• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Arbeits- und Umweltmedizin: Bestandteil der klinischen Differenzialdiagnose" (05.07.2002)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Arbeits- und Umweltmedizin: Bestandteil der klinischen Differenzialdiagnose" (05.07.2002)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A

rbeitsmedizin ist viel mehr als klinische Arbeitsmedizin“, stellte Prof. Hans Drexler (Erlangen) bei der 42. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. in München fest.

Aber die klinische Arbeitsmedizin kön- ne eben nicht von anderen Wissenschaf- ten abgedeckt werden.

In den vergangenen 80 Jahren hat sich in der Arbeitsmedizin eine erhebliche Entwicklung vollzogen, von der überwie- gend klinischen Ausprägung des Fachs über den Schwerpunkt betriebli- che Beratung und Arbeitsplatz- analyse, bis hin zu Fragen des komplexen betrieblichen Gesund- heitsmanagements. Verstehe man

„klinisch“ bezogen auf Kranken- haus oder spezialisierte Klinik, so gebe es „schwerlich einen An- spruch auf eine klinische Arbeits- medizin“, betonte Drexler.

Nimmt man „klinisch“ jedoch als Bezeichnung für Symptomatik und Verlauf von Erkrankungen, bleibt dieser Fachbereich unver- zichtbar. Die Überlegungen zur Arbeitsmedizin seien, so Drexler, übertragbar auf die Umweltmedi- zin, obwohl erstere überwiegend in der Vorsorge mit gesunden Men- schen und letztere in der Behand- lung mit Patienten zu tun hätte.

Die weitere Tagung machte die Ver- wandtheit vor allem in der Verwendung diagnostischer Methoden, beispielswei- se der Toxikologie und Mikrobiologie, deutlich. Drexler nannte als Bereiche der fachspezifischen Diagnostik und Therapie: arbeitsmedizinische Zusam- menhangsbegutachtung, sachkundiges biologisches Monitoring, individualme- dizinische Gefährdungsanalyse, Arbeits- platzgestaltung, differenzierter Einsatz

von Körperschutz, betriebliche Notfall- versorgung und anderes. Nach Ansicht von Tagungspräsident Prof. Dennis No- wak (München) ist „die Arbeitsmedizin daher Bestandteil der klinischen Diffe- renzialdiagnose“.

Bei den Berufskrankheiten sei nach Angaben von Drexler die Anerken- nungsquote durch die gesetzliche Un- fallversicherung weniger ein Problem als die Erkennungsquote durch Haus- und Fachärzte, bei denen sich diese Pa- tienten zuerst vorstellen. Er untermau-

erte dies mit dem Beispiel von Jahres- zahlen zu beruflichen Malignomen.

Bei ungefähr 5 000 Verdachtsanzei- gen erfolgt zwar nur bei weniger als 2 000 der Meldungen eine Anerkennung, jedoch werden von den Anzeigen nach den offiziellen Zahlen der Berufsgenos- senschaften nur etwa 60 Prozent durch Ärzte gemeldet, sonst durch Erkrankte selbst, durch Krankenkassen,Arbeitsäm- ter und andere Stellen. Nach Schätzun-

gen gebe es in Deutschland dagegen 7 000 bis 14 000 berufliche Malignome.

Einen Grund für diese Unterschät- zung beruflicher Verursachung sieht Drexler in fehlender Kenntnis, deren Wurzeln in der unzureichenden studenti- schen Ausbildung liegen, allerdings auch in der mangelnden Zeit von Stations- und Praxisärzten für eine Berufsanamnese.

Manchem Patienten könne viel Leid und Mühe erspart werden, betonte Drexler, wenn ein Messergebnis nicht mit einem medizinischen Befund gleich- gesetzt wird: „Eine qualifizier- te ärztliche Interpretation ist unumgänglich, und dies setzt ein entsprechendes Fachwis- sen voraus.“ Beispielsweise müssen die Hintergrundbela- stung und konkurrierende Noxen berücksichtigt werden.

In der Umweltmedizin ver- deutlichte Drexler die Frage der medizinischen Bewertung an einem Beispiel: Bei der Sa- nierung von Schulen mit mini- mal erhöhten PCB-Werten dürfte die Gefährdung durch die Schutzanzüge für die Ar- beiter in komplett abgeschlos- senen Chemikalien-Schutzan- zügen größer gewesen sein als deren potenzieller Nutzen.

Da die Krebsfrüherken- nung und der Hautschutz eine wichtige Rolle in der arbeitsmedizinischen Pra- xis spielen, plädiert Nowak dafür, dass

„auch Früherkennung und Prävention evidenzbasiert sein müssen“. Dr. Heinz- Michael Otten (Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften) verdeutlichte, dass „Leitlinien für die Frühdiagnose bei beruflich verursach- ten Erkrankungen, vor allem dem Lun- genkrebs, nicht vorliegen“. ✁ P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 27½½½½5. Juli 2002 AA1873

Arbeits- und Umweltmedizin

Bestandteil der klinischen Differenzialdiagnose

Defizite in der Ausbildung führen ebenso zu einer Unter- wie einer Überschätzung der Einwirkungen von Beruf und Umwelt.

Medizinreport

Lungenfunktionsprüfung Foto: Peter Wirtz

(2)

Prof. Yon Ko (Onkologie Bonn) be- legte das Dilemma der derzeitigen Praxis mit dem Ergebnis von Studien:

„Das konventionelle Screening hat nicht zu einem Unterschied der Inzi- denz und Mortalität des Lungen- krebses geführt.“ Während beim Lun- genscreening noch befriedigende Lö- sungen gefunden werden müssten, stün- de die Prävention im Vordergrund, weil

„durch Verzicht des Rauchens eine Sen- kung der Inzidenz und Mortalität um mehr als 80 Prozent erreicht werden kann“. Daher könne er es nur unter- stützen, „die Rauchentwöhnung in die Betriebe hineinzutragen“.

„Bei Hautschutz gibt es keine Nor- mung“, beklagte Dr. Peter Kleesz (Be- rufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten) den Mangel an überprüf- baren und spezifischen Wirksamkeits-

nachweisen. Drexler meinte, dass viele Wirkungen von Hautschutz nicht be- wiesen seien. So sei es beispielsweise unklar, ob Hautschutzmittel eher me- chanisch oder chemisch schützten oder über die Unterstützung der Regenerati- on der Haut oder sogar dadurch, dass diejenigen, die Hautschutz verwenden, vorsichtiger arbeiten.Auch die perkuta- ne Resorption sei in diesem Zusam- menhang bisher wenig systematisch un- tersucht.

Eine „multidisziplinäre Prävention – medizinisch, psychosozial und gesund- heitspädagogisch“ – sei auch beim Hautschutz notwendig, berichtete Prof.

Hans-Joachim Schwanitz (Osnabrück) über Konzepte, vor allem im Friseur- handwerk. Denn bei manchen Friseu- ren würden entzündete Hände „als nor- mal“ gelten, da sie Fleiß anzeigten, und

so gingen nur etwa 30 Prozent über- haupt zu einem Arzt.

„Eine neue Lehr- und Lernkultur“, beschrieb dies Prof. Reinhard Putz von der Anatomischen Anstalt (Lehrstuhl I, München) und stellte das seit fünf Jah- ren in Kooperation mit der Harvard- Universität durchgeführte „Reformmo- dell München“ vor. Unter den Rahmen- bedingungen einer deutschen Univer- sität und mit der Grundidee, „das Mach- bare für alle Studierenden“ durchführen zu wollen, wurden das Curriculum refor- miert, Lehrende und Tutoren geschult und Blockkurse nach Harvard-Muster eingeführt. Die Kombination eines syste- matischen Unterrichtsansatzes, vor allem in den Grundlagenfächern mit fachüber- greifenden Kursen in der Form des pro- blemorientierten Lernens, sah Putz als guten Weg an. Dr. med. Elisabeth Kärcher P O L I T I K

A

A1874 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 27½½½½5. Juli 2002

Alarmierender Anstieg von Atem- wegserkrankungen: Die epidemiologi- sche Forschung zeigt mit großer Über- einstimmung für alle industrialisierten Länder eine Zunahme der Todesfälle nach Tagen, an denen die Staub- und Feinstaubkonzentration erhöht ist, an.

In Frankreich, Österreich und der Schweiz rechnet man mit 40 000 zu- sätzlichen Todesfällen jährlich, wovon über die Hälfte dem motorisierten Verkehr anzulasten sind. „Die Situati- on in Deutschland ist ähnlich“, hieß es bei einer Tagung des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Um- weltmedizin der Universität Mün- chen. Betroffen seien vor allem Men- schen mit chronischen Lungen- und Herzerkrankungen. Umweltpolitische Maßnahmen machten nur unter der Voraussetzung Sinn, dass diesem Zu- sammenhang eine Ursache-Wirkungs- Beziehung zugrunde liege. Mehrere Untersuchungen dazu konnten das Dunkel jedoch nicht erhellen.

Betriebsarzt in die Prävention ein- binden: Für viele gesunde Arbeitneh- mer ist der Betriebsarzt der einzige re- gelmäßige ärztliche Ansprechpartner.

Dies ist eine Chance für eine umfassen-

de Krankheitsprävention, wie sie von der Bundesregierung gefordert wird.

Die Vorsorgeuntersuchungen werden nur zum Teil von Krankenkassen oder Arbeitgebern getragen. Nach Schät- zungen werden beispielsweise zwei Drittel aller berufsbedingten Krebser- krankungen nicht als solche erkannt.

Gut verträgliche und hoch effektive Impfungen gegen berufliche und außer- berufliche Infektionen, wie zum Bei- spiel gegen Influenza oder Hepatitis A und B, werden zu selten angewandt.

Für die Früherkennung und Präven- tion von Krebserkrankungen, Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt es jetzt wirkungsvolle, wissenschaftlich gesicherte Strategien, die nur von einem Bruchteil der Bevölkerung genutzt wer- den. Während Brust- und Darmkrebs- Früherkennung schon Praxis sind, wird der Nutzen des Lungenkrebs-Scree- nings heiß diskutiert. Nach ersten Er- gebnissen wird Lungenkrebs in Ri- sikogruppen (zum Beispiel Rauchern) durch kurzfristig wiederholte Spiral- CT-Untersuchungen erheblich häufiger bereits in Stadien erkannt, in denen eine Heilung möglich ist. Die Früherken- nung von obstruktiven Lungenerkran-

kungen (Asthma, chronische Bronchi- tis) bietet die einzige Chance, gezielt nach Ursachen in Umwelt und Arbeits- platz zu suchen,diese auszuschalten und einer Verschlimmerung vorzubeugen.

Das Herzinfarktrisiko einer Person lässt sich durch Ermittlung der Risiko- faktoren und -indikatoren mit hinrei- chender Genauigkeit individuell vor- aussagen und durch hoch wirksame Be- handlungen rechtzeitig senken.

Arbeitsschutzgesetz: Das Arbeits- schutzgesetz, das wiederum europä- isches in deutsches Recht umsetzt, ver- langt – nach Auslaufen der Übergangs- regelungen in diesem Frühjahr – jetzt die Betreuung jedes Arbeitnehmers durch einen qualifizierten Betriebs- arzt. Das kann ein Facharzt für Ar- beitsmedizin oder Arzt mit der Zusatz- bezeichnung Betriebsmedizin sein.

Darüber hinaus müssen allen Arbeit- nehmern, die besonderen, genau defi- nierten Gefährdungen (zum Beispiel Infektionsgefahren,ionisierender Strah- lung, allergiesierenden Stoffen, Lärm, Bildschirmarbeit) ausgesetzt sind, spe- zielle Vorsorgeuntersuchungen ange- boten werden – zum Teil ist die Unter-

suchung Pflicht. EB

Die wichtigsten Entwicklungen der Arbeitsmedizin

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

sich selbst einschätzen und sich selbst wahrnehmen, um die eigene Position im persönlichen wie im Klassenverband zu finden lernen, sich auf positive Eigenschaften zu

zuständige Stelle nach dem Berufsbildungsgesetz Freie?. Hansestadt Bremen 06 Arbeits-

In dieser Studie wurden die Verfahren des Schlichtungsausschusses zur Begutachtung ärztlicher Behandlungen bei der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz ausgewertet und deren

Dass die ETO GRUPPE hier am Ball ist, zeigt das aktuelle Pro- jekt »ALFRIED« – für das sich ein Konsortium von elf Projekt- partnern aus Industrie, Hoch- schulen und

Im Systemvergleich erzeugte die Stallherde mit gut 24 Kühen rund 30‘000 Kilogramm mehr Milch als die Weideherde mit rund 28 Kühen und dies bei einer vergleichbaren benötigten

Zeitlich veränderliche Expositionen Zur Beurteilung von Arbeitsplatzex- positionen, die nicht kontinuierlich (engl.: cw, continuous wave) sondern zeitlich veränderlich,

Sind auch Waren ohne Präferenzursprung als Vormaterialien eingegangen, wird im nächsten Schritt geprüft, ob wir diese ausreichend im Sinne der Verarbeitungsregeln be- oder

Bei der Verteilung von Fördermitteln wird stark darauf geachtet, wie hoch das Brut- toinlandsprodukt einer gewissen Region im Vergleich zum europäischen Durchschnitt ist.. R