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Archiv "Bio-Monitoring in der Arbeits- und Umweltmedizin: Klare Abgrenzung gefordert" (29.07.1994)

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(1)

DISKUSSION

Bio-Monitoring

in der Arbeits- und Umweltmedizin

1 Ergänzungen

zu den "Normbereichen"

Zu dem Artikel möchten wir fol- gendes anmerken:

In Tabelle 3 sollen die " ... ange- gebenen derzeit gültigen ,Normbe- reiche' ... " über die "relevanten Konzentrationsbereiche" informie- ren. Bei Blei ist als "Normalbereich"

ein Wert< 200 !-lg/1 Vollblut angege- ben. Uns ist diese Angabe nicht er- klärlich, da von verschiedener beru- fener Seite niedrigere Bereiche ge- nannt werden:

.... Das Umweltbundesamt weist in den 1992 herausgegebenen "Daten zur Umwelt 1990/91" (E. Schmidt Verlag Berlin, S. 559) darauf hin, daß Blei bereits in " ... relativ niedrigen Konzentrationen zu biochemisch faß- baren Veränderungen und zu neuro- toxischen Effekten bei Kindern füh- ren kann ... ". Eine " ... Blutblei- Konzentration von über 10 !-lg/dl (100

!-lg/1) bei Kindern und Frauen im ge- bärfähigen Alter sowie von über 15

!!g/dl (150 !-lg/1) bei beruflich nicht ex- ponierten Erwachsenen ... " sollte nicht mehr akzeptiert werden.

..,. In dem von den Autoren zi- tierten Beitrag von Ewers und Brack- haus (1987) wird als der Kategorie I (unauffällig) zugehörig ein Wert von 15 !!g/dl (150 !-lg/1) genannt.

..,. Die Kurzinformation "Um- weltmedizinische Laboruntersuchun- gen" des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg (Stuttgart, Mai 1993) nennt den gleichen Wert; es wird jedoch erwähnt, daß "aufgrund neuerer Erkenntnisse bezüglich der neurotoxischen Wirkungen von Blei in niedrigen Dosen ... der Orientie- rungswert für Kategorie I - Blei im Blut - ... auf 10 !!g/dl (100 !-lg/1) demnächst erniedrigt (wird)".

.... Nach Wilhelm und Ewers (Beitrag "Metalle/Blei" in: Wich- mann, Schlipköter, Fülgraff: Hand-

Zu dem Beitrag von

Oipl.-lng. Kari-Heinz Schaller Prof. Dr. rer. not.

Jürgen Angerer und Prof. Dr. med. Dr. h.c.

Gerhard Lehnert in Heft 31-32/1993

buch der Umweltmedizin, ecomed, Landsberg, 1. Erg. Lfg. 6/93) sind

" ... Kleinkinder ... und Schwangere

(wegen der Gefährdung des Foe- tus) . . . als Risikogruppen anzuse- hen. Wirkungen auf das zentrale Nervensystem und das bärnatopoeti- sche System sowie auf das Wachstum wurden bis zu Blutbleigehalten im

2 Klare Abgrenzung gefordert

Die Veröffentlichung von Schal- ler et al. hat meines Erachtens bei ar- beitsmedizinisch unerfahrenen Kol- legen mehr zur Begriffsverwirrung beigetragen als zur Klärung der Fra- ge, welche Schadstoffbelastungen ge- sundheitlich bedenklich sind. Insbe- sondere die Bedeutung des BAT- Wertes in der Arbeitsmedizin und die angegebenen "Normalbereiche"

der Schadstoffe bedürfen der weite- ren Erläuterung und Ergänzung.

Die im arbeitsmedizinischen Bio- Monitoring nachgewiesene Schad- stoffbelastung bei Beschäftigten wird bei nicht kanzerogenen Arbeitsstof- fen auf der Grundlage der sogenann- ten BAT-Werte beurteilt. Der BAT- Wert ist dabei definitionsgemäß die beim Menschen höchst zulässige Quantität eines Arbeitsstoffes oder Arbeitsstoffmetaboliten oder die da- durch ausgelöste Abweichung eines

Bereich von 100 bis 150 !!l!l und nied- riger festgestellt. Exakte Schwellen- konzentrationen konnten bisher nicht ermittelt werden".

Die durchschnittliche Blutblei- konzentration der (deutschen) Allge- meinbevölkerung hat in den letzten Jahren vor allem durch die Ein- schränkung der Bleizusätze in Benzin deutlich abgenommen. Nach Wil- helm und Ewers (1993) liegt der durchschnittliche Wert im Bereich von 50 bis 80 !!l!l, in nicht industriali- sierten Regionen bei 30 bis 50 !-lg/l.

Auch vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, wenn von SchaUer, Angerer und Lehnert in einem Arti- kel, der als aktuelle Übersicht zum Thema "Biomonitoring" an promi- nenter Stelle veröffentlicht wird, ein pauschaler Wert für den "Normalbe- reich" von < 200 !-lg/1 Vollblut ange- geben wird.

Prof. Dr. med. Pranz Daschner Markus Dettenkofer, Arzt Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene Klinikum der Albert-

Ludwigs-Universität Freiburg Hugstetter Straße 55

79106 Freiburg

biologischen Indikators von seiner Norm, die nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Kennt- nis im allgemeinen die Gesundheit der Beschäftigten auch dann nicht beeinträchtigt, wenn sie durch Ein- flüsse des Arbeitsplatzes regelrecht erzielt wird.

Wie bei den MAK-Werten wird in der Regel eine Expositionsdauer von maximal 8 Stunden täglich bezie- hungsweise 40 Stunden wöchentlich zugrunde gelegt. Die Definition bei SchaUer ist daher unvollständig. Die BAT-Werte sind nicht ohne weiteres auf die Normalbevölkerung anzu- wenden. Zum einen setzt die Anwen- dung des BAT-Wertes eine maximale wöchentliche Höchstexpositionszeit von 40 Stunden voraus, die für die Normalbevölkerung bei umweltbe- dingten Einflüssen selbstverständlich nicht eingehalten werden kann. Zum anderen bezieht sich die Definition auf ein gesundes Kollektiv von Men- schen im erwerbsfähigen Alter.

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 30, 29. Juli 1994 ( 49) A-2053

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MEDIZIN

Kranke Personen, Kinder, Säuglinge und Greise werden durch die BAT- Wert-Definition nicht erfaßt.

Die für die Gesamtbevölkerung akzeptable Höchstkonzentration ei- nes bestimmten Schadstoffes muß so- mit deutlich unterhalb der arbeitsme- dizinisch gültigen MAK-Werte lie- gen. Gleichwohl können die arbeits- medizinisch angewendeten Werte ei- nen wichtigen Hinweis auf die toxiko- logische Potenz eines bestimmten Stoffes und auf die zu erwartenden Auswirkungen geben. Insoweit soll- ten die arbeitsmedizinisch gültigen Grenzwerte immer neben den „Nor- malwerten" für die Gesamtbevölke- rung betrachtet werden.

Die einfache Darstellung eines Normalbereiches, wie in der hier vor- liegenden Literaturveröffentlichung geschehen, ist jedoch wenig hilfreich und mißverständlich. Zum sogenann- ten Normalbereich sind folgende An- merkungen erforderlich:

Die Verwendung des Begriffes

„Normalwert" oder „Normalbereich"

stellt zumindest die dargestellten to- xikologischen Werte auf eine Stufe mit den üblichen Normalbereichen der medizinischen Laboratoriums- diagnostik. Diese Auffassung ist je- doch falsch. Eine nachgewiesene Schadstoffbelastung innerhalb der angegebenen Grenzen ist für die Normalbevölkerung nicht normal, sondern in industrialisierten Ländern durch industriebedingte Schadstoff- Freisetzungen verursacht. Schad- stoffbelastungen oberhalb der darge- stellten Grenzwerte sind nicht ohne weiteres pathologisch, da es sich hierbei um willkürlich festgesetzte, häufig politisch motivierte Grenzwer- te handelt. Insbesondere bei den Kohlenwasserstoffen weichen die an- gegebenen „Normbereiche" teilweise um mehrere Zehnerpotenzen von den arbeitsmedizinisch zulässigen BAT-Werten ab. Selbst bei einer mehrfachen Überschreitung der hier angegebenen Normalbereiche kann nicht zwangsläufig von einem krank- haften Befund ausgegangen werden, sondern vielmehr kann nur eine über dem Bevölkerungsdurchschnitt lie- gende Schadstoffexposition unter- stellt werden. Ob diese erhöhte Ex- position zu einer krankhaften Reak- tion im Organismus geführt hat, kann

DISKUSSION

mit diesen Grenzwerten nicht beant- wortet werden. Hier ist eine ganz kla- re Abgrenzung zu den üblichen La- borwerten des klinisch chemischen und hämatologischen Labors erfor- derlich.

Dr. med. Jürgen Horstmann Arzt für Arbeitsmedizin Arzt für Allgemeinmedizin Naturheilverfahren Welte 145

48249 Dülmen

Schlußwort

Bei der Prävention von Gesund- heitsstörungen durch Belastungen aus der allgemeinen Umwelt und an Arbeitsplätzen ist kaum ein Thema wissenschaftlich vielschichtiger und komplexer als das der Grenzwerte, zumal diese keine festen Konstanten sind, sondern sich entsprechend dem Stand der medizinischen Erkenntnis- se und der analytisch-chemischen Fortschritte stetig wandeln. Dennoch sind Grenzwerte ein beliebter Ge- genstand fachkompetenter wie fach- inkompetenter öffentlicher Diskus- sionen. Diese betreffen insbesondere 1. die absolute Höhe von Grenzwer- ten für Einzelsubstanzen, wie zum Beispiel der Blei-Konzentration im Blut, und 2. die Definition von Grenzwerten.

ad 1.: Es steht außer Zweifel, daß sich die Blutblei-Werte in der Allgemeinbevölkerung in den letzten zwei Jahrzehnten erheblich reduziert haben. Ursache hierfür ist im wesent- lichen die Verminderung des Blei- gehalts im Benzin aufgrund des Ben- zinbleigesetzes von 1971, das maß- geblich auf Felduntersuchungen des Erlanger Arbeitskreises (Lehnert et al. 1970) beruht. Unsere eigenen Er- fahrungen zur Blutblei-Analytik dek- ken dementsprechend einen Zeit- raum von mehr als 25 Jahren ab. Sie können sicher nicht durch wenige Li- teraturzitate der Herren Daschner und Dettenkofer in Frage gestellt werden, die offensichtlich über eige- ne größere Erfahrungen auf diesem Gebiet selbst nicht verfügen. Der gu- ten Ordnung halber sei aber folgen- des festgestellt:

Als Referenzwert für den Blut- blei-Spiegel der allgemeinen Bevöl-

kerung wird in der EG-Richtlinie aus dem Jahre 1977 noch die Einhaltung von 350 iig/1 Blut für 98 Prozent der Bevölkerung gefordert. Üblicherwei- se wird jedoch die „obere Normgren- ze" als das 95. Perzentil für die Un- tersuchung eines beruflich nicht blei- exponierten Kollektivs definiert.

Zum Zeitpunkt der Erstellung unse- rer Publikation (Anfang 1992) haben wir bei der Untersuchung eines gro- ßen Kollektivs für den Blutblei-Spie- gel eine „obere Normgrenze" von 200 p.g/1 ermittelt. Aufgrund der weiteren Einschränkung der Bleizusätze im Kraftstoff hat sich in der Allgemein- bevölkerung — bei einem mittleren Blutblei-Spiegel von etwa 60 ,r,g/1 — die „obere Normgrenze" auf 150 m,g/1 reduziert. Die in Tabelle 4 (nicht in Tabelle 3, wie von den Herren Daschner und Dettenkofer zitiert) angegebene „obere Normgrenze" des Blutblei-Spiegels wäre dementspre- chend heute mit 150 lig/1 Vollblut an- zugeben. Eine Diskussion um die für die Risikogruppen nach toxikologi- schen Kriterien festzulegenden

„Schwellenkonzentrationen" (Orien- tierungswerte usw.) ist an dieser Stel- le nicht zu führen. Wie oben ausge- führt, handelt es sich bei der Angabe der „oberen Normgrenze" um einen analytisch gewonnenen und nach sta- tistischen Methoden errechneten Wert. Dieser kann nicht mit toxikolo- gisch begründeten Werten verglichen werden. Es sei auf die einschlägige Literatur zu dieser Thematik verwie- sen (Centers for Disease Control, 1991).

ad. 2.: Die drei Unterzeichner benötigen keine Belehrungen über die Definition des BAT-Wertes. Wie anhand der einschlägigen wissen- schaftlichen Literatur leicht nach- vollzogen werden könnte, gehen Be- griff und Definition des BAT-Wertes auf einen der Unterzeichner (G. L.) zurück. Er ist seit Gründung der Ar- beitsgruppe „Aufstellung von Grenz- werten in biologischem Material" der Senatskommission zur Prüfung ge- sundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemein- schaft im Jahre 1979 deren Leiter, wie auch die beiden anderen Unter- zeichner gleichfalls seit Einsetzung dieser Arbeitsgruppe deren Mitglie- der sind.

A-2054 (50) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 30, 29. Juli 1994

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