Allgemeines zu § 708 BGB
• Die von der Vorschrift vorausgesetzte Anspruchs- grundlage im Innenverhältnis der Gesellschafter ist
§ 280 I 1 BGB, das Schuldverhältnis ist der Gesell- schaftsvertrag.
• Die Haftungserleichterung ist Gegenstand z. T. er- heblicher rechtspolitischer Kritik. Diese besteht im Wesentlichen darin, dass …
es insbesondere bei sog. Publikumsgesellschaf- ten an einer persönlichen Verbundenheit der Ge- sellschafter fehlt und
die Vorschrift grds. auch bei der oHG ( § 105 III
HGB) und der KG ( § 161 II HGB) gilt.
II. Innenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
1. Allgemeines zu § 708 BGB
• Die von der Vorschrift vorausgesetzte Anspruchs- grundlage im Innenverhältnis der Gesellschafter ist
§ 280 I 1 BGB, das Schuldverhältnis ist der Gesell- schaftsvertrag.
• Die Haftungserleichterung ist Gegenstand z. T. er- heblicher rechtspolitischer Kritik. Diese besteht im Wesentlichen darin, dass …
es insbesondere bei sog. Publikumsgesellschaf- ten an einer persönlichen Verbundenheit der Ge- sellschafter fehlt und
die Vorschrift grds. auch bei der oHG ( § 105 III HGB) und der KG ( § 161 II HGB) gilt.
Daher ist es derzeit von praktisch größter
Bedeutung, dass § 708 BGB dispositiv ist.
II. Innenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
2. Regelungsgehalt des § 708 BGB
• Enthält der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Vereinbarung, ist im Rahmen des Vertretenmüs-
sens nach § 280 I 2 BGB auch § 708 BGB zu prüfen.
• Die Prüfung erfolgt in zwei Schritten:
(1) Hat der Gesellschafter (einfach) fahrlässig
gehandelt? In Ansehung von § 277 BGB kann die Erleichterung des § 708 BGB den Gesell- schafter nur von der Haftung wegen (einfacher) Fahrlässigkeit entlasten.
(2) Als Vergleichsmaßstab ist die Sorgfalt zu be-
stimmen, die der Gesellschafter in eigenen An-
gelegenheiten anzuwenden pflegt.
II. Innenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
2. Regelungsgehalt des § 708 BGB
• Enthält der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Vereinbarung, ist im Rahmen des Vertretenmüs-
sens nach § 280 I 2 BGB auch § 708 BGB zu prüfen.
• Die Prüfung erfolgt in zwei Schritten:
(1) Hat der Gesellschafter (einfach) fahrlässig
gehandelt? In Ansehung von § 277 BGB kann die Erleichterung des § 708 BGB den Gesell- schafter nur von der Haftung wegen (einfacher) Fahrlässigkeit entlasten.
(2) Als Vergleichsmaßstab ist die Sorgfalt zu be- stimmen, die der Gesellschafter in eigenen An- gelegenheiten anzuwenden pflegt.
Die Entlastung (§ 280 I 2 BGB) gelingt dem Gesellschafter nur, wenn er in der konkreten Angelegenheit im Rahmen (einfacher) Fahrlässig-
keit höhere Sorgfalt hat walten lassen, als sie in
seinen eigenen Angelegenheiten üblich ist.
II. Innenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
2. Regelungsgehalt des § 708 BGB
• Das Haftungsprivileg nach § 708 BGB gilt nur in Bezug auf die „Erfüllung der ihm (Anm.: dem Gesellschafter) obliegenden Verpflich-tungen“.
• Keine Anwendung findet das Haftungsprivileg somit auf Schädigungen, die „bei Gelegen-
heit“ begangen werden, also in keinem en-
gen objektiven Zusammenhang mit den
Verpflichtungen als Gesellschafter stehen.
II. Innenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
2. Regelungsgehalt des § 708 BGB
• Bsp. 1: Die Freunde A, B und C beschließen gemeinsam Lotto zu spielen. Jeder soll wöchentlich 3 Euro geben, der Tippschein
„Reih um“ ausgefüllt und abgegeben werden. Nach einigen erfolglosen Wochen ist A an der Reihe. Er vergisst jedoch den ausgefüllten Tippschein abzugeben. Haben B und C Ansprüche gegen A, wenn der Tippschein gewinnt?
• Bsp. 2: Die Hobbyfußballer D, E und F bilden eine Fahrgemein- schaft zu den Auswärtsspielen ihrer Mannschaft. D fährt mit
seinem Pkw, E und F leisten einen Beitrag zum Benzin. Als D eine rote Ampel überfährt, wird F bei der Kollision mit einem anderen Fahrzeug verletzt. Kann er von D auch dann Scha- densersatz verlangen, wenn D die eigenübliche Sorgfalt be- achtet hat?
II. Innenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
3. Sonderfall: Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis
• Die zur Geschäftsführung befugten Gesellschafter haben nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zur Geschäfts-
führung (siehe Einheit 4).
• Daher legt es der Wortlaut des § 708 BGB nahe, auch Pflicht- verletzungen im engen objektiven Zusammenhang mit der
Geschäftsführung dem Haftungsprivileg des § 708 BGB zu unterstellen.
• Bsp.: Die Gesellschafter A und B sind jeweils alleine zur Ge- schäftsführung befugt. A beabsichtigt für die GbR die Maschi- ne X zu erwerben. Aus Fahrlässigkeit versäumt er seine (un-
geschriebene) Pflicht, B über diese Absicht zu informieren. Als A wenige Tage später die Maschine für die GbR erwirbt, pro-
testiert B. Ist A der GbR zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er die eigenübliche Sorgfalt beachtet hat?
II. Innenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
3. Sonderfall: Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis a) Lösungsansatz von RG, JW 1930, 705
• Der Fehler in der Geschäftsführung habe zur Folge, dass die GbR den Erwerb nicht gegen sich gelten lassen
müsse. Gebunden werde ausschließlich der Gesellschafter selbst.
• Der GbR entstehe daher kein Schaden, weshalb es auf
§ 708 BGB nicht ankomme.
• Bewertung:
Innen- und Außenverhältnis sind zu trennen. Demnach berührt der Fehler in der Geschäftsführung die Vertre- tungsmacht nicht. Die GbR muss das Geschäft also ähnlich einem Missbrauch der Vertretungsmacht nach
§ 164 I 1 BGB gegen sich gelten lassen.
II. Innenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
3. Sonderfall: Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis b) Lösungsansatz von RGZ 158, 302 ff.
• A hat seine Befugnis zur Geschäftsführung überspannt; er hätte das Geschäft unterlassen müssen.
• Als Geschäftsführer ohne Geschäftsführungsbefugnis hafte er wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag nach § 678 BGB.
• Auf das sog. Übernahmeverschulden finde § 708 BGB keine Anwendung.
• Bewertung:
Dem Rückgriff auf die GoA steht entgegen, dass A – im Außenverhältnis – aufgrund der ihm zustehenden
Vertretungsmacht handelte. Er hat lediglich eine Pflicht im Innenverhältnis verletzt. Insoweit liegt keine
Geschäftsführung „ohne“ Auftrag“ vor; vielmehr hat A lediglich seine bestehende Befugnis überspannt.
II. Innenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
3. Sonderfall: Überschreitung der Geschäftsführungs- befugnis
c) Lösungsansatz von BGH, NJW 1997, 314
• Aus dem im Innenverhältnis pflichtwidrigen Ge- schäft wird allein die Gesellschaft nach
§ 164 I 1 BGB berechtigt und verpflichtet.
• Die §§ 677 ff. BGB sind nur außerhalb vertrag- licher Beziehungen (hier: Gesellschaftsvertrag) anwendbar.
• Gesellschafter A haftet aber gegenüber der
(Außen-)GbR nach § 280 I 1 BGB. Maßgeblich
ist, ob er schuldhaft Pflichten im Zusammenhang
mit der Geschäftsführung verletzt hat. Insoweit
das Privileg des § 708 BGB anzuwenden.
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
1. Einführung
• Die persönlichen Gläubiger eines Gesellschafters sind von den Gläubigern der Gesellschaft zu unterscheiden.
Erstere können in das Privatvermögen der Gesellschafter vollstrecken, letztere – im Ausgangspunkt – nur in das Gesellschaftsvermögen.
• Den
§§705 ff. BGB ist jede Verpflichtung zur Kapital- erhaltung fremd, d. h. Gesellschafter können nicht nur jeden Gewinn entnehmen, sondern sich auch ihre Ein- lagen zurückgewähren lassen.
• Aufgrund eines ggf. derart „geplünderten“ Gesellschafts-
vermögens gewinnt die Frage an Bedeutung, ob die Ge-
sellschafter auch den Gesellschaftsgläubigern mit ihrem
gesamten Privatvermögen haften.
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
2. Regelungslücke in den §§ 705 ff. BGB
• Die §§ 705 ff. BGB enthalten keine Regelung der persönlichen Haftung der Gesellschafter im Außenverhältnis.
• Ist aus historischer Sicht konsequent, da auch die Außen-GbR bei der Ausarbeitung des BGB als nicht (teil-)rechtsfähige
Gesamthandsgemein-schaft angesehen wurde.
• Aber: Durch die Anerkennung der (Teil-)Rechts-
fähigkeit der Außen-GbR ist nachträglich eine
(planwidrige) Regelungslücke entstanden.
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
2. Regelungslücke in den §§ 705 ff. BGB
• Solange der Gesetzgeber untätig bleibt, ist die Rspr.
in den methodologischen Grenzen zur Rechtsfort- bildung befugt.
• Grundlage hierfür ist der allgemeine Grundsatz des bürgerlichen Rechts und Handelsrechts, dass
„derjenige, der als Einzelperson oder in Gemein- schaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die
daraus entstehenden Verpflichtungen mit seinem Vermögen haftet“.
• Dieses Konzept liegt den §§ 128 ff. HGB
zugrunde, die zu Lasten der Gesellschafter einer
Außen-GbR analog anzuwenden sind.
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
3. Konzept der §§ 128 ff. HGB
• Anspruchsgrundlage für die persönliche Außen- haftung der Gesellschafter ist § 128 Satz 1 HGB.
• Die Vorschrift enthält zwei Voraussetzungen:
(1) Der Haftungsadressat muss Gesellschafter einer oHG, einer Außen-GbR (analog) oder Komplementär einer KG ( § 161 II HGB) sein.
(2) Außerdem muss nur eine „Verbindlichkeit der Gesellschaft“ bestehen.
Diese Voraussetzung lässt erkennen, dass die
§§ 128 ff. HGB eine akzessorische Haftung der Gesellschafter für
Verbindlichkeiten der Gesellschaft enthalten.
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
4. Umfang der persönlichen Haftung
• Die persönliche Haftung der Gesellschafter einer Außen-GbR analog § 128 Satz 1 HGB umfasst die „Verbindlichkeiten der Gesell- schaft“.
• Der Wortlaut enthält keine Unterscheidung nach dem Rechtsgrund der Verbindlichkeit.
Er umfasst gleichermaßen a) rechtsgeschäftliche und
b) gesetzliche Verbindlichkeiten.
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
5. Verbindlichkeit der Gesellschaft
a) Rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten
• Bei Anwendung der sog. Lehre von der Doppelver-
pflichtung wurde rechtsgeschäftliches Handeln im Namen der Gesellschaft dahingehend ausgelegt, dass sowohl die Gesamthand als auch die Gesellschafter persönlich be- rechtigt und verpflichtet wurden (siehe Einheit 5). Hiernach wurde die persönliche Haftung der Gesellschafter im
Außenverhältnis unmittelbar durch das Rechtsgeschäft begründet.
• Seit Anerkennung der (Teil-)Rechtsfähigkeit der Außen- GbR wird ausschließlich die Außen-GbR selbst berechtigt und verpflichtet. Die Gesellschafter haften ausschließlich akzessorisch nach §§ 128 ff. HGB.
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
5. Verbindlichkeit der Gesellschaft b) Gesetzliche Verbindlichkeiten
• Unerlaubte Handlungen werden ganz über- wiegend durch Realakte begangen.
• Die Außen-GbR selbst ist nicht handlungsfähig.
Sie handelt durch natürliche Personen, insbe- sondere ihre geschäftsführenden und vertre- tungsbefugten Gesellschafter.
• Deren Realakte werden der Außen-GbR jeden- falls seit Anerkennung der (Teil-)Rechtsfähigkeit analog § 31 BGB zugerechnet, wenn sie „in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung“
begangen werden (BGHZ 154, 88, 94 unter Auf-
gabe von BGHZ 45, 311, 312).
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
5. Verbindlichkeit der Gesellschaft b) Gesetzliche Verbindlichkeiten
• Unter Geltung der sog. Lehre von der Doppelver- pflichtung hafteten die (übrigen) Gesellschafter nicht persönlich für unerlaubte Handlungen eines Gesell- schafters.
• Ändert § 128 Satz 1 HGB das Ergebnis?
• Verneinend Altmeppen, NJW 2003, 1553 ff.:
Das Deliktsrecht begründe eine Sonderbeziehung zwischen zwei Personen. Haften könne daher nur der Handelnde.
§ 128 HGB (1987) sei Art. 112 ADHGB (1861) nach- gebildet. Damals habe noch keine § 31 BGB ver-
gleichbare Regelung existiert, weshalb Art. 112 ADHGB keine deliktischen Verbindlichkeiten umfasst habe.
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
5. Verbindlichkeit der Gesellschaft b) Gesetzliche Verbindlichkeiten
• Bejahend hingegen BGHZ 154, 88 ff.:
Bei der oHG umfasst § 128 Satz 1 HGB auch delik- tische Verbindlichkeiten. Da die GbR durch bloße Aus- weitung ihrer Geschäftstätigkeit zur oHG werden
kann (§§ 105 I, 1 II HGB), dürfen keine Unterschiede in der Haftungsverfassung bestehen.
Die durch eine unerlaubte Handlung geschädigten Per- sonen können sich – im Gegensatz zu rechtsgeschäft- lichen Verbindlichkeiten – ihren Schuldner nicht aus- suchen. Es wäre unbillig, würde bei dem Handeln für die Außen-GbR nur das (ggf. geplünderte) Gesell-
schaftsvermögen haften.
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
5. Verbindlichkeit der Gesellschaft b) Gesetzliche Verbindlichkeiten
• Bejahend hingegen BGHZ 154, 88 ff.:
Bei der oHG umfasst § 128 Satz 1 HGB auch delik- tische Verbindlichkeiten. Da die GbR durch bloße Aus- weitung ihrer Geschäftstätigkeit zur oHG werden
kann (§§ 105 I, 1 II HGB), dürfen keine Unterschiede in der Haftungsverfassung bestehen.
Die durch eine unerlaubte Handlung geschädigten Per- sonen können sich – im Gegensatz zu rechtsgeschäft- lichen Verbindlichkeiten – ihren Schuldner nicht aus- suchen. Es wäre unbillig, würde bei dem Handeln für die Außen-GbR nur das (ggf. geplünderte) Gesell-
schaftsvermögen haften.
„Es gibt keinen überzeugenden Grund, diese Haftung (Anm.: § 128 Satz 1 HGB)
auf rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten zu beschränken.“
(BGHZ 154, 88, 94)
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
6. Rechtsfolgen
Die Rechtsfolge des § 128 Satz 1 HGB (analog) setzt sich aus drei Elementen zusammen:
a) Haftung
(„Die Gesellschafter haften …“)
b) Persönliche Haftung
(„Die Gesellschafter haften … persönlich“) c) Gesamtschuldnerische Haftung
(„Die Gesellschafter haften … als Gesamtschuldner“)
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
6. Rechtsfolgen a) Haftung
• Ist die Verbindlichkeit der Gesellschaft eine
Geldschuld, haften auch die Gesellschafter auf Geld.
• Ist die Gesellschaft aber z. B. verpflichtet, ein
Grundstück aus ihrem Gesellschaftsvermögen zu übereignen und zu übergeben ( § 433 I 1 BGB), kann der Gesellschafter diese Leistung nicht
ohne weiteres erbringen.
• Die damit aufgeworfene Frage nach dem Inhalt der Haftung der Gesellschafter beantwortet der Wortlaut des § 128 Satz 1 HGB nicht. Der
Begriff „haften“ ist insoweit nichtssagend.
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
6. Rechtsfolgen a) Haftung
• Nach der sog. Haftungstheorie erschöpft sich die Haftung der Gesellschafter bei Nicht-Geldschulden auf die Leistung einer entsprechenden Geldsumme.
Diese Theorie bricht mit der charakteristischen Akzessorietät der Haftung.
Ist die Verbindlichkeit der Gesellschaft eine Gattungs- schuld (§ 243 I BGB), entbindet die Haftungstheorie die Gesellschafter ggf. von dem Mehraufwand, einen geschuldeten Gegenstand bei Dritten zu beschaffen.
• Vorzugswürdig erscheint daher die sog. Erfüllungs-
theorie, nach der die Verbindlichkeit der Gesellschafter auch bei Nicht-Geldschulden grds. inhaltsgleich mit der Verbindlichkeit der Gesellschaft ist.
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
6. Rechtsfolgen a) Haftung
• Nach der sog. Haftungstheorie erschöpft sich die Haftung der Gesellschafter bei Nicht-Geldschulden auf die Leistung einer entsprechenden Geldsumme.
Diese Theorie bricht mit der charakteristischen Akzessorietät der Haftung.
Ist die Verbindlichkeit der Gesellschaft eine Gattungs- schuld (§ 243 I BGB), entbindet die Haftungstheorie die Gesellschafter ggf. von dem Mehraufwand, einen geschuldeten Gegenstand bei Dritten zu beschaffen.
• Vorzugswürdig erscheint daher die sog. Erfüllungs-
theorie, nach der die Verbindlichkeit der Gesellschafter auch bei Nicht-Geldschulden grds. inhaltsgleich mit der Verbindlichkeit der Gesellschaft ist.
Unter Anwendung der Erfüllungstheorie wandelt sich die Haftung der Gesellschafter nur aus- nahmsweise in eine Geldschuld, wenn ihre Leistung nicht denselben Erfolg bewirken würde,
wie die der Gesellschaft. Dies ist namentlich anzunehmen bei unvertretbaren Handlungen,
insbesondere Duldungs- und Unterlassungs- pflichten sowie der Abgabe einer Willens-
erklärung (z. B. §§ 873 I, 925 I BGB).
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
6. Rechtsfolgen
b) Persönliche Haftung
• Nach
§128 Satz 1 BGB (analog) haften die Gesell- schafter „persönlich“ für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft.
• Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den (Gesellschafts-)Gläubigern also nicht nur das Gesell- schaftsvermögen, sondern unter den Vorausset-
zungen der
§§128 ff. HGB auch das Privatvermö- gen jedes einzelnen Gesellschafters.
• Hierdurch wird das fehlende Gebot der Kapital-
erhaltung kompensiert. Werte, die aus dem Gesell-
schaftsvermögen in das Privatvermögen der Gesell-
schafter überführt werden, sind der Haftungsmasse
nicht entzogen.
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
6. Rechtsfolgen
c) Gesamtschuldnerische Haftung
• Für das Verhältnis der Gesellschafter untereinander ordnet § 128 Satz 1 BGB eine Gesamtschuld i.S.d.
§§ 421 ff. BGB an.
• Was gilt im Verhältnis zwischen der Gesellschaft einerseits und den Gesellschaftern andererseits?
Die Haftung ist akzessorisch und bei Anwendung der Erfüllungstheorie also grds. inhaltsgleich (s. o.).
Die Gläubiger dürfen die Leistung nur einmal fordern.
Aber: Der Ausgleich nach § 426 BGB ist im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern unpassend.
Erg.: Daher haften die Gesellschafter und die Gesell- schaft nicht als, sondern „wie Gesamtschuldner“.
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
7. Entgegenstehende Vereinbarungen
• Der Haftung nach § 128 Satz 1 HGB „entgegenstehende Ver- einbarungen“ sind Dritten gegenüber nach § 128 Satz 2 HGB unwirksam. Gemeint sind nur Vereinbarungen in dem Gesell- schaftsvertrag.
• Hiervon unberührt ist die Möglichkeit eines Ausschlusses der persönlichen Haftung durch Vereinbarung zwischen dem Gesellschafter und dem Gesellschaftsgläubiger.
• Hierbei handelt es sich um einen antizipierten Erlass (§ 397 I BGB), der mit Einzelwirkung zugunsten eines Gesellschafters abgeschlossen werden kann (§ 423 BGB).
• Bei dem Erlass muss es sich grds. um eine Individualver- einbarung handeln. Ein Ausschluss in AGB ist nur bei sog.
Publikumsgesellschaften mit § 307 I 1 BGB vereinbar, da die Gläubiger bei diesen keine persönliche Haftung der Gesell- schafter („Anleger“) erwarten.
III. Außenverhältnis
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
7. Entgegenstehende Vereinbarungen
Bsp.: Die A-GbR führt gemäß ihrem Gesellschaftsvertrag im Rechtsverkehr den Zusatz „mbH“. Genügt dies, um die
persönliche Haftung der Gesellschafter auszuschließen?
• Bloße Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag ist den Gläubigern gegenüber nach
§128 Satz 2 HGB
unwirksam.
• Die bloße Kenntnis der Gläubiger, dass die Gesell- schafter nicht persönlich haften wollen, genügt für einen Ausschluss der Haftung nicht.
• Erforderlich ist der (von den Gesellschaftern zu erbrin-
gende) Nachweis, dass die Gläubiger den darin ent-
haltenen Antrag auf einen antizipierten Erlassvertrag
angenommen haben (
§151 Satz 1 BGB). Dieser Nach-
weis kann i.d.R. nicht erbracht werden.
Lesehinweise zur Vertiefung:
Einheit 6: GbR (Teil 5/8)
• BGHZ 154, 88 ff. (persönliche Haftung der
Gesellschafter für deliktische Verbindlichkeiten)
• BGH, NJW 1997, 314 ff. (Pflichtverletzung im Rahmen der Geschäftsführung)
• OLG Karlsruhe, NJW-RR 1988, 1266 ff.
(Lottogemeinschaft)
• Fleischer/Danninger, NZG 2016, 481 ff.
(rechtspolitische Kritik an § 708 BGB)
• Bitter/Heim, Gesellschaftsrecht, § 5 IV
• Koch, Gesellschaftsrecht, §§ 7, 8 IV
• Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 8 III
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Gesellschaftsrecht im Überblick
Univ.-Professor Dr. Timo Fest, LL.M. (Pennsylvania)
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