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Archiv "Seuchengesetzgebung und HIV-Infektionen: Fragen offen" (24.03.1995)

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EDIZIN

und politischer Wille zu dieser Mobili- sierung personeller und finanzieller Ressourcen führten, sollte die Ärzte- schaft bestärken, mit mehr Nachdruck die ausreichende Ausstattung von Einrichtungen und Programmen zu- gunsten der HIV-Risikogruppen zu fordern.

Dr. Robert Zimmermann Kellerweg 2

91093 Heßdorf-Hannberg

4 Fragen offen

Leider mußte ich feststellen, daß der Kommentar „Seuchengesetzge- bung und HIV-Infektion", wenn- gleich unter der Rubrik „Themen der Zeit" aufgeführt, nicht gerade auf der

„Höhe der Zeit" argumentiert.

So wurde zunächst von dem Ver- fasser vorgerechnet, daß die HIV- Infektion eine in erster Linie sexuell übertragbare Erkrankung darstellt (eine nicht so neue Erkenntnis), und anschließend beklagt, daß andere, re- lativ harmlose Erreger unter die rigo- rosen Vorschriften des Bundesseu- chengesetzes (BSeuchG) fallen — nicht aber die HIV-Infektion. Sollte sie aber wohl besser, so wurde impli- ziert!

Nicht gefragt wurde, was eine Anwendung des BSeuchG oder des Gesetzes zur Bekämpfung der Ge- schlechtskrankheiten bewirken soll.

Zu welcher „Zwangsbehandlung" —

Schlußwort

Darf ich Herrn Dr. Linkens daran erinnern, daß ab Anfang Oktober 1993 kontinuierlich über mehrere Monate hinweg, Tag für Tag, ja Stun- de für Stunde, durch eine ganz über- wiegend konfuse Information fast al- ler Medien bei der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen mußte, daß die HIV-Infektion in erster Linie durch Übertragung von Blut erfolgt? Dabei wurde nicht einmal differenziert zwi- schen der Applikation von Vollblut, Erythrozyten-Konzentrat, Frischplas- ma und handelsüblichen Plasma- präparationen, wie etwa Gammaglo- bulin, Anti-D-Humanglobulin sowie Faktor-VIII-Präparationen verschie-

DISKUSSION

„schon zur Verhütung der An- steckung anderer" — möchte der Au- tor denn HIV-Positive per Gesetz ver- pflichten? Mehr noch und sehr viel ge- fährlicher ist die Argumentation, daß sich der HIV-Infizierte „der von ihm ausgehenden Gefahr" nicht bewußt sein kann, wenn er nichts von seiner Infektion weiß. Die Menschen müs- sen aber nicht vor HIV-Positiven ge- schützt werden, es muß vielmehr dar- um gehen, jeden zu befähigen, sich selbst in risikoreichen Situationen zu schützen. Es ist falsch zu suggerieren, daß man von Staats wegen vor der In- fektion durch gesetzliche Maßnah- men schützen kann.

Die bestehenden Präventions- strategien, die Menschen in ihren je- weiligen Lebensstilen akzeptieren und ihnen Informationen und Hilfsangebote offerieren, haben in den vergangenen Jahren Erfolge ge- zeigt. Diese und das entstandene Ver- trauen dürfen nicht durch leichtferti- ge Diskussionen aufs Spiel gesetzt werden. Weder das BSeuchG noch das Gesetz zur Bekämpfung von Ge- schlechtskrankheiten sind Selbst- zweck. Zweck ist die Bekämpfung der Krankheit.

Dr. rer. nat. Hans-Josef Linkens Leiter des Referats

Medizin und

Gesundheitspolitik der Deutschen AIDS-Hilfe e. V.

Postfach 61 01 49 10921 Berlin

dener Herkunft. Ich hielt es deshalb für notwendig, daran zu erinnern, daß das HIV primär auf sexuellem Wege übertragen wird. Zu den übrigen Aus- führungen von Herrn Linkens kann ich wenig sagen, da sie auf völlig unge- rechtfertigten Interpretationen mei- ner Ausführungen basieren. Aber ei- ner Kernaussage von Herrn Linkens, die schlaglichtartig seine fachliche Kompetenz als Epidemiologe doku- mentiert, sei hier in aller Deutlichkeit widersprochen. Er schreibt in seiner Leserzuschrift: „Die Menschen müs- sen aber nicht vor HIV-Positiven ge- schützt werden, . ." Wie das, wenn die WHO bereits heute mit 16 Mio.

Infizierten rechnet und schätzt, daß sich diese Zahl innerhalb von nur

sechs Jahren, also bis zur Jahrtau- sendwende, auf 40 Mio. HIV-Infizier- te erhöhen wird, und das ganz über- wiegend durch die sexuelle Aktivität HIV-Positiver! Dabei ist die Schutz- bedürftigkeit der Nichtinfizierten kei- ne Besonderheit, denn unsere Schutz- impfungsverfahren und die Hospital- hygiene haben das alleinige Ziel, Nichtinfizierte vor Infektionen zu schützen, und es ist eben eine Tatsa- che, daß für die Übertragung infektiö- ser Erkrankungen auf Menschen in erster Linie der infizierte Mitmensch in Frage kommt.

Auch die Ausführungen von Frau Betty Müller verlangen eigent- lich nur die strikte Klarstellung, daß ihre Interpretationen, Spekulationen und Unterstellungen mit den in mei- nem Kommentar gemachten Aus- führungen nichts zu tun haben. Auch sehe ich mich rein intellektuell in wei- ten Bereichen außerstande, die Argu- mentation von Frau Müller über- haupt nachvollziehen zu können. Im übrigen sollte Frau Müller zur Kennt- nis nehmen, daß zwischen HIV-Infek- tion und AIDS grundsätzlich streng zu unterscheiden ist.

Frau Müller und Herrn Linkens ist offensichtlich gemeinsam, daß sie das wesentliche Anliegen meines Kommentars nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen. Mir ging und geht es vor allem darum, zum Ausdruck zu bringen, daß Bundesge- setze für alle gelten und nicht einen beliebig manipulierbaren Text dar- stellen. So kann es von mir aus auch keine grundsätzlichen Einwände ge- ben, wenn das Bundesseuchengesetz geändert wird.

Auch die dritte Leserzuschrift von Herrn Zimmermann findet mich weitgehend ratlos. Von einer Revisi- on der bisherigen „Nicht-Behand- lung" der HIV-Infektion kann doch überhaupt keine Rede sein. Auch ist es einfach unrichtig, daß es für den größten Teil der schicksalhaft ablau- fenden Virusmeningoenzephalitiden effektive, aktive oder passive Schutz- impfungen sowie kausale Therapie- verfahren gibt. Man kann die FMSE- Infektion mit Sicherheit nicht mit dem Begriff der Virusmeningoenze- phalitis gleichsetzen.

Was die Tollwut anbelangt, führt jede manifeste Infektion beim Men- Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 12, 24. März 1995 (59) A-851

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MEDIZIN

schen zum Tode. Auch hier gibt es keine kausale Therapie. Allerdings darf hier nicht übersehen werden, daß die Tollwut primär eine Zoonose ist.

Fast alle Schätzungen besagen, daß nur zehn bis 15 Prozent der von toll- wütigen Tieren gebissenen Menschen an Tollwut erkranken, wobei Bißver- letzungen im Kopfbereich relativ häu- figer zu Infektionen führen. Weiter ist daran zu erinnern, daß das Bundes- seuchengesetz aus dem Jahre 1961 stammt, wo die vage Möglichkeit ei- ner effektiven aktiven Schutzimpfung nur unter der Voraussetzung einer langen Inkubationszeit (-30 Tage) denkbar war. Heute wissen wir aber, daß die Inkubationszeiten zwischen zehn Tagen bis hin zu einem Jahr vari- ieren können, aber in seltenen Fällen nur sechs Tage betragen. Zudem wur- de in den 60er Jahren mit Vakzinen geimpft, die inaktivierte Suspensio- nen von zentralnervösem Gewebe tollwütiger Tiere repräsentierten.

Daraus resultiert, daß man vorwie-

DISKUSSION / FÜR SIE REFERIERT

gend gegen zentralnervöse Substanz und nur zu einem geringen Teil gegen das Tollwut-Virus immunisierte, was häufig schwerwiegende lokale und allgemeine Nebenreaktionen zur Fol- ge hatte. Ob und inwieweit diese Vak- zinen effektiv waren, ließ sich nicht si- cher beurteilen.

Wenn man bedenkt, daß die Zahl der HIV-Infektionen derzeit auf 100 000 geschätzt wird (in der Bun- desrepublik waren etwa 58 000 Fälle von HIV-Infektionen im Bundesge- sundheitsamt bis zum 30. 6. 1993 ge- meldet worden) und sich die Zahl der bekanntgewordenen humanen Toll- wutfälle in der alten Bundesrepublik in dem fast drei Jahrzehnte währen- den Zeitraum von 1951 bis 1989 auf insgesamt 17 beläuft, wobei neun In- fektionen im südosteuropäischen (Griechenland, Türkei) und asiati- schen (Ägypten, Indien und Iran) Ausland erfolgten, findet sich in der Tat eine signifikant unterschiedliche epidemiologische Bedeutung von

HIV- und Tollwutinfektion dokumen- tiert.

Die einzige Zuschrift, die mein eigentliches Anliegen in dem hier zur Diskussion stehenden Kommentar zum Ausdruck bringt, findet sich in der Leserzuschrift von Herrn Kolle- gen Bachmann. Er bezeichnet es als „mangelnde Rechtskonformität".

Und Bachmann hat wohl auch mit sei- nem Hinweis auf die Möglichkeit zukünftiger gerichtlicher Auseinan- dersetzungen zwischen HIV-Infizier- ten und den Verantwortlichen in Bonn recht. Schließlich ist es kein Ge- heimnis, daß zahlreiche Bluter wegen der Behandlung mit HIV-infizierten Präparaten gegen die Bundesrepublik Klagen angestrengt haben.

Prof. Dr. med. Horst Finger Direktor des Instituts für

Hygiene u. Laboratoriumsmedizin der Städt. Krankenanstalten Lutherplatz 4

47805 Krefeld

Lösliche Formen vom interzellulären Adhäsionsmolekül-1 (ICAM-1) beim Diabetes-mellitus-Typ-1

Adhäsionsmoleküle sind eine erst in den letzten Jahren identifizier- te Gruppe von Membranprote- inen, die auf Endothel- und Leuko- zytenmembranen bei Entzündungsre- aktionen exprimiert werden. Eine we- sentliche Rolle spielen die Adhäsions- moleküle bei der Emigration von Leukozyten aus dem Gefäßsystem in das Gewebe. Das interzelluläre Adhä- sionsmolekül-1 (ICAM-1) hat zusätz- lich bei Immunreaktionen eine regu- lative Funktion, indem es co-stimula- torische Signale vermittelt.

Lösliche Formen von ICAM-1 (cICAM-1) können im Serum von ge- sunden Kontrollpersonen nachgewie- sen werden. In einer Vielzahl von Er- krankungen sind erhöhte cICAM-1 Serumspiegel nachgewiesen worden, jedoch ist deren physiologische und pathophysiologische Bedeutung un- bekannt. Kürzlich wurden signifikant erhöhte cICAM-1 Spiegel im Serum von erstgradig Verwandten von Typ-

1-Diabetikern gezeigt, die ein geneti- sches Risiko (HLA-DR3 p1-D und/

oder -DR4), jedoch keine immunolo- gischen Hinweise (Inselzellantikörper negativ) für die Entwicklung der Er- krankung haben. Eine protektive Rol- le für cICAM-1 bei der Entwicklung des Diabetes-mellitus-Typ-1 wurde aus diesen Befunden postuliert.

Diese Hypothese wurde mit re- kombinanten löslichen Formen von ICAM-1 (rICAM-1) in Zellkulturex- perimenten mit autoimmunen T-Zell- linien aus Typ-1-Diabetikern, die ein 38 kD Protein aus der Membran von insulinsekretorischen Granula erken- nen, überprüft. Die Proliferation der T-Zellen, ausgelöst durch das 38 kD Protein, konnte durch 100 ILIM rICAM-1 komplett inhibiert werden.

Diese Immunsuppression zeigte sich jedoch nur bei Antigen-spezifischen T-Zellproliferationen, eine IL-2 indu- zierte T-Zellproliferation wurde durch rICAM-1 nicht verändert.

In weiteren Experimenten wur- den gentechnisch ICAM-1 Moleküle mit den konstanten Teilen von Anti- körpern verschmolzen, so daß zwei bis zehn ICAM-1 Bindungsstellen auf einem Molekül vereinigt wurden.

Diese neuartigen Proteine waren in den Zellkulturexperimenten in 1000- fach geringeren Konzentrationen als rICAM-1 in der Lage, T-Zellprolife- rationen zu blockieren.

Die Ergebnisse beschreiben für lösliche Formen von ICAM-1 eine im- munsuppressive Wirkung und unter- stützen die Hypothese einer protekti- ven Rolle von cICAM-1 bei der Ent- wicklung des Diabetes mellitus Typ-1.

Weiterhin eröffnen sich neue thera- peutische Möglichkeiten für die Be- handlung von immunmediierten Er- krankungen durch die gentechnisch hergestellten ICAM-1-Immunglobu- lin-Fusionsproteine. klb

Roep, 0, Heidenthal, E, de Vries, RRP, Kolb, H, Martin, S.: Soluble forms of inter- cellular adhesion molecule-1 in insulin-de- pendent diabetes mellitus. Lancet 1994;

343: 1590-1593.

Dr. med. Stephan Martin, Klinische Abtei- lung, Diabetes-Forschungsinstitut an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Auf'm Hennekamp 65,40225 Düsseldorf

A-852 (60) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 12, 24. März 1995

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