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Archiv "FRAGMENTE: Hierarchie auf Spielkarten" (25.10.1979)

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FRAGMENTE

Hierarchie auf Spielkarten

Mit dieser Abbildung sei auf die im Heimeran-Verlag herausgege- bene Faksimile-Ausgabe des im kunsthistorischen Museum zu Wien aufbewahrten Hofämter- spieles aufmerksam gemacht — eines der frühesten und noch da- zu vollständig mit 48 Blatt erhal- tenen Kartenspiele. Es stammt aus dem 15. Jahrhundert, enthält vier Serien — Deutsches Reich, Frankreich, Böhmen und Ungarn

— mit je zwölf Blatt, die gleichzei- tig die Hofämterhierarchie wie- dergeben vom König und der Kö- nigin über Hofmeister und Mar- schall bis hin zu Boten, Jägern und Narren.

Sozialgeschichtlich interessant ist die Einordnung des Arztes in diese Hierarchie. Das Spiel ent- hält nur eine Arztdarstellung, und zwar in der böhmischen Farbe.

Der Arzt rangiert hier an fünfter Stelle nach dem Marschall und ist gleichrangig zugeordnet dem Kaplan in der deutschen Serie, der Hofmeisterin in der französi- schen Serie und dem Kanzler in der ungarischen Serie.

Die Charakterisierung durch Harnglas und Kräuterbuch ent- spricht der zeitgenössischen Ste- reotype und ist Sinnbild für die ärztliche Berufsausübung als an- gewandte Wissenschaft.

Abbildung eines Arztes auf einer Spielkarte des 15. Jahrhunderts Spektrum der Woche

Aufsätze • Notizen

(Kluge, 1960) leitet sich das engli- sche Wort baby von germanisch baban ab, vermutlich der silbenver- doppelnden Koseform für einen Bruder, stets für ein männliches Kind, bezeichnet also auch in die- sem Falle einen Lallsprache-Aus- druck aus Erwachsenenmund. Also ergibt auch die Wortgeschichte kei- nerlei Anhalt für Notwendigkeit oder Überlegenheit von „das Baby" im offiziellen Sprachgebrauch gegen- über angestammten Bezeichnun- gen, die muttersprachlich das Bezie- hungsfeld mit ausdrücken.

„Unser Kind": Beziehungseinheit Vergleichen wir die emotionale Re- sonanz nach Aussprechen von „Ba- by" mit jener nach einer der ge- bräuchlichen Alternativen, wie zum Beispiel „unser kleines Kind", so wird diese Bezeichnung auch heute noch in sehr vielen Ohren gänzlich anders „klingen" und damit stim- mend wirken. „Unser (kleines) Kind"

hat einen anderen Ton als den ver- sachlichenden, verniedlichten, ja fast kitschigen Ton, den das ausge- sprochene Wort „Baby" nach- schwingen läßt. Demgegenüber lie- ße die deutschsprachige Titelalter- native einer an Eltern gerichteten Broschüre die personale Beziehung, Verantwortung und Wärme jener Beziehungseinheit mitschwingen, ohne welche das Neugeborene kei- ne Existenz hätte. Sowohl objektiv wie gefühlsseitig bildet die Dyade (Spitz) in der allerersten Zeit des Le- bens zwischen Mutter und Kind je- nen einheitlichen Begriff, der verbal zu nennen wäre, wie es in früherer Zeit mit Wickelkind oder Säugling geschah. Unser (kleines) Kind („das Erzeugte") deutet sprachlich bereits auf die Dreierbeziehung beider El- tern zum Kind hin: Vater — Mutter — Kind, bezieht also auch den Mann in den Ausdruck ein.

Doch auch diese Triade ist bereits sprachlich, ähnlich dem besproche- nen „Baby", entstaltet. Das Kind lernt in der Früherziehung beim Sprechen nur noch selten beide El- tern muttersprachlich anzureden.

Verkleinerungsformen, Amerikanis-

men, Verharmlosungen verbreiten sich, bis hin zur Verkindlichung und Verkitschung der Alten als „Oma"

und „Opa". Onkel, Tante, Neffe, Nichte, Vetter und Base verschwin- den von der Bühne des Kindes, das selbst auch kaum noch familiär oder sonstwie verpflichtende Vornamen (Rufnamen) erhält.

Ein Symptom

von gesellschaftlicher Relevanz Die linguistischen Überlegungen wären ärztlicherseits bedeutungs- los, wenn ihr Hintergrund nur eine Mode, und gar nicht einmal eine neue, wäre. Einbürgerung von Um- benennungen jahrtausendealter Be- zeichnungen sprechen aber von Einstellungs- und Strukturänderun- gen des Benannten. Es sollte Auf- merksamkeit erregen, wenn dabei Komplexe von vitaler gesellschaftli- cher Relevanz betroffen werden.

Wie die Weltgeschichte zeigt, gehö- ren in-solche Bereiche auch quanti- tative und qualitative Sicherung der Reproduktion jedes Volkes. Nicht nur die Entwicklung des einzelnen, auch der Kulturbeitrag größerer Ge- meinschaften basieren auf den Grundvoraussetzungen Zukunft und Hoffnung. Wie die Weltgeschichte ebenfalls zeigt, können ganze Völ- ker entarten, krank werden und ster- ben. Es ist nicht Absicht dieser Zei- len, darüber spezielle Erwägungen anzustellen. Es war vielmehr seit je ein Anliegen ärztlicher Aufmerksam- keit und Denkarbeit, selbst kleinste unbedeutend erscheinende Sympto- me in größere Zusammenhänge ein- zuordnen mit dem Ziel einer Diagno- se — und nicht zuletzt auch einer Prognose.

Literatur beim Sonderdruck

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Hans-Georg Jaedicke Ärztlicher Leiter

Dr.-Schüßler-Sanatorium Psychosomatische Kurklinik 3380 Goslar 2 (Hahnenklee- Bockswiese)

Das „Baby" . .

2860 Heft 43 vom 25. Oktober 1979 DEUTSCHES Ä.RZTEBL ATT

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