Cierpa, Astrid / Frevert, Gabriele und Cierpa, Manfred
„Männer schmutzen nur!" - Eine Untersuchung über
alleinerziehende Mütter in einem Mutter-Kind-Programm
Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie 41 (1992) 5, S. 168-175
urn:nbn:de:bsz-psydok-35552
Erstveröffentlichung bei:
http://www.v-r.de/de/
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über
alleinerziehende
Mütter
in
einem
Mutter-Kind-Programm
Von Astrid
Cierpka,
Gabriele Frevert und ManfredCierpka
Zusammenfassung
Im Rahmen des ,Mutter und
Kind'-Programms
in Ulmkonnte in der sozialarbeiterischen
Betreuung
der allein¬erziehenden Mutter
häufig
beobachtetwerden,
daß allein¬ erziehende Frauen entwedergleich
zuBeginn
einer Be¬ziehung
zu einem Mann oder kurz nach der Geburt desKindes die
Beziehung
zum Vater abbrechen.Empirisch
zeigte
sich in einerFragebogenuntersuchung,
daß dieFrauen,
die keineBeziehung
zum Kindesvater aufrechter¬halten,
ihre Herkunftsfamilien alssignifikant
schlechtereinschätzen als die Frauen mit einer
Beziehung.
Diesscheint
überwiegend
mit der wahrscheinlich alsmangel¬
haft erlebten
Bindungsfahigkeit
des Vaters der Frauenzu tun zuhaben. Auf
tragische
Weise wiederholt sich furdie alleinerziehende Mutter die Instabilität in der Ehe
ihrer Eltern in ihrer
eigenen
Partnerschaft.1
Einleitung
Die
vorliegende
Untersuchung
entstand im Rahmendes,Mutter
undKind'-Programms
in Ulm. Dort hatte die ErstautorinGelegenheit,
alleinerziehende Mutterjeweils
dreiJahre sozialpadagogisch
zubegleiten.
Es handelt sichhierbei um ein
Programm,
das zwischenzeitlich inBaden-Württemberg
schon seit zwölfJahren praktiziert
wird.Trager
ist das Land in Zusammenarbeit mit den Kommu¬nen. Ziel des
Programms
ist es, Kindern in„unvollständi¬
gen"
Familiengunstige
psychische
und materielle Entwick¬lungsbedingungen
zu bieten und die alleinlebenden Mutter vomZwang
derBerufstätigkeit
auswirtschaftlichen Grün¬ den zu befreien. Deshalb wird den Muttem in diesemProgramm
wahrend der ersten dreiLebensjahre
des Kin¬ des finanzielleUnterstützung
undsozialpadagogische
Be¬ ratung in Einzel- undGruppenarbeit angeboten.
Immerwiederkehrende und in der
Beratung
zu bearbei¬tende Probleme der Frauen sind
Erziehungsschwierigkei¬
ten mit den
Kleinkindern,
ihr Selbstverstandnis als allein¬erziehende Mutter und die damit verbundenen Probleme
sowie die
Partnerprobleme,
aber auch ihre Position ge¬genüber
der Herkunftsfamilie und derGesellschaft.Zur
Einfuhrung
schildern wir ein ehertypisches
Fallbei¬spiel
aus der Einzelfallhilfe in diesem Mutter-Kind-Pro¬gramm.
Ingrids
Eltern ließen sich scheiden als sie achtJahre
altwar. Sie hat noch drei Schwestern. IhreGroßmutter mütterlicherseitswar nitverheiratet, siezogauchdreiTöchter
groß. Ingrid
F.hat keinenHauptschulabschluß
Nach der Schule arbeitete sie alsHaushaltspraktikantin,
bis sie mit 16Jahren schwanger
wurde.VomKindesvatertrenntesiesich bereitswahrend der
Schwanger¬
schaft Mit 18Jahren bekam
Ingrid
ihre zweiteTochtervon ei¬nem anderen Mann,von dem sie sich kurz nach derGeburt des
Kindestrennte.Nach ihrerLebenseinstellungerhaltsiesich durch
die
Trennungen
vonden Kindesvatcrn rhre .Freiheit'.Ingrid
haltsich noch fürzujungfüreinefeste
Bindung.
Vorihremdreißig¬
sten Lebensjahrmöchte sie sich auf keinen Fall binden. Männer
bedeuten fursieArbeit,
Einschränkung,
undsie „schmutzen".2 Die
Problemlage
deralleinerziehendenMütter 1985 waren 7% der HaushalteEinelternfamilien,
unddie Zahl istweiterhin
steigend
(Peukert, 1989).
90% derEinelternfamilien bestehen aus alleinerziehenden Muttern
und einem bzw. mehreren
Kindern,
zum Teil von unter¬schiedlichen Vätern. Eine Zahl aus den USA weist aus,
daßneun von 10 Frauen aus diesen Einelternfamilien mit
ihrem/ihren Kindern noch bei ihrer Mutter leben
(Mas¬
nick und Bane,
1980).
Die Hälfte aller amerikanischenKinderunter 18
Jahren
leben drei bis fünfJahre
in einerFamilie,
in der die Mutter allein erzieht. Die meisten Einelternfamilien entstehen nachScheidung
oder Tren¬ nung, viele dieserLebensformen sindnurvorübergehender
Natur. Der
geringere
Teil der Mutter bleibt von Geburtdes Kindes an
alleinstehend,
manche ein Lebenlang.
Trotz derzunehmenden
Häufigkeit
von Einelternfami¬lien sind diese Familien weiterhin
stigmatisiert.
Alleiner¬ziehendeMutterhabenes in ihrem
gesellschaftlichen
Um¬feld besonders schwer. Anders als die alleinerziehenden
Vater,
die wegen ihres,Mutes',
ein Kind zu versorgen,bewundert
werden,
fuhien sich die Frauen immer nochgesellschaftlich
geachtet
undbenachteiligt.
Oftbekommen sie zuhören,
daß sie sich selbst in dieseLage
gebracht
haben.Sie übernehmen meistensdie
allgemeine Erwartung
von unzureichender
Leistung
und fuhien sich alsVersage¬
rinnen,
nicht imstande eine Familie zugründen
und bei¬ sammenzuhalten,
obwohlsiesehr vielVerantwortung
furdas Kind und die Familie tragen.
Die Situation der alleinerziehenden Mutter wird durch den ökonomischen Druck noch verschärft. Im
Gegensatz
zu den alleinerziehenden
Vätern,
die meistens Geld ver¬dienen und fur die Obhut des Kindes
Mutterfiguren
wie eineTante,
die Oma oder eine Haushaltshilfebemuhen,
verfugt
diealleinerziehende Mutteruberwenig
Geld. Ent¬ weder wird sievom VaterdesKindes odervom Sozialamtoder von beiden unterstutzt. In
jedem
Fall muß sie sich mit demNotdurftigsten
abfinden. Fur sie ist es auchunwahrscheinlich,
furdie Obhutdes Kindes einen Ersatz¬vater zu finden. Es verwundert also
nicht,
daß dieseEinelternfamilien sozial schwacher dastehen als alleiner¬
ziehende Vater mit Kindern. Diese Tatsache wirkt sich
ebenfalls
negativ
auf dieEinstellung
derUmgebung
aus.und ihrer Kinder ist oft so
ärmlich,
daß sie sich wegendieserVerhältnisseschämen. Darunter leidetnichtnurdas
Selbstwertgefuhl
der Mutter.Eigentlich
spürtdie gesamte Einelternfamilie dienegative
Sicht derGesellschaft,
wasdazu
beiträgt,
daß sich diese Familien wieRandgruppen¬
familien isoliert fühlen und auch
entsprechend
behandeltwerden.
Diebesondere Situation der
Frauen,
als Alleinerziehen¬ de die Last desFamilienalltags
alleine tragen zu müssen,und die
negative
SichtderUmgebung
führen zu der Ge¬fahr,
daß sich die alleinerziehende Mutter sehr schnellüberfordert fühlt.
Schwierigkeiten
inderPartnerschaftmit demKindesvater, unglückliche Trennungen
verbunden mit demGefühl,
verlassen worden zusein,
dieEmpfindung,
von deneigenen
Eltern verurteiltzuwerden,
kommen alspsychische
Stressoren hinzu. DieVerhältnisse,
die zurKonstituierung
der Einelternfamilieführen, entsprechen
einer akuten Krisensituation. Allzu oft bleibt diese Krisechronisch und kann nurmit Mühe
bewältigt
werden.Das
Stigma
dieser Einelternfamiliengründet
sich vorallem aufdie Abwesenheit desVaters. Freilich muß davor
gewarnt
werden,
lediglich
dieMängel
in diesen Familien¬ modellen zusehen,
z.B. sie alsunvollständige
oder zer¬brochene Familien zu betrachten. Die feministische Fami¬
lientherapie
(z.B.
Goodrichetal.,
1991)
weist mitRecht daraufhin,
daß die Mutter-Kind-Lebensform einerdop¬
pelten Stigmatisierung
anheimfällt. Indiesen Familienkon¬ stellationengibt
es nicht nur einen Erwachsenen stattzwei,
darüber hinaus ist dasFamilienoberhaupt
keinMann,
sondern eine Frau. DasArgument
ist,
daß dieGesellschaft nicht willens
ist,
eine Frau in der für den Mann reserviertenunabhängigen
und selbstverantwortli¬chen Position anzuerkennen.
Diese
schwierigen
Lebensbedingungen
tragen dazubei,
daß die alleinerziehenden Mütter und ihre Kinder höherepsychosoziale
Belastungen
zu ertragen und zuverarbeitenhaben. Die Mehrzahl kommt mit dieser Situation allein oder mitHilfe der Familie zurecht. Nur
einige
von ihnenwendensich inihrer Notanstaatliche
Einrichtungen,
z.B.das
Mutter-Kind-Programm.
3
Forschungsergebnisse
Wegen
derStigmata
und der krisenhaftenÜberforde-rungssituation
ist es nichtverwunderlich,
daß man in derForschung
davonausgeht,
daßdie Kinder in diesen Fami¬ lien einem besonderen Risiko hinsichtlich ihrerpsychi¬
schenEntwicklung
ausgesetzt sind. Dergrößte
Teil derForschung
bezieht sich auf die vermutete höhere Präva¬ lenz vonpsychischen
Erkrankungen
bei diesen Kindern.Die
Ergebnisse
sindjedoch
uneinheitlich.Inbezug
aufdieAnpassungsfähigkeit,
denIQ
und die schulischen Leistun¬ gen schneiden die Kinder in verschiedenen Studiengleich
gut ab wie Kinder aus sog.
„vollständigen"
Familien. Al¬lerdings
ergaben
sich zwei Unterschiede in einer Literatur¬ übersicht von Cashion(1982).
Zum einen sind die Mäd¬chen der alleinerziehenden Mütter
unabhängiger
undscheinbar
lebenstüchtiger
als Mädchen aus Familien miteinemVater, zum anderen
zeigen
Kinderaus Familien mitnureiner Mutter
weniger
Selbstbewußtsein.Gerade dieses letzte
Ergebnis
könnte den Zusammen¬hang
zuErgebnissen
aus derepidemiologischen
For¬schung
herstellen. Die meistenepidemiologischen
Studienhaben sich mitden
psychischen
undkörperlichen
Gesund¬heitsschäden bei Kindern
beschäftigt,
deren Eltern sich scheiden ließen(vgl.
Lehmkuhl,
1991). Relativwenige
Arbeiten konzentrierten sich aufjene Kinder,
die vonAnfang
an mit einem Elternteil aufwuchsen. Ferguson etal.
(1981)
beschreiben,
daßgerade
diese Kinder den ge¬ringsten
Gesundheitsstandard aufweisen und die höchsten Morbiditäts- und Krankenhausaufnahmeraten im späteren Lebenzeigen.
Sack et al.(1985)
fandenheraus,
daß aus¬geprägte
körperliche
Bestrafungen
zweimal sohäufig
beialleinerziehenden Eltern vorkommen als in
vollständigen
Familien. Dabeispielt
es keineRolle,
ob es sich umalleinerziehende Mütter oder Väter handelt. Barocas et
al.
(1985)
stelltefest,
daß ein alleinerziehenderElternteil einerder sechs amhäufigsten
auftretenden Risikofaktorendarstellt,
wasdiepsychische
Gesundheitdes Kindes anbe¬trifft. Die
epidemiologischen
Studien von Schepank(1987)
bestätigen
dieseErgebnisse,
siezeigen allerdings
auch,
daß das Fehlen des Vaters allein keinenpathogene¬
tischenEinfluß aufdie
Entwicklung
ausübt.DieserBefundistnichtunumstritten: Blanzet al.
(1986)
fanden,
daß dieAbwesenheit einer
Vaterfigur
zu antisozialem Verhaltenbei Knaben führen kann.
Moilanf.n und Rantakai.lio
(1988)
führten eine Unter¬suchung
in Nordfinnland durch. In diesem Gebiet wurden rund 12000 imJahr
1966geborene
Kinderkatamnestisch untersucht. 2088 Kinder lebten inEinelternfamilien,
wäh¬ rend 8935 Kinder in„vollständigen"
Familien aufwuch¬sen. Diese beiden
Gruppen
wurden miteinander statistischverglichen.
ZumVergleich
herangezogen
wurden die Dia¬ gnosen vonKindern,
die in den Kinderkrankenhäusernaufgenommen
wurden. Die Einelternfamilien konnten in vierGruppen
aufgegliedert
werden:(1)
Das Kind wurde von einerunverheirateten Mutter ge¬boren,
die bei den späterenNachuntersuchungen
(z.B.
als das Kind 14Jahre
altwar)
verheiratet war.(2)
Die Mütter blieben unverheiratet.(3)
Entweder die Mutter oder der Vaterverstarb,
bevor das Kind 14Jahre
altwar.(4)
Die Eltern ließen sichscheiden,
bevor das Kind 14Jahre
altwar.Es stellte sich
heraus,
daßpsychiatrische
Störungen
(z.B.
neurotischeStörungen, Persönlichkeitsstörungen,
Suchtverhalten,
psychosomatische
Störungen,
Stottern,Eßstorungen,
Verhaltensstörungen
usw.) bei Knaben vonEinelternfamilien
signifikant
häufiger
auftraten,
wennüber alle
Gruppen
gerechnet
wurde. Alle Kinder unterlie¬ gen einem drei- bis viermal höheren Risikoanpsychischen
Störungen,
wenn sie während ihrer Kindheit konstant beinureinem Elternteil leben. Rund ein Drittel der
psychia¬
trischen
Störungen
wirddurch dieSymptomatik
der Enu¬ resiserklärt,
diese tritt wiederum amhäufigsten
bei dengeschiedenen
Familienauf,
während die anderenTypen
Tab.1:
Sozidemographische
DatenderalleinerziehendenMütterPersönlicheDaten Alleinerziehende Mütter
n = 52
mit
Beziehung
zumKindesvatcr
n = 31
ohne
Bezrehung
zumKindesvater n = 19 Alter 28 29 26 Familienstand
ledig
geschieden
40 12 24 7 15 4 Kinderzahl eins zwei drei 42 6 4 25 4 2 16 2 1Schulabschluß
ohneSchulabschluß Volksschule Realschule Abitur keineAngaben 6 19 14 12 1 4 10 9Ausbildung
ohne Lehrabschluß 20 mitLchrabschluß 23 Meister 7 Fachhochschulabschluß 1 Hochschulabschluß 1 13 10 7 7 11 0 1 0der Einelternfamilien in diesem Fall keine
signifikante
Erhöhung
aufweisen.Diejenigen Kinder,
die anpsychia¬
trischen
Störungen leiden,
tragen auch das höchste Risi¬ko,
ebenfalls eine Enuresiszu bekommen. In dieser Studiezeigte sich,
daß dasRisiko,
aneinerpsychischen
Störung
zu
erkranken,
fürjene
Kinder am höchstenist,
die indichter besiedelten
Gegenden,
meistens also den Gro߬städten,
wohnen.4 Der
Untersuchungsansatz
Die
Ergebnisse
dieser Studien unterstützen dieHypo¬
these,
daßKinder,
die in Einelternfamilienaufwachsen,
ein erhöhtes Risiko an
psychischen
Erkrankungen
aufwei¬ sen. Da es sich meistens um den Vaterhandelte,
derdiesen Familien
abgeht,
sind weitereHypothesen
notwen¬dig,
um denMangel
anIdentifikationsmöglichkeiten
fürdiese Kinderzu erklären.
Aus
psychodynamischer
Sichtbenötigt
das Kind beide Eltern alsLiebesobjekte,
um sich sowohl mit Mutter undVateridentifizieren undspäterim Erwachsenenalter stabi¬ le
gegengeschlechtliche Beziehungen
aufbauen zu können.DerRolle des Vaters für die
psychische
Entwicklung
und insbesondere für dasBindungsverhalten
wird erst in letz¬ter Zeit mehr
Beachtung
geschenkt
(Schwidder,
1967; Fthenakis, 1985;Cierpka, 1992).
Für dasBindungsver¬
haltenspielen
generationsübergreifende
Kontinuitäteneinewichtige
Rolle.Einige
Studien haben dievorhersagbaren
Kontinuitäten zwischen dem
Anpassungsverhalten
der Mutter und ihrenEltern hin zumMutter-Kind-Bindungs¬
verhalten
aufgezeigt
(Grossman
etal.,
1988; Main etal.,
1985; Ricks,
1985).
Unseres Wissensgibt
es bisher keineUntersuchungen,
die sich mit dem internalisierten ungün¬stigen „väterlichen Beziehungsverhalten"
alsgenerations¬
übergreifende
Kontinuitätbeschäftigten.
In der sozialarbeiterischen
Betreuung
der alleinerzie¬henden Mütterkann beobachtet
werden,
daß alleinerzie¬hendeFrauen entweder
gleich
zuBeginn
einerBeziehung
zueinem Mann oder kurznachder Geburtdes Kindes dieBeziehung
zumVater abbrechen.Die in der Herkunftsfa¬milie erlebten und internalisierten
ungünstigen
„väterli¬
chenVerhaltensmuster" scheinen in einer Art
Neuauflage
zu
problematischen
oderkonflikthaftenBeziehungen
zumKindesvater zu führen. Die Interaktion zwischen Mutter
und Vater in der Herkunftsfamilie scheint sich in der aktuellen
Beziehung
zum Kindesvaterzuwiederholen. Beifehlenden
Kompensationsmöglichkeiten
durch relevanteDrittpersonen
in der Kindheit istanzunehmen,
daß dieproblematische Beziehung
zum Vater verstärkt oder zu¬mindestnicht
korrigiert
werden kann.Für eine
empirische Untersuchung
zu diesenFragen
wurden
folgende Hypothesen
formuliert:(1)
Alleinerziehende Mütterschätzen,
imVergleich
zuFrauen der
Normstichprobe, aufgrund
ihres unsiche¬ren
Bindungsverhaltens
die familiärenBeziehungen
inTab.2.. Sozi
odemographische
Daten derHerkunfsfamihen
Herkunftsfamrlie Alleinerziehende mitBczichurig zum ohne
Beziehung
zumMütter Kindesvatcr Kindesvatcr
n = 52 n = 31 n = 19
Geschlecht der Geschwister
nurSchwester 11 4 7
nurBruder 13 8 4
Schwesteru.Bruder 21 14 6
keine Geschwister 7 5 2
Positionder Probandin
inderHerkunßsßamihc Einzelkind 7 5 2 ältestesKind 14 6 7 mittleresKind 15 9 5 jüngstesKind 11 7 4 keineAngaben 5 4 1
Familienstand derEltern
ledig
1 1 0verheiratet 26 18 7
geschieden
24 12 11keineAngaben 1 1
frühere
Ehen derMutterkeine 38 23 13
einmal 9 4 5
zweimal 2 2 0
dreimal 1 1 0
keineAngaben 2 1 1
frühere
Ehen des Vaterskeine 39 27 11
einmal 8 0 7
zweimal 2 2 0
dreimal 1 1 0
keineAngaben 2 1 1
(2)
Frauen ohneBeziehung
zum Kindesvater erleben diefamiliären
Beziehungen
ihrer Herkunftsfamiliedys¬
funktionaler als Frauen mitbestehendenBeziehungen
zum Kindesvater.
(3) Frauen,
die eineBeziehung
zum Kindesvaterhaben,
verfugen
uberVater,
die einegrößere
Kontinuität fur dasBindungserleben
ermöglichten.
5
Stichprobe
VondenzurZeit der
Erhebung
imUlmerMutter-Kind-Programm
aufgenommenen
85 Frauen nahmen 52 an derUntersuchung
teil.Tabelle 1gibt
Auskunft uber diesozio-demographischen
Daten derUntersuchungsgruppe,
die naturlich nicht alsrepräsentativ
furalleinerziehende Mut¬ter
angesehen
werden dürfen. ZurÜberprüfung
unsererHypothesen
wurden die Frauen hinsichtlich der Variablen„Beziehung
zum Kindesvater" in zweiGruppen
- mit und ohneBeziehung
- unterteilt. 2 Frauen machten keine An¬gaben
zum Kindesvater. DieVerteilung
dersoziodemo-graphischen
Daten in den beidenGruppen
ist ebenfallsder Tabelle 1 zu entnehmen.
In der
Gesamtstichprobe
betragt
das durchschnittliche Alter der Frauen 28Jahre (Bereich
19-40Jahre).
41 der Frauen haben einKind,
11 Frauen zwei oder drei Kinder. Die Mutter sindüberwiegend ledig,
12 sind bereits ge¬schieden. Die Hälfte der Frauen hateinen
Hauptschulab¬
schluß,
wobei 6 Frauen uber keineabgeschlossene
Schul¬ausbildung
verfugen,
wahrend die anderen Frauen einenRealschul- oder höheren Abschluß erreicht haben. Die
überwiegende
Mehrzahl der Frauen hat die Schulausbil¬dung
oder die Lehre nichtabgeschlossen.
Nur 9 Frauenhaben eine
Ausbildung
mithöherem Abschluß. Alle Frau¬enwaren zum
Zeitpunkt
derUntersuchung
nicht berufstä¬tig.
DenAngaben
zurHerkunftsfamilie istzuentnehmen,
daß die Eltern der Hälfte der alleinerziehenden Mutter verheiratet
sind,
wahrend die Eltern der anderen Frauengeschieden
sind.Insgesamt
12 Mutter und 11 Vater der Frauen waren schon einmalverheiratet.Abb.1: Das,Familienmodcll', in
Anlehnung
andas,Process Modelof Family
Functioning'von Steinhaueretal. (1984)6 Methoden
Um das Ausmaß der
eingeschätzten
Dysfunktionalität
derHerkunftsfamilie zuerfassen,
wurdeder,Familienein-schätzungs-Bogen'
(FAM,
Family
Assessment Measurevon Skinner et
al.,
1983;vgl.
Cierpka,1987)
eingesetzt.
In diesem
Fragebogen
sindfamilientherapeutisch
relevante Dimensionen als Skalenoperationalisiert.
Im„Allgemei¬
nen
Familienbogen"
wird auf die,Familie
als Ganzes'fokussiert.
Die
Interpretation
derErgebnisse
nehmen wir aufdem theoretischenHintergrund
des sog.,Familienmodells'
vor(Cierpka, 1989),
das eineWeiterentwicklung
des,Family
Categories
Schema'(Epstein
etal.,
1962)
und eine über¬ arbeitete Version des,Process
model offamily
function¬ing'
von Steinhauer und Mitarbeitern(1984)
darstellt.Das
,Familienmodeir
beschreibt dasInteragieren
vonrelevanten
Variablen,
diedieOrganisation
und das Funk¬ tionieren einer Familie erklären können. Es ist am Pro¬blemlöseverhalten orientiert
(s.
Abb.l).
Das Modellgeht
davonaus, daß die Familie -mehrals
jede
andereGruppe
- durchgemeinsame
Ziele verbundenist,
diehauptsäch¬
lich darinbestehen, Entwicklung,
Sicherheit und Autono¬ mie derFamilienmitglieder
inbiologischer, psychologi¬
scher und sozialer Hinsicht zugewährleisten
sowie denZusammenhalt der Familie aufrechtzuerhalten.
Folgende
Dimensionen sind als Skalenoperationalisiert:
(1)Aufigabenerßüllung
(AE)Die
Erreichung
dieserübergeordneten
Ziele setzt die Erfül¬lung
bestimmterAufgaben
voraus,die inhaltlich, jenach Le¬bensphase
derFamilie, unterschiedlich sind.Entsprechend
ist dieanzustrebendeAufgabenbewältigung
als Zieldefiniert.Er¬folgreiche Aufgabenbewältigung
kann stattfinden,wenn zwi¬schenden
Familienmitgliedern
Übereinstimmung
indenbasa¬ len Familienziclcnbesteht.(2) Rollenverhalten (KV)
Eine
erfolgreiche Aufgabenbewältigung
erfordert die Diffe¬renzierung
vonRollen in einer Familie und dieentsprechende
Bereitschaft der
Familienmitglieder,
die ihnenzugeteilten
Rollen zuübernehmen.
(3) Kommunikation(KOM)
Fürdas
Verständigen
überRollenzuweisungen
und -übernah¬men ist ein
möglichst
effektiverKommunikationsprozeß
not¬wendig.
(4) Emotionahtat(E)
Die IntensitätderGefühle,dieEmotionahtat,kann dieKom¬ munikation entwederstörenodererleichtern, undzur
erfolg¬
reichen
Rollenerfüllung
beitragen. (5) AffektiveBeziehungsaußnahme
(AB)Günstigeaffektive
Beziehungen
sind,sowohlwasdasAusmaß (Emotionahtat) als auch dieQualität (affektive Beziehungs¬
aufnahme)
desInteresses dereinzelnenFamilienmitglieder
für einanderbetrifft, ganz entscheidend für eine günstige Fami¬liendynamik.
(6) Kontrolle(K)
Die Kontrolle ist jener Prozeß, mit dem sich die einzelnen
Familienmitglieder
untereinander beeinflussen. Die Familien¬mitglieder
solltenfähig
sein, bestimmte Funktionen zuverläs¬sig
aufrechtzuerhalten,andereineherflexibler WeisezuverŠndern.
(7) WerteundNormen(WN)
Die
gesellschaftlich
vermitteltenWerte und Normen werdenvon derFamilie übernommenund
gehen
in alle diese Dimen¬sionenein.
Im
Allgemeinen Familienbogen
sind 2 zusätzliche Ska¬len,
Soziale Erwünschtheit(SE)
und eine Skala für Ab¬wehr
(A)
enthalten.Insgesamt
umfaßtderAllgemeine
Fa¬milienbogen
50 Items.Zur
Überprüfung
signifikanter
Unterschiede bei unter¬schiedlicher
Skalenausprägung
des FAM zwischen den unverbundenenTeilstichproben
wurde eineVarianzanaly¬
se
(ANOVA)
und der T-Testdurchgeführt,
bei dem dieGruppen
paarweise
miteinanderverglichen
wurden. Zu¬sätzlich wurde der
nonparametrische
Kruskal-Wallis-Testdurchgeführt,
da davon ausgegangen werdenkann,
daß die VariableninnerhalbderGruppen
nurannäherungswei¬
se einerNormalverteilung
entsprechen.
Die
Verteilungen
dersoziodemographischen
Variablen wurden aufsignifikante
Unterschiedezwischen den beidenGruppen
mittels des Fisher-Tests fürdichotome Variablenüberprüft.
7
Ergebnisse
Die alleinerziehenden Mütter
schätzen,
imVergleich
zuFrauen der
Normstichprobe,
die familiärenBeziehungen
in ihrer Herkunftsfamilie alsdysfunktionaler
ein.Alle Werte
liegen
nahe der60-t-score Grenze unddamit fast im Bereich derFamilienprobleme.
Die Kontrolle in der Herkunftsfamilie wird am schlechtestenangesehen.
Zuverlässigkeit
und Kontinuität werden alsproblematisch
eingeschätzt.
Die Frauen ohneBeziehung
zum Kindesva¬Her-kunftsfamihe
dysfunktionaler
als Frauen mit bestehendenBeziehungen
zum Kindesvater.Die Werte inden Skalen
Aufgabenerfüllung,
Kommuni¬ kation und Kontrolleliegen
im Bereich derFamilienpro¬
bleme. Die Werte für diesubjektiv
wahrgenommene
Auf¬gabenerfüllung
unterscheiden sich sinifikant auf dem 5% Niveau.Was ist mit
Aufgabenerfüllung
in der Familiegemeint?
Um diebiologischen,
sozialen undpsychologischen
Zieleverfolgen
zukönnen,
müssendiefolgenden
Entwicklungs¬
aufgaben bewältigt
werden: Die Familie muß diepsycho¬
sozialeEntwicklung
ihrer einzelnenFamilienmitglieder
garantieren;
sie muß Sicherheit und die Autonomie fürjeden
bereithalten und dieAnforderungen
zur Verände¬rung
bewältigen können,
ohne die Kohasion der Familiezu
gefährden.
Wennmanversucht,
die einzelnenKompo¬
nenten voneinander zu trennen, lassen sich eher basale
Aufgabenstellungen
vonEntwicklungsaufgaben
und vonBewältigungsaufgaben
in Krisensituationen unterscheiden.Die basalen
Aufgaben
garantieren
die materielle Versor¬ gung, etwavonEssen,
Schutz,
Gesundheit usw. Die Ent¬wicklungsaufgaben
garantieren
diepsychosoziale
Ent¬wicklung
derFamilienmitglieder entsprechend
der lebens¬zyklischen
Phasen.Krisenaufgaben
stellen sich dannein,
wenn die
Bewältigungsstrategien
der Familieerschöpft
sind und die
Möglichkeiten
zurProblemlösung
undSpan¬
nungsreduktion
nicht mehr ausreichen. Die Familie muß in einer solchen Situationfähig
sein,
ihrebisherigen
Kri¬senbewältigungsmuster
zuüberprüfen
und evtl. zu verän¬dern. Nicht umsonstwird immer wiederdarauf
hingewie¬
sen, daß die
Fähigkeit
einerFamilie,
sichgerade
in Kri¬ sensituationen flexibel an die veränderten Umständeanzupassen, das Ausmaß ihrer
psychischen
Gesundheitkennzeichnet.
Erfolgreiche Aufgabenbewältigung
kannvorallem dann
stattfinden,
wenn zwischen den Familienmit¬gliedern
Übereinstimmung
in den basalen Familienzielen besteht.In den
Ergebnissen
derUntersuchung
drückt sich aus,daß die
Frauen,
die keineBeziehung
zum Kindesvaterhaben,
ihre Herkunftsfamilien alssignifikant
schlechtereinschätzen als die Frauen mit einer
Beziehung.
Sie er¬leben ihre Herkunftsfamilie sehr
problematisch
im Hin¬ blick auf Stabilität und Kontrolle(siehe
Skala für Kon¬trolle).
Was trägt zu dieser
wahrgenommenen
Instabilität undUnZuverlässigkeit
in der Herkunftsfamiliebei? DieAnga¬
ben imFragebogen
zurpersönlichen
Situation der Frauenhelfen bei der
Interpretation
weiter. Wenn die Väter deralleinerziehenden Mütter früher schon einmal verheiratet
waren, dann
liegt
dieWahrscheinlichkeit,
daßdiese Frau¬en keine
Beziehung
zum Kindesvaterhaben,
bei 70%. Beiden
Frauen,
die eineBeziehung
zum Kindesvaterhaben,
liegt
diese Wahrscheinlichkeit bei 30%. Der Unterschied ist statistischsignifikant
auf dem 5%-Niveau. Es scheintalso,
daßFrauen,
die eineBeziehung
zum Kindesvaterhaben,
über Väterverfügen,
die einegrößere
Kontinuitätfürdas
eigene Bindungserleben ermöglichen.
Wenn die alleinerziehende Mutter nur Schwestern als
Geschwister
hat,
ist die Wahrscheinlichkeitgrößer,
daßt: 70 60 50 -40 -30 (n=52) alleinerziehende Mütter
(n=144)
Kontrollgruppe
—i—¦—i—'—i—¦ AE RV KOM -i—¦—i—>—r~ E AB K Skalen 1—i— Y\N -r~ A SEAbb.2:
Vergleich
derErgebnisse
im FAMzwischenden Einschät¬zungender alleinerziehendenMütterundeiner
Narinstichprobc
Skalen:AE=Aufgabcncrfüllung,
RV=Rollcnvcrhaltcn,KOM =Kommunikation, E=Emotionahtat,AB= Affektive
Bczichungsaufnahmc,
K=Kontrolle,WN =Werte und Nor¬men, A=Abwehr, SE=Soziale Erwunschtheit
T-Wertezwischen 40-60= Durchschnittswerte, T-Werte >60 = Problemwerte, T-Werte <60 = Familienstärken
70
40
30
y
p<0.05(n=31) mitBeziehungzumVaterdesKindes (n=19) keine
Beziehung
zumVaterdesKindes "l—¦—i—>—i—'AE RV KOM E AB K V\N
Skalen
SE
Abb.3:
Vergleich
derEinschätzungen
derHerkiinfitsßamiliezwischenderGruppederFrauenmit und ohne
Beziehung
zumKindesvater
keine
Beziehung
zum Kindesvater besteht(64%).
Auchdieses
Ergebnis
ist aufdem 5%-Niveausignifikant.
Wenn Brüder in der Familie vorhandensind,
muß sich die allein¬erziehendeMutternichtnurmit dem
Vater,
sondern auchmit den Brüdern als Vertretern des männlichen Ge¬
schlechts auseinandersetzen. Die Brüder könnten hier als
Kompensationen
für die fehlende oderproblematische
Identifizierung
mit einemunzuverlässigen
Vaterbild zurVerfügung
stehen. DasErgebnis
deutet daraufhin,
daßgerade
bei fehlendenKompensationsmöglichkeiten
durchrelevante
Drittpersonen
in der Kindheit diegenerations-übergreifenden
ungünstigen
„väterlichen
Verhaltens¬muster" verstärktwerden.
Vandenhoeck&Ruprecht (1992)
8 Diskussion
Die
Ergebnisse
und dieInterpretation
dürfen nichtver¬allgemeinert
werden. DieStichprobe
rekrutiert sich auseiner sog.
,Inanspruchnahme-Klientel'.
In die Untersu¬chung einbezogen
wurden nurjene
Mütter,
die sich ent¬schlossen,
amMutter-Kind-Programm teilzunehmen,
d.h.drei
Jahre
auf eine Arbeit zu verzichten und beim Kindzuhausezu bleiben. Aus diesen Gründen sind die alleiner¬
ziehenden Mütter im
Mutter-Kind-Programm
sicher nichtrepräsentativ
für das Gesamt der Einelternfamilien. Diesgilt auch,
obwohl dieStichprobe
sowohl ausledigen
alsauch aus
geschiedenen
Frauen zusammengesetzt ist. DerAltersmittelwert
(28
Jahre)
läßterkennen,
daß die Frauen in die von Moilanen und Rantakallio(1988)
gebildeten
vier
Gruppen zugeordnet
werden können. Auch dieSchichtzugehörigkeit
derFrauen istkeineswegs schief,
sodaß die
Ergebnisse
nichtnurfüreine sozial sehr schwachzu kennzeichnende
Untersuchungsgruppe
relevant sind.Bei den Müttern in dieser
Stichprobe
handeltes sichumFrauen, die sowohlin relativ
jungem
Alter alsauchbereits nach einererstenEheund derenScheidung
dieBeziehung
zum Kindesvater abbrachen bzw. aufrechterhielten.Auchstatistisch erhielten wir keinen
Zusammenhang
zwischen der Lebenssituation der Frau und ihremBindungsverhal¬
ten. Statistisch
signifikante
Zusammenhänge
fanden wirjedoch
zwischen den in der Herkunftsfamilie erlebtenBeziehungen
und demjetzigen
Bindungsverhalten.
In den
Ergebnissen
derUntersuchung
drückt sich aus,daß die Frauen, die keine
Beziehung
zum Kindesvaterhaben,
ihre Herkunftsfamilien alssignifikant
schlechtereinschätzen als die Frauen mit einer
Beziehung.
Sie erle¬ ben ihre Herkunftsfamilie sehrproblematisch
im HinblickaufStabilität und Kontrolle. Diesscheint
überwiegend
mit derwahrscheinlichalsmangelhaft
erlebtenBindungsfähig¬
keit des Vaters zu tun zu haben. Das
Ergebnis,
daßFrauen, die eine
Beziehung
zum Kindesvaterhaben,
überVäter
verfügen,
die einegrößere
Kontinuität fürdaseige¬
ne
Bindungserleben ermöglichen, legt
dieseSchlußfolge¬
rung nahe. Auf
tragische
Weise wiederholt sich für diealleinerziehende Mutter die Instabilität in der Ehe ihrer
Eltern in ihrer
eigenen
Partnerschaft. Ihr Kind wächst in einerähnlichenBeziehungskonstellation
aufwie sieselbst. Die Annahmen derMehrgenerationen-Familientherapie
(Sperling,
etal.,
1982),
daß sichdieunbewußten Konflik¬ te über Generationenhinweg fortsetzen,
werden durchdiese
Ergebnisse
unterstützt.Die
Beziehung
zur Mutteroderzum Vaterwurde nichtuntersucht.Die im
Fragebogen
erhobenenEinschätzungen
bezogen
sich auf die gesamte Herkunftsfamilie. Daß dieBeziehung
zur Mutter als sehrproblematisch
erlebt wur¬de, geht
nicht aus den Daten hervor. Die zeitlich undemotional
aufwendige
Betreuung
der alleinerziehendenMütter bot
jedoch
Gelegenheit,
diesubjektive
Erfah¬rungswelt
zwischen den alleinerziehenden Frauen und de¬ren Mütterzu beobachten.Viele dieser
Beziehungen
müs¬sen als ambivalent und schwer belastet beschrieben wer¬
den. Ob die Väter als Korrektiv für diese
Beziehung
versagten oder allein durch ihreigenes
Bindungsverhalten
die
Beziehungen
der alleinerziehenden Mütter zu Män¬nern
erschwerten,
kann durch unsereUntersuchung
nichtbeantwortet werden.
Die
Möglichkeit
derBeziehungsaufnahme
einerTochterzu männlichen
Familienmitgliedern
scheint für die Iden¬tifizierungen
mit einer an Partnerschaft interessiertenMutter wesentlichzusein. Fürdas
Eingehen
undAufrech¬terhalten von späteren heterosexuellen
Beziehungen
mußeineTochter offenbar
genügend
,gute und sichere' Erfah¬rungen mit männlichen
Familienmitgliedern
machen kön¬nen. In unserer
Untersuchung
erhielten wir einen Hinweisfür die Relevanz dieser
Identifizierungen:
Wenndie allein¬ erziehende Mutter auch einen Bruder in der Herkunfts¬ familiehatte,
ist die Wahrscheinlichkeitgrößer,
daß eineBeziehung
zum Kindesvater bestehen bleibt. Die Brüderkönnten hier als
Kompensationen
für die fehlende oderproblematische
Identifizierung
mit einemunzuverlässigen
Vaterbild zurVerfügung
stehen. DasErgebnis
könntedarauf
hindeuten,
daßgerade
bei fehlendenKompen¬
sationsmöglichkeiten
durch relevanteDrittpersonen
inderKindheit die
generationsübergreifenden
ungünstigen
vä¬terlichen
Beziehungsmuster
verstärktwerden.Unsere
Ergebnisse
können mit den Studien aus derentwicklungspsychologischen
Literaturverglichen
werden. Die Relevanz derentwicklungspsychologischen
For¬schungsergebnisse
fürunsere Studiegeht
aus denErgeb¬
nissen aus dem
Forschungsbereich
derPsychopathologie
hervor. Anhandvon Bowlbys
(1973)
Theoriedes„Attach¬
ment" weist Emde
(1988
a,b) nach,
daßabgewehrte
schmerzhafte Affekte bei
Bindungsinstabilitäten
einegroße
Rollespielen.
Erzitiert diegegenwärtige
Literatur übergenerationsübergreifende
Kontinuitäten im unsiche¬ren
Bindungsverhalten.
DasBindungsverhalten
zwischen der Mutter und ihren Eltern erfährt eineFortsetzung
imMutter-Kind-Bindungsverhalten.
Mit anderen Worten:Aufgrund
der internalisiertenungünstigen
„mütterlichen
Verhaltensmuster" aus dereigenen
Geschichte stellt eineMuttereineunsichere Basis für ihr
eigenes
Kind dar. Falls esjedoch
zuUnterbrechungen
in diesen genera¬tionsübergreifenden
Musternkommt,
stellt sich die Situa¬ tion anders dar. In verschiedenen Studien(Grossman
etal.,
1988; Main etal.,
1985; Sroufe undFleeson, 1985)
konnte
gezeigt werden,
daß die Ausnahmen in den obenbeschriebenen
Mutter-Kind-Beziehungen
mit dem Erleben der frühkindlichen Situation der Mütter verbunden sind.Ähnlich
wie bei den anderen Müttern werden zwarwidri¬ge Umstände in der frühen
Mutter-Kind-Beziehung
be¬schrieben,
allerdings
werden diedazugehörigen
Affektevon diesen Müttern nicht
abgewehrt.
Wenn also eine ge¬nerationsübergreifende
Kontinuitätbesteht, verleugnen
die Mütter eher dieungünstige
frühere mütterliche Be¬treuung und
neigen
dazu,
ihre Eltern zu idealisieren. Wutwird nicht
ausgedrückt.
Wenndagegen
eine Unterbre¬chung
in diesemgenerationsübergreifenden
Mechanismusvorkommt,
idealisieren diese Mütter ihreEltern nicht undwehren auch dieschmerzhaften Affektein diesem Zusam¬
menhang
nicht ab. Sroufe und Fleeson(1985)
habenherausgefunden,
daß meistens eine dritteBeziehung
dafür verantwortlichgemacht
werdenkann,
daß eineUnterbre-chung
in dieser Kontinuität eintritt. Entweder hat dieseBeziehung
dazubeigetragen,
daßein emotionalverfügba¬
rer alternativer Elternteil in der Kindheit anwesend war
oder eben eine
psychotherapeutische Beziehung
vorhan¬ den ist. Dann wäre derTherapeut
der„unterbrechende
Dritte".Die
Ergebnisse
unsererUntersuchung
weisen daraufhin,
daß der dasgenerationenübergreifende
Instabilitäts¬muster
,unterbrechende
Dritte' derVater oder derBruderin der Herkunftsfamilie sein könnte. Fürdie aktuelle Be¬
ziehung
der alleinerziehenden Müttergilt
dasgleiche:
Einegroße
Rollespielen supportive partnerschaftliche
Be¬ziehungen
mit dem Kindesvater oder einem anderenMann,
die zurUnterbrechung
dergenerationsübergreifen¬
den
ungünstigen
Musterbeitragen.
Leiderwerden die Be¬ziehungen
zu enttäuschend erlebten Männern von einemTeil der Frauen auchaus neurotischenGründen unbewußt
gesucht,
um die mit dergewünschten
Beziehung
verbun¬ denenheftigen
Affekte(z.
B.derSehnsucht,
Wut,
Trauer)
abzuwehren. Die
Bemerkung,
,Männer
schmutzennur',
muß als Selbstschutz verstanden werden.
Aufgrund
dereigenen
innerenUnordnung
muß eine engeBeziehung
zueinem Mann vermieden
werden,
um nicht erneut ent¬täuscht zu werden. Zu wünschen ist den
Frauen,
daß sieden
Zyklus
der neurotischenWiederholungen
in Bezie¬hungen
mitMännern,
dieaufgrund
der internalisiertenheterosexuellen
Erfahrungen
undderabgewehrten
Affektegemacht werden,
im Kontextvon neuenErfahrungen
mit einem Partnerdurcharbeiten und verändern können.Summary
"MenMake But Dirt"-A
Study
onSingle
Educating
Mothersin a
Mother-And-Child-Progamme
This paper dealswith social casework of
single-parent
mothers
partieipating
in a'mother and child' programmein Ulm. The social workers realized that these mothers
frequently
leave the childrens' fathersimmediatly
after thebirth of the
baby
or soon after. Therelationships
ofthemothers with their partners and their families of
origin
were studied
by questionnaires.
The authors find thatthosewomenwhobroke the
relationships
tothe childrens' fathersjudge
their families oforigin
assignificantly
moredysfunctional
asthose mothers who havebeenrelating
totheirpartners,ltis assumedthat the
single
parent motherssuffer from insufficient internalizations with their own
fathers in
regard
to attachment behaviour.Tragically
these women repeat the
instability
of theirparents'
mar-riages
in theirownpartnerships.
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Max-Born-Rr'ng5, 3400 Göt¬tingen.