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Einheit 2: Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR, Teil 1/8)

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Einheit 2:

Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR, Teil 1/8)

Gesellschaftsrecht im Überblick

Univ.-Professor Dr. Timo Fest, LL.M. (Pennsylvania)

(2)

Übersicht zur heutigen Veranstaltung Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

I. Entstehung der GbR

II. Innen- und Außengesellschaft III. Rechtsfähigkeit

IV. Parteifähigkeit

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I. Entstehung der GbR Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

• Das Recht der GbR ist in den §§ 705-740 BGB geregelt.

• Die systematische Stellung der Vorschriften lässt erken- nen, dass es sich bei der GbR um ein Schuldverhältnis auf vertraglicher Grundlage handelt.

• Besonders deutlich wird dies in § 705 BGB:

„Durch den Gesellschaftsvertrag verpflichten sich die Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines ge- meinsamen Zweckes in der durch den Vertrag be- stimmten Weise zu fördern, insbesondere die verein- barten Beiträge zu leisten.

• Die zentrale Voraussetzung des Tatbestands und damit der §§ 705 ff. BGB ist der Gesellschaftsvertrag.

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I. Entstehung der GbR Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

Die Voraussetzung eines Gesellschaftsvertrags kann in drei Elemente zerlegt werden:

1. Vertrag

2. Gemeinsamer Zweck

3. Förderungs- bzw. Beitragspflicht

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I. Entstehung der GbR Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

1. Vertrag

a) Anwendung der §§ 145 ff. BGB

• Der Abschluss eines Gesellschaftsvertrags erfolgt nach den §§ 145 ff. BGB durch Antrag und Annahme.

• Der Eintritt eines neuen Gesellschafters be-

darf einer Änderung des Gesellschaftsver-

trags. Gleichwohl wird die Willenserklärung

des neuen Gesellschafters („Beitretenden“)

i.d.R. nicht als Antrag, sondern als „Beitritts-

erklärung“ bezeichnet.

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I. Entstehung der GbR Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

1. Vertrag

b) Grundsatz der Formfreiheit

• Für den Gesellschaftsvertrag enthalten die

§§ 705-740 BGB keine originäre Formvor- schrift.

• Hieraus folgt, dass der Gesellschaftsvertrag grds. keiner gesetzlichen Form bedarf (Form- freiheit).

Ausnahmen von dem Grundsatz der Formfrei- heit bestehen nur, wenn die Beitragspflicht als solche einer gesetzlichen Form unterliegt, z. B.

die Verpflichtung zur Übereignung eines Grund- stücks an die GbR (§ 311b I 1 BGB).

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I. Entstehung der GbR Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

1. Vertrag

b) Grundsatz der Formfreiheit

• Der Grundsatz der Formfreiheit ermöglicht es, eine GbR grds. durch stillschweigendes Ver- halten zu gründen.

• Hiermit geht die Schwierigkeit einher, sog. Ge- legenheitsgesellschaften von (bloßen) Ge- fälligkeiten zu unterscheiden.

• Bsp.: Die nüchterne A bietet ihrem betrunkenen Freund B an, ihn nach Hause zu fahren. B zeigt sich erkenntlich und zahlt A die anteiligen Taxi- kosten. Auf der Fahrt wird der Pkw beschädigt.

Gilt zwischen A und B das Privileg des § 708 BGB?

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I. Entstehung der GbR Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

1. Vertrag

b) Grundsatz der Formfreiheit

• Als Gelegenheitsgesellschaften werden solche Gesell- schaften bezeichnet, die auf die Erreichung eines einma- ligen oder sachlich oder zeitlich begrenzten Erfolgs unter allseitiger Teilnahme an dem Erfolg gerichtet sind.

• Die Abgrenzung gegenüber (bloßen) Gefälligkeiten erfolgt durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB). Zu ermitteln ist, ob die Beteiligten sich rechtsgeschäftlich binden, also rechtsverbindliche Rechte und Pflichten begründen woll- ten.

• Von entscheidender Bedeutung ist i.d.R., ob für den Leis- tungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel standen. Bei Handlungen des tägli-

chen Lebens besteht i.d.R. kein Bindungswille.

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I. Entstehung der GbR Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

1. Vertrag

c) Gerichtliche Genehmigung

Der Gesellschaftsvertrag einer GbR kann aus- nahmsweise einer gerichtlichen Genehmigung bedürfen. Dies gilt bei der Beteiligung von:

• Gesellschafter ist minderjährig (§ 2 BGB):

§§ 1643 I, 1822 Nr. 3 BGB (Familiengericht)

• Gesellschafter mit einem Vormund bzw. Betreu- er: § 1822 Nr. 3 ggf. i.V.m. § 1908i I 1 BGB

(Familien- bzw. Betreuungsgericht)

• Gesellschafter mit einem Pfleger: § 1822 Nr. 3 i.V.m. § 1915 I 1 BGB (Familien- bzw. Betreu- ungsgericht)

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I. Entstehung der GbR Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

2. Gemeinsamer Zweck

• Zu dem (Mindest-)Inhalt eines Gesellschafts- vertrags enthält § 705 BGB die Aussage:

„Durch den Gesellschaftsvertrag verpflichten sich die Gesellschafter gegenseitig, die Er- reichung eines gemeinsamen Zwecks ....

• Tauglicher Zweck ist jeder erlaubte, dauernde oder vorübergehende, auch ideelle Zweck.

• Die Voraussetzung dient u. a. der Abgrenzung der GbR von der oHG, deren Zweck nach

§ 105 I HGB grds. in dem Betrieb eines Han-

delsgewerbes ( § 1 II HGB) besteht (Ausnah-

me: § 105 II HGB).

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I. Entstehung der GbR Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

2. Gemeinsamer Zweck

• Der Zweck muss – ausweislich der vertraglichen Ver- einbarung – ein gemeinsamer sämtlicher Gesell-

schafter sein.

• Charakteristisch für den Gesellschaftsvertrag ist daher ein Interessengleichlauf.

 Im Unterschied dazu verfolgen die Parteien bei Austauschverträgen gegenläufige Interessen.

• Die Abgrenzung erfolgt im Einzelfall mittels Aus- legung (§§ 133, 157 BGB). Die Beteiligung am Gewinn ist zwar ein Indiz für eine gesellschafts- rechtliche Beteiligung, zwingt hierzu aber nicht. In Betracht kommt z. B. auch ein partiarisches Dar- lehen.

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I. Entstehung der GbR Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

3. Förderungs- bzw. Beitragspflicht

• Zu dem (Mindest-)Inhalt eines Gesellschaftsvertrags enthält § 705 BGB die Aussage: „… in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten.

• Das „Ob“ der Förderungs- bzw. Beitragspflicht ist nicht dispositiv, sondern notwendiges Element jedes Ge- sellschaftsvertrags.

Inhalt und Umfang der Beitragspflicht können in dem Gesellschaftspflicht ausgestaltet werden. Ergänzend gelten die (dispositiven) §§ 706, 707 BGB.

• Die Gesellschaft ist – erkennbar u. a. an § 726 I BGB – ein Dauerschuldverhältnis. Daher ist die Förderungs- pflicht eine kontinuierliche Pflicht.

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I. Entstehung der GbR Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

3. Förderungs- bzw. Beitragspflicht Üblich ist folgende Terminologie:

a) Förderungspflicht (Beiträge i.w.S.)

• Tauglicher Gegenstand der Förderungspflicht ist alles, was den Gesellschaftern geeignet erscheint, die Erreichung des gemeinsamen Zwecks zu fördern.

• Hierzu zählen insbesondere:

(1) Geld, Sachen, Sachgesamtheiten und Rechte

(2) Dienste (§ 706 III BGB)

(3) Bereitschaft zur Beratung der übrigen

Gesellschafter (Erfahrungen, Kenntnisse) Als Einlagen (z. B. §§ 707, 733,

735, 739 BGB) werden regelmäßig bereits geleistete Beiträge (i.w.S.)

bezeichnet.

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I. Entstehung der GbR Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

3. Förderungs- bzw. Beitragspflicht Üblich ist folgende Terminologie:

b) Beitragspflicht (Beiträge i.e.S.)

• Nach dem Wortlaut von § 705 BGB ist die Leistung von Beiträgen ein Unterfall der Förderung.

• Beiträge (i.e.S.) sind alle Leistungen, die einen Ver- mögenswert haben und das Gesellschaftsvermö- gen mehren.

• Bei Kapitalgesellschaften (AG, GmbH) wird die Bei- tragspflicht zur Aufbringung des Grund- bzw. Stamm- kapitals auf vermögenswerte Leistungen be-

schränkt. Ausgeschieden werden hierdurch insbeson- dere Dienstleistungen.

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II. Innen- und Außengesellschaft Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

1. Allgemeines

• Die §§ 705-740 BGB erscheinen auf den ersten Blick als uni- versales Normgeflecht, das auf alle Arten der GbR anzuwenden ist.

• Diese Regelungstechnik beruht historisch darauf, dass die GbR – im Gegensatz zu der oHG (§§ 105 ff. HGB) und der KG (§ 161 ff. HGB) – als Gesamthand und Schuldverhältnis der Gesellschafter untereinander konzipiert ist.

• Ein Auftreten der Gesellschaft als solcher gegenüber Dritten war und ist konzeptionell nicht vorgesehen. Zeugnis hiervon ist z. B. § 714 BGB: „… die anderen Gesellschafter Dritten ge- genüber zu vertreten.“

• Aber: Die Gesellschafter (insbesondere rechtliche Laien) han- deln nicht selten im Namen der „Gesellschaft“ als solcher und legen dadurch ihre gesellschaftsvertragliche Bindung offen.

Hieran anknüpfend werden zwei Arten der

GbR unterschieden:

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II. Innen- und Außengesellschaft Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

2. Innengesellschaft

• Als Innengesellschaften werden solche Ge- sellschaften bezeichnet, die nach außen

nicht als Gesellschaft in Erscheinung treten.

• Dies bedeutet, dass die Gesellschaft keinen eigenen Namen führt und die Gesellschafter gegenüber Dritten nicht im Namen der Ge-

sellschaft, sondern im Namen der anderen

Gesellschafter handeln.

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II. Innen- und Außengesellschaft Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

2. Innengesellschaft

• Innengesellschaften treten im Rechtsverkehr nicht als solche in Erscheinung. Die Tatsache, dass sie grds. stillschweigend gegründet werden können, begründet ex post erhebliche Schwierigkeiten.

Beispiel (in Anlehnung an BGHZ 142, 137 ff.):

 M und F leben in Gütertrennung (§§ 1408 ff.

BGB).

 M investiert den größten Teil seines Einkommens in den Ausbau von Immobilien, die im Alleineigen- tum von F stehen.

Steht M bei Scheidung der Ehe ein gesell- schaftsrechtlicher Ausgleichsanspruch zu?

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II. Innen- und Außengesellschaft Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

2. Innengesellschaft Lösungshinweise:

• Ein Anspruch auf Zahlung eines Auseinandersetzungsgutha- bens könnte sich aus § 730 I BGB ergeben. Voraussetzung ist eine GbR.

• In Betracht kommt allenfalls eine stillschweigend gegründete Innengesellschaft.

Wollten M und F die rechtliche Bindung?

• Folgende Indizien sprechen dafür:

Das eheliche Güterrecht sieht in concreto keinen Vermö- gensausgleich vor.

Unveränderte Beibehaltung der Vermögenszuordnung wäre unbillig.

Keine bewusste und gezielte Förderung des Privatvermö- gens der F, sondern Bildung eines (gefühlt) „gemeinsamen Vermögens“.

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II. Innen- und Außengesellschaft Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

3. Außengesellschaft

• Eine sog. Außengesellschaft nimmt als solche am Rechtsverkehr teil.

• Dies zeigt sich daran, dass die Gesellschaft im Rechtsverkehr einen eigenen Namen führt und die Gesellschafter gegenüber Dritten im Namen der Gesellschaft handeln.

• Die Tatsache, dass die Gesellschaft als solche

am Rechtsverkehr teilnimmt, impliziert nicht not-

wendig ihre Rechtsfähigkeit (dazu unter III.).

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III. Rechtsfähigkeit

Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

1. Einführung

• An wen sind die Beiträge zu leisten? An die Gesell- schafter oder an die Gesellschaft?

• Die §§ 705 ff. BGB deuten eine Antwort an:

 In § 706 II 1 BGB heißt es: „… gemeinschaft- liches Eigentum der Gesellschafter.“

 In § 718 I BGB heißt es: „Die Beiträge der Ge- sellschafter … werden gemeinschaftliches Ver- mögen der Gesellschafter.“

• Welche Aussage entnehmen Sie den Vorschriften?

Wer ist Gläubiger der Förderungs- bzw. Beitrags- pflicht?

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III. Rechtsfähigkeit

Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

2. Bloße Gesamthandsgemeinschaft

• Nach früher h. M. ist die GbR – dies gilt unter- schiedslos sowohl für die Innen- als auch für die Außen-GbR – eine Gesamthandsgemein-

schaft.

Mangels Rechtsfähigkeit war die (Außen-)GbR

kein Zuordnungssubjekt für Rechte (z. B. Eigen-

tum) und Pflichten (insbesondere Verbindlich-

keiten). Berechtigt und verpflichtet waren (nur)

die Gesellschafter in ihrer gesamthänderi-

schen Verbundenheit.

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III. Rechtsfähigkeit

Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

2. Bloße Gesamthandsgemeinschaft

• Die Annahme einer bloßen Gesamthandsgemeinschaft führte bei der Außen-GbR zu zahlreichen Schwierigkeiten.

• Diese offenbaren sich an der scheinbar einfachen Frage, wer verpflichtet wird, wenn ein vertretungsberechtigter Gesell-

schafter im Namen der „Gesellschaft“ handelt.

Auslegung (§§ 133, 157 BGB) dahingehend, dass alle Gesellschafter gemeinschaftlich verpflichtet werden.

Dies führt zu der Anwendung von § 427 BGB, wonach jeder Gesellschafter als Gesamtschuldner haftet.

Als Gesamtschuldner müsste jeder Gesellschafter (allei- ne) die ganze Leistung erbringen. Dem steht die gesamt- händerische Bindung des Gesellschaftsvermögens

(§ 719 I 1 BGB) entgegen.

Der „Ausweg“ wurde mittels Auslegung konstruiert. Er bestand in der Annahme einer

„einheitlichen Verpflichtung mit doppelter Wirkung“, d. h. verpflichtet wurden sowohl

sämtliche Gesellschafter als auch das Gesellschaftsvermögen.

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III. Rechtsfähigkeit

Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

2. Bloße Gesamthandsgemeinschaft

Aber auch der „Ausweg“ hat zwei entscheidende Schwächen:

(1) Der Vertreter handelt (nur) im Namen der Ge- sellschaft, nicht im Namen der übrigen Gesell- schafter. Die Auslegung konfligiert daher mit dem Grundsatz der Offenkundigkeit des Stellvertretungsrechts.

(2) Das Gesellschaftsvermögen ist eine (bloße) Vermögensmasse ohne Rechtsfähigkeit.

Sie kann daher nicht Träger von Rechten und Pflichten sein. Diese Fähigkeit hat nur ein

rechtsfähiges Subjekt.

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III. Rechtsfähigkeit

Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

3. Außen-GbR als Rechtssubjekt

• In BGHZ 146, 341 ff. hat der II. ZS seine Auffas- sung, die GbR sei eine bloßen Gesamthandsge- meinschaft, aufgegeben.

• Seither ist für die (Teil-)Rechtsfähigkeit zu unter- scheiden:

 Die Außen-GbR ist – trotz des Fehlens einer

§ 124 I HGB entsprechenden Vorschrift (dazu sogleich) – (teil-)rechtsfähig.

 Die Innen-GbR ist hingegen weiterhin eine bloße Gesamthandsgemeinschaft ohne (Teil-)Rechts- fähigkeit. Da sie am Rechtsverkehr nicht teil- nimmt, besteht kein Bedürfnis für eine (Teil-) Rechtsfähigkeit.

Diese „Hürde“ kann nicht allein mit praktischen Erwägungen überwunden

werden. Vielmehr bedarf es einer normbasierten Argumentation.

Wie könnte diese aussehen?

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III. Rechtsfähigkeit

Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

3. Außen-GbR als Rechtssubjekt

• Zwar enthalten die §§ 705 ff. BGB keine § 124 I HGB entsprechenden Vorschrift.

• Zwar nennt z. B. § 718 I BGB als Träger des Gesell- schaftsvermögens nur die Gesellschafter.

Aber:

Der Wandel von der GbR in eine oHG (§§ 105 I, 1 II HGB) erfolgt (außerhalb des Handelsregisters) durch bloße Ausweitung der Geschäftstätigkeit. Wie soll da- bei das Gesellschaftsvermögen von den Gesell-

schaftern auf die oHG übergehen?

Neuere gesetzliche Regelungen setzen die (Teil-

)Rechtsfähigkeit der Außen-GbR voraus, z. B. § 14 II BGB, § 11 II Nr. 1 InsO, § 191 II Nr. 1 UmwG.

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IV. Prozessfähigkeit

Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

1. Ausgangspunkt

• Parteifähig ist nach § 50 I ZPO, wer rechtsfähig ist.

• Dies legt es nahe, dass die Außen-GbR (s. o.) parteifähig ist.

Zweifel resultieren aus § 736 ZPO. Dort heißt es:

„Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschafts-

vermögen ... ist ein gegen alle Gesellschafter

ergangenes Urteil erforderlich.

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IV. Prozessfähigkeit

Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

2. Traditionelle Auffassung

• Ein wörtliches Verständnis von § 736 ZPO würde dazu führen, dass …

die Gesellschafter im Erkenntnisverfahren notwendige Streitgenossen sind (§ 62 I Alt. 1 ZPO) und

daher sämtliche Gesellschafter in der Klageschrift na- mentlich benannt werden müssen (§ 253 II Nr. 1 ZPO).

Dies ist insbesondere bei sog. Publikumsgesellschaf- ten in Ermangelung besonderer Publizitätsregelungen praktisch nahezu unmöglich.

• Tritt nach Rechtshängigkeit (§§ 253 I, 261 I ZPO) ein Gesell- schafterwechsel ein, kann das Verfahren analog § 265 II 1 ZPO hiervon unberührt fortgeführt werden (sog. Irrelevanz- theorie).

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IV. Prozessfähigkeit

Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

3. Auslegung durch den II. ZS

• Der Sinn und Zweck des § 736 ZPO erfordert diese wörtliche Auslegung nicht.

• Er erschöpft sich darin, die Zwangsvollstreckung der Gläubiger eines Gesellschafters auf dessen Privat- vermögen zu beschränken.

• M.a.W.: Ein Titel gegen einen Gesellschafter erlaubt die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen

nicht.

• Das Privatvermögen der Gesellschafter und das Gesell- schaftsvermögen sind also getrennte Vermögens-

massen.

• Vor diesem Hintergrund ist § 736 ZPO in erster Linie eine materiell-rechtliche Regelung und kann „als

§ 719 III BGB“ gelesen werden.

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IV. Prozessfähigkeit

Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

3. Auslegung durch den II. ZS

Danach gewähren § 719 I, II BGB und § 736 ZPO einen umfassenden Schutz des Gesellschaftsver- mögens:

• § 719 I Hs. 1 BGB verbietet jedem Gesellschafter Verfügungen über seinen (ideellen) Anteil am Ge-

sellschaftsvermögen und einzelne Gegenstände aus dem Gesellschaftsvermögen

• § 719 II BGB verbietet die Aufrechnung von (Aktiv-) Forderungen der Gesellschaft mit (Privat-)Verbind- lichkeiten eines Gesellschafters

• § 736 ZPO („§ 719 III BGB“) beschränkt die

Zwangsvollstreckung aus Titeln gegen einen Gesell- schafter auf dessen Privatvermögen

§ 719 I Hs. 1 BGB ist kein Verbotsgesetz i.S.d § 134 BGB. Vielmehr sind die Verfügungen nur schwebend unwirksam

und können von den übrigen Gesellschaftern genehmigt werden.

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Lesehinweise zur Vertiefung:

Einheit 2: GbR (Teil 1/8)

• BGH, NJW 1974, 1705 und OLG München, NJW-RR 1988, 1268 sowie Fleischer/Hahn, NZG 2017, 1 ff.

(Tippgemeinschaft)

• LG Detmold, NZG 2015, 951 (Abiturjahrgang als GbR)

• BGHZ 142, 137 ff. (Ehegattengesellschaft)

• BGHZ 146, 341 ff. (Teilrechtsfähigkeit der Außen-GbR)

Bitter/Heim, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2020, § 5 I, III

Koch, Gesellschaftsrecht, 11. Aufl. 2019, § 3 I-III

Windbichler, Gesellschaftsrecht, 24. Aufl. 2017, §§ 5, 6

(31)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Gesellschaftsrecht im Überblick

Univ.-Professor Dr. Timo Fest, LL.M. (Pennsylvania)

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