Anzahl amerikanischer Wissenschaft- ler nach Deutschland kommt. Sind die Gründe nur sprachlicher Natur, oder betrachten amerikanische Wis- senschaftler den Schritt an eine deut- sche Forschungseinrichtung etwa als einen „Karriereknick“? Ein ausgegli- cheneres bilaterales Verhältnis wäre auf jeden Fall wünschenswert für die deutsche Forschung und den kulturel- len Austauch. Wünschenswert wäre auch, einerseits interessantere Rah- menbedingungen für die deutsche Pharma- und biomedizinische Indu- strie zu schaffen, Firmengründungen durch junge Forscher anzuregen und zu fördern und andererseits die Ko- operation von industrieller und staat- licher Forschung auszubauen.
In Zukunft soll der nun begonne- ne engere Austausch fortgesetzt wer- den. Vielversprechende Ansätze dazu
hat es schon in Form einer Sprech- stunde gegeben, die die DFG im An- schluß erstmalig für die Stipendiaten vor Ort angeboten hat. Gemeinsam mit den Fördereinrichtungen und Vertretungen der Bundesregierung und der Bundesministerien vor Ort soll in erster Linie zu der Entwicklung einer moderneren und leistungsfähi- geren Forschung in Deutschland bei- getragen werden. Das Ziel ist dabei nicht die einfache und unrelativierte Kopie des amerikanischen Systems, sondern eine Forschungsstruktur, die deutsch-europäischen Rahmenbedin- gungen Rechnung trägt.
Anschrift des Verfassers Dr. med. Axel Wellmann National Cancer Institute, NIH Building 10 2N 109
Bethesda, MD 20892
A-3250
P O L I T I K MEDIZINREPORT
(38) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 48, 28. November 1997 Natürliche und synthetische
Cannabinoide haben nicht nur einen direkten Effekt auf die Schmerzlei- tung im zentralen und peripheren Nervensystem, sie können auch Hy- peralgesien verhindern. Dies belegen mehrere neue Studien, die auf dem Jahrestreffen der amerikanischen So- ciety for Neuroscience in New Or- leans vorgestellt wurden. Daß die schmerzlindernde Wirkung von Cannabinoiden und Opiaten auf un- terschiedlichen Mechanismen beruht, konnte Jeffrey Vivian von der Univer- sity of Michigan Medical School durch Versuche an Rhesusaffen nachweisen.
Die Tiere zogen ihre Schwänze (im Vergleich zu Pla- zebo) weniger schnell aus einem 50 Grad Celsius heißen Wasser- bad zurück, wenn sie zuvor den natürlichen Inhaltsstoff der Cannabispflanze, Delta-9-Te- trahydrocannabinol (THC), das synthetische Cannabinoid WIN 55212-2, Heroin oder das syn- thetische Opioid U69593 erhal- ten hatten. „Die Schmerzlinde- rung war dosisabhängig und für die Opioide generell besser“,
beobachtete Vivian. Dem meist ho- hen Suchtpotential der Opioide stün- de die teilweise sehr schnelle Tole- ranzentwicklung mit den meisten Cannabinoiden gegenüber.
Spezifischer Rezeptorblocker
Die Unabhängigkeit beider schmerzlindernder Systeme demon- strierte Vivian durch den Einsatz mehrerer spezifischer Rezeptor- blocker. So konnte der Cannabinoid- Rezeptor-Antagonist SR141716A die
Wirkung von THC und WIN 55212-2 unterdrücken, hatte aber keinen Ein- fluß auf die Opioide Heroin und U69593. Umgekehrt zeigte der Opio- id-Rezeptor-Antagonist Quadazocin keine Wirkung auf die Cannabinoide.
„Dies beweist die Unabhängigkeit der Cannabinoid- und Opioid-Systeme hinsichtlich der Schmerzlinderung“, faßte Vivian die Resultate seiner Ar- beitsgruppe zusammen.
In einer weiteren Untersuchung gelang es Donald Simone und seinen Kollegen von der University of Min- nesota, eine experimentell induzierte Hyperalgesie bei Ratten vollständig zu verhindern. Bei diesem Versuch wurde den Tieren Capsaicin in den Hinterlauf injiziert – eine Verbindung, die Chilischoten ihre Schärfe verleiht.
Die so erzeugte Hyperalgesie, die an- hand der Druck- und Wärmeempfind- lichkeit der Ratten quantifiziert wur- de, konnten die Forscher dosisabhän- gig durch WIN 55212-2 mindern.
Eine vor der Injektion von Cap- saicin verabreichte Dosis von 100 Mi- krogramm pro Kilogramm Körperge- wicht war ausreichend, um die Hyper- algesie vollständig zu unterdrücken, ohne die Reflexe der Versuchstiere – beispielsweise gegenüber Hitze – zu beeinflussen. „Wir wissen jetzt, daß Cannabinoide sowohl die Schmerzlei- tung als auch die Hyperaktivität spi- naler Neuronen blockieren können“, sagte Simone.
Die Möglichkeit, Cannabinoide zur lokalen Schmerzlinderung einzu- setzen, hat Kenneth Hargreaves von der University of Texas an einem wei- teren Tiermodell erfolgreich unter- sucht. Dabei fand der Pharmakologe heraus, daß Anandamid – ein weiteres natürliches Cannabinoid – sowohl prophylaktisch als auch nach einer Verletzung eingesetzt werden kann.
An isolierten Hautstücken ver- ringert diese Verbindung anschei- nend die Durchlässigkeit von Blutge- fäßen und verhindert so die Freiset- zung schmerzverstärkender Verbin- dungen. Aus dieser und einer Reihe ähnlicher Untersuchungen zieht Hargreaves den Schluß, daß „die pe- riphere Anwendung von Cannabi- noiden eine neue Schmerztherapie darstellen könnte, die Nebenwirkun- gen auf das zentrale Nervensystem vermeidet“. Michael Simm
Cannabis beschäftigt die Schmerzforscher
Anbau von Hanf (Cannabis) für industrielle Zwecke Foto: dpa