• Keine Ergebnisse gefunden

Tod und Teufel: Vermenschlichung, Trauer um Tiere und Bedeutung für die tierärztliche Praxis

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Tod und Teufel: Vermenschlichung, Trauer um Tiere und Bedeutung für die tierärztliche Praxis"

Copied!
251
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)
(2)

Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über http://dnb.ddb.de

© 2019 by Verlag:

Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft Service GmbH, Gießen Printed in Germany

ISBN 978-3-86345-515-6 1. Auflage 2019

Verlag:

DVG Service GmbH Friedrichstraße 17 35392 Gießen Tel.: 0641/24466 info@dvg.de www.dvg.de

(3)

Tierärztliche Hochschule Hannover

Tod und Teufel -

Vermenschlichung, Trauer um Tiere und Bedeutung für die tierärztliche Praxis

INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer

Doktorin der Veterinärmedizin - Doctor medicinae veterinariae -

(Dr. med. vet.)

vorgelegt von

Marion Christine Schmitt Pforzheim

Hannover 2019

(4)

Wissenschaftliche Betreuung:

Prof. Dr. phil. habil. Peter Kunzmann Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

1. Gutachterin(nen)/Gutachter: Prof. Dr. phil. habil. Peter Kunzmann Institut für Tierhygiene, Tierschutz und

Nutztierethologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

2. Gutachterin(nen)/Gutachter: Prof. Dr. med. vet. Sabine Kästner

Klinik für Kleintiere der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

Tag der mündlichen Prüfung: 11.11.2019

Diese Dissertation entstand im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts

Behandlungsziele am Lebensende von companion animals (BELECAN) mit dem Förderkennzeichen 01GP1772.

(5)

Familie Freunde Freiheit

Wie lächerlich und weltfremd ist der, der sich über irgendetwas

wundert,

was im Leben vorkommt.

(Marc Aurel)

„Toleranz und Akzeptanz sind […] tiefverwurzelt, aber nicht unzerstörbar, und sie müssen teilweise durch bewusste Anstrengung am Leben erhalten werden.“

(George Orwell, 1945)

Dam dam

(Rammstein)

(6)

Hinweis auf Teilveröffentlichung

Teilergebnisse der vorliegenden Dissertation sind auch im Rahmen des im BELECAN- Projekt entstandenen Kunstbuches „Nicht nur dein Tier stirbt“ publiziert – quantitative Daten und Ergebnisse der fragebogenbasierten Erhebung sind Bestandteil beider

Veröffentlichungen, Interpretation und Diskussion finden ausschließlich in der vorliegenden Arbeit statt.

(7)

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ...1

2. Material und Methoden ...5

2.1. Explorative Analyse: leitfadengestützte Expertenbefragung zur Trauer um companion animals ...5

2.1.1. Ziel der Befragung ...5

2.1.2. Aufbau des Leitfadens ...5

2.1.3. Kontaktaufnahme mit Expertinnen ...7

2.1.4. Datenerhebung ...8

2.1.5. Datenerfassung ...9

2.1.6. Methoden zur Auswertung ...9

2.1.7. Ergebnisse ... 10

2.2. Explorative Analyse: fragebogenbasierte Halterbefragung zur Trauer um companion animals ... 25

2.2.1. Ziel der Befragung ... 25

2.2.2. Aufbau des Fragebogens ... 25

2.2.3. Anschreiben an Tierbesitzerinnen ... 26

2.2.4. Datenerhebung ... 26

2.2.5. Datenerfassung ... 27

2.2.6. Methoden der Auswertung ... 28

2.2.7. Ergebnisse ... 29

2.3. Fazit der explorativen Analysen... 33

3. Trauer... 35

3.1. Der Trauerbegriff ... 36

3.2. „Pathologische“ Trauer... 39

3.2.1. Zusammenhang zwischen Trauer und Krankheit ... 41

3.2.2. Trauer als Krankheit ... 45

3.2.3. Pathologische Formen der Trauer ... 48

3.2.4. Trauer als potenzieller Auslöser krankhafter Folgeerscheinungen ... 56

3.2.5. Nutzen von Trauerverhalten ... 60

3.3. Trauertheorien ... 63

3.4. Explikatorische Trauermodelle ... 65

3.4.1. Trauer als Emotion ... 65

3.4.2. Trauer als Verhalten ... 67

3.4.3. Interaktionismus ... 69

(8)

3.4.4. Kognitionspsychologie ... 70

3.4.5. Psychoanalyse ... 71

3.4.6. Stress-Modelle ... 74

3.5. Deskriptive Trauermodelle ... 78

3.5.1. Kriterien „normaler“ Trauer ... 80

3.5.2. Symptome „normaler“ Trauer... 83

3.5.3. Phasenmodelle des Trauerverlaufs ... 89

3.5.4. Kritik am Phasenverständnis von Trauer... 96

3.5.5. Aufgabenmodelle ... 103

3.5.6. Duales Prozessmodell ... 105

3.6. Antizipatorische Trauer ... 107

3.7. Einflussfaktoren auf die Trauer ... 110

3.7.1. Individuelle Einflüsse ... 112

3.7.2. Sozio-kulturelle Einflüsse ... 114

3.7.3. Risikofaktoren bei der Entstehung pathologischer Trauer ... 116

3.7.4. Bewältigungsstrategien ... 120

3.8. Trauer um Tiere... 121

4. Trauerbegleitung ... 128

4.1. Aufgaben der Trauerbegleitung ... 129

4.2. Rezipienten von Trauerbegleitung ... 132

4.3. Donoren trauerbegleiterischer Maßnahmen... 134

4.4. Maßnahmen der Trauerbegleitung ... 137

4.4.1. Modellorientierte Maßnahmen ... 137

4.4.2. Personenzentrierte Haltung ... 140

4.4.3. Unangebrachte Handlungen ... 144

4.4.4. Perimortale Trauerbegleitung ... 146

4.5. Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Trauernden in der Humanmedizin ... 150

4.6. Supervision ... 153

5. Umgang mit Trauer in der Tierarztpraxis ... 156

5.1. Bedeutung der Trauerbegleitung für die tierärztliche Praxis ... 156

5.2. Tierärztinnen als Trauerbegleiterinnen ... 161

5.3. Kommunikation und Trauerbegleitung ... 165

5.3.1. Nonverbale Kommunikation ... 168

5.3.2. Verbale Kommunikation ... 171

(9)

5.4. Handlungsanweisungen im Umgang mit der Euthanasie ... 176

5.4.1. Vorbereitung auf den Tod und die Euthanasieentscheidung ... 176

5.4.2. Vorbereitung auf Euthanasie und Trauer... 181

5.4.3. Durchführung der Euthanasie ... 187

5.4.4. Besondere Situationen und Kinder ... 191

5.4.5. Tierärztliche Nachsorge ... 194

5.4.6. Veterinärmedizinischer Umgang mit Stress, Trauer und Supervision ... 199

6. Diskussion ... 203

6.1. Vergleichbarkeit der Trauer um Menschen und um Tiere... 203

6.2. Umsetzbarkeit, Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit tierärztlicher Trauerbegleitung 204 6.3. Gestaltung tierärztlicher Trauerbegleitung in der Praxis ... 207

6.3.1. Persönliche Fähigkeiten: Kommunikation und Sozialkompetenz ... 207

6.3.2. Haltung gegenüber Trauernden: Respekt, Anerkennung und Normalisierung. 208 6.3.3. Grundlegende Handlungsprinzipien: Flexibilität und Struktur... 210

6.3.4. Vorbereitung der Halterinnen ... 210

6.3.5. Durchführung der Euthanasie ... 212

6.3.6. Einschätzung der Halterinnen durch Tierärztinnen ... 213

6.3.7. Spezifische Nachsorgeangebote ... 214

6.4. Gestaltung der Befähigung zu tiermedizinischer Trauerbegleitung in Aus- und Weiterbildung ... 216

7. Zusammenfassung ... 220

8. Summary ... 222

9. Literaturverzeichnis ... 224

10. Anhang ... 238

10.1. Halterfragebogen zur Trauer um companion animals ... 238

10.2. Beispielhafter Interviewleitfaden der Expertenbefragung zur Trauer um companion animals ... 240

(10)

Abkürzungsverzeichnis

APA American Psychiatric Association BAT Bundes-Angestelltentarifvertrag

BELECAN Behandlungsziele am Lebensende von companion animals BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung

bpt Bund Praktizierender Tierärzte e.V.

BTK Bundestierärztekammer

BVT Bundesverband Trauerbegleitung e.V.

Bundesverband der Tierbestatter e.V.

CAETA The Companion Animal Euthanasia Training Academy Destatis Statistisches Bundesamt

DSM Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders

DRZE Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften et al. et alii/aliae/alia

ICD International Classification of Diseases and Related Health Problems MTB Mensch-Tier-Beziehung

PGD Prolonged Grief Disorder TÄ Tierärztin(nen)

TFA Tiermedizinische Fachangestellte USA Vereinigte Staaten von Amerika u.a. und andere

u.v.m. und viele mehr etc. et cetera v.a. vor allem

vs versus

WHO World Health Organization

ZZF Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschland e.V.

(11)

1

1. Einleitung

Das Sprichwort von „Tod und Teufel“ bezeichnet alles und jeden – genauso geht der Tod alle und jeden an. Auf den ersten Blick klar umrissen, ergeben sich bei näherer Betrachtung von

„Tod und Teufel“ tiefergreifende, komplexere Bedeutungsdimensionen. In Albrecht Dürers Kupferstich „der Reuter“ setzen sich dessen Proportionen, die Umrisse des personifizierten Lebens, in den hintergründig postierten Gestalten von „Tod und Teufel“ fort – erst diese Komplexität macht aus der szientifischen Proportionsstudie ein bedeutsames,

aussagekräftiges Kunstwerk. Der Tod ist erschreckender, zugleich vervollständigender, bereichernder und faszinierender Bestandteil des Lebens – multidimensional, ein

Zusammenspiel universaler Biologie und individueller Spiritualität. Dabei sind er und seine Folgen nicht auf den individuellen Menschen, menschliches Sterben oder das private Umfeld beschränkt – die Trauer um companion animals ist mittlerweile nicht mehr ein ausschließlich veterinärmedizinisches, sondern ein gesellschaftliches Anliegen.

Menschliche Beziehungen zu und Umgang mit Tieren sind zunehmend bedeutsame Themen.

Ihre häufige Bezeichnung als Freunde, Familienmitglieder oder Kinder ist Ausdruck großer sozialer Nähe. 2018 lebt in beinahe jedem zweiten deutschen Haushalt ein Heimtier, in 63 % der Familien wachsen Kinder mit Haustieren auf1 – das hat Auswirkungen auf die

Sozialisierung und Wertbildung bezüglich tierischer Gefährten als Teil der Kernfamilie.2 Von Dürer noch als zwei getrennte Figuren dargestellt, ist der Tod heute oft selbst verteufelt – Sterben, Tod und Trauer werden gesellschaftlich übergreifend verdrängt und totgeschwiegen.

Angesichts der unweigerlichen Konfrontation scheinen Unsicherheit und Unwissen nicht förderlich für den Umgang diesen Lebensaspekten – dass der Tod von Haustieren für die meisten Menschen das erste Verlusterlebnis ist3, kann diese Überforderung noch verstärken.

Zusätzlich herrscht bezüglich dieser speziellen Form Trauer allgemeines Unverständnis – Halterinnen beklagen fehlende öffentliche Anerkennung und weitgehende Bagatellisierung.

Der Ruf nach spezifischen Unterstützungsmaßnahmen wir laut – beispielsweise eigenen Trauergruppen oder speziellen Trauerbegleitungsangeboten, etwa durch Tierärztinnen. In den USA entwickeln und etablieren sich bereits entsprechende Ansätze eines klientenzentrierten

1 Vgl. ZZF (ohne Jahr)

2 Vgl. Cohen (2002) und Walsh (2009)

3 Vgl. Lagoni et al. (1994)

(12)

2

Ansatzes der Trauerbegleitung in der tierärztlichen Praxis – zahlreiche Gründe scheinen dafür zu sprechen. Bedeutend ist etwa die Möglichkeit der Entwicklung massiver gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch Verlusterlebnisse und ihr komplexer Zusammenhang mit klinisch manifesten Erkrankungen, Suizidgedanken oder dem Phänomen des Nachsterbens.4 Dabei kann das soziale Umfeld beeinflussend wirken – während mangelnde Anerkennung negative Folgen verstärken kann, befähigt geeignete Unterstützung zur eigenständigen

Kummerbewältigung und beugt der Entstehung schwerer Trauerfolgen vor.5

Während es sich für Privatpersonen aus rein moralischen Gründen gebietet, Trauernden in größtmöglichem Umfang eigener Fähigkeiten und Möglichkeiten konstruktiven Beistand zu leisten, scheinen für Tierärztinnen6 außerdem professionelle Gesichtspunkte bedeutsam. Der Ethik-Kodex postuliert, dass Tierärztinnen auch Menschen gegenüber in der Verantwortung stehen – sie handeln „stets mit Respekt gegenüber dem Tier und dem Tierhalter.“7 Für Besitzerinnen sind sie nicht allein beratende Expertinnen in medizinischen Angelegenheiten, sondern Lehrerinnen, Autoritäts- und Vertrauenspersonen, verlässliche, kompetente Stütze und Helferinnen.8 Veterinärmedizinerinnen sind die ersten Ansprechpartnerinnen bezüglich der Lebens- und Krankengeschichte des Tieres, der finalen Behandlungsentscheidung und des letztendlichen Sterbeablaufs – aufgrund ihres Fach- und Hintergrundwissens einerseits, wie auch mangels spezialisierter Therapeutinnen andererseits, scheinen sie auch am besten geeignet für die Begleitung trauernder Besitzerinnen.9

Darüber hinaus beschränken sich die Auswirkungen des Verlusterlebnisses nicht allein auf Halterinnen – insbesondere im Rahmen der Euthanasie ist auch das veterinärmedizinische Fachpersonal von starker psychischer und physischer Belastung betroffen. Aus der

Diskrepanz in der anspruchsvollen Abwägung von Lebensqualität und Leidvermeidung ergibt sich starker moralischer Stress. Indem sie den Tod herbeiführen, lösen Tierärztinnen

außerdem schuldhaft starke psychische Beeinträchtigung auf Seiten der Halterinnen aus.

4 Vgl. Stroebe und Stroebe (1993a)

5 Vgl. Hoff (2009)

6 im Zuge des besseren Verständnisses, der Lesbarkeit, sowie Wiedergabe realistischer Verhältnisse und Zustände, wird zur Bezeichnung handelnder Personen im Folgenden das Femininum verwendet – unabhängig davon sind selbstverständlich sämtliche Geschlechter angesprochen, sofern nicht ausdrücklich anders erwähnt.

7 Vgl. BTK (2015)

8 Vgl. Lagoni et al. (1994)

9 Vgl. bpt (ohne Jahr)

(13)

3

Zuletzt sind sie oft generell mit dem Umgang mit Trauernden überfordert.10 Theoretisches Fachwissen und Befähigung zur adäquaten Begegnung mit Trauer und Trauernden dienen letztendlich Betroffenen und Helfenden gleichermaßen, indem sie erheblich zur

Stressreduktion und persönlichen Belastungsbewältigung beitragen.11 Berufspolitisch

scheinen entsprechende Maßnahmen der Problemreduktion für Tiermedizinerinnen relevant – insbesondere angesichts steigender Zahlen gesundheitlicher Beeinträchtigungen und

Suizidgefährdung in Assoziation mit der Berufsausübung.12

Vor diesen Hintergründen stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Etablierung besonderer Maßnahmen zum adäquaten Umgang mit der Trauer um companion animals ähnlich einer tierärztlichen Trauerbegleitung nach amerikanischem Vorbild im Rahmen der

veterinärmedizinischen Praxis auch in Deutschland bedeutsam, angebracht und notwendig ist.

Der ersten Annäherung an das Forschungsthema der Trauer um companion animals dienen die explorativen Analysen leitfadengestützter Experteninterviews und fragebogenbasierter Halterbefragungen. Zur wissenschaftlich fundierten Auseinandersetzung ist anschließend die umfassende Beleuchtung der Trauer essenziell – vorrangig sollen Wesen, Ursprung und eventueller Nutzen, Krankheitszusammenhang, Symptome und Bewältigungsstrategien beleuchtet werden. Abschließend gilt es, zu klären, ob die allgemeinen Prinzipien der Trauer auf diejenige um companion animals übertragbar sind, oder es sich dabei um ein anderes, der Trauer um Menschen unvergleichbares Phänomen handelt.

An die Beleuchtung der Relevanz der Trauer um Haustiere schließt sich die Frage an, ob Tierärztinnen im Rahmen ihrer Berufsausübung zum besonderen Umgang mit betroffenen Klientinnen angehalten sind – auch hinsichtlich veterinärmedizinischer Eigeninteressen. Der Blick auf Umstände und Handlungsweisen im humanen Bereich dient der Klärung der Frage, ob und inwiefern die Übertragung solcher Maßnahmen auf den veterinärmedizinischen Bereich möglich, sinnvoll und angebracht sind. Auch dabei spielt die Vergleichbarkeit des Verlustes tierischer und menschlicher Sozialpartner eine Rolle. Zuletzt soll die Beleuchtung der US-amerikanischen Ansätze zur konkreten Umsetzung spezieller Maßnahmen der Begleitung in der Tierarztpraxis erfolgen – angesichts noch unterschiedlicher Ausprägungen

10 Vgl. Holle et al. (2019b)

11 Vgl. Lagoni et al. (1994) und Hoff (2009)

12 Vgl. Bartram et al. (2010)

(14)

4

der Mensch-Tier-Beziehung in Europa und den Vereinigten Staaten ist auch hier die Übertragbarkeit und Umsetzbarkeit bestimmter Vorschläge in Deutschland zu diskutieren.

Vorrangiges Ziel dieser Dissertation ist der wissenschaftlich fundierte Beitrag auf dem interdisziplinären Feld der weiteren Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung und deren Bedeutung für den tierärztlichen Beruf. Durch die kritische Auseinandersetzung mit sowohl gesellschaftlichen Hintergründen, berufspolitischen Anliegen und Halteranforderungen soll ein besseres Verständnis der Tierärzteschaft für ihre Klientel besonders im Trauerfall erreicht werden. Neben der Beleuchtung der Bedeutung des Verlustes von companion animals will diese Arbeit die veterinärmedizinische Verantwortlichkeit im Umgang mit trauernden Besitzerinnen diskutieren. Hinsichtlich der Fragen nach möglicherweise notwendigen Änderungen und Modifikationen in Ausbildung und Ausübung tierärztlicher Arbeit werden verschiedene Handlungsvorschläge hinsichtlich bedeutsamer Aspekte der Trauerbegleitung beleuchtet, auch insbesondere im Hinblick auf die Gesundheit Professionsangehöriger bei der Stressreduktion und Bewältigung belastender Praxiserfahrungen im Zusammenhang mit Tiertod, Euthanasie und Trauer. Zuletzt besteht das Ziel dieser Arbeit im Erwirken einer Sensibilisierung des Berufsstandes weniger für strikt wissenschaftliche Anforderungen, sondern vielmehr die menschlichen Aspekte der Medizin auch im Eigeninteresse des Fachpersonals.

Anstelle der Entwicklung neuer ethischer Standards will diese Arbeit durch die reflektierte Beleuchtung vorhandener Ansätze und Denkweisen die Forschung auf dem Gebiet der angewandten Ethik in der Tiermedizin bereichern und befruchten, wie auch zur Initiierung weiterer wissenschaftlicher Arbeiten und Publikationen beitragen.

Im Rahmen dieser Dissertation soll nicht das Verhältnis zu landwirtschaftlichen oder anderweitig unter dem Nutzungsaspekt gehaltenen Tieren beleuchtet werden – diese Arbeit befasst sich ausschließlich mit solchen Tieren, die um ihrer selbst willen gehalten werden.

Dabei werden die Begriffe „Tiere“, „Liebhabertiere“, „Haustiere“, „Heimtiere“ und

companion animals aufgrund besserer Lesbarkeit und Verständlichkeit synonym verwendet.

Soweit nicht explizit erwähnt, findet keine Differenzierung einzelner Spezies statt – die Termini bezeichnen in diesem Rahmen generell sämtliche Spezies, also auch Pferde und andere nicht primär aufgrund wirtschaftlicher Belange gehaltene Nutztierspezies, bei deren Haltung der wirtschaftliche Nutzen höchstens als Nebenaspekt eine Rolle spielt.

(15)

5

2. Material und Methoden

Grundlage der evidenzbasierten Erfüllung des Forschungsziels ist zuvörderst die zum Thema erschienene Fachliteratur aus Veterinärmedizin und angrenzenden Wissenschaftsbereichen in deutscher und englischer Sprache. Die Ergebnisse der Experteninterviews und Zuschriften betroffener Halterinnen sind als flankierendes Material aus der Praxiserfahrung zu verstehen.

2.1. Explorative Analyse: leitfadengestützte Expertenbefragung zur Trauer um companion animals

2.1.1. Ziel der Befragung

Qualitative Forschungsmethoden erlauben die Erschließung und Interpretation individueller, lebensweltlicher Vorstellungen13 und haben induktive Theoriegenerierung zum Ziel.14

Leitfadengestützte Experteninterviews dienen der Rekonstruktion sozialer Situationen15 – sie ermöglichen differenzierte Einblicke und Einholung qualifizierter Meinungen zur Exploration des Forschungsfeldes, die Generierung und Sammlung spezifischer Informationen, sowie Hypothesenbildung, Präzisierung und Prüfung der Forschungsfrage.16

Im Rahmen dieser Dissertation dient die Expertenbefragung der Ergründung der Relevanz veterinärmedizinischer Trauerbegleitung im Umgang mit betroffenen Haustierbesitzerinnen nach amerikanischem Vorbild17 – darauf aufbauend sollen Notwendigkeit, Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit entsprechender Maßnahmen geklärt, sowie konkrete Vorschläge für

strukturelle Änderungen tiermedizinischer Berufsausübung auch in deutschen Praxen eruiert werden.

2.1.2. Aufbau des Leitfadens

Die Expertenbefragung findet als nicht-standardisiertes, leitfadengestütztes Interview statt.

Gerade diese Erhebungstechnik garantiert authentisches Material, das als Datenkorrektiv und

13 Vgl. Niebert et al. (2014), S. 123

14 Vgl. Gläser et al. (2010), S. 23-27

15 Vgl. Gläser et al. (2010), S. 13

16 Vgl. Helfferich (2014) und Schecker et al. (2014), S. 11

17 in den USA findet die Trauer um companion animalsgroße Aufmerksamkeit, der adäquate Umgang mit Betroffenen ist Bestandteil veterinärmedizinischer Ausbildung und es existieren spezifische Hilfsprogramme und Anlaufstellen für trauernde Tierbesitzerinnen.

(16)

6

zur Erstellung praxisgesättigter Bewertungen und Prognosen nützlich ist.18 Der Leitfaden stellt Gesprächsgerüst und schriftliche Unterstützung bei der Erfragung sämtlicher relevanter, sowie der Generierung möglichst gleichartiger Informationen dar19 – Struktur soll eine Vergleichbarkeit ermöglichen und die Validität erhöhen. Gleichzeitig schließt explorative Forschung starke Standardisierung mit einer Festlegung von Wortlaut und Reihenfolge der Fragen aus. Der Leitfaden soll einer logischen Struktur folgen, um die Orientierung über anzusprechende Themen und ausstehende Interventionen zu ermöglichen, als auch nötige Freiheit in Reihenfolge und Formulierung bieten, sowie die Möglichkeit zum Aufgriff neuer Impulse und Aspekte. Um das Gespräch zu lenken, ohne als Fragebogen einzuschränken, ist im Interview Unabhängigkeit vom Leitfaden erforderlich.20

Da strikt standardisierte Verfahren das spezifische Wissen einzelner Expertinnen gezielt ignorieren, ist darüber hinaus die personenspezifische Abwandlung des Leitfadens nötig.21 Ausformulierte, detaillierte Fragen garantieren die Gewinnung sämtlicher Informationen, bedingen aber große Starrheit im Gesprächsverlauf.22

Demgemäß sind die formulierten Fragen der für die jeweiligen Expertinnen individuell angepassten Leitfäden im Gesprächskontext situationsbezogen abgearbeitet.

Hinsichtlich der Repräsentativität wird in jedem Fall die Gruppe Trauernder, mit der die einzelnen Expertinnen in Kontakt treten, erfragt. Zur Exploration ihres Wesens erfolgt die Examinierung von Ursachen und Folgen intensiver Trauer um companion animals – speziell finden Mensch-Tier-Beziehung, Euthanasie, bestimmte persönliche oder situative Kriterien, Einflussfaktoren, Vorhersagemöglichkeiten, Gesundheitsfolgen und Rituale Beachtung.

Hinsichtlich des adäquaten Umgangs mit Betroffenen in der tierärztlichen Praxis werden der Nutzen einer frühzeitigeren Beschäftigung mit den Themen Tod, Sterben und Trauer für betroffenen Halterinnen bei der Verlustbewältigung, konkrete Handlungsempfehlungen, Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit tierärztlicher Trauerbegleitung und die Erfordernisse von Änderungen oder Modifikationen des tierärztlichen Berufs dahingehend angesprochen.

18 Vgl. Meuser et al. (2002)

19 Vgl. Gläser et al. (2010), S. 142-143

20 Vgl. Niebert et al. (2014), S. 124-131

21 Vgl. Gläser et al. (2010), S. 117

22 Vgl. Gläser et al. (2010), S. 144

(17)

7

In Abhängigkeit der Expertise erfolgt personenspezifisch die Erfragung allgemeiner

Traueraspekte im Humanbereich, insbesondere Einflussfaktoren, konkrete Möglichkeiten zur Erkennung pathologischer Trauer, Vorhersage und Beeinflussung von Trauerverhalten allgemein und Verantwortung im Umgang mit gefährdeten Individuen – der Vergleich ermöglicht eine Einschätzung der Bedeutung der Trauer um Haustiere. Darüber hinaus werden aktuelle Praktiken der Tiermedizin und Tierbestattung, bewährte Vorgehensweisen, Schwierigkeiten und Grenzen im Umgang mit Betroffenen und mögliche psychosomatische Auswirkungen des Tierverlusts beleuchtet, sowie psychologische Hintergründe von

Trauerverhalten allgemein, die generelle Möglichkeit zur Einschätzung von Menschen und konkrete Verbesserungsvorschläge für Tierärztinnen hinsichtlich persönlichen

Stressmanagements, Rollenverständnisses und Berufsgestaltung beleuchtet.

2.1.3. Kontaktaufnahme mit Expertinnen

Der Expertenstatus ergibt sich nicht unweigerlich aus besonderen Qualifikationen, sondern aus dem Ziel des Interviews – Expertinnen verfügen über spezifisches Wissen zur

Forschungsfrage. Bei der Auswahl der Interviewpartnerinnen spielen außer diesem Wissen auch Fähigkeit und Wille zur Wiedergabe desselben, sowie Verfügbarkeit der Expertin eine Rolle. Ihre Anzahl ist abhängig von der verfügbaren Zeit.23Phasen der Erhebung und der Auswertung alternieren bis zur Sättigung der Erkenntnisse. Obwohl nicht alle Denkstrukturen zu erfassen sind, erlauben Äquivalenzen in Sprache, Erfahrungen und neuronalen Strukturen die Identifikation prominenter Vorstellungen auch in Teilstichproben.24 Unterschiedliche professionelle Hintergründe berücksichtigen differierende Standpunkte und ermöglichen die Aufdeckung einzelner Perspektiven und potenzieller Konflikte.25

Die Kontaktaufnahme mit potenziellen Interviewpartnerinnen erfolgt per E-Mail. Dabei sind drei Expertinnen über den Aufruf zur Teilnahme am BELECAN-Projekt auf das

Dissertationsvorhaben aufmerksam und aufgrund ihrer Fachkennnisse um ein Gespräch gebeten worden – es handelt sich um eine Tierärztin, auf deren Praxiswebsite explizit der Hinweis auf den liebevollen und individuellen Umgang mit tierischen Patienten und

23 Vgl. Gläser et al. (2010), S. 12-13 und S. 117-118

24 Vgl. Krüger et al. (2014), S. 134

25 Vgl. Leitner et al. (2002)

(18)

8

Besitzerinnen erfolgt, eine ausgebildete Trauerbegleiterin, die auch Sozialwissenschaftlerin, Traumapädagogin und Traumafachberaterin ist, und eine Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, deren Klientel überwiegend aus Depressiven mit Belastungen aufgrund Tiertod besteht. Drei weitere Interviewpartnerinnen werden gezielt kontaktiert – dabei handelt es sich um eine Tierbestatterin, eine Diplom-Psychologin und Professorin im Ruhestand, die am Aufbau der deutschen Hospizarbeit beteiligt war, und eine Forensische Psychologin in leitender Position an einer europäischen Universität.

2.1.4. Datenerhebung

Das persönliche Gespräch ist die bevorzugte Erhebungsmethode bei Interviews – telefonische Korrespondenz stellt aufgrund der Kosten- und Zeitersparnis, wie auch terminlicher

Flexibilität eine Alternative dar.26 Anstelle direkter Protokollierung ist die Aufzeichnung der Gespräche mit erst anschließender Transkription, Anonymisierung und Paraphrasierung empfohlen.27 Teiltranskripte enthalten ausschließlich inhaltstragende Sequenzen – da Wortbereinigungen und die Gültigkeit weiterer Transkriptionsregeln im Ermessen des Forschers liegen, stellen sie bereits eine Interpretation dar. Permanente kritische Reflexion, reliable Absicherung anhand der Daten mehrerer Interviewpartnerinnen und kommunikative Validierung durch die Expertinnen vermeiden Inkongruenz und gewährleisten Analysegüte.28 Die Datenerhebung erfolgt in Einzelsitzungen am 30.10.2018, 17.11.2018, 24.11.2018, 27.11.2018, 24.01.2019 und 18.03.2019 persönlich oder fernmündlich – da die Gespräche jedoch mitunter in öffentlichen Räumen stattfinden und Störgeräusche die Qualität der Aufzeichnungen stark beeinträchtigt und Informationsverlust bedingt hätten, erfolgt die schriftliche Protokollierung in Stichpunkten direkt digital im Programm Microsoft Word 10 oder auf Papier mit unmittelbar nachfolgender Digitalisierung. Alle Teilnehmerinnen erhalten die Gesprächsprotokolle anschließend per E-Mail zur Korrektur und Ergänzung. Änderungen erfolgten direkt in der Mitschrift oder werden aus der digitalen Antwort eingepflegt. Alle Expertinnen haben die Protokolle für die uneingeschränkte Nutzung im Rahmen dieser Dissertation freigegeben.

26 Vgl. Gläser et al. (2010), S. 153-154

27 Vgl. Gläser et al. (2010), S. 157-158

28 Vgl. Krüger et al. (2014), S. 134-136 und S. 144-145

(19)

9

2.1.5. Datenerfassung

Protokollarisch erfasst werden Name und Vorname der Expertin, Expertenstatus, Datum, Ort und Beginn des Gesprächs, gegebenenfalls Namen weiterer Teilnehmerinnen, stichpunktartig die Antworten auf Kernfragen des Leitfadens, sowie weitere Fragen und Responsionen, die sich im Gesprächsverlauf ergeben. Die Speicherung der Protokolldokumente erfolgt auf dem Home-Laufwerk der Mitglieder der Tierärztlichen Hochschule Hannover und einem externen Speichermedium.

2.1.6. Methoden zur Auswertung

Da zur Auswertung von Experteninterviews kein kanonisiertes Verfahren existiert29, erfolgt sie in diesem Rahmen durch qualitative Inhaltsanalyse. Nach Extraktion und Paraphrasierung der Kernelemente aus dem Rohmaterial der Gesprächsprotokolle finden die Ursprungsdaten keine Beachtung mehr – anschließend findet die weitere Aufbereitung mittels kategorialer Einteilung und Auswertung im Rahmen der Ergebnisdarstellung statt.30 Die qualitative Inhaltsanalyse ist nach Mayring eine theoriebasierte, regelgeleitete, systematische, nachvollziehbare Auswertungsmethode mit dem Ziel der Rekonstruktion individueller Vorstellungen – bei der Untersuchung sprachlichen Materials berücksichtigt sie die

wissenschaftlichen Gütekriterien der Objektivität, Validität und Reliabilität und ermöglicht Nachvollziehbarkeit, Wiederholbarkeit und Kritik empirischer Untersuchungen, sowie verlässliche Rückschlüsse. Sie besteht aus Datenerhebung, Aufbereitung durch Transkription und Redigieren, sowie Auswertung durch Ordnung, Explikation und Einzelstrukturierung der Aussagen. Redigieren dient durch Paraphrasieren, Selegieren, Auslassen und Transformieren der Akzentuierung und näheren Bezugnahme auf die Fragestellung. Die thematische Ordnung der Einzelaussagen erfolgt in deduktiv aus dem Forschungsstand abgeleitete oder – im Fall neuer, weiterführender Aspekte – in induktiv ergänzte Kategorien durch sinnige Reihung und Bündelung von Wiederholungen. Explikation erläutert und interpretiert die Aussagen in einem Fließtext mit möglicher Kontrastierung, wobei Einzelstrukturierung verschiedene Aspekte herausarbeitet.31

29 Vgl. Bogner et al. (2014)

30 Vgl. Gläser et al. (2010), S. 43-44

31 Vgl. Krüger et al. (2014), S. 133-145 und Mayring (2010)

(20)

10

Zur Exploration des Forschungsfeldes erfolgt die inhaltliche Strukturierung hinsichtlich der Untersuchung von Konzepten und Zusammenhangsvorstellungen zur Trauer um Tiere, sowie der Formulierung eines adäquaten Umgangs. Aus den Leitfäden ergeben sich vier

Hauptkategorien von Ursachen und Folgen der Trauer um Tiere, adäquatem Umgang mit Trauernden und Änderungsbedarf im tierärztlichen Beruf. Thematische Unterkategorien resultieren aus dem paraphrasierten Gesprächsverlauf. Die Ordnung der bedeutsamen Inhalte in besagte Kategorien erfolgt im Programm Microsoft Excel – eine Tabelle zu jeder der vier Hauptkategorien enthält die den sechs Expertinnen zugeordneten, nach Unterkategorien strukturierten, stichpunktartig zusammengefassten, paraphrasierten Aussagen. Die tabellarisch thematisch aufbereiteten Expertenaussagen werden auf Konsens und Konfliktpotenzial

geprüft.

2.1.7. Ergebnisse

Qualitative Forschung zeigt grundsätzlich Kausalitäten, ohne den Geltungsbereich abzugrenzen.32 Leitfadengestützte Experteninterviews sollen komplexe Denkstrukturen, persönliche Einstellungen, Haltungen, Vorstellungen, alltägliches und wissenschaftliches Wissen ermitteln33 – Repräsentativität ist nicht entscheidend, Anliegen ist die Formulierung bestimmter sozialer Zusammenhänge, in diesem Fall zwischen der Relevanz der Trauer um companion animals und den sich daraus für die Tiermedizin ergebenden Konsequenzen.

In Bezug auf mögliche Ursachen der intensiven Trauer um Tiere sind sich die Expertinnen nicht in allen Punkten einig. Geschlossen halten sie zunächst die subjektive Qualität und Intensität der Mensch-Tier-Beziehung, sowie die mit dem Tier verlorenen Funktionen für bedeutsam, wie auch die Trauer nicht für monokausal verursacht – weitere Einflussfaktoren sehen sie in Alter, Geschlecht, Kultur, sozialen und finanziellen Ressourcen, persönlichen und situativen Umständen, Vorerfahrungen, unverarbeiteten Verlusten, compliance oder

psychischer Stabilität. Dabei besteht Dissens bezüglich der konkreten Auswirkungen dieser Aspekte, ob also etwa alte oder junge Menschen besonders schwer betroffen sind oder sich eine Vorbereitung auf den Tod mildernd auf den Trauerverlauf auswirkt, da auch beim Tod

32 Vgl. Gläser et al. (2010), S. 26-27

33 Vgl. Niebert et al. (2014), S. 122 und S. 125, Krüger et al. (2014), S. 133

(21)

11

nachfolgender Tiere keine Gewöhnung im Sinne einer weniger intensiven Trauerreaktion stattzufinden scheint.

Auch der Einfluss der Euthanasie ist umstritten. Die Todesursache spiele zwar eine Rolle, andererseits bestehe die Belastung unabhängig davon im Verlusterlebnis selbst. Intensive Schuldgefühle und Selbstvorwürfe träten auch nach natürlichen Toden auf – Fehler in der Durchführung der Euthanasie seien daher auch nicht entscheidend für den Trauerverlauf. Auf der anderen Seite betonen Expertinnen die Bedeutung einer fachgerechten, schnellen,

souveränen Durchführung im Umgang mit trauernden Halterinnen.

Als soziale Reaktion mit Einfluss auf die Trauer spiele vor allem Bagatellisierung eine Rolle – auch hier herrscht Dissens bezüglich der genauen Bedeutung. Einige Expertinnen halten Tabuisierung im Tierbereich für ein besonders häufiges, schwerwiegendes Thema – Grund sei der Zwiespalt zwischen einerseits erhöhter Akzeptanz von Tieren als Familienmitglieder und gleichzeitig noch immer geringer gesellschaftlicher Anerkennung der Trauer um Tiere.

Andere Expertinnen entgegen, dass Bagatellisierung nicht allein trauernde Tierhalterinnen betreffe – auch andere Trauerformen seien stark marginalisiert, etwa um Frühgeburten, wo es sich hinsichtlich Tabuisierung und Umgang mit toten Körpern ähnlich verhalte.

Hinsichtlich der Möglichkeit einer Typologisierung oder Vorhersage besteht Uneinigkeit – während die Tierärztin bestimmte regelmäßig auftretende Konstellationen kategorisiert, negieren die Psychologinnen eine Trauer-Typologie und halten Einschätzung und Vorhersage weder für möglich, noch für angemessen. Während alle anderen Expertinnen von einer prinzipiellen Analogie der Trauer ausgehen, sei die Trauer um Tiere laut der Diplom- Psychologin eine andere als um Menschen.

Bestattung und Rituale sind laut aller Expertinnen bedeutsame Folgeerscheinungen der Trauer um Tiere, über deren Unterstützungswürdigkeit allerdings Uneinigkeit herrscht – das

Dilemma bestehe darin, dass einerseits Normalisierung und Förderung individueller Bewältigung nötig, andererseits die Gefahr unangemessener Vermenschlichung und Dramatisierung der Trauer um Tiere gegeben sei.

Tierbestattung sei nicht uneingeschränkt positiv, sondern immer auch ein Geschäft und könne durch den Erhalt intensiver Trauer, den Ausdruck von Schuld oder Unfähigkeit des

Loslassens der Verarbeitung abträglich und besonders bei Depressiven sogar

gesundheitsschädlich sein. Außerdem bestehe gerade im Tierbereich die Gefahr, dass

(22)

12

Halterinnen anstelle individueller Verarbeitung die Erfüllung gesellschaftlicher Normen und Erwartungshaltungen bezwecken, was der Bewältigung nicht förderlich und daher nicht zu befürworten sei. Die tierärztliche Unterstützung starker Trauerbekundung allgemein und der Bestattungsindustrie im Besonderen könne Trauer unnötig dramatisieren, perpetuieren und unangemessen stark vermenschlichen – individuelle Abschiede seien zu unterstützen,

unabhängige Friedhöfe zu empfehlen und der Tierkörperverbleib in der Praxis pietätvoller zu gestalten. Dabei seien Gedenkstätten für verstorbene Tiere in Praxisräumen unangebracht – andererseits Rituale als bedeutendes Vehikel für Ausdruck und Verarbeitung von

Traueremotionen hilfreich, förderlich und unterstützenswert. Da Halterinnen gerahmte Fotos mit Namen und Todesdatum des Tieres eigens zum Aufhängen in die Praxis brächten, dürfe diese Trauerbekundung nicht unterbunden werden. Trauer um Tiere werde nicht übermäßig vermenschlicht – anstelle direkter Übertragung finde die Entlehnung bestimmter Rituale und Praktiken aus dem Humanbereich statt. Zuletzt sei Tierbestattung zu unterstützen, da sie primär aus ideellen Gründen als Ausdruck persönlicher Werte erfolge und nicht Resultat gesellschaftlicher Vorstellungen, Geschäftemacherei oder externer Beeinflussung sei.

Tierärztinnen dürften sich der Tierbestattung nicht völlig verschließen – Aufklärung über alle Möglichkeiten könne vorschnelle Fehlentscheidungen verhindern, die oft aus Angst und Unwissen resultieren und negative Auswirkungen auf die Verlustverarbeitung hätten.

Im Umgang mit Betroffenen betonen die Expertinnen einstimmig die Bedeutung von Sozialkompetenz – Empathie, Akzeptanz, Flexibilität, Respekt, Sicherheit und Ruhe seien essenziell, um den Bedürfnissen Trauernder nach Zuverlässigkeit, Kompetenz, Fürsorge, Mitgefühl und Anerkennung ihrer Sorgen und Wünsche angemessen zu begegnen. Dabei könne der Umgang auch zu gefühlvoll sein, Professionalität müsse gewahrt bleiben.

Über Vorhandensein und Nutzbarkeit bestimmter Regelhaftigkeiten ist die Meinung geteilt.

Bestimmte Handlungsweisen hätten erfahrungsgemäß auf alle Trauerindividuen positive oder negative Auswirkungen und ermöglichten eine Orientierung – so sei beispielweise ein eigens für Euthanasie und Abschied eingerichteter Praxisraum sinnvoll, auch sollten Tierärztinnen verbalen und nonverbalen Umgang mit Halterinnen in der Euthanasiesituation im Vorfeld festlegen und Praxisstandards etablieren. Andererseits seien stets situative und persönliche Umstände zu beachten, sodass der genaue Umgang intuitiv und situativ unterschiedlich

(23)

13

ausreichend flexibel erfolgen müsse – trotz der durch sie vorgeschlagenen Typologie, betont das auch die Tierärztin.

Ähnlich differenziert verhält es sich mit der Möglichkeit zur Einschätzung individuellen Trauerverhaltens. Einerseits stünde Externen eine Beurteilung nicht zu – statt Vorhersagen zu bemühen, sollten Tierärztinnen konkrete Bedürfnisse individueller, unvorhersehbarer Trauer erfragen und sich daran adjustieren. Andererseits sollen Veterinärmedizinerinnen Halterinnen bei Verdacht auf persönliche Disposition zur Entwicklung pathologischer Trauer dahingehend ansprechen und auch ihr soziales Umfeld und andere Hilfen aktivieren, obwohl es sich um einen massiv bevormundenden Eingriff in die Privatsphäre handelt. Sogar die Kontrolle der Inanspruchnahme dieser Angebote scheint in Extremfällen gerechtfertigt.

Adäquate Kommunikation ist für alle Expertinnen essenziell im Umgang mit Trauernden, wobei erneut Details des Einsatzes variieren. Umfang und Detailliertheit der Aufklärung seien für Halterinnen individuell unterschiedlich nützlich, über genaue Gestaltung entschieden deren Wünsche und Befindlichkeiten. Prinzipiell solle Aufklärung die Trauer normalisieren, entdramatisieren und Expression erlauben, mittels klarer, präziser Information erfolgen und grundsätzlich Tod, Sterben, Trauer, die Vorgänge vor, während und nach der Euthanasie, sowie die Bestattung umfassen.

Unterschiedliche Standpunkte bestehen hinsichtlich tierärztlicher Angebote zur Unterstützung von Erinnerung und Zukunftsorientierung. Erfolgreiche Bewältigung bedürfte beider Aspekte, Tierärztinnen müssten dementsprechend beides unterstützen – die Balance gelinge etwa durch das Angebot von Chatrooms und virtuellen Tierfriedhöfen zum Gedenken und Austausch, sowie paralleler Bereitstellung von Informationen über lebensbejahende Aktivitäten.

Über die genaue Umsetzung dieser tierärztlichen Anregung zur Lebensbejahung herrscht ebenfalls Uneinigkeit. Einerseits sollten Tierärztinnen gezielt zu neuen Tieren anregen und vor allem älteren Alleinstehenden die Vermittlung älterer Tiere ermöglichen, etwa durch Informationen über Hundesitter, Tierheime oder Tierschutzvereine, da Tierkontakte für Halterinnen wichtig scheinen. Andererseits sollten derart enge Bindungen, wie sie einige Besitzerinnen zu ihren Tieren empfinden, eigentlich zu Menschen bestehen – statt einer Wiedervergesellschaftung mit companion animals sei vielmehr die Ausbildung

zwischenmenschlicher Sozialkontakte zu fördern. Gleichzeitig stelle gerade die Möglichkeit zu sozialen Begegnungen eine große Motivation zur Hundehaltung dar.

(24)

14

Auch hinsichtlich Angebote professioneller Hilfe durch Psychologinnen, Trauerbeleiterinnen oder Hilfsgruppen von Hospizen, Trauergruppen für Tierhalterinnen, Nachsorgegespräche oder Kondolenz herrscht Dissens – einerseits trügen sie zur Normalisierung und

Akzeptanzsteigerung der Trauer um Tiere bei und seien für einige Betroffene nötig und angemessen, andererseits bestehe erneut die Gefahr unangemessener Vermenschlichung und Dramatisierung, vor allem durch eigene Trauergruppen. Gleichzeitig sei, obwohl Trauer um Tiere akzeptiert und nicht ausgegrenzt werden solle, die Vergesellschaftung trauernder Tierbesitzerinnen mit Hinterbliebenen nicht sinnvoll.

Änderungsvorschläge sind zahlreich – Befürwortung erfahren Förderung und Intensivierung von Verständnis, Aufklärung, Normalisierung, persönlicher Standpunktbildung,

Selbstreflexion, sozialer und kommunikativer Kompetenzen, die stärkere Beschäftigung mit Sterben, Tod, Bestattung und Trauer, die Etablierung von Standardprogrammen, sowie die Vermittlung von Maßnahmen bezüglich allgemeiner Stressbewältigung und des Umgangs mit Belastungen durch Euthanasie und Trauer. Insbesondere Supervision scheint dringend nötig, wobei die Umsetzbarkeit in der täglichen Praxis problematisch scheint.

Die Intensivierung interdisziplinärer Vernetzung ist umstritten. Einerseits sei sie aufgrund besserer Verweisungsmöglichkeiten, des bereichernden Austauschs zu Fachfremden und zur Entlastung der Tierärztinnen zu befürworten – insbesondere zwischen Tierärztinnen und Tierbestatterinnen diene sie der besseren Verteilung von Kompetenzen und Zuständigkeiten – andererseits scheint die strikte Aufgabentrennung von Professionalität und Empathie nicht sinnvoll, da Halterinnen auch von Tierärztinnen Sozialkompetenz erwarten.

Uneinigkeit herrscht auch hinsichtlich tierärztlicher Trauerbegleitung. Tierärztinnen sollten sie einerseits nicht lernen und leisten müssen – sie wären überfordert und würden die Trauer zu stark vermenschlichen, außerdem seien nicht alle notendigen Kompetenzen erlernbar, adäquater Umgang resultiere vielmehr aus praktischer Erfahrung. Andererseits würden sie diese Aufgaben bereits erfüllen und wären auch am besten für die Betreuung betroffener Halterinnen geeignet, da anderen Stellen oft Hintergrundwissen oder Verständnis fehle und auch nicht alle Bestatterinnen über adäquate Schulung verfügten. Die Etablierung wäre dabei eventuell eher für urbane als rurale Gebiete sinnvoll.

(25)

15 Tabelle 1: Ursachen der Trauer um Tiere

Ursachen der Trauer um Tiere Fachärztin Psychosomatik Mensch-Tier-Beziehung (MTB): Tier als ewiges Kind, i.d.R. als Familienmitglied (als Kind höchstens in Anführungsstrichen, eher Kind-/Partner-Ersatz/guter Freund), Tagesstruktur (v.a. für Depressive Grund für morgendliches Aufstehen, Lebensinhalt, Lebensversicherung, Depressive lassen Tier nicht zurück); Trauer um Tiere: v.a. Mütter/ Ehefrauen in Familien, v.a. wenn Kinder ausgezogen, abhängig Nähe/ Fürsorgepflicht (bei Hunden am größten, bei Katzen/ Pferden/ Tieren ohne Fell nicht so stark), generell Spezies irrelevant, starke Trauer v.a. urban Forensische Psychologin MTB: besondere Qualitäten (bedingungslose Liebe, vorurteilsfrei, keine Veränderungsversuche, Tiere fügen sich in Konzept optimaler Beziehung, steigern Selbstwert, ändern Selbstkonzept), Tiere stärker tagesstrukturierend als Menschen (da ähnlich Kleinkinder); Vermenschlichung: logisch wegen menschlicher Sichtweise, war immer so, heute gesellschaftlich mehr akzeptiert (z.B. Tiere als Familienmitglieder, Trauer evtl. so schlimm/schlimmer); Trauer um Tiere: ähnlich Trauer um Menschen, Strukturverlust verstärkt Verlustschmerz, Intensität nicht wegen Euthanasie(fehlern); Einflüsse: Persönlichkeit, compliance, Ressourcen (Bildung, Kognition, Finanzen), Vorerfahrung, emotionale Stabilität, psychische Gesundheit

Diplom-Psychologin MTB: Tiere als Spiegel der Wünsche, Kontaktmöglichkeit, ähnlich Säugling (z.B. Entsorgung Frühgeburten) und anders (Hund mindert Verletzlichkeit); Trauer: Mensch psychisch nicht auf ewiges Leben eingerichtet, Kehrseite der Liebe/natürliche Reaktion auf Beziehungsverlust, keine Trauer- Typologie; Einflüsse: Todesumstände, Person Verstorbener/ Hinterbliebener (Sozialisation, Selbstbild), Lebens-/ Wohnsituation, Kultur, Alter, Todeserfahrung; Trauer um Tiere: anders (kein sozialer Tod, Euthanasie und Schuld, Krankheit und Tod enger verknüpft), Tier mit anderem Stellenwert (v.a. Hund ähnlich Mensch, trotzdem kaum Ersatzgedanke beim Menschen)

(26)

16

Ursachen der Trauer um Tiere Tierbestatterin MTB: Tier braucht lebenslang Unterstützung (Pflege extrem/intensiv, ähnlich behindertes Kind), viel Interpretation; Trauer um Tiere: ähnlich um Mensch, anders akzeptiert, kann stärker sein wegen engerer Bindung, Sterben anders (scheinbar kaum andere Bedürfnisse/kaum anders gepflegt); Einflüsse: Familienstand (Alleinstehende, bei Trennung Tier oft Verbündeter/ Partnerersatz, keine anderen Tiere, Frau in Familie mit klassischer Rollenverteilung am stärksten betroffen), Todesumstände (erster Tierverlust/Tod junger Tiere/ unerwartet schlimmer, kürzere Lebenserwartung klar, aber verdrängt), Euthanasie (Halterinnen haben oft Angst davor, meiden TÄ, bedingen Tierleid) Tierärztin MTB: Qualität (bedingungslos, kein Widerspruch, ehrlich); Trauer um Tiere: Beziehungsintensität entscheidend, Vorerfahrung (erstes Tier am schlimmsten, danach eher Ansprache der Euthanasie, mehr Vertrauen, weniger Angst); Vermenschlichung: teure Diagnostik gewünscht, Hund ist Kind, aber anders/symbolisch; Trauer- Typologie: etwa 10 % versteckt (40-60 Jahre, keine Teilnahme an Euthanasie, v.a.toughe/ oberflächliche Geschäftsfrauen, fragen selten nach richtigem Zeitpunkt, eher nach der Rechnung), 30- 40 % große Trauer (30-70 Jahre, Familienmenschen/denkende Empathische, informiert, Euthanasie daheim, oft alte Tiere, Halterinnen sehen Verfall/fragen nach Euthanasie), 13-22 Jahre oft hysterisch, älter als 70 Jahre i.d.R. gefasst/verstecken Trauer

Trauerbegleiterin Einflüsse: individuelle Mensch-Tier-Beziehung (keine Gewöhnung, jeder Tod mit anderer Qualität), Lebenssituation, Abschied, unverarbeitete Trauer, soziale Unterstützung, Todesumstände eigentlich nicht (Euthanasie/natürlicher Tod/lange Pflege belastend)

(27)

17 Tabelle 2: Folgen der Trauer um Tiere

Folgen der Trauer um Tiere Fachärztin Psychosomatik Rituale/Bestattung, Andenken: individuell nützlich, u.a. Hilfsobjekte (z.B. Handschmeichler zum Halt in der Realität/Stabilität), pompöses Begräbnis auch aus Überforderung/ mangelnder Vorbereitung aus der Not, evtl. schädlich (z.B. bei Depressiven oft Schuld, können nicht loslassen)

Forensische Psychologin keine Aussage zu dieser Thematik

Diplom-Psychologin Bestattung: Raum zum Ausdruck von Trauer, nicht zu lange (starke Trauerbekundung/pompöse Bestattung hält Trauer evtl. unnötig hoch/ vermenschlicht zu sehr), Bestatter auch Geschäftemacher (Tier kann keine Wünsche festlegen, Etablierung/Kultivierung von Zwängen/ Normen stark gefördert), personalisierte Gräber (Person bleibt präsent) vs. Chatrooms (Beiträge löschbar), Betroffene vergleichen oft ihre Trauer („Wer darf mehr trauern?“), Trauer ist keine Krankheit, aber kann krank machen (komplizierte Trauer als Steckenbleiben, selbst-/fremdschädigendes Verhalten, Unterdrückung, Verleugnung); Rituale: Trauernde brauchen Gefäße/Räume zum Ausdruck/ als Signal ihrer Betroffenheit/„noch nicht wieder voll funktionsfähig“, nicht esoterisch, sondern spirituelle Transzendenzerfahrungen

Tierbestatterin Tierbestattung: anders als bei Menschen (Vorreiter, Gestaltung freier)/im Ausland (kreativere Möglichkeiten), Wunsch unabhängig Finanzen, Alter, Geschlecht, Familienstand (oft alleinstehende Frauen v.a. wenn Kinder ausgezogen), Geschmack und Geldbeutel entscheiden über Art und Details, vorschnelle Fehlentscheidungen oft aus Angst (vor dem Umgang mit der Asche); Trauer: Dauer unterschiedlich, bei Paaren oft Streit wegen unterschiedlichem Trauerverhalten

(28)

18

Folgen der Trauer um Tiere Tierärztin Bestattung: Geld kein Entscheidungskriterium (Finanzierung über Spenden mögl.), eher persönliche Vorliebe/ Bedeutung, hilft beim Ausdruck von Respekt/ Wertschätzung, Beratung spätestens bei Eintritt/absehbarem Tod (z.B. alte Tiere); Andenken: Halterinnen bringen Foto des Tieres (meist mit Namen oder Datum, oft gerahmt zum Aufhängen am Empfang)

Trauerbegleiterin Rituale: helfen beim Begreifen, wichtig für gesunde/angemessene/ individuelle Trauer, wichtig für alle Lebensabschnitte (z.B. Heirat, Geburt), v.a. in Kirchen/Religion, auch außerhalb nötig (Suche danach wird stärker), Halterinnen wollen Rituale, aber anders als bei Menschen (z.B. Trauerreden); Bestattung: auch anonym bedeutet nicht Vergessen, immer auch Geschäft

Tabelle 3: Umgang mit trauernden Tierhalterinnen

Umgang mit trauernden Tierhalterinnen Forensische Psychologin Trauernde: TÄ muss Erlebnis als schlimm erkennen; Einschätzung: der Halterinnen (immer mit Respekt, sinnvoll, da Aufklärung/ informed consentunterschiedlich effektiv, mittels Messinstrumenten, Interaktionsbeobachtung, Art/Erscheinung/Geschichte/Motivation zur Tier-Beziehung als Indikatoren) (aber: Vergangenheit/Erfahrung nicht zwingend zukunftsweisend, Muster treffen auf Mehrheit, aber nicht alle zu), des Euthanasie-Zeitpunkts (TÄ Expertin, erfahren, erkennt Symptome); Vorbereitung Euthanasie: Reflexion Mensch- Tier-Beziehung, Beschäftigung mit Tötungsfrage, Anleitung bei Tod/ Trauer um Tiere (aktiv enttabuisieren, gesellschaftliches Problem: Themen haben nicht eig. nötigen Status, eig. sollten schon Kinder Umgang lernen); Kommunikation: Wortwahl, Vorsicht bei Details (individuelle Verarbeitung), Unterstützung zusichern, Analyse der Klientenwünsche im Gespräch immer positiv (subjektives Empfinden der Mitentscheidung), ermöglicht kleine Zugeständnisse; Durchführung: Vorgang erklären, Flexibilität, Akzeptanz, Empathie, winzige Zugeständnisse können große Wirkung haben (z.B. angemessener Aufschub für Abschied)

(29)

19

Umgang mit trauernden Tierhalterinnen Trauerbegleiterin Trauernde: oft starkes Redebedürfnis (individuell), Mitteilung/Zuhören für Verarbeitung wichtig, gemeinsame Trauer hilfreich/enttabuisiert; Kommunikation: sobald Tod absehbar, klare, empathische Aussagen über Endlichkeit (genauer Zeitpunkt schwierig), v.a. bei Kindern keine Euphemismen, Information zu Ablauf/Umgang mit Bestattung/ Unterschiede zu Menschen, Fragen klären, Angebot zum Gespräch, Broschüren/ Information über Begleitung/Bestattung; Durchführung: Euthanasie daheim besser, Ruhe, Sicherheit ausstrahlen; Nachsorge: bei Aufbahrung/Abholung, Zustand des Toten vor der Tür beschreiben/erklären, kurz im Raum bleiben, evtl. Ritual begleiten, dann allein lassen

Diplom-Psychologin Kommunikation: wichtig (Äußerungen bleiben haften), weniger medizinisch/fachlich exakt, Wortwahl, Empathie, Sprachlosigkeit darf geäußert werden; Vorbereitung Euthanasie: Halterin muss tierliches Befinden/Sterben/Zumutbarkeit seiner Handlung/ Entscheidung verstehen; Durchführung: Rituale für Abschied/Bestattung bieten (z.B. auf Website, Bestattungsbox für alle Tiere, Fotos/Blumen/Beigaben erlauben), Umgang mit Toten normalisieren (ist Bedürfnis, aber oft Unsicherheit/Angst, hilfreich für Realisierung/Abschluss/Akzeptanz/Zurechtkommen/Weitereben), nicht-Bestattung nicht pathologisieren (Beseitigung hartes Wort, Hinweis auf Energiekreislauf/etwas Schönes/Nützliches entsteht), individuelle Bewältigung statt Bestattungsindustrie unterstützen (z.B. Empfehlung unabhängiger Tierfriedhöfe, Krematorien/Bestatter davor besuchen), Erinnerung und Weiterleben fördern (z.B. auf Website sowohl Chatroom/virtuellen Tierfriedhof als „Trauerraum“/ „Erinnerungsportal“/ Gedenkstätte anbieten, als auch Rubrik „zurück ins Leben“ mit Adressen von Tierheim, Tierschutzverein, Hundesitting u.a.); Nachsorge: bei depressiven Halterinnen wichtig (jüdische Tradition: erste Tage „Aufpasser“ bei Betroffenen), eingreifen bei selbst-/fremdschädigendem Verhalten (Angehörige/soziales Umfeld erfragen/mobilisieren, Eingriff in Privatsphäre/Bevormundung kommunizieren: „Ist es in Ordnung, wenn ich XY anrufe?“)

(30)

20

Umgang mit trauernden Tierhalterinnen Fachärztin Psychosomatik Einschätzung: Urteil über Trauer/Umgang mit Verlust steht Dritten nicht zu, Tragfähigkeit soziales Umfeld wichtig (massive Probleme bei Isolation und psychischer Störung mögl.), kaum vorherzusehen durch TÄ (evtl. bei genauer Kenntnis Familienstruktur, v.a. dörflich, in Großkliniken kaum mögl.); Kommunikation: essenziell, Wünsche/ Bedürfnisse/Schuld erfragen/ ösen helfen, bei Weigerung zu neuem Tier Ursachenforschung, Lebensbejahung hinweisen; Vorbereitung Euthanasie: Tier-Beziehung erarbeiten/reflektieren, Information/frühzeitige Aufklärung über Bewältigungsmöglichkeiten/Tod/Sterben/Trauer (individuell sinnvoll/hilfreich), Entscheidung über Ort Besitzerinnen überlassen, einzelne Bestattungsmöglichkeiten und negative Aspekte/ „Risiken“ aufzeigen; Nachsorge: neue Tiere prinzipiell sinnvoll (gezielt anregen, nicht drängen)

Tierbestatterin Trauernde: wollen Fürsorge, Entlastung, schönen Abschied, Fragen klären, hohes Mitteilungsbedürfnis (posten/reden viel), sind i.d.R. dankbar für Mitgefühl; Kommunikation: empathisch („ihr Schatz/Name des Tieres“, i.d.R. per „du“), Wünsche klären (z.B. welche Infos, wann, wie) (z.B. per WhatsApp/Mail/Telefon wenn Tier im Krematorium/kremiert/abzuholen); Vorbereitung Bestattung: Kontakt i.d.R. bei plötzlichem Tod/naher Euthanasie, Vorgespräch hilft immer bei Verarbeitung, Aufklärung (Ort, Ablauf, Kot/Urinaustritt bei Tier, Termin), v.a. bei Angst/Hilflosigkeit Tipps (z.B. Verwesung abhängig Größe/Alter, wg. Geruch/Austritt Kot/Urin Abdecken, Lagerung bei Hitze/Kälte, bei Verzögerung Bestattung in Eis, Möglichkeiten/Vorschläge Gestaltung von Gedenkplatz/Bestattung), optimal Formalien vor Tod, Rechnung bei Aufklärung/Rückgabe der Urne ansprechen (Bezahlung, wenn Tier daheim/Dienstleistung abgeschlossen); Durchführung: Absprache individuell, vor Abholung wichtige Details klären (Etage, Gewicht des Tieres, Bahre nötig, Parkplatz, Preise), evtl. Zeit für Abschied, mit Plüschherz o.Ä. Abgabe kompensieren, Umgang individuell/ intuitiv, Gefühle zeigen/weinen erlaubt (auch von Trauer betroffen), aber gewisse Distanz nötig (können nicht jedes Mal zusammenbrechen)

(31)

21

Umgang mit trauernden Tierhalterinnen Tierärztin Trauernde: kommen wegen Empathie (nicht wegen Fachkompetenz), Umgang durch Bestatter auch „zu mitfühlend“, wollen mit Sorgen um Tier ernst genommen werden; Kommunikation: Absprache Ort (Praxis/daheim), Trauer normalisieren/Schamgefühle nehmen, i.d.R. Euphemismen, „tot“/ „gestorben“ abhängig der Sprache Halterinnen (gleiche Sprache wichtig für Verständnis), Empathie/„einschwingen“ auf Besitzerinnen, anschaulich, verständlich, Balance aus Reden und Zuhören, Lernen und Erfahrung wichtig; Vorbereitung Euthanasie: Ansprache Tod/Euthanasie abhängig von Vertrauen, nicht bei jungen Tieren (Thema uninteressant, wäre nicht besonders lebensbejahend), i.d.R. bei Krankheit/schlechtem Allgemeinbefinden, i.d.R. sprechen Halterinnen selbst an/ keine Fragennach „warum“, gibt bei Euthanasie-Verweigerung letzte Chance (Tier entscheidet)/wenn religiöse Gründe hindern (z.B. Buddhismus) kein Gegenreden (Angebot von Alternativen, z.B. Schmerzmittel für natürlichen Tod), bei Wunsch nach natürlichem Tod Grund erfragen/Schmerzmittel gut einstellen (i.d.R. kommen Besitzerinnen später doch zur Euthanasie), eigenes Hinterfragen moralischer Richtigkeit bleibt (positiv, zeigt Bewusstsein); Durchführung: vorher Aufklärung über Ablauf/Reaktionen des Tieres, „Text“ festlegen, ruhiger/gefasster Umgang entdramatisiert, Trauernde merken Details, muss schnell gehen, 100 % Aufmerksamkeit, immer intim (alle eng am Tier, Besitzerinnen ohne Maske/verletzlich), daheim Hund evtl. Problem (TFA u.a. als Zeugin dabei), ganze Familie sollte dabei sein (auch Kinder), bei unterdrückter/versteckter Trauer zum Ausdruck ermutigen, Taschentücher bereitstellen, i.d.R. kein Mitweinen, aber fallabhängig umarmen/Anteilnahme zeigen/Eigenerfahrungen berichten, Kosten/Rechnung bei Notfall fast nie angesprochen („gutes“ Ende wichtiger als Geld), i.d.R. Kosten bewusst/Bezahlung die nächsten Tage (bei Hund nötig für Steuer- Abmeldung), Rechnung mitgeben/nach zehn Tagen schicken; Nachsorge: Halterinnen nach Hause fahren (TÄ und TFA fahren mit zwei Autos), bei Suizidanklang Gesprächspartner erfragen/zu Hilfe raten, keine Kondolenz (08/15-Sprüche helfen keinem)

(32)

22 Tabelle 4: Änderungsbedarf im tierärztlichen Beruf

Änderungsbedarf im tierärztlichen Beruf Tierbestatterin Aufklärung Sterben/Tod/ Trauer: früher, mehr richtige Information (viele Fehlvorstellungen, z.B. oft Angst vor Vermischung der Asche), Tod nicht ausklammern (z.B. Fibel mit Infos zu Impfung, Ausland, Tod = umfasst ganzes Tierleben), Bewusstsein für Kosten bei Tod/ Krankheit schaffen, Öffentlichkeitsarbeit/ Entdramatisieren (Thema offener/stärker angehen); Nachsorge: v.a. älteren Alleinstehenden Kontakt Tierschutz/Tierheim herstellen/alte Tiere vermitteln; Sozialkompetenz: mehr Verständnis für Situation Halterinnen; Interdisziplinarität: Vernetzung mit Bestatter verbessern (v.a. bzgl. Bonität Halterinnen), für TÄ Reputation („leistet mehr“ als andere)/mehr Zeit für Besitzerinnen/Kompetenzen/Aufgaben „besser“ verteilt

Forensische Psychologin Begleitung: für TÄ Überlastung (machen implizit schon), Beileid/Gespräch schon bei Euthanasie-Durchführung genug Belastung; Aufklärung Sterben/ Tod/Trauer: Lebenserwartung sollte größeres Thema sein (schon Beginn der Beziehung auf begrenzten Zeitraum hinweisen, TÄ „begleitet jetzt durchs Leben“), früh Beschäftigung anregen (Entscheidung)/vorbereiten; Sozialkompetenz: Flexibilität/Akzeptanz/Empathie sollten Kernfähigkeit sein, bewusst Verhalten gegenüber Halterinnen (Problem: Schubladendenken)/statt Einschätzung motivational interviewing (Bedürfnisse/Wünsche fragen, nicht bewerten, positiv verstärken, Veränderungsprozess begleiten); Reflexion: TÄ sollte mehr über Tod/ Sterben nachdenken (Bedürfnis zu Heilung vs Akzeptanz des Todes); Supervision: intensivieren, auch allg. Stressprävention; Interdisziplinarität: v.a. bei Trauer intensivieren, Verantwortungsgrenzen (an-)erkennen, Standardprozesse etabliert (z.B. ähnlich Humanbereich: nach Bestattung i.d.R. Einladung zu Trauergruppe), Vernetzung, Verweis an entsprechende Professionen (großes Problem: nur wenig spezielle Schulungen/ Psychologen/Therapeuten spezialisiert auf Tierhalterinnen)

(33)

23

Änderungsbedarf im tierärztlichen Beruf Fachärztin Psychosomatik Aufklärung über Trauer: optimieren/ früher (v.a. bei enger Beziehung/ Alleinstehenden), Information über Trauer/Möglichkeiten zur Bewältigung, Erarbeitung/Reflexion der MTB; Durchführung: Tierkörperverbleib in Praxis schöner gestalten (z.B. „Bestattungsbox“), eigener Raum für Euthanasie

Diplom-Psychologin Begleitung: TÄ sollten keine zurück ins Leben leisten (überfordert)/keine Trauergruppen initiieren/ unterstützen (Einzelbetreuung/Beratung anstrengend, benötigt nicht jeder, würde Trauer um Tiere künstlich verstärken, „Es geht um Tierliebe, nicht um Partnerverlust.“); Aufklärung über Trauer: intensivieren/etablieren, Trauerphasen (sehr starr, aber helfen bei Abschluss/Ordnen im Nachhinein/ fördern Akzeptanz/Normalität/räumen Zweifel aus), besser Duales Phasen-Modell; Durchführung: Tierkörperverbleib in Praxis als pietätvollen Abschied gestalten (z.B. „Bestattungsbox“für alle Tiere mit Henkeln für Transport), Adaptation Abschiedsrituale aus Palliativmedizin (z.B. letzte Waschung: Ersatzhandlung beim Tier = in die Schachtel betten, letzte Worte etc.), Foto anbieten/mit Kondolenz versenden; Nachsorge: Kondolenz („in Mitgefühl Ihre TA-Praxis“, keine 08/15-Bibelsprüche, nicht „in aufrichtiger Teilnahme“, nicht mit Rechnung), keine Bilder/ Fotos/ Gedenkwand in Praxis (Mensch als Individuum erinnert, Tier eher Beziehung/ Funktion, nicht angebracht im öffentlichen Raum), trotzdem Erinnerung signalisieren (z.B. bei „ersten Malen“/ Jahres-/ Geburts-/Todestag, aber: wie lange Trauer für Tier einräumen?), Tierkontakte fördern (neues Tier/Partner legitimieren), positive Erlebnisse initiieren (z.B. Einladungen zu Aktivitäten mit Tieren z.B. Hinweise/Adressen von Tierheim etc. in Praxis auslegen); Nachsorge: bei Depressiven (Für)Sorge intensivieren, „Kontrolle“ nach 3-4 Wochen (z.B. über Kontakt mit Besuchsdienst/Seelsorgern/Tierschutz/-heim, ob Trauernde sich gemeldet haben); Interdisziplinarität: Trauergruppen/Kontakte gegen Alleinsein/Aktivitäten empfehlen

(34)

24

Änderungsbedarf im tierärztlichen Beruf Tierärztin Begleitung: nicht auch noch lernen müssen (für manche TÄ sinnvoll, aber: lernbar/v.a. Erfahrung?), urban evtl. sinnvoll/rural eher unnötig, Begleitung bei Trauer um Tiere „einmaliger“ als bei Menschen (bedingungslosere Beziehung = bedingungslosere Trauer, Dritter kann evtl. nicht/ schlecht verstehen, daher TÄ eig. schon am besten geeignet); Nachsorge: Gespräch direkt beim toten Tier/bei zufälligen Begegnungen, spezifisches Angebot eig. nicht sinnvoll (Gespräche auch bei Bestatter/in Krematorien, TÄ nicht mehr 100 % „in der Situation“, Wochen später evtl. nicht hilfreich), auf Wunsch Angebot mögl. (sollte dann behandelnde TÄ führen), liquidieren schwierig (evtl. als Tierschutz-Spende); Reflexion: eigener Standpunkt zu Euthanasie/Tod/Trauer (dann erst Vorbereitung Besitzerinnen mögl.); Supervision: angebracht (TÄ leiden unter Euthanasie) (aber: in welchem Rahmen? Seminar auf Kongressen? Gesprächsrunden wie Trauercafé?); Interdisziplinarität: Kooperation örtliche Krematorien/Bestatter (Provision nur, wenn Besitzerin zustimmt); Lehre: schon vor Studium psychische Belastungen ansprechen (Fallbeispiele), explizit auf Euthanasie vorbereiten (Vegetarier mit Abneigung/berufliche Notwendigkeit des Tötens nicht bewusst), Kommunikationstraining extrem wichtig (z.B. Rollenspiele, Körpersprache, stereotype Aussagen,Dos & Don’ts, Leitfäden, Fallbeispiele), Vorbereitung auf eigene Reaktionen/ Normalisierung, Kenntnisse über Trauer (TÄ muss verstehen/sich auf Trauer/Reaktion von Tier/ Mensch einstellen/reagieren, mit eigener Reaktion umgehen können)

Trauerbegleiterin Begleitung: jeder kann helfen, Wissen über Trauer auch nicht bei allen Bestatterinnen; Interdisziplinarität: Austausch mit Fachfremden zu kritischen Themen intensivieren, Perspektivwechsel forcieren, Trauerbegleiterinnen an Praxis anschließen (Problem: Finanzierung, in Hospiz ehrenamtlich, Trauergruppen i.d.R. kostenfrei im Hospiz/ Krankenhaus/über Spenden), engere Zusammenarbeit Psychotherapie/professionelle Begleitung; Lehre: Trauer Wissen/Schulung zu Umgang

(35)

25

2.2. Explorative Analyse: fragebogenbasierte Halterbefragung zur Trauer um companion animals

Von September 2017 bis September 2019 lief am Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover das durch das BMBF geförderte BELECAN-Projekt mit dem Ziel der Veröffentlichung eines Buches bestehend aus den Schilderungen betroffener Halterinnen über persönliche Erlebnisse und Erfahrungen mit der Trauer um ihre Haustiere. Im Rahmen dessen fand auch die folgende Erhebung statt.

2.2.1. Ziel der Befragung

Wie die Experteninterviews dient die explorative Halterbefragung der Felderkundung, Informationssammlung, Präzisierung und Prüfung der Forschungshypothese.34 Die

Kombination verschiedener Methoden stärkt durch verschiedene Blickwinkel das empirische Fundament der Forschungsaussagen.35 Die Erhebung der Halterinnenerfahrungen ist in der Relevanz der Perspektiven sowohl Professioneller, als auch Betroffener begründet – Einblicke in subjektive Befindlichkeiten, Wünsche und Ansprüche sollen Bedarf, Praxisbedeutung und Notwendigkeit tiermedizinischer Trauerbegleitung nach US-Vorbild in Deutschland klären, sowie das Themenverständnis für die Trauer um Tiere weiter befördern. Im Unterschied zu den Leitfadeninterviews ist nicht der Vergleich einzelner Standpunkte, sondern die

Betrachtung unterschiedlicher Aspekte der Trauer um companion animals auch zur Kollation mit Forschungserkenntnissen hinsichtlich der Trauer um Menschen von Interesse.

2.2.2. Aufbau des Fragebogens

Fragebögen liefern theoriegeleitete Ergebnisse für viele Forschungsfragen. Offene Fragen ermöglichen differenzierte Einblicke in persönliche Sichtweisen und Überzeugungen – sie werden zu inhaltlichen Themenblöcken zusammengefasst und diese in logische Reihung gebracht. Die Erhebung personenbezogener Daten kann zu Beginn erfolgen.36

Folglich schließen sich an die initiale Erhebung der quantitativen Daten von Todeszeitpunkt und der Anschaffung eines neuen Tieres in chronologischer Folge die einzelnen

34 Vgl. Helfferich (2014)

35 Vgl. Schecker et al. (2014), S.12

36 Vgl. Tiemann et al. (2014), S. 283-286 und S. 295, Hammann et al. (2014), S. 169-170

(36)

26

Themengruppen mit detaillierteren Unterfragen an – Halterinnen sind nacheinander zur qualitativen Schilderung ihrer Erinnerungen an das Sterben und den Tod ihres Tieres, ihrer Gedanken und Gefühle unmittelbar nach dem Verlust, zum aktuellen Zeitpunkt und bei Erinnerung des Erlebnisses, ihrer subjektiven Einschätzung hinsichtlich Schwere und Vergleichbarkeit mit anderen Verlusten, ihrer Möglichkeiten zur Trauerexpression, ihrer Bewältigungsstrategien, ihrer Gründe für oder gegen eine Bestattung, deren Gestaltung, ihrer Jenseitsvorstellungen für Tiere, Kinder, gute und schlechte Menschen, sowie ihrer Nutzung bestimmter Orte oder Gegenstände zum gezielten Gedenken aufgefordert und um die

Unterzeichnung der eigens konzipierten Datenschutz- und Urheberrechtserklärung gebeten – dabei besteht die Möglichkeit selektiver Einschränkung der Datennutzung auf einzelne der insgesamt vier Veröffentlichungsmodi des Projektes. Diese sind das Buch in gedruckter oder digitaler Form, ein Blog als digitales Projekttagebuch und die vorliegende Dissertation.

2.2.3. Anschreiben an Tierbesitzerinnen

Mittels öffentlichen Aufrufs über das Internet, verschiedene Printmedien und den Hörfunk sind betroffene Tierhalterinnen auf das Forschungsprojekt aufmerksam gemacht und um Teilnahme gebeten, außerdem über die Verfügbarkeit der Datenschutzerklärung und des Fragebogens als PDF-Formate, sowie näherer Informationen zum Vorhaben im eigens eingerichteten Bereich der institutseigenen Homepage informiert worden. Auf Nachfrage einzelner Halterinnen erfolgt postalische oder digitale Zusendung der Materialien.

Bearbeitung und Einsendung sind unmittelbar digital oder in gedruckter Form möglich, als Referenz fungieren dienstliche Postanschrift und E-Mail-Adresse der Verfasserin dieser Arbeit.

2.2.4. Datenerhebung

Der neunmonatige Erhebungszeitraum dauerte vom 02.05.2018 bis einschließlich 31.01.2019.

Aufgrund der dualen Datennutzung im BELECAN-Buchprojekt und der Dissertation erfolgt auch die Sammlung von Informationen ohne Relevanz für diese Arbeit – sie fließen nicht in die Ergebnisse ein. Gezielt erhoben werden Datum oder Jahr des Todes, Anschaffung eines neuen Tieres und die qualitativen Responsionen auf die offenen Fragen.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Ich bin damit einverstanden, dass meine oben angegebenen Daten über die Datenverarbeitung gespeichert und an den Tierseuchenfonds, an die Landwirtschaftliche Kontroll-

Vielleicht drückt das Kind die Trauer aber auch einfach anders aus als durch Weinen; es geht mit der Trauer im Spiel um, ist dabei oder allgemein möglicherweise aggressiver,

Für den Fall, dass Sie sich an vieles nicht erinnern können, dann ist das einer der Wege, die Sie zum Überleben gegan- gen sind: Sie haben diese für Sie erschütternden Stunden an

Das Thema Sterben, Tod und Trauer oder auch Sterbende und deren trauernde Angehörige sind hier nicht eingeplant, aber Realität.. Dies verdeutlich die

Fortbildung Informationen, hilfreiche Tipps und Gestaltungs- möglichkeiten anbieten, die Kindern und OGS-Mitarbeiter*innen Orientierung und Sicherheit im Umgang mit Tod

Und indem die Amen-Fuge zwar scheußlich klingt, aber wie ähnliche Musik durchaus der Kirchen- musik-Tradition entspricht, können wir im Hinblick auf die Ratte selbst auch

Ulla liebt ihre fröhliche, immer lachende Mutter, eine erfolgreiche Dokumentarfilmerin, noch ein bisschen mehr als Papa, den bekannten Bildhauer, doch das sagt sie ihm

Doch zunächst wird im Folgenden ein Blick auf die Vergangenheit geworfen, um Aufschluss darüber zu bekommen, ob und inwiefern sich der Umgang mit Tod und Trauer im Laufe der