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Die Familie in der DDR und ihr Einfluss auf die Mutter-Kind-Beziehung

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Academic year: 2021

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zur Erlangung des akademischen Grades „Bachelor of Arts“ (B. A.)

Die Familie in der DDR und ihr Einfluss auf die

Mutter-Kind-Beziehung

vorgelegt von

Maria Perlet

Betreuer

Dr. Jutta Helm

Prof. Dr. Claudia Nürnberg

urn:nbn:de:gbv:519-thesis2020-0482-5

Studiengang Soziale Arbeit· Hochschule Neubrandenburg · Sommersemester 2020

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1 Einleitung 1

2 Die Sozialisierung im Kindesalter 2

2.1 Die primäre Sozialisierung . . . 4

2.2 Die sekundäre Sozialisierung . . . 7

2.3 Phasen der Persönlichkeitsentwicklung (0-6 Jahre) . . . 9

2.3.1 Urvertrauen gegen Urmisstrauen- Säuglingsalter . . . 11

2.3.2 Autonomie gegen Scham und Zweifel-Kleinkindalter . . . 11

2.3.3 Initiative gegen Schuldgefühle-Spielalter . . . 12

2.4 Die Bindungstheorie . . . 13

2.4.1 Mutter Kind Beziehung in der perinatalen Phase . . . 15

2.4.2 gestörte Mutter-Kind-Beziehung . . . 17

3 Die Familie und Gesellschaft in der DDR 20 3.1 Die sozialistische Familie . . . 22

3.2 Das Rollenverständnis in der DDR . . . 25

3.3 Mütter zwischen Familie, Beruf und Krippe . . . 27

3.4 Die Kinderkrippe in der DDR . . . 28

3.5 Folgen der frühen Fremdbetreuung . . . 31

4 Zusammenfassung 34

Literatur 37

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1 Einleitung

Die vorliegende Bachelorarbeit mit dem Titel, ”Die Familie in der DDR und ihr Einfluss auf die Mutter-Kind-Beziehung” beschäftigt sich vorrangig mit der For-schungsfrage, welchen Einfluss der frühe berufliche Wiedereinstieg der Mutter auf die Mutter-Kind-Beziehung hatte. Diese Frage wird im Verlauf der Arbeit immer wieder miteinbezogen und zum Schluss in der Zusammenfassung beantwortet. Ver-schiedene Autoren stellen in ihren Veröffentlichungen dar, wie die Familie in der DDR lebte, welche Hürden Frauen bewältigten mussten, um anerkannt zu werden und wie es den Kindern in der Krippe ging, wenn die Mutter wieder früh ins Be-rufsleben zurückgekehrt ist.

Im ersten Kapitel soll verdeutlicht werden, wie sich ein Mensch innerhalb der Fami-lie zurechtfindet und welche Voraussetzungen er mitbringt, um ein eigenständiges Individuum zu werden. Das alles beruht auf dem Thema Sozialisierung im Kindesal-ter. Rein wissenschaftlich geht es vor allem darum, was die soziale Realität für uns bereithält, damit wir als Individuum existieren können. Denn schon in der Schwan-gerschaft beginnt die Mutter-Kind-Beziehung und die ersten Grundsteine werden gelegt. Damit ein Kind überhaupt überleben kann, ist es auf eine Bezugsperson an-gewiesen, diese Bindung durchzieht sich durch das ganze Leben und spiegelt die primäre Sozialisierung wider.

Des Weiteren beschäftigt sich die Arbeit damit, wann ein Kind welche Persönlich-keitsphasen erlebt und wie diese sich im weiteren Verlauf des Lebens auf die Mutter-Kind-Beziehung auswirken, wenn die Kinder früh in die Krippe gegeben worden sind. Im ersten Kapitel wird mit Bezug auf verschiedene Bindungstheorien auch darauf eingegangen, wie sich eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung entwickeln kann.

Im zweiten Kapitel wird auf das Thema eingegangen, wie die Familie in der DDR ge-lebt hat und welche Rolle ein jedes Familienmitglied in der Gesellschaft einnimmt. War es wirklich so, dass die Frau mit Familie, Beruf und Krippe oftmals alleine dastand? Um diese Frage zu beantworten, gibt es einen Einblick in die Folgen der frühen Fremdbetreuung. Ab wann gingen Kinder in die Krippe und welchen Einfluss hat der Staat DDR auf die Kindererziehung gehabt? Das Kapitel endet mit einen Einblick darin, wie es in der Krippe früher gewesen ist und wie die Erzieherinnen im Alltag mit den Kindern umgegangen sind und ob das sozialistische Bildungswesen immer zum Wohle des Kindes gehandelt hat. Die Arbeit endet mit einem abschlie-ßenden Fazit und mit einer einschätzenden Beantwortung der Forschungsfrage.

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2 Die Sozialisierung im Kindesalter

Um sich mit dem Thema Sozialisierung im Kindesalter weiter auseinandersetzen zu können, muss vorab erklärt werden, ”was Sozialisation ist”. In einer wissenschaftli-chen Definition geht es vor allem darum, die soziale Realität so genau wie möglich zu bezeichnen. Laut einer Formulierung in der Sozialisationsforschung kann Sozialisati-on so definiert werden, dass ein Prozess der durch die Entstehung und Entwicklung der Persönlichkeit durch wechselseitige Abhängigkeit von der gesellschaftlichen so-zialen und materiellen Umwelt vorrangig ist. Das heißt, dass die Gesamtheit aller Umweltfaktoren Einfluss auf das Individuum nehmen. (Tillmann 2010, S. 15) Sozialisierung hat immer etwas mit Veränderungen zu tun. Hierbei soll die reale Realität angesprochen werden. Dabei soll geklärt werden, welche Gegebenheiten wie Ereignisse, Faktoren und Prozesse eine Rolle für die Entwicklung des Kindes spielen. Dieser Prozess soll als Entstehung und als Entwicklung der eigenen Persönlichkeit in wechselseitiger Abhängigkeit von den gesellschaftlichen und vermittelten sozialen und materiellen Umwelteinflüssen dienen. Im Vordergrund steht die Frage, wie sich ein Mensch zu einem gesellschaftsfähigen Individuum entwickelt kann. Denn die Ge-samtheit der Umwelteinflüsse nimmt einen großen Stellenwert für die Entwicklung eines Menschen ein. Die elterliche Erziehung, die Prägung der Schule und anderer Institutionen haben eine große Bedeutung dafür, wie sich ein Kind im Laufe des Lebens entfaltet. Die Verhaltensweisen Wissen, Werthaltung und Sprache werden somit an den Tag gelegt. Auch die inneren Prozesse wie Gefühle, Zustände und Motivation spielen dabei eine Rolle. (Zimmermann 2006, S. 14)

Entwicklung, Erziehung und Sozialisation sind die drei Faktoren, die uns zu einem Mitglied der Gesellschaft machen.

Die Entwicklung eines Menschen hat immer mit Veränderungen zu tun, in de-nen Reifung und Lerde-nen miteinander verbunden sind. Als Reifungsprozess sind die Bereiche der Entwicklung gemeint, wie das Wachstum, Größe und Gewichtszunah-me des Körpers bzw. der Körperteile. In diesem Bereich sind Erfahrungs-, Übungs-und Lernmöglichkeiten isoliert. Werden erfahrungsabhängige Bestandteile mit auf-genommen, wird vom Lernen gesprochen. Der Entwicklungsprozess vollzieht sich in mehreren Stufen und Phasen. Die Betonung liegt hierbei auf Konzentration und auf den wesentlichen Eigenschaften vom Menschen, wie Motorik oder Sprache.

Erziehung erfasst eine bestimmte Situation zwischen Kindern und Erwachsenen. Dabei ist immer von einer wechselseitigen Beeinflussung auszugehen. Es steht fest, dass der Erwachsene mehr Erfahrungen hat und in einer stärkeren Position ist als das Kind, dennoch sollten Verhalten und Handlungen an das Kind angepasst wer-den. Daher ist Erziehung immer als Interaktionsprozess zu sehen. Durkheim, ein

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französischer Soziologe, sagt, sie werde als methodische Sozialisation gesehen. Es geht in der Erziehung um bewusste und geplante Einflussnahme auf das Kindes. Sozialisation wird als Prozess der Entstehung und Entwicklung der Persönlichkeit in Abhängigkeit der sozialen und materiellen Umwelt verstanden. Die Betonung liegt hier darauf,wie ein Mensch Mitglied der Gesellschaft wird. (Zimmermann 2006, S. 14-15)

Nach der Begriffsbestimmung Durkheims bringt jeder Mensch von Geburt an die notwendigen Eigenschaften mit, um gesellschaftsfähig zu werden. Ein Säugling muss sich in seiner Persönlichkeit erst entwickeln. Das bedarf Hilfe, denn er muss erst dar-auf vorbereitet werden, er muss sozialisiert werden. Die Kinder sind nicht als eine Art Schwamm anzusehen, die alles aufsaugt, was an Einflüssen angeboten wird. Sie sind vielmehr aktive und veränderungsfähige Subjekte. Sie bestimmen ihre Soziali-sation mit, denn nur so können sie gesellschaftliche und handlungsfähige Menschen werden.

”Hurrelmann definiert Sozialisation als einen Prozess, „(. . . ) in dessen Verlauf sich der mit einer biologischen Ausstattung versehene menschli-che Organismus zu einer sozial handlungsfähigen Persönlichkeit bildet, die sich über den Lebenslauf hinweg in Auseinandersetzung mit den Le-bensbedingungen weiterentwickelt. Sozialisation ist die lebenslange An-eignung von und Auseinandersetzung mit den natürlichen Anlagen, ins-besondere den körperlichen und psychischen Grundmerkmalen, die für den Menschen die „innere Realität“ bilden, und der sozialen und physi-kalischen Umwelt, die für den Menschen die „äußere Realität“ bilden.“ (Zimmermann 2006, S. 15)

Das Zitat sagt aus, dass die Sozialisierung nicht mit einem Abschnitt im Leben zu Ende ist, das ganze Leben lang eignen wir uns soziale Kompetenzen an bis zum Tode. (Zimmermann 2006, S. 15)

Primäre Sozilisation

FAMILIE

¬Pflege und Erziehung Emotionale Stabilität KIND Sekundäre Sozilisation SCHULE ¬Selektion/Qualifikation¬ Integration ¬SCHÜLERIN

Abbildung 1: Kinder als Grenzgänger zweier Systeme

Abbildung 1 soll verdeutlichen, worum es in der Sozialisierung im Kindesalter ge-nau geht. Denn Sozialisierung wird in primäre und sekundäre Sozialisation aufgeteilt. Wenn die primäre Sozialisierung eines Kindes nicht positiv verläuft, schlägt sich dies negativ auf die sekundäre Sozialisation wieder. Der Grundstein, der gelegt werden

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sollte, ist nicht vorhanden und wird im weiteren Verlauf immer wieder zu Unstim-migkeiten mit der eigenen Persönlichkeit führen. Wie in der Abbildung zu sehen ist, geht es in der primären Sozialisation darum, welche Personen für eine gelungene Sozialisierung wichtig sind, damit es gelingt, in der Gesellschaft Fuß zu fassen. Dies fängt schon in der perinatalen Phase an, worauf im Kapitel 2.4.1 näher eingegangen wird. Im Kapitel 2.1 wird die primäre Sozialisation näher beschrieben. Die sekun-däre Sozialisation wird im Kapitel 2.2 beschrieben, welche Institutionen wichtig sind für die Sozialisierung eines Kindes.

2.1 Die primäre Sozialisierung

Familien sind seit jeher die Instanz der Sozialisierung. Als feinfühlige soziale Sys-teme sind sie geeignet, um Einflüsse der äußeren Realität zu filtern und auf per-sönliche Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Denn die Familie ist meist die frühste und nachhaltigste Prägung der Persönlichkeit eines Menschen und wird als primäre Sozialisierung bezeichnet. (Hurrelmann 2006, S. 127)

Die primäre Sozialisierung versteht sich als dialektischer Prozess. Die Gesellschaft wird sowohl als objektive als auch subjektive Wirklichkeit betrachtet. Der Prozess besteht aus drei Komponenten: Externalisierung1, Objektivation2 und Internalisie-rung 3.

”Als gesamtgesellschaftlichen Phänomen sind die drei Komponenten nicht etwa im Sinne einer Aufeinanderfolge in der Zeit vorzustellen. Sie sind vielmehr simultan für die Gesellschaft und alle ihre Teile charakteris-tisch, so daß jede Analyse, die nur eine oder zwei ins Auge faßte, nicht ausreichte.”(Berger und Luckmann 1999, S. 139)

Dieses Zitat gilt für jedes Mitglied der Gesellschaft, dass durch sein eigenes Sein in die Gesellschaft externalisiert wird. So kann das Individuum sich die objektive Wirklichkeit aneignen. Es kann auch gesagt werden, dass es in ihrer Dialektik4 teil-haben kann. Doch der Mensch wird nicht als Mitglied der Gesellschaft geboren, er muss erst zum Mitglied gemacht werden. Dieser Prozess kann als zeitlicher Verlauf angesehen werden, indem der Mensch in seine Teilhaberschaft in die gesellschaftliche Dialektik eingeführt wird. (Berger und Luckmann 1999, S. 139)

1Die Verlagerung von Gefühlen, Motiven oder Zuschreibungen nach außen.

2Damit wird der Prozess gemeint, wie subjektives Wissen und subjektive Erfahrungen zur

gesell-schaftlichen Wirklichkeit werden.

3Die Verinnerlichung gesellschaftlicher Werte, Normen und sozialer Rollen

4Vorgänge laufen parallel und ineinander verschränkt ab und betreffen Individuum und

Gesell-schaft gleichermaßen, da es sich bei ihnen um eine wechselseitige Beeinflussung handelt. Das bedeutet, wer in einer Gesellschaft lebt, nimmt automatisch an ihrer Dialektik teil.

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Mutter Vater Tochter Sohn Geschlechterkonstellation Generationenkonstellation Kindersystem Elternsystem Abbildung 2: Kernfamilie (Hurrelmann 2006, S. 131)

Abbildung 2 zeigt auf, wie die häufigste Kernfamilie aussieht. Idealerweise besteht sie aus Mutter, Vater, Tochter und Sohn. Sie unterscheiden sich jedoch in zwei Dimen-sionen. Mutter und Tochter gehören der weiblichen Geschlechtsdimension an und Vater und Sohn dem männlichen Geschlecht. In der Generationsdimension gehören Mutter und Vater zu der älteren und die Tochter und der Sohn zur der jüngeren Generation. Die Dynamik innerhalb der Familie baut auf der Unterschiedlichkeit der Geschlechter auf. Vater und Sohn können sich z.B. gegen die weiblichen Mitglieder der Familie auflehnen, um die Aufrechterhaltung der männlichen Rolle in der Ge-sellschaft zu gewährleisten. Das Thema des Rollenverständnisses in der DDR wird im Kapitel 3.2 näher thematisiert. Genauso ist es aber auch andersherum. Aber auch die Mutter und der Vater bilden ein Subsystem, wenn es um die Regeln in der Erziehung geht. Dadurch wollen sie ihre Kinder beeinflussen, um Einfluss auf das Familienleben zu nehmen. (Hurrelmann 2006, S. 130-132)

Wie sich die Primärsozialisation innerhalb der Familie vollzieht, kann nach Klaus Hurrelmann auch so erklärt werden: Durch die Familie und dessen frühe Kindheit und durch kulturelle, ökonomische und normativen Lebensbedingungen spiegeln sie es in der Erziehung der eigenen Kindern wider. Die soziale Lebenslage, insbesondere der Bildungsgrad, entscheiden bei der Erziehung über Entwicklungsimpulse und Er-ziehungsstile, welche durch die Eltern auf ihre Kinder ausgeübt werden. Umso höher der Bildungsgrad der Eltern, desto besser funktioniert der Sozialisationsprozess in der Familie. (Hurrelmann 2006, S.31)

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Soziali-sation gesehen. Der Mensch bewegt sich in einem konkreten sozialen Umfeld, so tritt er in die Gesellschaft ein, aber nie in ihrer Totalität und in ihrer Komplexität. Ein Gefüge der Abhängigkeit entsteht. Dadurch werden die Kinder durch die Persönlich-keitsmerkmale der Eltern beeinflusst. Die Fähigkeiten der Eltern am Arbeitsplatz und Belastungen in der Gegenwart spielen eine genauso große Rolle. Durch die Hilfe der Einrichtungen (Kindergarten, Schule) wird deutlich, dass Familien in Intuitio-nen eingebunden sind, von deIntuitio-nen sie auch gelenkt werden. Welche InstitutioIntuitio-nen dies in der DDR betrifft, wird im Kapitel 3.4 erläutert. Dadurch sind sie Bestandtei-le des gesellschaftlichen Gefüges und sind Teil des historischen Prozesses. Hierbei meint man die Flexibilität am Arbeitsplatz und die institutionellen Bedingungen werden nicht als stabil angesehen. Sie ändern sich im Laufe der Zeit immer wieder, genau wie die Familien, Schulen und auch der Wandel der Medienwelt. Durch den Wandel der Medien werden immer mehr Kinder beeinflusst und haben dadurch an-dere Vorstellungen von dem, was es heißt, eine eigene Persönlichkeit zu haben und stolz auf sie zu sein. Durch die gesellschaftlichen Strukturveränderungen wird auch immer wieder die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes beeinflusst, wie durch In-teraktion der Eltern und Kinder. Auch die sozialen und ökonomischen Strukturen einer Gesellschaft beeinflussen die Sozialisierung. Durch die Vermittlung familiärer Lebensbedingungen und durch das Handeln der Eltern nehmen sie Einfluss auf die Entwicklung der Kinder.

Ebene Komponenten (beispielhaft)

(4) Gesamtgesellschaft ökonomische, soziale, politische, kulturelle Struktur

(3) Institutionen Betriebe, Massenmedien, Schulen, Universitäten, Militär, Kirchen

(2) Interaktionen und Tätigkeiten Eltern-Kind-Beziehungen; schulischer Unterricht;

Kommunikation zwischen Gleichaltrigen, Freunden, Verwandten

(1) Subjekt ökonomische, soziale, politische, kulturelle Struktur

Abbildung 3: Struktur der Sozialisationsbedingungen (Tillmann 2010, S. 23)

Diese vier Ebenen des Sozialisationsprozesses, die in der Abbildung 3 zu sehen sind, dienen als Vorsortierung der wichtigsten Faktoren der Sozialisierung. Das Subjekt wird den verschiedenen gesellschaftlichen Komponenten der Sozialisierung zugeord-net. Die erste Ebene dient der Entwicklung des Individuums. Persönlichkeitsmerk-male entstehen und damit auch das Erlernen von Einstellungen, Wissen und emotio-nalen Strukturen. Dadurch wird es dem Subjekt ermöglicht, ein Teil der Gesellschaft zu werden. Durch den gesellschaftlichen Austausch mit anderen wird die dingliche

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Umwelt umgestaltet.

Die zweite Ebene spiegelt Institutionen wie Kindergarten, Schule und Betriebe (drit-te Ebene) wieder. Viele werden nur zum Zweck der Sozialisierung eingerich(drit-tet. Das große Ganze kann als Teil der gesamtgesellschaftlichen Systeme (vierte Ebene) in Hinblick auf Veränderungen gesehen werden. (Tillmann 2010, S. 21-22)

2.2 Die sekundäre Sozialisierung

In diesem Abschnitt geht es um die Sozialisationseinflüsse in der sekundären Soziali-sierung. Hier soll deutlich gemacht werden, welchen Einfluss organisierte Erziehungs-und Bildungssysteme haben. In diesem System arbeiten professionelle Erziehungs-und ausge-bildete Fachleute. Dies sind meist Erzieher/innen, Lehrer/in und Sozialarbeiter/in. Mütter und Väter werden als Laie der Erziehung angesehen, anders als das dortige Personal, welches fachlich ausgebildet ist. Jedoch sind die stark auf Vorgaben ange-wiesen, die aus der Sozialisation innerhalb der Familie stammen. Daher wird diese Art der Sozialisierung als sekundäre Sozialisation angesehen. (Hurrelmann 2006, S. 187)

Berger/Luckmann sagen, das sekundäre Sozialisierung in der Gesellschaft auch weg-zudenken wären. Jedoch gäbe es dadurch nur einen kleinen Wissensvorrat. Das ganze Wissen wäre für alle gleich und nur würde es jeder höchstens aus einem anderem Blickwinkel betrachten. Diese Vorstellung wäre als abstrakte Abgrenzung brauchbar. Dennoch kennen sie keine solche Gesellschaft, die keinerlei Arbeitsteiligkeit hat und dementsprechend keinerlei Verteilung des Wissens hätte. Ist Beides bei den Men-schen vorhanden, ist die sekundäre Sozialisation nicht mehr wegzudenken. (Berger und Luckmann 1999, S. 148-149)

Die Bildungs- und Erziehungseinrichtungen wie Kindergarten, Schule oder Hoch-schulen haben einen großen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung der Beteilig-ten. Auf zwei zusammenhängenden Ebenen wirkt es sich so aus:

• Es wird versucht, die tägliche Interaktion des Klienten mit dem Ziel, Wis-sen, Einstellungen und Verhaltensdispositionen in eine bestimmte Richtung zu steuern. Die Selbstständigkeit und Leistungsfähigkeit sollen bei Kinder, Ju-gendlichen und Studierenden gefördert werden. (Hurrelmann 2006, S. 187-188) • Das Erfüllen dieser Aufgabe hängt von der Organisation der Bildungseinrich-tung ab. Auch hier gibt es Begrenzungen und Möglichkeiten zur Umsetzung für die Sozialisationsfunktion. (Hurrelmann 2006, S. 187-188)

Doch welche Aufgaben hat die schulische Sozialisation noch? Kein Kind kann nor-malerweise dieser Institution ausweichen. Jeden Tag muss der Schüler meist ab dem sechsten Lebensjahr etliche Stunden in der Schule verbringen. Diese bestimmt so-mit den Alltag. Denn die Schule ist eine Pflichtveranstaltung des Staates. Sie soll

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Kinder und Jugendliche sozialisieren, dies passiert durch kontinuierlichen Unterricht und durch systematisch aufgebautes Lernen. Nach Talcott Parsons hat die Schule für den Erhalt der Gesellschaft zwei Aufgaben. Sie soll für das heranwachsende Kind ein kompetentes Rollenhandeln vermitteln. Die Kinder sollen die Bereitschaft und Fähigkeit entwickeln, sich in ihrer Erwachsenenrolle zurechtzufinden. Als zweite Auf-gabe hat die Schule die Schüler/innen in den Rollenstrukturen der Erwachsenenwelt zu begleiten. (Zimmermann 2006, S. 117-118)

Sekundärsozialisation

Abbildung 4: Sekundärsozialisation (Szukala 2016)

In Abbildung 4 wurde veranschaulicht, wie die sekundäre Sozialisation aussieht. Der Mensch steht als Individuum im Mittelpunkt. Ringsherum werden die verschiedenen Institutionen dargestellt, welche das Individuum beeinflussen. Zu einem ist das die Schule, die Gesellschaft an sich, welche Normen und Werte vorgibt. Des Weiteren ist der Kindergarten einer der wichtigsten Institutionen. Die Kinder erleben einen Übergang vom behüteten Zuhause (primäre Sozialisierung), wo sie im Mittelpunkt stehen, zu einer Einrichtung, die viele Kinder zu betreuen hat. Hier haben sie oft den ersten Kontakt zur sekundären Sozialisierung, die von da an nicht mehr wegzudenken ist.

Margaret Mead, eine US-amerikanische Ethnologin, sagte, dass sich in einer vor-moderner Gesellschaft das ganze Leben in einer Dorfgemeinschaft abgespielt hat. Das Leben wurde dort auch von Sitten und Bräuchen begleitet und auch Ritualen, wie z.B der Hochzeit. Jedoch gab es in der Gesellschaft keine weiteren Einrich-tungen,in denen es um Erziehung, Alterssicherung etc. ging. In der organisierten Industriegesellschaft ist dies ganz anders. Durch unterschiedliche Institutionen wer-den gesellschaftliche Aufgaben anders verteilt und auch anders wahrgenommen. Die Einrichtungen/Institutionen haben eine bestimmte Aufgabe, die durch bestimmte

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Regeln umgesetzt wird. Sie werden durch Personen geführt, die in formalisierten Rol-lenbeziehungen stehen. Auch haben die Einrichtungen ein ganz anderes Equipment. Um diese Gesellschaft zu erhalten, werden fast alle Probleme durch die Institutionen bearbeitet. Die Schule gilt heute als die Institution für die sekundäre Sozialisierung. In den letzten 200 Jahren wurde ein komplexes Bildungssystem entwickelt, welches Heranwachsende auf ihrem Lebensweg stark prägt. Es wurde auch gesellschaftlich festgelegt, wann ein Kind den Kindergarten, Schule besuchen darf bzw. muss. Durch diese Bestimmung wird der Weg der Kinder durch Bildungsinstitutionen gegliedert. Sie werden dadurch zu einer öffentlichen Pflichtveranstaltung, der kein Kind auswei-chen kann. Durch den Pflichtcharakter in der industriellen Gesellschaft ist die Schule dadurch zu den größten öffentlichen Institutionen geworden. Die Schule hat in der sekundären Sozialisation die Aufgabe, bestimmte Normen und Werte mitzugeben und verschiedene Rollenerwartungen in der Gesellschaft widerzuspiegeln. Des Wei-teren hat sie die Aufgabe, dass der Unterricht täglich stattfindet, um die Erziehung zu gewährleisten. (Tillmann 2010, S. 134-140)

2.3 Phasen der Persönlichkeitsentwicklung (0-6 Jahre)

In diesem Kapitel wird über die Phasen der Persönlichkeitsentwicklung geschrieben. Sigmund Freud war einer der Begründer der Psychoanalyse. Er entwickelte ein Pa-radigma, welches zu den einflussreichsten und zu den sozialtheoretischen Theorien gehört. Es wurden Begriffe, wie das ”Unbewusste”, die ”Verdrängung”, die ”Neurose” und Konzepte ausgearbeitet, die heute eine große Bedeutung für die frühe Kind-heit der Sozialisation haben. Eine der größten Fragen, die Freud sich stellte, war: Was bringt Menschen überhaupt zum Handeln? In der klassischen Analyse sind es Triebe, die in der menschlichen Psyche vorhanden sind und uns zum Handeln an-treiben. Dadurch wird unser Handeln beeinflusst. Triebe sind subjektiv und werden als Spannungen und Erregungen wahrgenommen. Diese veranlassen, dass wir tätig werden. Der Erregungszustand wird beendet, wenn ein Bedürfnis befriedigt wird. Diese Akzentierung wird durch Freud als ”Es” bezeichnet.

• Das ”Es” produziert fortwährend ”Libido”

(=Spannung=Lustansprüche=Triebe). Das ”Es” ist das Reservoir der sexuellen und aggressiven Triebe, das - regiert von den Lustansprüchen - sofortige und vollständige Befriedung verlangt.

Damit nicht jeder nur eine Triebbefriedigung sucht, soll eine Beziehung zu ande-ren Menschen, zur Umwelt, organisiert werden. Das ”Ich” übernimmt die psychische Instanz und hilft uns, die Triebansprüche zu verschieben, Abwehrmechanismen zu mobilisieren oder Anpassung zu regeln. Das ”Ich” nimmt eine Vermittlerrolle zwi-schen Triebansprüchen und Ansprüchen der Außenwelt ein. Durch die psychische

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Instanz des ”Über-Ich” werden gesellschaftliche Werte, Normen, Gebote und Ver-bote näher gebracht. Gleichzeitig funktioniert es auch nachdem Moralitätsprinzip. Diese drei psychischen Instanzen beschreibt Freud als psychischen Apparat. Durch die Instanzen funktionieren wir und ein Leben in der Gesellschaft ist möglich. Doch die Interaktion klappt nicht gleich von Anfang an, sie entwickelt sich im Prozess der Sozialisierung. Die Entwicklung des psychischen Apparats und die Phasen der psychosexuellen Entwicklung sind eng miteinander verbunden. Freud unterscheidet fünf Phasen in der Persönlichkeitsentwicklung

• Orale Phase • Anale Phase

• Infantil- genitale Phase • Latenzphase

• Genitale Phase

Die ersten drei Phasen werden hier näher beschrieben. Die orale Phase bezieht sich auf das erste Lebensjahr. Um den Neugeborenen zum Lustempfinden zu verhelfen, werden in dieser Phase die Nervenenden an Lippen und Mund empfindlicher. Durch Festhalten, Beißen, Ausspeien und Schließen funktioniert die Erkundung der Welt. Diese Phase ist wichtig und dient der Nahrungs-und Flüssigkeitsaufnahme.

Die anale Phase findet im zweiten bis dritten Lebensjahr statt. Die Aufmerksam-keit für den Analbereich nimmt zu. Das Kind versucht, seine Darmentleerung zu kontrollieren, um auf den Topf gehen. In der dritten Phase, der infantil-genitalen Phase, die im dritten bis sechsten Lebensjahr stattfindet, geht es um die Entwick-lungsphase der Geschlechtsorgane. Das Kind entwickelt in dieser Phase Ekel, Scham und Moralgefühle, welche die soziale Umwelt vorgeben. (Zimmermann 2006, S. 24) Das Stufenmodell von Erik H. Erikson ist eine Weiterführung des Freudschen Mo-dells. Er unterscheidet jedoch acht Phasen in einer Theorie des Lebenslaufs. In ei-ner psychosozialen Dynamik, die gekennzeichnet ist durch die Familie und Sozial-struktur, gibt es innere und äußere Konflikte, die dadurch beeinflusst werden. Die Konflikte nennt Erikson Krisen. Durch positive und negative Entwicklungen gibt es Spannungen, denen ein Heranwachsender standhalten muss, aber auch mit dem Konflikt zurechtkommen muss. Die Schwierigkeit, dies zu bewältigen, ist maßgeblich dafür, um sich zu einer gesunden Persönlichkeit zu entwickeln. Die Persönlichkeit ist so gekennzeichnet, dass sie

„..ihre Umwelt aktiv meistert, eine gewisse Einheitlichkeit zeigt und im-stande ist, die Welt und sich selbst richtig zu erkennen. (Zimmermann 2006, S. 24)

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Um die Entwicklung der Persönlichkeit zu gewährleisten, sind Wechselwirkungen zwischen Individuum und sozialer Umgebung miteinander verbunden. Es gibt acht Entwicklungsstufen in unserem Lebenszyklus, in dem wir eine Ich-Identität aufbau-en. Der soziale Horizont erweitert sich und baut gleichzeitig ein Vertrauen zur Welt und zu sich selber auf. Die ersten drei Phasen werden nun im weiteren Abschnitt geklärt. Wenn eine Phase erfolgreich gelöst wurde, ist der Mensch bereit für die nächste Phase.

2.3.1 Urvertrauen gegen Urmisstrauen- Säuglingsalter

Dies ist die oral-sensorische Phase beim Kleinkind von Geburt bis zum 1. Lebensjahr. Das Baby muss wissen, dass es sich auf die Eltern verlassen kann. Die Aufgabe des Kindes ist, Vertrauen zu erlernen, ohne die Fähigkeit des Misstrauens völlig auszuschalten. Wenn die Mutter sich z.B eine Zeitlang vom Kind entfernt, muss das Kind weiterhin Vertrauen behalten. Im ersten Lebensjahr ist der Aufbau des Urvertrauens die Hauptaufgabe. Mutter und Vater geben ihrem Baby ein gewisses Maß an Vertrautheit, Kontinuität und Konsistenz mit und es wird lernen, dass die soziale Welt ein sicherer Ort ist. Trotzdem müssen Kinder auch lernen, anderen Menschen zu vertrauen. Diese Überwindung nennt man rudimentäres Gefühl, wozu eine Ich-Identität aufgebaut werden muss. Wird diese Phase in der Entwicklung vernachlässigt, kann das Gefühl von Misstrauen sich breitmachen und es kann zur Entfremdung mit sich selbst führen. Das heißt, wenn sich zu starke orale Frustration zeigt, spiegelt es sich wieder in oralen Charakterzügen wie Reizhunger, Gier, Leere-Gefühle, Depression, Ur-Misstrauen und starken Abhängigkeitswünschen. (Scheck u. a. 2015, S. 8-10)

2.3.2 Autonomie gegen Scham und Zweifel-Kleinkindalter

In dieser Phase geht es vor allem um die Autonomiebestrebungen und um die To-lerierung der Eltern. Im Gegenzug sollen Scham und Zweifel minimiert werden. Der Rat, streng, aber tolerant zu sein, wird den Eltern ans Herz gelegt. Auf diese Art und Weise entwickelt das Kind Selbstkontrolle und Selbstwertgefühl. Greifen die El-tern aber immer wieder ins Geschehen ein, wird es das Kind bald sein lassen und es entwickelt das Gefühl, nicht eigenständig handeln zu dürfen. Scham und Zweifel sind aber nicht unvermeidlich, sondern sind auch nützlich. Ohne die beiden Instan-zen entwickelt das Kind eine Art schamlosen Starrsinn. Dies hat laut Erikson eine gewissen Impulsivität zur Folge. Eine Zwanghaftigkeit kann dann entstehen, wenn zu viel Scham und Zweifel das Leben bestimmen. Das Kind wird versuchen, kei-ne Fehler zu machen und wird sich immer fragen, was andere von ihm halten und zu keiner eigenen Persönlichkeit heranwachsen. Ein gesundes Maß an Autonomie, Scham und Zweifel ist Notwendig, damit das Kind die Tugend von Willenskraft

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oder Entschlossenheit entwickelt. Auch die Entschlossenheit eines zwei,- oder drei-jährigen Kindes mit dem Motto ”Ich kann das alleine” beansprucht viel Geduld bei den Eltern. (Scheck u. a. 2015, S. 10-12)

2.3.3 Initiative gegen Schuldgefühle-Spielalter

In dieser Phase soll das Kind herausfinden, was für eine Art Person es werden will. Sie haben in diesem Alter eine unermüdliche Wissbegierde, sie wollen Verantwortung übernehmen, Fähigkeiten dazulernen und wollen sich nützlich fühlen. Eltern müssen ihre Kinder dazu ermutigen, ihre eigenen Ideen auszuprobieren. Fantasie, Rollen-spiele und Vorstellungskraft sollen gefördert werden. Initiative ist der Versuch, eine solche Nicht-Realität zur Realität zu machen. Doch wenn Kinder sich die Zukunft vorstellen können, wenn sie planen können, dann können sie auch verantwortlich sein für das Geschehen und sich für ihr bestimmtes Handeln auch schuldig fühlen. Zu viel Initiative und zu wenig Schuldgefühl und die Kinder entwickeln eine Art der Rücksichtslosigkeit. Eine gute Balance führt zu der psychosozialen Stärke der Zielgerichtetheit. (Scheck u. a. 2015, S. 12-15)

Doch was unterscheidet die beiden Modelle voneinander? Beide wollten die geis-tige, körperliche und emotionale Entwicklung von Kindern beschreiben. Sigmund Freuds Phasenmodell ist psychosexuell und Erik Eriksons Modell hingegen ist psy-chosozialer Natur. Beide nutzen bestimmte Phasen, die ein Kind in seinem Leben durchlaufen muss, aber die Art und Weise und das Ergebnis sind unterschiedlich. Die Entwicklung eines Kindes fängt bei Freud pränatal an. Das Kind befindet sich nach der Geburt in der oralen Phase (Körpernähe, haptische Signale). Wenn es die Triebbefriedigung von den Eltern nicht erfährt, droht eine Persönlichkeitsstörung bis hin zum Tode. Um in die nächste Phase zu wechseln, braucht das Kind jedoch die Triebbefriedigung. Das Kind wechselt ganz automatisch in die nächste Phase, wenn es bereit dafür ist. Es gibt kein automatisches Ende einer Phase.

In der zweiten Phase passiert dasselbe, doch in der Phase lernt es etwas über Stru-kruten und Kontrollmechanismen. In der darauf folgenden dritten Phase geht es hauptsächlich um Kastrationsangst5 und den Ödipus- Komplex6 Bei dem Modell Erik Eriksons muss eine Phase nicht komplett abgeschlossen sein, um in die nächs-te zu gelangen. Ihm geht es darum, wie ein Kind seine Umwelt wahrnimmt und ein Teil der Gesellschaft wird. Das Kind soll seine eigene Identität entwickeln und zum Ich werden. Erikson geht es dabei nicht um die psychosexuelle Entwicklung,

5Die Kastrationsangst ist ein Konzept aus der freudschen Psychoanalyse. Laut Freud löst die

Entdeckung des anatomischen Geschlechtsunterschieds beim Kleinkind eine Entwicklung aus, die für das Durchlaufen der ödipalen Phase entscheidend.

6Ödipuskomplex ist nach Freud (1916/17) die besondere Beziehungskonstellation des Kindes zu

seinen Eltern, nachdem es die frühe genitale Phase erreicht hat. Der Junge begehrt nach der Entdeckung des anat. Geschlechtsunterschiedes seine Mutter und rivalisiert mit dem Vater um ihre Gunst.

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sondern um die verschiedenen Phasen. Die erste Stufe Urvertrauen gegen Urmiss-trauen beeinflusst die Entwicklung des Kindes positiv oder negativ und erst nach der Konfliktlösung kann das Kind in die nächste Phase wechseln. Wenn der Konflikt nicht gelöst werden kann, wird sich der Mensch auch im weiteren Leben immer noch damit beschäftigen. In der nächsten Phasen hat das Kind das Bedürfnis, Autonomie zu entwickeln. Dadurch braucht es Vertrauen in seine Umgebung, wenn dies aber nicht der Fall ist, gibt es Schwierigkeiten. Dadurch werden die nächsten Phasen im-mer wieder positiv oder negativ beeinflusst und auch die Konflikte werden anders gelöst. Bei Erikson gehen die verschiedenen Stufen bis ins Erwachsenenalter über, bei Freud nicht. (Zimmermann 2006, S. 24-26)

2.4 Die Bindungstheorie

Zwei große Befürworter der Entwicklungspsychiatrie sind Adolf Meyer und Sigmund Freud. Beide waren sich sicher, dass psychische Gesundheit viel mit der Kindheit zu tun hat und sie wollten verstehen, wie und warum eine bestimmte Person handelt, denkt und fühlt. Freud beschäftigte sich mit den psychischen Prozessen und Meyer hingegen mit dem Einfluss von tatsächlichen Ereignissen der Persönlichkeit, ohne dabei aber genauer auf die Lebensereignisse eines Menschen einzugehen. In diesen beiden revolutionären Ansätzen wurde deutlich, dass die Art des Aufwachsen ei-nes Kind große Bedeutung für seine psychische Gesundheit hat. Die Hauptaufgabe in der Entwicklungspsychiatrie und Entwicklungspsychologie ist es daher, die nie endende Interaktion mit der internalen und externalen Welt zu untersuchen und herauszufinden, wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Es gibt ausgesprochen viele Untersuchungen darüber, wie sich Kinder und Jugendliche innerhalb der Familie entwickeln und ob sie sich zu einer psychisch gesunden Person entwickeln.

Georg Brown und Tirril Harris haben qualitativ hochwertige epidemiologische Studi-en durchgeführt. Sie untersuchtStudi-en, welche Rolle die Familie einnimmt und wie andere soziale Veränderungen damit einhergehen, um Depressionen und Angsststörrungen bei Kindern zu verhindern. Viele Jahre früher war auch schon bekannt, dass der psychische Zustand eines Kindes davon abhängig ist, ob es warmherzig und harmo-nisch ist oder eher angespannt und ängstlich. Das Kind kann auch von emotionaler Unzugänglichkeit bestimmt sein, sodass erst gar keine Bindung aufgebaut werden kann.

Als nächstes stellt sich die Frage, welchen Ursprung die Natur hat, um eine solche enge Bindung zwischen Mutter und Kind zu schaffen. Wenn ein Kind in fremder Ob-hut lebt, wünscht sich das Kind nichts sehnlichster als seine Mutter zurück, selbst wenn es schlecht behandelt worden ist. Woher kommt das? (Spangler 1999, S. 19)

• Die Bindung zwischen zwei Individuen hat eine emotionale Bedeutung, sie hat einen Primärcharakter für die Überlebensfunktion.

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• Das Zentrale Nervensystem kann als kybernetisches System verstanden wer-den, um dadurch die Nähe und die Erreichbarkeit des Partners zu sichern. • Jeder Partner muss innere Arbeitsmodelle besitzen, damit sich zwischen den

beiden ein Interaktionsmuster entwickeln kann.

• Eine Person muss zur anderen eine Fixierung entwickeln, bei der eine Regres-sion möglich ist.

(Spangler 1999, S. 20)

Die Ethologie meint, dass eine starke emotionale Bindung zu spezifischen Individuen besteht, weil dies eine grundlegende Komponente der menschlichen Natur ist. Dieses Band kann bis ins hohe Erwachsenenalter bestehen. Später werden neue Bindungen eingegangen. Meist heterosexueller Natur. Nahrung und Sexualität spielen eine sehr große Rolle, aber sie haben auch ihre eigene Funktion, die Überlebensfunktion. Die-se dient auch gleichzeitig als Schutz. DieDie-se Schutzfunktion wurde Die-sehr lange nicht berücksichtigt.

”Innerhalb der Bindungstheorie sind also Bindungen der Nahrungsauf-nahme und der Sexualität weder untergeordnet, noch sind sie davon ab-geleitet. Noch wird das dringende Bedürfnis nach Trost und Unterstüt-zung in belastenden Situationen als kindlich betrachtet.” (Spangler 1999, S. 22)

Das Zitat sagt aus, dass die Fähigkeit, Bindungen zu anderen Personen aufzubauen, ein Merkmal für eine gute Persönlichkeit ist und dass man dann psychisch gesund ist. Trost wird bei Personen gesucht, die stärker und weiser sind. Das ist das Konzept des Bindungsverhaltens. (Spangler 1999, S. 17-21)

Heidi Keller, eine Psychologieprofessorin an der Universität Osnabrück, hat einen anderen Blickwinkel auf die Bindungstheorie. Sie untersucht verschiedene kulturelle Konzepte und schaut danach, wie ein Kind ernährt, geschützt, getragen, gekleidet und gebildet ist. Erst danach, findet sie, kann man Typisches erkennen. Sie führte eine Studie in Kamerun durch und schaute sich dort die jeweiligen Besonderheiten an. Einen großen Unterschied sah sie schon bei den ganz kleinen Kindern. Für die Kinder gab es nicht nur die eine Bezugsperson, sondern dort war es die ganze Fa-milie, wie Geschwister, Onkel und Tanten. In Kamerun wird das Kind den ganzen Tag meist am Körper getragen und das von allen Familienmitgliedern. Sehr schnell fällt es auf, wenn es dem Kind nicht gut geht und sofort wird auf das Kind reagiert. Heidi Keller untersuchte auch, auf welche Art und Weise sich Kinder binden. Nach John Bowlby haben die Kinder eine sehr enge Beziehung zu ihren Eltern, speziell zu der Mutter. In Kamerun ist die Art und Weise aber eine ganz andere. Mit ei-ner Stresssituation gehen die Kinder dort ganz anders um, nämlich sehr ruhig. Sie

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lassen sich von anderen beruhigen und weinen nicht, anders als bei der Auffassung Bowlbys. Dort würde man denken, dass die Kinder schlecht gebunden sind, weil sie nicht sofort die Aufmerksamkeit der Mutter suchen. Aus kamerunischer Sicht ist ein Kind bei uns sehr einsam. Es bekommt sehr viel Aufmerksamkeit und dennoch liegt das Kind viel in seinem Bett oder im Kinderwagen.

In Kamerun hingegen wird es den ganzen Tag getragen. Dadurch hat es ständigen Körperkontakt und erfährt sehr viel Körperstimulation und wird daher früher moto-risch unabhängiger. Die Frauen in Kamerun geben archaische und rhythmisch Laute von sich, die in der ganzen Gemeinschaft vorkommen. Es geht um die emotionale Sicherheit und das Kind weiß, es ist nie alleine und es gibt immer einen im Dorf, der sich um das Kind kümmern wird. Heidi Keller kritisiert, dass bei uns die Autonomie und die individuelle Entwicklung der Kinder auf der Strecke bleiben und sie nicht so gut sozial integriert werden. (Leitner 2011)

Somit denkt Heidi Keller, die Bindungstheorie aus anderen kulturellen Sichtweise sind grundsätzlich richtig in ihren Kompetenzen. Denn eine sichere Bindung führt zu guten Entwicklungsergebnissen. Jedoch ist sie auch der Meinung, dass eine sichere Bindung in verschiedenen Kulturen unterschiedlich angesehen wird. In den verschie-denen dörflichen Kulturen werden unterschiedliche Verhalten gefördert. Für viele steht die motorische Unabhängigkeit an erster Stelle. Für die städtische Mittelschicht steht das unabhängige Selbst mit einer eigenen Meinung und Wünschen an erster Stelle. Das heißt aber nicht, dass eine Kultur mehr oder weniger hinterherhinkt. Somit würde sonst auch gesagt werden, dass das städtische Entwicklungsmuster richtungweisend wäre. Andere haben nur eine Sicht auf die Entwicklungsprioritäten. (Keller 2017)

2.4.1 Mutter Kind Beziehung in der perinatalen Phase

In diesem Kapitel gewinnt man einen Einblick darin, in welchem Stadium die Ent-wicklung der Mutter-Kind-Beziehung beginnt. Nicht erst, wenn das Kind geboren worden ist, sondern ab Beginn der Schwangerschaft. Dies wird als perinatalen Phase bezeichnet. Eine Studie von Davenport Hooker und Tryphena Humphrey zeigt, wie in den fünfziger und sechziger Jahren experimentelle Untersuchungen mit operativ entfernten Embryos vorgenommen wurden. Sie wurden in einer fruchtwasserähnli-chen Flüssigkeit noch eine Weile am Leben erhalten. Die Reaktion auf Berührungen im Gesicht durch Bewegung der Gliedmaßen konnten festgestellt werden. Dieser Em-bryo war zu diesem Zeitpunkt sechseinhalb Wochen alt. Danach konnte dies auch in Ultraschallbildern vielfach nachgewiesen werden. (Krüll 2009, S. 45-46)

Im Laufe der Jahre wurden weitere verschiedene Untersuchungen gemacht, um die Mutter-Kind-Beziehung näher zu beleuchten. Ein bekannter Forscher ist John Bowl-by. Eine gute Bindung ist entscheidend für das Überleben und für eine gesunde

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Entwicklung des Neugeborenen. Die Bindung zwischen Mutter und Kind ist wahr-scheinlich die innigste Bindung, die es in der Menschheit gibt. Die Mutter trägt ihr Kind bis zur Geburt in ihrem Körper, danach sichert die Mutter das Überleben ih-res Kindes ab, in dieser Phase ist das Kind vollkommen auf die Mutter angewiesen. Die Stärke der Bindung ist so groß, dass Mutter und Vater alles für die Pflege ih-res Babys tun. Dies beinhaltet, außergewöhnliche Opfer zu bringen. Die anfängliche Mutter-Kind-Beziehung ist der Ursprung für die spätere emotionale Bindung des Kleinkindes. Bindung ist eine einmalige Beziehung, die nicht eintauschbar ist und eine gewisse Dauerhaftigkeit besitzt. Die ersten Stunden nach der Geburt sind sehr prägend für eine gute Bindung. Für die spätere Entwicklung ist es optimal, dass Mutter oder Vater einen engen Kontakt zum Baby haben.

Es gibt artspezifische Reaktionen, wenn man das erste Mal in Kontakt mit seinem Baby kommt. Der Prozess der Bindung ist so strukturiert, dass Eltern nie mehr als zu einen Säugling gleichzeitig eine optimale Bindung aufbauen können. Bowlby bezeichnet dies als Monotropie. Mütter, die einen Geburtsvorgang miterleben, ha-ben eine bessere Bindung zu ihrem Kind, als wenn es ein Kaiserschnitt gewesen ist. Kommt es während der ersten Lebenstage zu unvorhersehbaren Ereignissen, die mit dem Wohlergehen des Kindes in Verbindung gebracht werden, wie eine Störung der Mutter, die ihr Kind nicht annehmen kann, hat das Folgen für die Entwicklung des Kindes. (Klaus und Kennell 1987, S. 17-34)

Brazelton und Cramer beschäftigen sich mit der Frage, welche Auswirkungen eine Schwangerschaft auf die Mutter hat. Neun Monate lang können sich die Eltern auf das Baby vorbereiten, sowohl seelisch als auch körperlich. Die Eltern fühlen sich nach dieser Zeit auf das Kind gut vorbereitet. Doch durch vorzeitige Wehen oder einer Frühgeburt erfahren sie das Gefühl der Unvollkommenheit. Es können körper-liche Komplikationen und psychische Anpassungsschwierigkeiten die Folge sein. Ein emotionaler Rückzug innerhalb der Familie ist ganz natürlich.

”Diese Mobilisierung alter und neuer Gefühle liefert die Energie, die zur Bewältigung der enormen Aufgabe erforderlich ist, sich auf ein neues Baby einzustellen.” (Brazelton und Cramer 1991, S. 28)

Im Laufe der Schwangerschaft lernt die Mutter auch erst, dass ihr Kind ein eigenes Individuum ist.

Brazelton teilt die Schwangerschaft in drei Stadien ein. Das erste Stadium ist der Empfang der Nachricht, dass das Baby unterwegs ist. Heutzutage kann die Mutter anhand eines Schwangerschaftstestes sehen, ob sie schwanger ist. Früher mussten man auf das Ausbleiben der Periode warten und auf die ersten Symptome achten. Von da an wissen die Eltern, dass sie nun ein neuer Lebensabschnitt erwartet. Ihnen wird auch klar, dass ihre Zweierbeziehung zu einer Dreierbeziehung wird. Es erfolgt eine neue Anpassung, die auch emotional bewältigt werden muss. Die Eltern wollen

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nur das Beste für ihr Kind. Sie denken an ihre Kindheit zurück und haben oft viele Ideen, wie sie es mit ihrem Kind besser machen wollen. Für Fehler ist kein Platz mehr. Viele Mütter machen sich viele Gedanken in der Schwangerschaft: Ist mein Kind gesund, bin ich der Aufgabe gewachsen und viele andere Fragen. Die Mütter haben Angst, dass sie ihrem ungeborenen Kind schon mit ihren Gefühl verletzten. Sie fragen sich, wie sie damit umgehen, wenn sie vielleicht ein behindertes Kind bekommen.

”Sie muß beginnen, den Säugling zu idealisieren und sich ein vollkom-menes Wesen vorzustellen, das sie sich uneingeschränkt gewünscht hat. Die Anstrengung, die negativen Kräfte zu bezwingen, intensiviert die be-wußten Wünsche, das Baby zu bekommen und eine perfekte Mutter zu werden.” (Brazelton und Cramer 1991, S.29)

Durch hormonelle und körperliche Prozesse wird die Mutter an Stabilität gewinnen. Die Ambivalenz der Vorfreude und Angst bzw. Hilflosigkeit kommt in der morgendli-chen Übelkeit zum Ausdruck. Das zweite Stadium: Im Laufe des fünften Schwanger-schaftsmonats spürt man die ersten Bewegungen. Diese Nachricht teilt die Mutter gerne mit Familie und Freunden. Durch das erste Flattern im Bauch könnte man sagen, dass diese frühe Bindung jetzt einsetzt, denn jetzt ist ein getrenntes Wesen vorhanden, das eine solche Beziehung möglich macht. Durch das Wahrnehmen des Fötus kann die Mutter sich mit dem Kind identifizieren. Es entsteht eine frühkind-liche Bindung. Durch Ultraschallbilder kann sie das Baby visuell wahrnehmen. Sie kann sich auch aktiv mit dem ungeborenen Kind beschäftigen. Sie kann mit dem Kind sprechen, ihren Bauch streicheln, vorsingen, oder auch einfach nur Musik hö-ren.

Das letzte Stadium ist die wachsende Vertrautheit mit dem zukünftigen Baby. In diesem Stadium betrachten die Eltern ihr Kind immer mehr als eigenes Wesen. Durch viele Überlegungen, wie z.B: Wie mache ich alles babysicher oder wie das Kind heißen soll, beginnen sie sich den Fötus als eigene Persönlichkeit vorzustellen. Durch regelmäßige Bewegungen zu bestimmter Musik kann es auf ein Verhaltensmuster beim Kind deuten. Es ist, als ob die Mutter sich ihr Kind jetzt schon vorstellt, damit es bei der Geburt kein Fremder mehr ist. (Brazelton und Cramer 1991, S. 28-29)

2.4.2 gestörte Mutter-Kind-Beziehung

Das sichere Bindungsverhalten sind bestimmte qualitative Verhaltensweisen vom Kind und die Reaktion der Mutter auf das kindliche Ausdrucksverhalten. Wenn Kindern im ersten Lebensjahr das Gefühl von Sicherheit gegeben werden kann, wie körperliche Nähe und emotionale Verfügbarkeit, entwickeln sie positive Arbeitsmo-delle gegenüber der Umwelt. Das positive Arbeitsmodell baut sich auf praktischen

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Erfahrungen auf, welche die Bezugsperson widerspiegelt. Wird das Modell von der Bezugsperson positiv vermittelt, hat das Kind weniger Probleme, die Erfahrungen auf andere Menschen zu übertragen. Das gleiche wird bei negativen Arbeitsmodellen beschrieben. (Spangler 1999, S. 361)

Eine ungeeignete Mutter-Kind-Beziehung kann viele Störungen beim Kind hinter-lassen. Es gab verschiedene klinische Krankheitsbilder bei Kindern in bestimmten Milieus. Die meisten Krankheitsbilder waren körperliche Erkrankungen oder meist anomale Verhaltensweisen. Bei Untersuchungen gab es eine Feststellung von Freud:

"... es liegt nahe, die Form der späteren Erkrankung (die Neurosenwahl) davon abhängig zu machen, in welcher Phase der Ich- und der Libido Ent-wicklung die disponierende EntEnt-wicklungshemmnung eingetroffen ist. Die noch nicht studierten zeitlichen Charaktere der beiden Entwicklungen, deren mögliche Verschiebung gegeneinander, kommen so zu unvermute-ter Bedeutung."(Spitz 1992, S. 220)

Im Fall einer ungeeigneten Mutter-Kind-Beziehung kann davon ausgegangen wer-den, dass die Persönlichkeit der Mutter Schuld daran ist, dass sie ihrem Kind keine normale Beziehung bieten kann oder aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur sich ge-zwungen sieht, diese normale Beziehung zu stören. Das heißt, die Persönlichkeit der Mutter enthält ein psychisches Toxin und wirkt als krankheitsverursachende Kraft. Schädliche mütterliche Verhaltensweisen können unterschiedlich sein, die mit einer spezifischen psychotoxisches Störung des Kindes verbunden sind. Dies sind mitunter:

• primäre unverhüllte Ablehnung

• primär ängstlich übertriebene Besorgnis • Feindseligkeit in Form von Ängstlichkeit

• kurzschlägiges Oszillieren zwischen Verwöhnung und Feindseligkeit • zyklische Stimmungsverschiebungen der Mutter

• bewusst kompensierte Feindseligkeit

Die Aberkennung der Gefühle zum Kind führen zu schweren Schädigungen und zu ernsthaften Störungen der kleinen Seele. Kleine Babys bringen zum Ausdruck, dass ihnen etwas entzogen wird, was sie für die Lebenserhaltung brauchen. Somit wird ihnen jegliche libidinöse Zufuhr verweigert. Eine interessante Beobachtung gibt es über die Dreimonatskoliken bei Babys. Es wird angenommen, dass durch die über-triebene Besorgnis der Mutter die Dreimonatskoliken ausgelöst werden. Es ist ein klinisches Bild, welches die Kinderärzte nur zu gut kennen. Diese Phase wird beob-achtet nach Ende der dritten Lebenswoche bis zum Ende des dritten Monats. Am

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späten Nachmittag beginnt das Schreien. Durch Nahrung kann das Kind zwischen-zeitlich beruhigt werden, aber das ist nur von kurzer Dauer. Danach geht es weiter mit den Symptomen,die kolikartig auftreten. Nichts scheint zu helfen. Es wurden auch verschiedene Medikamente getestet, aber ohne Erfolg. Nach ein paar Stun-den hören die Schmerzen auf und fangen am nächsten Tag nachmittags wieder an. Nach Ende der dritten Monats sind die Symptome wieder verschwunden. Das Inter-essante ist, dass Säuglinge, die im Heim ohne mütterliche Pflege aufgezogen werden, die Probleme der Dreimonatskoliken nicht hatten. In Heimen, in denen die Mutter-Kind-Beziehung noch relativ gut war, kamen die Symptome nur gelegentlich vor. Kinder, die in ihrer ”Familie” aufwachsen konnten, haben die Koliken häufig gehabt. Es wird davon ausgegangen, dass Kinder, die in Heimen aufgezogen werden, nicht so "verwöhnt"werden. (Spitz 1992, S. 220 ff.)

Doch eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung kann auch schon in der perinantalen Phase entstehen. Es gibt negative Einflüsse wie Depressionen der Mutter, Drogen, Stress oder auch Umwelteinflüsse, die sich negativ auf die Entwicklung des Fötus auswirken, insbesondere auf das Gehirn. Dadurch kann im späteren Leben eine geis-tige Störung auftreten. (Janus 1997, S. 19) Der Einfluss der Mutter und ihre Ein-stellung zum Kind haben großen Einfluss auf die Bindung. Rottmann führte einen Versuch dazu durch, wie das Verhalten bei Neugeborenen ist, wenn die Mütter in der Schwangerschaft aggressiv waren und ihre Kinder schon im Bauch abgelehnt hatten. Die Kinder zeigten apathische bis hin zur überaktiven Reaktionen. Auch die darauffolgenden Untersuchungen weisen auf diesen Zusammenhang hin. (Krüll 2009, S. 78) Thomas Verny unterscheidet zusätzlich noch die inneren und äußeren schädlichen Einflüsse. Zu den äußeren Einflüssen zählt er Umweltgifte, Röntgen-strahlen, Drogen und Zigaretten. Innere Einflüssen sind Gedanken, Gefühle, Stress oder Sexualhormone. Kinder, die nicht erwünscht sind, haben ein größeres Potenzial für Hirnschäden, mit einer Behinderung zur Welt kommen oder sogar tot geboren zu werden. Auch Gedanken und Gefühle gegen das Kind, durch die Tiefenkommu-nikation, können sich negativ auf die Entwicklung des Kindes auswirken.

(Janus 1997, S. 51 ff.) Hiermit endet das erste Kapitel, auf das im Weiteren immer wieder Bezug genommen wird. Auch werden immer wieder Verknüpfungen herge-stellt, damit im zweiten Kapitel auf das Familienleben in der DDR besser eingegan-gen werden kann und auf die Frage, wie Foleingegan-gen einer frühen Fremdbetreuung zeieingegan-gen, wenn immer wieder auf primäre Sozialisierung zurückgeblickt werden kann.

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3 Die Familie und Gesellschaft in der DDR

In diesem Kapitel rückt die Familie in der DDR in den Mittelpunkt der Betrachtung. Als erstes wird geklärt, was die Familie und die Gesellschaft in der DDR bedeuteten. Weitere Fragen wie, wie lebte die Familie in der DDR, wie funktionierte die Erzie-hung und was mussten Frauen tun, um anerkannt zu werden, sollen in diesem Kapitel beantwortet werden. Das Wort Familie gibt es schon sehr lange, aber nicht immer hatte es die gleiche Bedeutung wie heute. Jedoch war es schon immer ein Gefühl der Zusammengehörigkeit einer kleinen Gruppe von Menschen. Die Gesellschaft und der Staat nehmen eine andere Position zum Thema Familie ein. Durch das Famili-enrecht und durch die Familienpolitik spiegeln sie unterschiedliche Aspekte wider. Da die Familienpolitik in der Öffentlichkeit ein großes Aufsehen erregt, versucht der Staat, das Familien und Ehen glücklich verlaufen. Im Familienrecht hingegen steht die Macht von Kapital und Eigentum an erster Stelle. Denn dem Mann galt sehr lange das Vorrecht innerhalb der Familie und von gleichberechtigter Gemeinschaft war nicht auszugehen.

Die Beziehungen zwischen Mann, Frau und Kindern war mit der Geschäftsbeziehung gleichzusetzen und ging oft vor der Liebe. Ein harter Konkurrenzkampf begann zwi-schen Arbeitern und der Gesellschaftsordnung. Dadurch wurden viele Bürgerfamilien zerstört und die Existenzangst machte sich breit. So ist das Familiengesetzbuch in der DDR am 01.04.1966 in Kraft getreten. Dadurch wurde es möglich kinderreichen Familien eine vielfältige Unterstützung zu bieten. So sollten sie einen Anspruch auf vorrangige Versorgung und einen angemessenen Wohnraum haben sowie auf günstige Kreditbedingungen zugreifen können. Andere finanzielle Hilfen waren auch kostenlo-se Schulspeikostenlo-sen, Zuschuskostenlo-se der Miete, Lehrbüchern und die Ferienbetreuung wurde beglichen. (Beyer und Piater 1969, S. 7-11) Folgende Bestimmungen wurden im Gesetzbuch festgehalten:

• Ehe, Familie und Mutterschaft haben einen besonderen Schutz durch den Staat. Jeder Bürger hat ein Recht auf Schutz, Achtung und Förderung sei-ner Ehe und Familie.

• Durch die Gleichberechtigung von Mann und Frau sind innerhalb der Ehe und Familie gleichberechtigt. Dies wird gewährleistet durch gesellschaftliche und staatliche Unterstützung. Besondere Maßnahmen gelten für kinderreiche Familien.

• Mütter und Kinder haben einen besonderen Schutz durch den sozialistischen Staat. Hierzu zählen Schwangerschaftsurlaub, spezielle medizinische Betreu-ung, finanzielle Unterstützung und Kindergeld.

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tüchti-gen und gebildeten Menschen erziehen, des Weiteren haben die Eltern An-spruch auf ein Zusammenwirken mit den gesellschaftlichen und staatlichen Erziehungs-u. Bildungseinrichtungen.

(Beyer und Piater 1969, S. 11)

”Das süßeste Glück, das es gibt, ist das des häuslichen Lebens, das uns enger zusammenhält als kein andres. Nichts identifiziert sich stärker, beständiger mit uns, als unsere Familie, unsere Kinder. Die Gefühle, die wir erwerben oder die wir in jenem intimen Verkehr verstärken, sind die echtesten, die festesten, die uns an sterbliche Wesen knüpfen können, weil nur der Tod allein sie auslöschen kann. Sie sind auch die reinsten, weil sie der Natur, der Ordnung der Dinge entspringen und uns aus eigener Kraft vom Laster und von verderblichen Neigungen fernhalten.·” (Jean-Jacques Rousseau, 1770)

Das über 200 Jahre alte Zitat belegt, dass die Familie traditionell als die wichtigste Gemeinschaft angesehen wird. Somit wird sie zur bedeutsamsten soziale Lebensform. Ähnliche Ansichten vertrat auch der Sozialismus in der DDR. Der Staat wollte, dass die Familie zusammenhält und dass sie die nachfolgende Generationen ”ausbildet”, um sie zu einer sozialistischen Persönlichkeit zu formen.

Die Familie wird als kleinste Zelle der Gesellschaft gesehen, denn nur ein voll gleich-berechtigtes Mitglied in der sozialistischen Gesellschaft identifiziert sich mit deren Zielen, wodurch ihre Existenz gesichert wird. Die Arbeiterfamilie in der DDR hat-te keine Angst mehr vor kapitalistischer Ausbeutung. Sie banghat-ten auch nicht mehr um ihre Arbeitsplätze. Egal, aus welcher Schicht eine Familie stammte, sie konnten sich alle frei entfalten hinsichtlich ihrer Berufswahl und Familienplanung, denn jede Familie bestimmte mit, was in Staat und Wirtschaft geschieht.

Jeder Arbeiter hatte seine eigenen Erfahrungen und konnte diese miteinbringen und bekam dafür soziale Sicherheit, Schutz und Anerkennung durch den Staat. Dadurch führten sie ein glückliches Familienleben, was eine große Aufgabe der sozialistischen Familienpolitik ist. Im Gegenzug beeinflusste eine glückliche Familie die Entwick-lung der sozialistischen Gesellschaft. Wenn eine Familie zufrieden war,überträgt sie diese positive Einstellung auf ihre Kinder welche so zu gesellschaftsfähigen Menschen heranwachsen. Wie ein Kind gesellschaftsfähig wird, wurde im Kapitel 2.2 näher be-schrieben und welche Rolle die sekundäre Sozialisierung dabei spielt.

In der DDR war der Kindergarten die Institution, um Kinder zu sozialistischen Menschen zu erziehen, wodurch der Staat auch außerhalb der Familie einen großen Einfluss nehmen konnte. Auch in der DDR wurde es den Eltern ans Herz gelegt, dass eine gute Zusammenarbeit mit Kita, Schule etc. zu einer guten Kindererzie-hung dazugehöre. Welche Ziele die Einrichtung damit verfolgte, wird im Kapitel 3.4 näher beschrieben. (Beyer und Piater 1969, S. 19-20)

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3.1 Die sozialistische Familie

„Es ist die vornehmste Aufgabe der Eltern, ihre Kinder in vertrauensvollem Zusam-menwirken mit staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen zu gesunden und lebensfrohen, tüchtigen und allseitig gebildeten Menschen, zu aktiven Erbauern des Sozialismus zu erziehen.“ Paragraph 3 Absatz 1. (Staatsrates der Deutschen Demo-kratischen Republik W. Ulbricht 1965)

Mit diesem Paragraphen wird in das Kapitel die ”sozialistische Familie” eingeleitet. Es wird zu Beginn gezeigt welchen Stellenwert die gesellschaftlichen Einrichtungen am Leben der Familie haben. In der sozialistischen Gesellschaft entstehen neue Be-dingungen für die Entwicklung der Persönlichkeit des Menschen, für die Gestaltung seines persönlichen Lebens und der Familie. „Die Ausprägung der sozialistischen Le-bensweise bestimmt auch die Gestaltung von Ehe- und Familienbeziehungen, die sich auf Liebe und gegenseitige Achtung, Verständnis und gegenseitige Hilfe im Alltag und die gemeinsame Verantwortung für die Kinder gründen.“ (Deutschlands 1976, S. 55) Die Familien sind also geprägt worden durch die gesellschaftlichen Verhältnisse mit deren Inhalt und Funktion. Fortan gab es Grundinteressen der Familie, welche mit der Gesellschaft übereinstimmten. Das Ziel der sozialistischen Gesellschaft war es, dass die Familien soziale Sicherheit erfahren, ständige Entfaltung ihrer Fähig-keiten sicherstellt waren und dass auch die Entwicklung innerhalb der Familie nicht zukurz kommt. (Saschas-Welt 2013)

Die Familien sind an der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft beteiligt und haben Einfluss auf das Bildungs-und Kulturniveaus ihrer Kinder. Die Eltern tragen daher eine große Verantwortung für eine gesunde Lebensweise und für eine sinnvolle Gestaltung der Freizeit. Das Milieu der Familie sagt viel über die Persönlichkeits-entwicklung der Kinder aus. Denn die soziale Sicherheit und Geborgenheit sind Grundlage für den Sozialismus. Durch sie können sich Familien harmonisch entwi-ckeln. Soziale Sicherheit wird dadurch sichtbar, dass sich die Familien keine Sorgen machen müssen, dass sie arbeitslos werden, dass eine Mietsteigung kommt oder dass ihre Kinder keine Berufsausbildung finden. In der DDR gab es so gut wie keine Arbeitslosigkeit und auch eine Ausbildung war gesichert. (Deutschlands 1976, S. 66) Jutta Gysi sagt, dass die Familie in der DDR die wichtigste soziale Gruppe war, au-ßerhalb des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses. Welchen Einfluss die Familie in der Sozialisierung hat, wurde im Kapitel 2.1 erläutert. Die Familie hatte einen großen Anteil an der Entwicklung der sozialistischen Lebensform, was sogar im Programm der SED festgehalten wurde. Sie sollte sich als typische sozialistische Gesellschaft präsentieren. Dazu gehört, das Familienleben so zu gestalten, dass es attraktiv ist Kinder zu bekommen, sie zu erziehen, sie zu sozialisieren und dass sie ökonomische und geistigkulturelle Tätigkeiten ausüben. Dies sind die wesentlichen Inhalte und Ziele der sozialistischen Gesellschaft.

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Die Familie in der DDR profitierte auch von der wissenschaftlich-technischen Revolu-tion in dem Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Durch die ständige Entwicklung veränderte sich die Wirtschaft rasant und wirkte sich positiv auf das tägliche Leben innerhalb der Familie aus.

Dies wurde aber auch durch die SED ausgearbeitet. Kurz zusammengefasst steht dort, dass die Menschen der DDR neue Fachkenntnisse, Fertigkeiten und Verände-rungen annehmen müssen, um den neuen gesellschaftlichen AnfordeVerände-rungen gerecht zu werden. Durch diese Anforderungen wurden vielfältige Bedürfnisse befriedigt und die Persönlichkeit vervielfältigt. (Gysi 1989, S- 37-39) Weiterhin sagt Gysi, dass das sozialistische Familienleitbild in der DDR sehr unzeitgemäß ist. Eine Familie soll idealerweise aus zwei bis drei Kindern bestehen und die Frau soll voll berufstätig sein. Dabei sollten ihr Kinderbetreuung und Haushaltsfilfen zur Verfügung stehen. Auch die Gleichberechtigung sollte dafür sprechen, dass Mann und Frau sich den Haushalt teilen. Aber die Realität sah anders aus, sodass die Frau weiterhin mit dem Haushalt vorrangig alleine blieb, während der Mann lange Arbeitstage hatte und abends spät nach Hause kam, wodurch er auch an der Erziehung der Kinder nicht oft teilhaben konnte. Auch die Vorstellung, dass eine Familie zwei bis drei Kin-der hatte, war realitätsfern, üblich waren ein bis zwei KinKin-der, womit viele Frauen auch schon überfordert waren.

Die Männer waren ökonomisch immer noch besser aufgestellt als die Frauen und das Familienleben war stark männlich dominiert, dass heißt die Hausarbeit blieb oft an den Frauen hängen. Auch die lange Arbeitszeit machte vielen Frauen zu schaffen, nicht selten litt dadurch die häusliche Kinderbetreuung. Jedoch wollten die Frauen ihre Arbeit auch nicht missen, das sagten 1982 60 Prozent der Frauen. Durch die Wohnunsvergabe haben viele Paare sehr früh geheiratet, nicht immer waren sie da-zu bereit, aber es war ihnen wichtig, dass sie und ihre Kinder ein schönes Zuhause hatten. Aber durch die frühe Eheschließung war auch die Scheidungsrate sehr hoch. Die finanzielle Unabhängigkeit der Frau trug ebenfalls dazu bei. (Gysi 1989, S.160) Aber es gibt auch kritische Stimmen im Bezug auf das Familienleben in der DDR und die Folgen der frühe Fremdbetreuung der Kinder in der Persönlichkeitsentwick-lung. Hiermit wird auch auf die Forschungsfrage eingegangen: ”Welchen Einfluss auf die Mutter-Kind-Beziehung hatte der frühe berufliche Wiedereinstieg der Mutter?” Hans-Dieter Schmidt war ein Entwicklungspsychologe, der der DDR kritisch gegen-über stand. Er beschreibt, was der politische Wandel mit den Familien macht und welche Auswirkungen dies auf die Sozialpolitik hat.

”Sie trug zur klimatischen Optimierung (...) elementarer Grundbedin-gung erfolgreicher erzieherischer Situationen bei, die-insofern das Erzie-hungskonzept in gleichem Maße familien- wie kindgerecht gewesen wäre-eine wahrhaft ideale Erziehungsgesellschaft hätte gewährleistet können

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(...) Sie versöhnte die Mehrheit der Bürger mit den als lästig, ärgerlich oder widerlich empfundenen Restriktions- und Repressionsphänomenen des DDR Systems und verstärkte die Tendenz, sich einzurichten (...), intensivierte also Anpassungs- und Unterordnungsbereitschaft(...), dass viele Familien geneigt waren, einen Großteil ihrer erzieherischen Ver-antwortungen an staatliche Institutionen zu delegieren und zudem ein Übermaß an staatlicher Förderung und Unterstützung(...) einzufordern und für selbstverständlich zu halten(...) Die staatlichen Erziehungszie-le wurden von Anfang an unmittelbar aus den Aufbau-, Entwicklungs-, Stabilisierungs- und Sicherheitserfordernissen der sozialistischen DDR-Gesellschaft abgeleitet. Bezüglich des Wie der Erziehung galt die be-wusste Planung unter Anleitung und Kontrolle des Lehrers und Erziehers (dessen gleichfalls führende Rolle zu sichern war) als probates Instrumen-tarium.” (Israel u. a. 2008, S- 12-13)

Das Ziel war es, die Kinder zu einer sozialistischen Persönlichkeit zu erziehen. Die drei grundlegenden Faktoren sind:

• Heranwachsende sind junge Erwachsene ohne Wissen, sind schwach und kön-nen geformt werden.

• Die Erziehung ist geplant und vorprogrammiert. Die Kinder müssen sich der Außenwelt so wie den Erziehern unterordnen.

• Heranwachsende haben die Fähigkeit, sich Wissen und Verhalten anzueignen, welche gesellschaftsverpflichtend sind.

Der Sinn dahinter war, dass eine einheitliche Erzieherfront geschaffen werden sollte, die die sozialistische Familie miteinbeziehen sollte. Bereits im Krippenalter sollten Eltern und Erzieher für eine harmonische Umgebung sorgen. In der 1970er Jahren wurde auch eingeführt, dass es eine Elternvertretung geben sollte, damit sich die Eltern aktiv beteiligen konnten. Diese Ämter wurden aber nur durch Eltern besetzt, die meist in der SED Mitglied waren und dadurch eine positive politische Meinung hatten. Nicht alle DDR-Bürger waren mit dem Erzieher- und Bildungskonzept ein-verstanden. Viele haben sich bevormundet gefühlt. Von Klein auf lief das Leben in hierarchisch strukturierten Systemen ab. Einige Bürger hatten Kontakte zum westlichen Deutschland und kamen dadurch in Berührung mit der Bewegung der Montessori-Pädagogik. Sie wollten ihren Kindern Raum geben für die emotionale Entwicklung und Bindung. Jedoch galten sie dann als bürgerliche individualistische Außenseiter. Die DDR wandte sich daher auch von bestimmten Reformpädagogiken, z.B. Fröbel, ab und bevorzugten eher den Sowjetpädagogen Makarenko. (Israel u. a. 2008, S. 14-15)

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Anton Makarenko galt als herausragender Pädagoge für die soziale und kollektive Er-ziehung. Er betonte die gesellschaftliche Kausalität und untersuchte, wie Menschen beeinflusst werden können, durch das psychische Verhalten und Lernen von anderen. Damit stand die Sowjetpädagogik im Gegensatz zu naturalistischen Erziehungstheo-rien, insbesondere denen mit rassistischen und biologistischen Begründungen. Des Weiteren hält er den Sozialismus für die schönste Form des Zusammenlebens. (Kamp 2013, S. 487)

3.2 Das Rollenverständnis in der DDR

”Es heißt, daß das Kulturniveau am besten durch die rechtliche Stel-lung der Frau charakterisiert wird. In dieser Behauptung steckt eine tie-fe Wahrheit... Gleichheit vor dem Gesetz ist noch nicht Gleichheit im Leben. Die werktätige Frau muß sich nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch im Leben die Gleichberechtigung mit dem Mann erobern.” Wladi-mir Iljitsch Lenin (Panorama DDR 1983, S. 4)

Der Privileg der Berufstätigkeit und das Oberhaupt der Familie zu sein, wurde lan-ge dem Mann zulan-gesprochen. In den letzten Jahrzehnten gab es hier verschiedene Entwicklungen. Die Stellung des Mannes, sei es beruflich oder familiär, wird auch von vielen Frauen angestrebt. Im Sozialismus war es von großer Bedeutung, dass Frauen Zutritt zu Bildung haben und auch in der Arbeitswelt tätig waren. Diese Möglichkeiten wurden durch die Stärkung der Frauenrechte durch die Befreiung der Frau Ende des 2. Weltkrieges eröffnet und dienten seitdem als Grundlage der Gleich-berechtigung. Die Verfassung stellte sicher, dass Frauen Recht auf Bildung, Arbeit, gleichen Lohn und gleiche Arbeitsleistung haben. Die sozialistische Gesellschaft ver-suchte durch materielle und ideelle Bedingungen diese Rechte sicherzustellen. Doch erst durch neue Technologien gelang es den Frauen, sich frei zu entfalten. 30 der un-gefähr 300 Ausbildungsberufe in der DDR waren von Männern besetzt, die schwer arbeiten konnten, Frauen waren hier nicht erwünscht. Dies änderte sich nach und nach durch technische Veränderungen. Durch eine soziologische Umfrage konnte man auswerten, nur 0,6 Prozent der Frauen sagten, dass sie nach der Heirat zu Hause bleiben wollen und nur 3,3 Prozent der Männern waren der Meinung, dass die Frau nicht berufstätig sein soll. Anhand dieser Zahlen zeigte sich, dass die Berufstätigkeit der Frau in der DDR zur Selbstverständlichkeit geworden ist. (Panorama DDR 1983, S. 20)

Der DDR-Staat war der Meinung, dass er den westlichen Ländern weit überlegen war, bezüglich der Emanzipation der Frau. Die Gleichberechtigung galt als Marken-zeichen der DDR und war somit das Ziel des Sozialismus. Walter Ulbricht, einer der bedeutendsten Politiker der DDR, stimmte dieser Aussage zu. Schneller als im

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Westen stieg der Anteil der Frauen, die ihr Abitur machten, ein Studium absol-vierten und in einem ”Männerberuf” arbeiteten. Ungefähr 80 Prozent der Frauen mit Kindern arbeiteten gleichzeitig Vollzeit, Frauen mit drei oder mehr Kindern ar-beiteten ungefähr 66 Prozent. Dadurch wurde mit einer Lässigkeit behauptet, dass die Gleichberechtigung mit der Berufstätigkeit gleichgesetzt wurde. Denn das größte Problem der Gleichberechtigung war, dass sich die Frauen nach der Arbeit fast allei-ne um Haushalt und Kinder kümmerten. Viele Mänallei-ner waren bei der Umfrage der Meinung, dass die berufliche Qualifikation oder die mangelnde Bereitschaft Schuld daran seien, dass sie keine leitende Positionen im Beruf übernehmen wollten. Die Frauen wollten ihre Kinder nicht vernachlässigen und entschieden sich daher für die Familie und nicht für den Beruf. (Bouvier 2002, S. 244-245)

Eine These von August Bebel, einem sozialistischen deutschen Politiker sah so aus: ”Mit einer der Kernthesen von Bebel, wonach es keine Befreiung der Menschheit ohne die soziale Unabhängigkeit der Geschlechter geben wer-de, wurde die Geschlechterfrage zwar zum wichtigen Anliegen der Arbei-terbewegung, blieb aber ambivalent, weil die so genannte Frauenfrage untrennbar mit der sozialen Frage verknüpft war und ihr letztlich kein Eigenleben zugestanden wurde.” (Bebel 2012, S. 516)

Das Zitat ist so zu verstehen, dass Frauen Recht auf Arbeit zugeschrieben wurde, aber eher als außerhäusliche Erwerbsarbeit. Dies sollte zu einer Bedingung gemacht werden, dass Frauen Gleichberechtigung erfahren.

Clara Zetkin, eine Frauenrechtlerin, war Teil der Arbeiterbewegungen. Sie war der Meinung, dass Frauen ausgebeutet worden sind durch den Kapitalismus. Die So-zialisten sollten sich bewusst sein, dass die soziale Freiheit auf ökonomischer Unab-hängigkeit beruhe, sagte Zetkin auf dem internationalen Arbeiterkongress in Paris 1889. Erst durch die Abschaffung der kapitalistischen Produktionsweise wurden die Vorteile der Männer aufgehoben und die Frauen in den Arbeitsalltag miteinbezogen. Bebel war der Meinung, dass nun jedes Geschlecht gleich behandelt werde und der Grundsatz der sozialistischen Gesellschaft erfüllt sei, denn eine Gesellschaft kann nur durch Arbeit aufrecht erhalten werden. Und dennoch blieb die Frau oftmals zuständig für die Kinderbetreuung und für den Haushalt. Die Doppel- oder auch Dreifachbelastung wurde ihnen nicht angerechnet. Bebel forderte, dass die Kinder-betreuung durch gesellschaftliche Einrichtungen übernommen werden müsse. Daran hat sich die SED orientiert. Denn die SED wollte die Verwirklichung der Gleichbe-rechtigung nicht ausblenden. Doch auch Jahre später war der Alltag der Frau durch Familie, Haushalt und Arbeit gekennzeichnet, auch wenn es eine Kinderbetreuung gab. Gesellschaftlich war die Frau integriert, aber von einer Emanzipation war sie noch weit entfernt. (Bouvier 2002, S. 246-248)

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3.3 Mütter zwischen Familie, Beruf und Krippe

In diesem Kapitel soll erläutert werden, wie die Frauen in der DDR den Alltag meis-terten zwischen familiären und beruflichen Anforderungen. Für die Mütter führte diese Situation zu einer Doppelbelastung und die Männer waren trotz Gleichberech-tigung oft nicht zu Hause. Damit der Alltag trotzdem funktionieren konnte, war eine außerfamiliäre Kinderbetreuung Voraussetzung für die Familien. Wie diese im Alltag so aussah, wird hier kurz beschrieben:

Morgens früh um fünf wurden die Kinder geweckt, von der Mama mal ganz zu schweigen. Im Eiltempo wurden die Kinder angezogen und schon waren sie auf dem Weg zur Krippe und Kita. Jeden Morgen waren die Kinder müde und die Selbst-ständigkeit war um diese Uhrzeit noch nicht gegeben, also musste die Mutter alles übernehmen, da ihr schon die Zeit im Nacken saß, weil sie zur Arbeit musste. Danach ging die Mutter acht Stunden arbeiten und abends gegen 17.30 Uhr saß sie wieder im Zug in Richtung Kindergarten, um ihre Sprösslinge abzuholen. Danach ging es, wie so oft, zum Einkaufen oder es wurden noch andere Erledigungen gemacht, für die sonst keine Zeit war. Nach elf bis zwölf Stunden unterwegs, waren sie endlich zu Hause, aber für die Mutter war kein Feierabend in Sicht. Abendessen mit den Kindern, sie bettfertig machen und als die Kleinen die Augen zugemacht haben, wurde der Rest vom Haushalt erledigt, der liegen geblieben ist. Der Vater verließ früher das Haus als der Rest der Familie und kam auch später nach Hause. Eine Unterstützung gab es für die Frau meist nicht. (Müller-Rieder und Dresden 1997, S. 14)

Viele Frauen hatten auch Anforderungen an die Gesellschaft und deren Umsetzung. Frauen berichten, dass sie einen Studiumabschluss erlangt haben, was vor Jahren ei-ne Sensation gewesen wären. 1960 haben erst 25,2 Prozent der Frauen studiert, 50,2 Prozent waren es dagegen im Jahre 1987. Sie waren stolz darauf und wollten auch in ihrem Beruf arbeiten, aber Familie, Beruf und Kinderbetreuung zu vereinen, stellte sich als sehr schwierig dar. Die Gleichberechtigung blieb also ein großes Problem in der DDR.

Dass Kinder in die Krippe gegeben werden, ist für viele eine Notlösung. Die Mütter wollen eigentlich mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, aber der Beruf lässt es nicht zu. Daher arbeiten viele Frauen zeitweise verkürzt, müssen beruflich zurück stecken und werden versetzt in eine Position, die sie auch ohne Studium hätten erledigen können. Gefordert wird, dass der Staat die Mutter nach der Geburt für drei Jahre freistellt, aber Frauen werden als Arbeitskräfte gebraucht und viele sind stolz auf ihre Unabhängigkeit. Die Wahrheit ist auch, dass 90 Prozent aller Frauen arbeiten, weil sie sich im Beruf entfalten können und in ihnen nicht mehr nur die klassische Hausfrau gesehen wird. Die Krippe ist daher nicht mehr aus der sozialis-tischen Gesellschaft wegzudenken, wie im Kapitel 3.4 zu lesen ist (Panorama DDR

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